Einfach Buletten (nach Goethe)

Für die ersten Tage nach der Heimkehr von Frau L. benötige ich vorgekochte Essensvorräte, die sich einfach aufwärmen lassen. Wie sagte einst (in einem TV-Film in den 80-er Jahren) die reife, bezaubernde Christine Ostermayer zu dem jungen, hungrigen Flachmaler, der ihre Wohnung auffrischen sollte: „Ich hab noch Buletten im Eisschrank“ worauf sich zwischen den beiden eine amüsante Romanze entwickelte.

Buletten, Fleischpflanzerl, Hacktätschli und Romanze? Geht das überhaupt zusammen? Ohne den Charme der Frau Ostermayer nur schwer vorstellbar. Der Staudensellerie mit Kapern springt zwar mit mediterraner Grazie in die Lücke, doch erst Schwerenöter Geheimrat Herr von Goethe weiss die Lösung: Albóndigas müssen es werden, bei mir eine wild-wirre Mischung mit Ingredienzien aus Orient und Okzident, textgetreu nach dem west-östlichen Diwan:

Wer sich selbst und andere kennt,
Wird auch hier erkennen:
Orient und Okzident
Sind nicht mehr zu trennen.
(J.W. v. Goethe)

Zutaten

für 15 Hacktätschli zu 60 g
500 g Kalbfleisch (L.: Kalbs Spider Steaks)
250 g Schweinshaxe الله يغفر (ohne Knochen, Knorpel und Schwarte)
3 Elf. Brotbrösel aus eigenen Sauerteigbrotresten
40 g Weissmehl
2 Stengel Petersilie, feingehackt (nur die Stengel)
1 Peterliwurzel, klein, feinst gewürfelt
1 Knoblauchzehe, feingehackt
1 TL (3 g) Korianderkörner
1 TL (3 g) Kreuzkümmel (Cumin)
1 Ei
Salz, Pfeffer, Piment d’Espelette
1 TL Paprika
2 rote Peperoni, geschält, feinst gewürfelt (davon die Hälfte reservieren für die Sauce*)
1 Peperoncino, entkernt, in kleinsten Würfeln
1 Spalte Salzzitrone, feinst gewürfelt
Olivenöl zum halbschwimmend fritieren

Tomatensauce:
3 Elf. Olivenöl
100 g Zwiebeln, gehackt
2.5 dl Tomatenpassata
Peperoniwürfel von oben *)
Salz, Pfeffer, Piment d’Espelette

Staudensellerie mit Kapern: (nach Fel!x Kitchen: Flavour Pairing)
3-4 Stangen Staudensellerie, Fäden abgezogen oder geschält, in ca. 8 mm Scheiben geschnitten
1 TL Salzkapern, gewässert
1 Schalotte, geschält, in feinen Streifen
1 Knoblauchzehe, fein gehackt
15-20 g Butter
Salz, Pfeffer
wenig Gemüsebrühe

Zubereitung

(1) Peperoni den Einbuchtungen entlang aufschneiden, entkernen und Innenseite nach unten auf einem mit Backpapier belegten Blech im auf 220°C Grill/Umluft legen, bis die Peperonihaut verbrannte Blasen aufweist. Herausnehmen und mit angefeuchtetem Küchenpapier bedecken. Nach Erkalten Haut abziehen und das Fruchtfleisch fein würfeln.
(2) Das kalte Kalbfleisch und Schweinshaxe würfeln und wolfen. Fleisch mit den Brotbröseln ausstossen.
(3) Peterlistiele, -Wurzel, Knoblauch und Peperoncino in wenig Olivenöl kurz dünsten.
(4) Koriander und Kreuzkümmel in einer Pfanne trocken erhitzen bis die Gewürze duften.
(5) Das Hackfleisch mit allen Zutaten gut verkneten (vorzugsweise mit dem Flachschläger einer Küchenmaschine) bis die Masse gut bindet. Gut nachwürzen.
(6) von Hand 60 g schwere Bällchen formen, Bällchen in wenig hellen Brotbröseln wälzen und zugedeckt im Kühlschrank bis zum Garen beiseite stellen.
(7) Die Bällchen in Olivenöl halbschwimmend bei 160°C ca. 5 Minuten fritieren. Aus dem Ölbad nehmen und warm stellen. Wer sich beim Würzen unsicher ist, brät zunächst ein kleineres Fleischbällchen fertig und probiert. Die Fleischmischung falls nötig nachwürzen.

Sauce:
(8) Zwiebeln in einem großen Topf mit dem Olivenöl andünsten, dann die Tomatenpassata hinzugeben und ca. 30 Minuten leise köcheln. Gegen Ende die Peperoniwüfel unterziehen und mit Salz, Pfeffer und Piment d’Espelette abschmecken.
(9) Die Fleischbällchen in die Sauce geben oder die Sauce zu Pasta servieren oder zusammen mit einem Kartoffelstock mit viel Butter.

Staudensellerie mit Kapern:
(10) Schalotte, Knoblauch und Kapern in der Butter kurz andünsten.
(11) Staudensellerie zugeben, würzen und mit wenig Wasser oder Gemüsebrühe offen weichgaren, bis die Flüssigkeit stark eingekocht ist.

mit Kartoffelstock aus Andengold und gehacktem Wirsingherz

Seit 2 Tagen ist Frau L. wieder zuhause. Entkräftet und völlig immobil. Von oraler Nährstoffsupplementation mit Karamell- und Vanillearoma im Leben gehalten. Da kommt Arbeit auf mich zu. Da muss ich etwas ändern.

32 Kommentare zu „Einfach Buletten (nach Goethe)“

  1. Ach, ja – viel schwere Arbeit ist dieses liebevolle Tun. Geben Sie aber das „selberkochen“ nicht auf – auch das ist schwer, wenn das Ergebnis nur noch der eigene Gaumen zu schätzen weiß!

  2. Mit grosser Fraid han‘ i dr letschti Abschnitt gläse. D‘ Frau L. isch wiider dehai! Au wenn meh Arbet uf di zuekunnt, so isch‘ es doch e ganz e ander Läbe wenn zwai am Tisch sitze. P.S. Und Frkadelle goht immer.
    I wynsch Eych e scheene Subbtig.

      1. Ach wie schön, versuchen Sie doch mal #Eintöpfe# die Erfahrung machte ich mit meiner Mutter. Vertrauter Geschmack, kein erschrecken wie das wohl gegessen werden soll…. dann kommt Vertrauen und Erinnerungen und plötzlich kann man auch wieder anderes servieren Viel Kraft und Zuversicht wünscheichIhnenBeiden

  3. Lieber Robert, es wird sich einiges einspielen im neuen Leben mit Frau L, nur Mut. Es ist auch keine Schwäche, sich Hilfe zu holen.
    Es gilt, mit den eigenen Kräften hauszuhalten, lange bevor es an die Substanz geht.
    Und überhaupt: Goethe hätte das Gericht sicher gerne gemocht, den Staudensellerie mit Kapern habe ich dabei fest im Blick, das ist eine tolle Idee.
    Christine Ostermayer in den Münchner Kammerspielen, lange ist es her, ich bin eben auch schon ziemlich alt, sie ist eine der ganz großartigen Schauspielerinnen im deutschen Sprachraum.
    Liebe Grüße und weiterhin viel Glück von Kebi

  4. als ich welpe 🐶 earl zu mir holte, gabs einen moment lang „nur“ suppe & brot oder käse & kartoffeln.
    du musst superman 🦸🏻‍♂️sein.
    ich wünsche euch alles gute!
    👋🏼❤️🐝👑🐶

  5. Na wenn das kein Rekonvaleszentenessen ist, dann weiß ich auch nicht weiter! Ich wünsche eine gute Eingewöhnungszeit und schicke liebe Sonntagsgrüße

  6. Lieber Robert,
    Sie geben sich so unglaublich grosse Mühe, um mit Ihren schönen Gerichten Frau L. aufzupäppeln. Obwohl mein Mann immer sehr gerne ass und ein schneller Esser war – er würde davon kaum was runterbringen. Kaut ewig und mag nach dem dritten Bissen nicht mehr schlucken.
    Diese (liebevoll genannte) Astronautennahrung nimmt er wenigstens ab und an gerne. Gibt es als Drink in 6 Geschmacksrichtungen (Pudding lehnt er ab). Da muss er nicht kauen und das Schlucken geht. So bekommt er dann doch mal 300 kcal in den Magen.
    Ich wünsche Ihnen weiterhin alles Gute.
    Gruss, Irmgard

    1. Das ist hier auch so. Für 5 EL Müesli zu verabreichen brauche ich 3/4 Stunden. Aber das Zeug aus dem Plastikfläschchen mag sie nicht.

  7. Lieber Robert,
    sicher eine schwierige Umstellung. Jetzt heißt es aber Schritt für Schritt. Und setzen Sie bitte die Schritte klein, ist besser so für beide. Wie wäre es denn zu Beginn mit ein paar g’schmackigen Cremesuuppen? Da haben Sie doch sicher einiges auf Lager. Und erst dann im nächsten Schritt die Sachen, die leicht flutschen. Ich vertraue da ganz und gar Ihrer kulinarischen Phantasie.
    Und was die Kritik anbelangt, die Ihnen derzeit von Ihrer Lieblingskritikerin fehlt, springen wir vorderhand doch gerne ein.
    Alles Gute aus Wien
    Gruss Amanda

    1. Danke! Mein sonst so geliebter Linseneintopf fand heute keine Gnade, wurde wieder ausgespuckt. Pürieren führte zum selben Resultat. Ich fürchte, Phantasie wird nicht viel helfen. Jetzt hilft nur noch ausprobieren.

  8. Lieber Robert,
    das klingt leider nicht gut. Dass es deiner lieben Frau L. so ergeht, tut mir sehr leid.
    Ich wünsche euch beiden von Herzen, dass sich die Situation sehr bald verbessert und es für euch beide wieder einfacher wird.

    1. ich glaube nicht, dass sich Demenz bessert, das ist ein stufenweiser, langsamer Abstieg. Hoffen wir, dass sich die Plateaus ein wenig lang machen. Danke für die guten Wünsche.

  9. Ich bin seit Langem ein Fan Ihres Blogs, Kochen und anderweitig. Es tut mir leid zu lesen, was Ihrer Frau und Ihnen widerfahren ist. Ich schreibe daher heute als foodie und als Wissenschaftlerin mit Experten know-how zu Dysphagie und oraler Essensaufnahme. Dazu gibt es eine Menge, auch wenig bekannte Informationen auf unsere (nicht-kommerziellen) website maxfacts.uk — die sich mit allen Aspekten von ‚maxillofacial surgery‘ beschaeftigt, einschliesslich Dysphagie und oraler (und nicht-oraler) Essensaufnahme.
    Bitte melden Sie sich, wenn ich mit weiterem Rat helfen kann — die Situation fuer Patienten mit neurologischen Konditionen ist ein wenig anders als fuer maxillofacial patients.

    1. Herzlichen Dank für den link auf ihre website. Beeindruckend das real-time MRI des Schluckvorgangs. Ich werde mich nächste Woche mit einer Dysphagie-Therapeutin in Verbindung setzen. Seit gestern geht das Schlucken (plötzlich) wieder etwas besser. Daraus schliesse ich, das mit einer Therapie noch etwas zu machen ist.

  10. Lieber Herr R.,
    mit viel Bedauern habe ich letzthin hier und in den Kommentaren gelesen. So lange ist es doch gar nicht her, dass ich mich an Frau L. als charmante Tischnachbarin erfreuen durfte?
    Seien Sie meiner Anteilnahme versichert…
    Als Nur-Gelegenheits-Koch mit sehr überschaubarer Begabung finde ich für bestimmte Situationen (v.a. ohne die talentierte Frau T. in der Franche-Comté) in Ihrem Blog immer wieder Inspirationen für einfache Gerichte, denen auch ich gewachsen bin. So diese Woche für den Hörnli-Auflauf inspiriert von Frau L., den ich nach einem befrachteten Arbeitstag für mich und meinen ‚kleinen Bruder‘ zubereitet habe. Beim Genuss habe ich an Sie beide gedacht. Sie werden es mir wohl nachsehen, dass ich den Sbrinz aus Verfügbarkeitsgründen durch Comté ersetzt habe.
    Auch wenn dies wohl momentan noch weit entfernt ist: Sollten Sie Ihre Reiseprojekte in der Franche-Comté auch einmal etwas nördlicher ins Vallée de l’Ognon verschlagen, wäre Ihnen da ein Gästezimmer stets sicher.
    Mit den herzlichsten Grüssen,
    Felix Ackermann

    1. im Moment läuft hier auch alles aus Zeitgründen auf der einfachen Schiene. Herzlichen Dank für ihr tolles Angebot, wenn man denn wieder einmal frei reisen darf. Nevers, Sancerre, Auxerre, Troyes oder Nancy wären mit einem Zwischenhalt in Reichweite einer 2-Tagestour. Hmmh. Was für Aussichten!

      1. Danke sehr!
        Es freut mich, wenn Sie daran denken.
        Weiterhin schweben anteilnehmende Gedanken von uns zu Ihnen…

  11. Lieber Herr Robert, und wenn die Mühe bezüglich Fleischbällchen NUR für Sie gut war, dann hat sie großen Nutzen. Passen Sie auf sich auf. Kraft ist nicht unendlich, und bei dieser Art Belastung ganz besonders nicht, weil sie einher geht mit stetigem Verlust zuschauen. Probieren Sie es mit Schlagrahm, allein oder in einem Fruchtbrei (Banane!) untergehoben, gleiches geht mit Pudding oder Griessbrei. Möhren, gekocht und püriert, und viel Butter untergezogen. Mit warmer Milch zerdrückter Zwieback (und untergemogelte Butter) geht auch oft und rutscht gut. Holen Sie zwischendrin Luft, draußen, wenn andere Hilfe da ist. Nutzen Sie jede Minute für frische Luft und Eindrücke von außen. Herzlich verbunden, Sunni

    1. Brei und Päppchen fanden bislang wenig Zuspruch. Vor 2 Tagen rollte sie eine der Spitex-Betreuerinnen in die Küche zum Zugucken was ich koche. Das gefiel ihr, der Schluckprozess dauert seither nur noch halb solange. Heut gabs Pasta mit dünnen Curry-Karottenstreifen und Federkohl mit rosa Pfeffer. Alles schön weichgekocht. Und sie ass davon einen halben Teller. Ich lasse sie bewusst etwas kauen. Ihre kognitiven Fähigkeiten reichen hingegen noch nicht aus, ich muss ihr alles einlöffeln. Aber immerhin ein Fortschritt. Ich gehe jeden Tag raus zum Einkaufen.

      1. Das ist nicht ein „immerhin“, sondern ein großer Fortschritt. Telhabenlassen, wann immer möglich, bringt Strukturen wenigstens teilweise zurück. Gut so, weiter so!! Ganz lieben Gruß

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