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Crissier: Restaurant de l’Hôtel de ville

In jungen Jahren war ich mit Frau L. während der Ägide des Jahrhunderkochs Fredy Girardet mehrere Male hier essen. Der Rücktritt von Fredy Girardet 1996 bedeutete auch für uns leider das Ende einer grossartigen Aera. Die gesundheitlichen Probleme von Frau L. liessen keine grossen, gastronomischen Ausflüge mehr zu. Die Nachfolger von Girardet: Philippe Rochat und 2012  Benoît Violier besuchten wir nicht mehr. Seit dem Tod von Violier 2016 führt Frank Giovannini die Küche. Auch er, wie alle seine Vorgänger, mit 3 Michelinsternen ausgezeichnet. Ein Haus mit 3 Sternen seit 1975 ohne Unterbruch (das Übergangsjahr 1997 in Klammern).

Meine heutige Lebenspartnerin, Frau H., die um meine seit 40 Jahren andauernde Wertschätzung des Restaurants weiss, fädelte den Besuch ein und machte mir damit eine Riesenfreude. Als (zahlender) Gast nicht auf bequemen Stühlen in einem der beiden Speisesäle, sondern „au bout du passe“, am Ende des Küchenpasses, auf zwei lehnenlosen Barhockern mit spektakulärer Rundumsicht auf Küche, 25 Köche und die laufend angerichteten Teller. Das angespannte Zuschauen macht die Stuhllehne überflüssig.

Wir haben uns inmitten der Abläufe wunderbar aufgehoben gefühlt, in beinahe familiärer Atmosphäre. Die grosse Küche ist klinisch sauber, klimatisiert und belüftet, hat dieselbe Temperatur wie die Speisesäle, erklärt uns Giovannini bei einem Glas Champagner. Die 25 Köche, alle mit Torchon und Toque, arbeiten ruhig, sauber, konzentriert und mit einer unglaublichen Präzision. Tätowiert ist kaum jemand, jeder Koch kennt seine Aufgaben, geredet wird wenig, geschrien überhaupt nicht. Der im Video hörbare Gesprächslärm stammt hauptsächlich von den Gästen am Chefs Table. Einzig das mehrstimmige „oui“ übertönt das Raunen in der Küche, wenn der Chef am Pass die Bestellungen abruft. Regie und Kommando am Pass führt der sous-chef. Franck Giovannini hat sich beim Skifahren leider die Schulter gebrochen, trotzdem steht er am Pass, hilft beim Teller putzen und Kontrollieren. Begrüsst und verabschiedet Gäste. Kurzum: ein einmaliges Erlebnis. Auf jedes Gedeck kommt mindestens ein Angestellter. Das erklärt den gehobenen Preis. Dennoch: in Paris zahlt man für 3-Sterne mehr.

Die Barhocker am Pass (wie auch die 6 Gedecke am chefs table) werden nur belegt, wenn das Restaurant nicht mit grösseren Gruppen ausgelastet ist. Serviert wurde uns das Wintermenu 2023, No° 53 (die Karten werden seit der Aera Violier hochgezählt). Seit Jahren ist das Haus Mittags wie Abends ausverkauft. Zu Recht. Und für das wirtschaftliche Überleben notwendig.

Unlängst hat Andy von lieberlecker hier gegessen und sein Menu voll bebildert, ich kann mich deshalb auf wenige Bilder beschränken.

Auf dem Pass hinter unserem Brotkörbchen:
Nage glacée de Couteaux mouillée au Dézaley du Lavaux,
primeurs d’hiver au géant d’Italie et caviar Osciètre.

Foie Gras de Canard poudré au balsamique des Alpes bernoises
pickles de chou-fleur et topinambour de Noville

Noix de Saint-Jacques caramélisée aux zestes d’agrumes
courge craquante et jus à la chair de clémentine

Tarte renversée de Cardons de Crissier, aromatisée aux diamants noirs de Provence
Regionale Produkte spielen eine grosse Rolle in den geradlinigen, auf das Produkt fokussierten Menus von Giovannini.

Dos de Barbue rôti sur l’arête aux jeunes poireaux du canton
émulsion gourmande comme une béarnaise.
Der Glattbutt wird vor dem Gast kunstvoll von der Gräte gelöst.

so sieht er dann auf dem Teller aus.

Ohne Bild:
Délicate royale de Langoustine au Cornalin Combe d’Enfer
éclats de panais et pousses de rampon d’Orny
Agneau de lait cuisiné de la tête aux pieds
laitue confite à la moutarde d’herbes fraîches
Fromages frais et affinés
Coque givrée d’Oranges sanguines siciliennes
chocolat intense et amandes acidulées
Friandises


Sorbet rafraîchissant de Pommes Gala
parfumé aux fruits de la passion

Nach 15 Uhr übernimmt die nächste Schicht die Vorbereitungen für den Abend. Alles frisch, von Grund auf à la minute zubereitet. Kein sous-vide, nichts Vorgekochtes.

F-75005 Paris: Sind Sterne essbar?

Unsern Kurzaufenthalt im eiskalten Paris wollten wir mit einem Besuch im L’ Arpège bei Alain Passard krönen. Eigentlich… Seit 1996 hält er 3 Sterne. Passard, Gemüsegott mit drei eigenen Gemüsegärtnereien, die Gemüse weitgehend ohne Spritzmittel für ihn und Abonennten tagesfrisch produzieren. Passard ist inzwischen vom Vegetarier wieder zum Flexitarier mutiert. Die Kürbissuppe gibts für 88€. Das grosse Abendmenu für 490€. Geradezu ein Schnäppchen. Da Abendtische in Pariser 3-Sternelokalen über Tage, manchmal Wochen ausgebucht sind galt es sofort nach der Devise „how to book my month ahead table“, zu handeln. Eigentlich…

Beim Blättern im Internet stiess ich auf eine vernichtende Kritik (2016) von Ryan Sutton, einem erfahrenen food-Journalisten von Eater. Das mit Kamille gefüllte Kohlblatt machte mich stutzig, war Anlass, weiter zu recherchieren. Fand weitere, glaubhaft wirkende Belege, welche mein Unbehagen bestärkten. Je mehr ein Gast für ein Gericht bezahlt, desto größer ist die Erwartung, dass sich das Gebotene qualitativ von der traditionellen Basis abhebt, und zwar auf sinnvolle Weise. Und dass der Service perfekt ist. Kurz: In einer Stadt wie Paris, wo so viele junge Köche raffinierte Gerichte zu einem Bruchteil der im Arpège verlangten Preise anbieten, bieten sich noch andere Möglichkeiten, gut zu essen.

Nach ausgiebigem Recherchieren von Stil, Innovation, Tellerästhetik, Lage, Bewertungen, Bildern, Berichten und Kritiken (man ist schliesslich anspruchsvoll) fand ich zwei von Japanern geführte Restaurants, die mir gefielen: das AT von Atsushi Tanaka sowie das Bistro Automne von Nobuyuki Akishige.

Beide Lokale haben einen Michelinstern, sind minimalistisch, um nicht zu sagen spartanisch, aber ästhetisch eingerichtet: Holztische ohne Tischtuch, die Menukarten kommen bei beiden aus dem Tintenstrahldrucker. Freundlicher Empfang. Guter, aufmerksamer Service. Beide kochen modern. Die Qualität und Frische der Gerichte entspricht dem für Sterneküchen zu erwartenden Standard. Im Küchenstil unterscheiden sich die Köche. Tanaka sprüht von Innovationen, kocht aufwändig, ein wenig verspielt, ästhetisch angerichtete Teller mit japanischem touch im mittleren Preissegment (3 Amuses, 8 Gänge, 2 Desserts: 160€). Akishige pflegt hingegen eine eher französisch inspirierte Küche, wesentlich einfacher als Tanaka, mit gutem Preis/Leistungsverhältnis (5 Gänge: 85€, 7 Gänge: 135€).

Hier ein paar Tellerbilder aus dem AT:

Boeuf / Topinambour / Foin: Törtchen gefüllt mit Rindertartar und Topinambour. Dazu eine Rinderessenz.

Saint Jacques / Oca du Pérou: Scheiben von rohen Jakobsmuscheln mit Oca (Oxalis tuberosa), Löwenzahn, Schnittlauchöl und einer aromatischen Dashi.

Huître / Oseille / Livèche: Gillardeau Muscheln N°2 in einer krümelig-grünen, mit Stickstoff erzeugten Granita aus Sauerampfer und Liebstöckel.

Oursin / Carotte / Tonka: Seeigelfleisch mit Karotten und einer Seeigel-Bisque.

Camouflage: Truite / Genièvre / Persil: Der signature dish von AT: mit Wacholder leicht geräuchte Forelle, versteckt unter dünnen, verschieden grünen Chips, bestreut mit gefrorener Granita aus mit Wacholder geräuchtem Fromage blanc, beträufelt mit Petersilienöl.

Encornet / Cima di Rapa / Cédrat: Tintenfischstreifen auf Cima di Rapa-püree und Zedratzitronenwürfeln.

Turbot / Epinard / PilPil: Steinbutt an und in Spinat, mit Pil Pil und Salbeisauce gewürzt.

Pigeon de Poitou / Rutabaga / Sudachi Kosho: Gebratene Taubenbrust und -jus. Üppige Fleischportion. Von den kleinen Beilagen erinnere ich mich nur noch an das Tannennadelpesto, Stachys, Rutabaga und das Gewürz aus japanischen Zitronen. Das in Sesam gebackene Taubenbein inklusive Krallen erinnerte an einen Flugsaurier und war deplaziert.

Pré-Dessert Betterave / Poivre de Timut : Rote Bete als Biskuitblatt, Gel-Stangen mit halbflüssiger Crème-Füllung, Randen-Eiweiss-Chips mit Randen-Granita und als Konfitüre.

Dessert: Coing /Poivre Verveine: Quittenwürfel, Quittencreme und -chip

Fazit: Beide Restaurants sind empfehlenswert. Das AT um einmal richtig schlemmen zu gehen ohne sein Bankkonto leerplündern zu müssen. Das Automne, wenn man in der Nähe wohnt, wegen seiner einfachen, günstigen Mittagsgerichte (45€ mit Wein und Kaffee).

Rund um La Morra, Verduno und Neive

Der neue Tag verheisst gutes Wetter. Besser als es die Wetterpropheten wissen wollen, aber die sitzen bekanntlich in Bunkern und schauen ausschliesslich auf ihre Bildschirme.

Novello

Das Mittagessen ist bereits organisiert. Wir dudeln durch die Landschaft, hinauf nach La Morra, eines der grossen Weinbaudörfer (70 Produzenten) mit den grossen Namen grosser Barolisti: Elio Altare und Roberto Voerzio und der tollen Lage Cerequio.

La Morra
Torre Campanaria 1709–1711
Cassette postali
Renaissance trifft Rokoko

Nicht weit davon das Dorf Verduno, noch verschlafener als La Morra. Auch hier viel Wein: 180 Hektar Rebfläche, Barolo, Barbera und Dolcetto.

Verduno: San Michele Arcangelo, 1708

Danach queren wir das Tal Richtung Neive für einen Rundgang: ein hübsches, mitteralterliches Weinstädtchen.

Davon 15 Autominuten entfernt liegt unser Tagesziel: das Resort und Ristorante Madernassa (der Name steht für eine lokale Birnensorte). Hier kocht seit Frühjahr ein alter Bekannter aus Zürich; Giuseppe d’Errico. Früher während 5 Jahren Sous-Chef und rechte Hand von Michel Troisgros, wurde er von Rudi Bindella nach Zürich abgeworben, wo er sich in wenigen Monaten 17 Gault Millau-Punkte und viel Anerkennung erarbeitete. Kurz darauf brach Corona aus und das Lokal wurde geschlossen. Während Corona ergab sich leider keine neue Perspektive für Giuseppe in der Schweiz. Heute arbeitet er im Piemont. Ein sympathischer, bescheidener junger Koch. 2 Michelinsterne. Eigentlich fuhren wir wegen ihm ins Piemont.

Die amuse bouches stehen denen im Piazza Duomo nicht nach. in Erinnerung blieben die Randenravioli und die schwarzen fake-Trüffel.

und dann musste es halt doch noch sein. Man lebt bekanntlich nur einisch. Und das nur kurz.

Unter einer viereckig geschnittenen Decke aus geronnener Milch (schmeckt wie feinster Pastateig) verstecken sich ein warmes, in Guancialefett confiertes Eigelb, feinste, knusprig gebratene Guancialewürfelchen, Kürbiswürfelchen und Kürbismousse. Dazu eine Käsefonduta aus Raschera (Kuhkäse mit Ziege und Schaf).

sofort anschneiden, damit das warme Eigelb an die Trüffel kommt

Einfacher nachzukochen sind wohl die piemontesischen Eier-Taglierini, Nussbutter und Nusszabaglione. Vielleicht.

Tagliolini al burro di nocciola e zabaglione alla nocciola

Nach einer blütenartig geformten Komposition aus Saint-Pierre und hauchdünnen Steinpilzscheiben mit Lauch und Pilzjus (ohne Foto) folgt ein absolutes Meisterwerk französisch-italienischer Kochkunst: Taube Rossini

Piccione, foie gras, spinaci e salsa „périgourdine“

Als Dessert Milchmousse, Crema di Leche, getoastete Nüsse und Gelato fior di latte.

Was Giuseppe d’Errico kocht, kann sich mit Enrico Crippa messen. Erfreulicherweise sind hier die Weine deutlich günstiger zu haben als im Piazza Duomo in Alba.

Im Gourmettempel mit James Bond

Erklärtes Ziel vieler Feinschmecker, die das Piemont besuchen, ist das Ristorante Piazza Duomo in Alba mit 3 Michelin Sternen. Hier kocht der immer noch junge Enrico Crippa. Hier essen Feinschmecker, Stars, Sternchen und die üblichen Geldbanausen. Oder umgekehrt. Ohne langfristige Reservation geht hier nichts. Mit rund 36 Gedecken in 3 Räumen ist das Lokal eher klein. Mein spontaner Reservationsversuch wurde freundlich abgewiesen, dann probierte es Frau H. nochmals unter ihrer Adresse: Bingo! Der Zugang schlicht, mit viel understatement, keine Reklametafeln: nur eine rote Tür mit Gegensprechanlage.

Geschafft. Wir hielten uns brav an die Verbote von Adiletten, Crocs und Shorts und wurden, wiewohl wir keine celebrities sind, freundlichst in den bekannten, rosa bemalten Salon geleitet. Zum vorbestellten 9-Gang-Menu wünschte ich uns zusätzlich den zum signature dish gewordenen Insalata 21…31…41…51…

Crippa ist weder Vegetarier noch Veganer, doch einer, der der Pflanzenwelt grün ist. Seine berühmteste Kreation ist sein Salat, der im Laufe der Jahre immer vielfältiger und fantasievoller geworden ist. Waren es anfänglich und je nach Saison 21 Kräuter, Salate und Sprossen, sind es heute weit über 51. Dabei vermeidet er, sich in einem Durcheinander der Aromen und Geschmäcker zu verlieren. Der Salat wird mit einer Pinzette, Blättchen um Blättchen, Blüte um Blüte gegessen und ist nichts weniger als eine Wucht: Bio-Diversität in Geschmack umgesetzt. Für den Verzehr des Salats müssen mindestens 20 Minuten einberechnet werden. Alles Grünzeug stammt aus der betriebseigenen (!) Bio-Gärtnerei mit total 4 Hektaren Land, wovon 1 Hektare für Wildpflanzen reserviert ist. Dazu 400 m2 Gewächshäuser. Das Restaurant wurde vor 17 Jahren in Zusammenarbeit mit der Weinproduzenten-Familie Ceretto eröffnet (und finanziert). Die Salatbasis besteht aus einigen Salatblättern, die mit einer einfachen Sauce (Öl, Essig…) angerichtet ist. Darauf werden all die Kräuter, Blüten und Sprossen (ohne Sauce) gesteckt. Unter der Salat-Bowl versteckt sich ein aromatischer Dashi-Sud aus Kombu-Algen und Bonitoflocken.

Bretonischen Hummer, Kaviar und Wagyu geben wir gerne her für diesen Salat. Der ist heute der wahre Luxus.

Die Appetizer demonstrieren die Leistungsfähigkeit der Küche. In Erinnerung habe ich die falschen Oliven behalten, die aus Langustinen- und Kalbfleischtartar bestehen (Crippa arbeitete u.a. im El Bulli)

Der erste Gang, angekündigt als piemontesisches Antipasto, das ich bislang als üppige Auswahl an Wurstwaren, rohem Fleisch und gegrillten Gemüsen oder fritto misto kannte, war eine auf 12 Schalen (pro Person) verteilte Gemüseorgie. Miniportionen, versteht sich, aber wundervoll. Das Blumenkohlröschen in Sauce Béarnaise, der Mini-Pak-choi mit Sesam sind mir geblieben. Ein besseres Gedächtnis sollte man haben, um sich alle Zubereitungsarten merken zu können.

Kurze Essenspausen in Edelrestaurants sind immer interessant für Menschenbeobachtungen. Am Tisch nebenan Roberta Ceretto aus der Besitzerfamilie.

Gegenüber ein Tisch mit 2 jungen Herren aus Fernost, die sich das Trüffelmenu leisteten, die jedoch vom Essen kaum Notiz nahmen, da sie anderweitig beschäftigt waren.

Mehr Interesse an Kulinarik hatte die nebenan sitzende, 3-köpfige, indonesische Familie in T-Shirts, die für den Geburtstag des Sohnes geschätzte 1500 € in 3 Trüffel investierte (dazu der Preis des Trüffelmenus).

Inzwischen wurde der letzte, freie Tisch besetzt. Ein sehr gut aussehender, smarter Typ, um die siebzig, samt Gattin nahmen ihre Plätze ein.
Frau H.: „sieht aus wie James Bond“
Herr L. zweifelt: „Sean Connery, 007??“
Frau H.: „neeein, der ist doch gestorben, Pierce Brosnan, der mit dem Bond Girl Elektra, Sophie Marceau, da bin ich mir ganz sicher“
Herr L. konsultiert die Bilder in wiki: „möglich, hingegen sieht die Sophie Marceau auf den Bildern hübscher aus“
Frau H.: „neeein, die war doch nur seine Filmpartnerin, verheiratet ist er mit einer andern“ (mehr dazu am Ende des Artikels).

Schluss mit who is who, bei uns gings weiter mit den nächsten Gängen, in denen sich Enrico Crippa auch als Meister von Fisch und Fleisch erwies. Schlichte Teller, ohne chichi:

Seeigel mit Mandel und Peperonicreme.

Rote Bete in verschiedenen Formen (ohne Bild)

Steinbutt, Kürbis und Schwarzkohl

Tintenfisch und weiss-schwarze Polenta

Piemontesischer Risotto mit Leber, Kastanie und Kakao (wunderbar, doch ohne Bild)

Podolica-Rind mit Bohnen (manche der Saucen, die wir bei Lucas Rosenblatt zubereiten, schätze ich als noch gehaltvoller ein).

Als Dessert schliesslich ein buntes Gemälde nach Andy Warhol:
Nusskrokant in einer Caramelcreme (ohne Bild)

Wie sich während des Essens herausstellte, handelte es sich beim gut aussehenden Gast tatsächlich um Pierce Brosnan. Die Begleitung war seine Gattin. Als zweitletzte Gäste verliessen wir den Raum. 007 winkte uns zum Abschied. In Alba deckten wir uns mit piemontesischem Käse ein. Der Trüffel kam dann doch noch über uns, am folgenden Tag.

Eine Suppe in Dijon

Die letzten Wochen forderten uns viel Arbeit ab. Um uns zu belohnen, fuhren wir kürzlich in der Frühe nach Méroux, dem Bahnhof in der Pampa zwischen Belfort und Montbéliard, bestiegen den TGV, der uns in 50 Minuten nach Dijon brachte. 15 Minuten später standen wir im Gourmettempel, der Markthalle von Dijon.

Der Glattbutt hätte mich sehr interessiert, doch ohne Kühlung im Sommer?

Biogemüse aus der Bourgogne.

Die mitgebrachte Kühltasche war wiederum viel zu klein, so bliebs bei diversen Ziegenkäsen, Jambon persillé, Brot und einem grossen Büschel Nepeta-Minze. Immerhin fanden wir im kühlen Keller des Musée des Beaux-Arts de Dijon wunderbar geeignete Schliessfächer, in denen wir für ein paar Stunden die eingekauften Waren lagern konnten.

Ohne Mitschleppen der Einkäufe gestaltete sich der Besuch des Museums und das Stadtwandern viel lockerer. Warten auf ein kühles Getränk mit Blick auf den Palast der Herzöge und der Stände von Burgund.

Mittagessen im Restaurant Origine bei Tomofumi Uchimura. Der Japaner arbeitet seit 2007 im Burgund in 3-Sternelokalen, die letzten 9 Jahre im Lameloise in Chagny. 2019 übernahm er das Lokal von Stéphane Derbord. Fazit: sehr gute Küche, 1 Michelinstern, vernünftige Preise. Das Menu „Végétal et locale“ ergänzten wir mit einem Fleischgang. Hier nur 2 Bilder:

Der erste Gang kann als gutes Beispiel der Küche von Tomofumi Uchimura gelten: sehr elaboriert, wild, verspielt. Aromen nicht immer fokussiert, doch hübsch angerichtet: Avocadoquenelles, Grünspargel, Gurkensorbet mit Gin Tonic, Orangenvinaigrette, Knusper, Tupfen und Blüten.

Den späten Nachmittag widmeten wir dem Besuch des Botanischen Gartens, der direkt hinter dem Bahnhof liegt.

Zuhause versuchte ich, das amuse gueule nachzukochen. Als einfache Hauptmahlzeit: Eine Vichysoise mit pommes pailles, Gurkenwürfeln und Basilikumöl

Die Suppe des Herrn Uchimura

Zutaten und Zubereitung

Sommerliche Hauptmahlzeit für 2 Personen

300 g Lauch, das Weisse
300 g Kartoffeln (L.: festkochend)
1 grosse Frühlingszwiebel
30 g Butter
50 ml Noilly Prat
ca. 5 dl Gemüsebrühe
1 dl Rahm
Muskatnuss, weisser Pfeffer
Kräutersalz

1/2 kleine, feste Salatgurke, entkernt, klein gewürfelt [ergänzt: 27.07.22]
mit der Suppe übergiessen.
Rosa und Grüne Pfefferkörner (vor dem Servieren überstreuen)

(1) Kartoffeln mit Schale bei 110°C im Dampfgarer für 15 Minuten weich garen. Schälen, in grobe Würfel schneiden.
(2) Lauch waschen und in feine Streifen schneiden.
(3) Zwiebel in Butter farblos dünsten, Lauchstreifen zugeben, kurz mitdünsten, ablöschen mit Noilly Prat und Gemüsebrühe. Leise köcheln bis der Lauch weich ist. In den Mixbecher des Vitamix geben und sehr fein purieren. Rahm und Kartoffeln zugeben und kurz(!) durchmixen. Abschmecken und kühl stellen.

Pommes pailles
2 mittlere Kartoffeln
Fleur de Sel
Sonnenblumenöl zum Frittieren

(4) Kartoffeln schälen, mit dem Juliennehobel in feine Stäbchen schneiden, sofort in kaltes Wasser legen und klar spülen. Dann auf einem Sieb abtropfen lassen und zwischen Küchenpapier trocknen.
(5) Öl auf max. 160°C erhitzen, Kartoffeln portionsweise je ca. 3 Min. vorfrittieren ohne dass sie Farbe annehmen. Mit einer Schaumkelle herausnehmen, auf Haushaltpapier abtropfen und auskühlen.
(6) Öl auf 175 Grad erhitzen, vorfrittierte Pommes pailles portionsweise knusprig und goldgelb backen. Mit der Schaumkelle herausnehmen, auf frischem Haushaltpapier abtropfen, warm stellen. Vor dem Servieren salzen und sofort servieren.

Basilikumöl vor dem Servieren die Suppe damit beträufeln
100 g Basilikumblätter
0.6 dl Olivenöl
0.6 dl Sonnenblumenöl

(0) Die Basilikumblätter am Vortag blanchieren, in kaltem Wasser abschrecken und mit einem Geschirrtuch gut ausdrücken. Beide Öle auf 60 °C erwärmen und mit den Blättern 5 Minuten mixen. Das Öl über Nacht ziehen lassen und am nächsten Tag durch einen Kaffeefilter abgiessen.

Anstelle der üblichen Brotwürfelchen knusprige Strohkartoffeln zu verwenden, fand ich eine witzige Idee. Zudem machbar.

Georges Wenger: Le cuisinier du Noirmont

Wenn ein Mentor und Altmeister der jurassischen Regionalküche (2 Michelinsterne) ein rein vegetarisches Menu auf die Speisekarte setzt, das Restaurant mitten im geliebten Jura steht und ich mit der Menu-affiche „ohne Fisch&Fleisch“ sogar Frau L. nach zweijähriger unfreiwilliger Restaurant-Abstinenz dazu brachte, die 15 Meter Distanz vom Auto samt 4 Treppenstufen mit Gehhilfe zu überwinden um mich als Mitesserin zu begleiten…. Ja, dann ist Sonntag an einem Donnerstag. Auch wenn wir ausser 2 geschäftlichen Lunchessern an diesem Mittag die einzigen Gäste waren und auch wenn Frau L. nach den Amuse gueules eigentlich schon satt war und mir danach ganze Tellerladungen zum fertig essen zuschob.

Über fremdgegessene Speisen berichte ich grundsätzlich nicht mehr; uninteressant für andere Leser. Die Ausnahme mache ich für mich, weil ich die eine oder andere Idee zuhause in vereinfachter Form nachkochen will. Der französische Text ist aus der Menukarte. Der deutsche Text sind meine Notizen.

Amuse-bouche: Raviole de caillé des Reussilles à la sauge, purée d’ortie mousseuse et croquants
Ravioli mit Quark aus Les Reussilles gefüllt, an Salbei. Brennessel-Püree und rote Linsen mit Biss. Der Quark ist leicht aromatisiert mit Salbei und sehr weich. Fritiertes Brennesselblatt.

G. Wenger Menu vegetale 20180712_123155

Amuse-bouche: Légumes aux agrumes et livèche, sorbet à l’olive.
Karotten und Stangensellerie-Gemüse, eingelegter Rhabarber mit in Zucker konfierten Zitronen auf Liebstöckelpüree. Dazu ein ungesüsstes Olivensorbet aus Olivenöl, Wasser, Salz und einem Bindemittel.

G. Wenger Menu vegetale 20180712_124019

Déclinaison de tomate aux saveurs estivales
Verschiedene Tomaten mit Sommer-Aromen: Auf einem rechteckigen Stück angeschmorter Ochsenherztomate 3 kleine Mini-tomätchen befestigt mit Avocadocreme, gefüllt mit Auberginenpüree und zwei Pilzpürees. Deko-Steinpilz fritiert. Auberginenpüree, Tomatensauce und Oregano.

G. Wenger Menu vegetale 20180712_125149

Farci de colrave aux chanterelles et quinoa, jus mousseux au serpolet
Offenes Raviolo, mit gehackten Pfifferlingen gefüllt, „Hülle“ aus Kohlrabischeiben.  Thymian-Schaum. Kohlrabi vorgegart und sehr dünn geschnitten. Bodenscheibe und sternförmig eingeschnittene Deckscheibe (Schöne Idee!). Quinoa mit winzigen, rohen Apfelstückchen. Borretschblüte und Red Chard als Deko.

G. Wenger Menu vegetale 20180712_131105

Aubergine laquée aux épices, suc de poivron confit à la framboise et tamarin
Gewürz-Aubergine. Scheiben lackiert mit einer Gewürzjus u.a. mit Vanille (Soja?) gewürzt und gegart. Champignonsköpfchen. Saft aus eingelegten Peperoni mit Himbeer und Tamarinde. Dekoriert mit eingelegten Peperoni-Streifen, Himbeeren, Salicorne und Grünzeug..

G. Wenger Menu vegetale 20180712_132638

und das Fleischgericht 😉
Haricot coco farci aux mousserons et pomme de terre fumée à l’estragon.
Coco-Bohnen zu einem Schiffchen aufgeschnitten, gefüllt mit Sommerpilzen, geräuchten Kartoffelscheiben, eigenwillig abgeschmecktes Kartoffelpüree, mit Estragon parfümierte Sauce. Dekoriert mit Estragonblättern.

G. Wenger Menu vegetale 20180712_134435

Fraises au chocolat gratinées aux pignons et à l’orange, glace aux bourgeons de sapin
Gratinierte Schokolade-Erdbeeren mit einem Meringue-häubchen mit Pinienkernen und Tannensprossen-Eis auf einer Scheibe Orange. Tannenförmiges Guetzli.

G. Wenger Menu vegetale 20180712_141232

Pêche de saturne aux cerises et amande fraîche, glace marasquin
Geschmorter Saturnie-Pfirsich mit einem aufgesetzten Ring aus gebackenem Mandel-Zuckerteig mit Kirschen und Eiweissgebäck und (echten) etwas zu bitteren Gänseblümchen, Maraschino-Eis und Kirschenschaum.

G. Wenger Menu vegetale 20180712_143222

Mignardises, chocolat et bonbon Damasson
Hausgemachtes Gebäck, Pralinen und der Wenger-Klassiker: das schnapsgefüllte Damasson-Bonbon.
G. Wenger Menu vegetale 20180712_144340

Das Menu kostete 160.- p.P.

Restaurant & Hôtel Georges Wenger
Rue de la Gare 2 – CH-2340 Le Noirmont

2 Michelinsterne. 18 GM.

Highlights, die ich von diesem Menu mitnehme und in vereinfachter Form zuhause selber zubereiten will:

  • die weiche Quark-Salbeifüllung der Ravioli,
  • das Liebstöckelpüree zu Gemüse,
  • das Pfifferling-gefüllte, offene Kohlrabiravioli,
  • die vanillige Auberginenscheibe und
  • die gefüllten Cocobohnen.

Und wer jetzt Lust auf Fleisch bekommen hat, sollte sich auf die Seite von Lucas Rosenblatt hinüberbemühen. Dort habe ich die Markt- und Menu-Bilder aus dem letzten 8plus8-Kurs hochgeladen. Als Rezept eine einfache Galantine vom Freilandhuhn mit Eierschwämmen.

Bulzani mit Sugo oder Zwegschtenkompott

Bulzani mit Hackfleischsugo

Bulzani? Noch nie davon gehört? Ich auch nicht. Erstmals gesehen im letzten marmite-Kochheft 4/2016. Der Schweizer Spitzenkoch Arno Sgier kocht im Heft diese einfache Bündner Spezialität, ein Rezept seiner Mutter.  Der Begriff Bulzani entstammt dem Rumantsch grischun, geläufiger sind die Begriffe Tatsch oder Schmarren. Ein Spitzenkoch, der auch einfache Gerichte liebt, ist mir sympathisch. Wir waren deshalb in der Traube in Trimbach essen. Mein Gewinn von hier. Doch zuerst die Bulzani. Schmecken wie Knöpfli, an denen nicht mit Eiern gespart wurde. Und der ganze, mühsame Abwasch von Knöpflikochtöpfen, Knöpflisieben, Knöpflischabern, Knöpflischüsseln, Knöpfli-abtropfsieben etc. entfällt. Ich werde künftig statt Knöpfli nur noch Bulzani zubereiten. Einfacher&schneller.

Zwegschten? Zwägschte? Im Schaffhausischen wird „Zwetschge“ in Form der Metathese (mit vertauschtem Laut) ausgesprochen. Passt doch zu Bulzani, den vertauschten Knöpfli. Irgendwie.

Bulzani


Bulzani 2016 09 06_0232

Zutaten
für die Bulzani nach Arno Sgier:
220 g Weissmehl
5 g Salz
4 Eier
3 dl Milch
60 g Bratbutter
40g Butterflocken

für das Zwegschtenkompott: (eigenes Rezept)
500 g Zwegschten (Zwetschgen)
100 ml Rotwein (mein Fabelhaft vom Douro)
50 ml Aceto Balsamico, vom mittelteuren
je 1/2 Abrieb von einer Bio-Orange und Bio-Zitrone
2 cm Zimstange
50 g Zucker

Zubereitung
für die Bulzani nach Arno Sgier:
(1) Eier verquirlen, mit der Milch mischen und in eine Rührschüssel geben. Mehl dazu sieben, Salz zugeben und alles von Hand oder mit dem Handrührer oder der Küchenmaschine glattrühren, bis der Teig Blasen bildet.
(2) Bratbutter in einer grossen, beschichteten Pfanne erhitzen. Teig zugeben und bei mittlerer Stufe stocken lassen, dann mit 2 Holzkellen fein auseinanderreissen, bis auf etwa Knöpfle-Grösse und rundum leicht knusprig braten. Butterflocken untermischen und kurz weiterbraten.

für das Zwegschtenkompott:
(3) Zwegschten entsteinen, vierteln, mit den restlichen Zutaten ca. 20-30 Minuten leise köcheln, bis die Zwegschten gar, aber nicht zerfallen sind. Zimt herausfischen, dann alles durch ein Sieb abgiessen und gut abtropfen lassen.
(4) Den Saft auf etwa einen Viertel einkochen lassen, Zwetschgen wieder zugeben und darin aufwärmen.

Zu unserem Besuch in der Traube Trimbach. Hier arbeitet, seit 1993 sozusagen in ländlicher Stille, ein Grosser. 1 Michelinstern, 17 GM). Ich mag nicht jedes Krümelchen analysieren, mag mich einfach hinsetzen und geniessen. Restaurantkritik überlasse ich jenen, die sich dafür kompetent halten oder es sind. Und Geniessen kann man hier. Empfehlenswert. Wir kommen jedenfalls wieder.

Arno Sgier 20160901_142730
Arno Sgier


Trotzdem müssen ein paar Tellerbilder sein, damit sich der Leser ein Bild über Leistungsfähigkeit und Qualitäten dieser Küche machen kann.

Mezze aus Arabiens Küchen

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Wenn Lucas Rosenblatt, eben aus Marokko zurückgekehrt, zu einem Kochkurs über arabische Mezze ruft, ist Schluss mit Stubenhockerei. Eine Stunde Bahnfahrt nach Meggen und ich bin inmitten von Marrakesch. Für mich Reisemuffel war das die erste und wohl letzte Gelegenheit, um begreifen zu lernen, warum Kenner von der Küche des Nahen Ostens so fasziniert sind.

Erst mal ein Schluck Rhabarbersirup mit Rosenwasser, später persischen Sekanjabin, ein charaktervoller Minze-Essig-Drink mit geriebenen Gurken.

Mezze Rosenblatt 2014 06 14_4385
Rhabarbersirup mit Rosenwasser

Dann gings an die Zubereitung der Gewürzmischungen Ras el Hanout, Baharat, Marokkanisches Honiggewürz, ein Alltagsgewürz,  sowie der Gewürzzubereitungen: Zough, Harissa und Chermoula.

Schliesslich die Pasten:  Hummus, Karottenpaste mit Kardamom, Baba Ganoush, Paprika-Walnusspaste und Fava.

Mezze Rosenblatt 2014 06 14_4370
Briefing der Kochteilnehmer am vorbereiteten mise en place

Weiter folgten Gemüse und Salate: Taboulé in Grün, Melonen und Feta mit Pinien-Dressing, Junge Randen in Ziegenmilch-Joghurt, Safran-Honig-Zwiebelchen, Kürbis mit Datteln und Spinat, Peperoni-Tomaten-Salat mit Sumach und Oliven.

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Taboulé in Grün

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Melonen und Feta mit Pinien-Dressing,

Damit wurde der grosse Esstisch beladen. Hinzu kamen noch frisch gebackene Pittabrote, Chapati und Fladenbrot mit Sumach.

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zum Brechen voll

In Arabien wird vor allem von jenen Gerichten gegessen, die einem am nächsten stehen.

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Was hier der Löffel, ist in Arabien die rechte Hand und ein Stück Brotfladen

Obwohl Fisch in arabischen Ländern nur an der Meeresküste eine Rolle spielt, dufte er nicht fehlen. À la minute zubereitet wurden ein Fisch-Kebab mit Chiliorangen, Pulpo und Sepia Baharat, Rotbarbe mit der schon erwähnte Paprika-Walnuss-Paste und Krevetten-Chermoula.

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Oliven und Pinienkerne auf der Rotbarbe

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Krevetten mit Chermoula

An Fleisch wurden, neben Sambous(s)ek Teigtaschen, Kufta mit Tahini und zum Abschluss eine köstliche Tajine mit Poularde und Pfirsich zubereitet.

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Kufta mit Ofengemüse an Tahinisauce

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Von Allah erlaubt: Zwei französische Edel-Poulets Bourbonnais von Fredy Escher

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welcher Duft beim Öffnen der Tajine !

Ach, all die Gerüche und Aromen. Vor lauter Riechen und Schmecken wurde an einem Kochkurs noch nie so wenig Wein getrunken wie diesmal 😉

Zum Schluss wunderbare, honigsüsse Baklava mit Rhabarber-Rosen-Sorbet und Feigen in Orangensirup.

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Ein Traum aus 1001er Nacht

Ich werde Rösti und Bratwurst treu bleiben, bin aber doch froh, meine Scheuklappen einmal abgelegt zu haben.

CH-4500 Solothurn: Das Grillierte Krokodil

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Einmal mehr bot uns die Solothurner Gastronomie Überraschungen. Vor drei Jahren war es das Al Grappolo, in welchem die einzige Serviererin mangels Koch (!) den Spagat zwischen Küche und Service versuchte. Ein andermal wollte sich im noblen Stübchen des alten Stephan (16 GM-Punkte) geschlagene 15 Minuten lang niemand um uns kümmern. Sind wir halt wieder gegangen. Diesmal hatte ich uns einen schönen Gartenplatz im barocken Palais Besenval gefunden, das schaute nach einem lauschigen Lunch aus: hier wollten wir Mittagessen.

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Palais Besenval

Nach einem Blick in die Speisekarte begann es Frau L. zu wurgeln: sieh mal das an, grilliertes Krokodilfilet ! Seite 6 der  Speisekarte Besenval. „Kenner“ mögen unsern Unverstand entschuldigen. Krokodil gibts in der Schweiz auch auf andern Speisekarten, nur dass wir Gaststätten, in denen solches serviert wird, nicht besuchen.

Ein Blick von der Restaurantterasse ins vorbeifliessende Wasser der Aare bestätigt meine Befürchtung: am Ufer der Aare wimmelts von träge herumliegenden Krokodilen. Sogar die Krokodilwächter, Vögel, die sich in den Mäulern von Krokodilen aufhalten sollen, um diese zu säubern, warten auf Beute.

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Krokodilwächter (Pluvianus aegyptius), auf einem Krokodilschwanz sitzend

Rasch kippten wir den Roero Arneis hinunter, in der Eile des Aufbruchs vergass ich nach der Herkunft des Fleisches zu fragen. Bei Schweizer Krokodilen hätte man ja mal eine Ausahme machen können. Gilt hier doch der von jedem Schweizer verinnerlichte Slogan: Schweizer Fleisch. Alles andere ist Beilage.

Da das Hotel de la Couronne seine Pforten bis 2014 geschlossen hat, machten wir uns hungrig auf durch die Altstadt. Das Zentrum ist kompakt, alles liegt nahe beieinander.

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vor der St. Ursuskathedrale: die Krone

Doch wenn der Wurm einmal in einer Sache steckt, so steckt er drin. Trost fand ich später abends in Jeremias Gotthelfs Annebäbi Jowäger. Da kann man nachlesen, dass auch Annebäbi anlässlich einer Märitfahrt nach Solothurn erst über dünne Suppe dann über hartes Fleisch, letztlich über die katholischi Chust (Geschmack) klagte, wo alles heyg. Das Annebäbi kriegte wenigstens etwas zu Essen.

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Marktplatz

Wunderschön der Zeitglockenturm, erbaut teilweise in der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts, das älteste Bauwerk der Stadt. Das Turmuhrwerk wurde von Laurentius Liechti um 1545 angefertigt. Das grosse astronomische Zifferblatt kündet Tag, Monat und Jahreslauf an. Die Figurengruppe in der Mitte des Turms sind Ritter, Tod und, auf dem Thron sitzend, ein König mit Narrenkappe. Zu jeder vollen Stunde dreht der Sensenmann sein Zeitglas.

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Zeitglockenturm

Das Landhaus an der Aare war in früheren Zeiten der Landeplatz und Lagerhaus für Weintransporte vom nahen Bielersee her. 1955 brannte es bis auf die Mauern ab und wurde wieder hergestellt.

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Landhaus

Dass man in Solothurn schon im Spätmittelalter mit Krokodilen zu kämpfen hatte, beweist der St. Georgsbrunnen aus dem Jahre 1584, der die Rettung der jungfräulichen Königstochter vor der grünen Bestie veranschaulicht.

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Selbst die heutigen, modernen Fresken an der Schmiedengasse sind in bedrohlichem Krokodilgrün gehalten.

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Pour Nina et Céline

Nach Hirschpfeffer hatten wir auch keine Lust…

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Letztlich zogen wir es vor, uns, wie dieser freundlich blickende Knabe in der Relief-Vignette, aus einer Bäckerei zu verpflegen. Da weiss man doch, was man hat.

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Fassadendetail einer ehemaligen Bäckerei, heute Parfümerie

Anmerkung: Irgendwann werden auch wir hier einmal fündig werden, was Essen anbetrifft. Solothurn, wir kommen wieder.

CH-8213 Neunkirch: Mitten im Klettgau

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Das Obertor von 1574. Das Untertor wurde nach einem Brand geschleift.

Unser Wochenausflug führte uns ins liebliche Klettgau. In das Landstädtchen Neunkirch. Der Name weist auf die Nüwenkilch, die neue Kirche, die im 12. Jhdt. auf einem karolingischen Vorgängerbau ausserhalb des Städtchens auf einer Anhöhe erstellt wurde, hin. Nicht etwa auf auf neun Kirchen. Dafür ist die Gemeinde zu klein.

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Giebel des Gemeindehauses und Brunnen mit dem Hoheitszeichen der Stadt

Zum ersten mal wird Neunkirch in einer Schenkungsurkunde an das Kloster Rheinau erwähnt. Die Schenkung erfolgte während der Regierungszeit von König Ludwig (843-876). Danach verliert sich die Geschichte bis ins 12. Jahrhundert im Dunkel. Ende des 13. Jhdts. wurde Neunkirch durch Brand oder Krieg zerstört. Bischof Eberhard von Waldburg kaufte die Vogtei Neunkirch und gründete unmittelbar nach 1260 das heutige Städtchen als militärischen Stützpunkt seiner Klettgauer Besitzungen.

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Gemeindehaus

Noch heute ist der alte Stadtkern, ein Rechteck von 256 x 138 m, in den Strassen und an den Häusern ablesbar. Vier Hauptgassen: Hintergasse, Vordergasse, Mühligasse und Herrengasse, einst rundum umgeben von einer an die Häuser angebauten Stadtmauer, davor ein Graben. Wegen der Konkurrenz des nahegelegenen Schaffhausen blieb die Entwicklung des Städtchens aber früh stecken. Übliche Stadtrechte wie das Markt- und Münzrecht sowie ein freies Stadtbürgertum blieben ihr verwehrt.

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Oberhofgasse mit Brunnen

1440 fielen feindliche Truppen in das Klettgau ein und plünderten Neunkirch. Darauf schloss der Bischof von Konstanz ein Bündnis mit den Eidgenossen, worauf auch seine Besitzungen im Klettgau unter diesen Schutz kamen. 1499, nachdem Maximilian I. durch den Reichstag von Mainz die Reichsacht und den Reichskrieg gegen die Eidgenossenschaft verhängt hatte, kam es im Laufe des Schwabenkrieges zur Plünderungen der Stadt durch zürcherische Truppen.

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Mühlengasse

Mit der Reformation, 1525, endete die Herrschaft der Bischöfe von Konstanz über Neunkirch. Das verschuldete Bistum veräusserte Neunkirch an Schaffhausen.  Neunkirch wurde zu einer Schaffhauser Obervogtei, die rechtlich bis 1798 Bestand hatte.

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Oberhof, der bischöfliche Dinghof

Im Städtchen gibts ein gutes Restaurant. Das Gemeindehaus. Leider ist das Lokal im Juli und August geschlossen, so dass wir nach Diessenhofen in den Schupfen ausgewichen sind. Traumhaft schön gelegen. Die Küche, zumindest jene Abteilung die den Bistrotteil versorgt,  war leider nicht fähig, die schöne Lage des Lokals zu nutzen. Ein uraltbackener baked-potatoe, ein dünnes, nicht gerade zartes Entrecote, tiefgefrorene Kräuterbutter. Teuer. Lieblos. Muss nicht sein.

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Gasthof Schupfen

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Gasthof Schupfen, Blick Rheinabwärts Richtung Schaffhausen

Quelle: wiki

I-39012 Meran: Kallmünz

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Meraner Dolendeckel

An dieser Stelle wäre, wie jedes Jahr, der Besuchsbericht vom Mittagessen in der Rose Eppan fällig. Man wird jedoch nicht jünger, den Eintagesausflug nach Bozen musste ich leider streichen. Zu weit entfernt. Meran wird künftig einspringen müssen. Nach meinem Plan hätten wir das Mittagessen im Vinschgau beim jungen Sternekoch Jörg Trafoier in Kastelbell eingenommen. Frau L. war das zu abgehoben, übernahm die Oppositionsrolle und wollte unbedingt ins Brauhausstüberl Forst in Algund. Ausgerechnet Frau L., die weder Schweinshaxe noch Speck auf Kraut essen würde. Kurz vor Algund habe ich sie dann mit meinem Alternativvorschlag, der Aussicht auf Ochsenschwanzravioli im Kallmünz, herumgekriegt. Das neue notebook in den Ferien ist schon praktisch.

Das Restaurant Kallmünz ist Teil des Ensembles von Schloss Kallmünz aus dem 16. Jahrhundert, am Fuss der Altstadt gelegen. Das Restaurant wurde 2003 in der ehemaligen Kutschenremise des Schlosses eröffnet. Der Neapolitaner Luigi Ottaiano ist Küchenchef, der aussergewöhnlich freundliche Service wird von einem Japaner in gut verständlichem Italienisch geleitet.

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Kallmünz aussen

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Kallmünz, innen

Der Leitspruch des Hauses lautet zu Recht: Man blickt in die Zukunft, ohne die Vergangenheit zu vergessen. So war es denn auch. Gegessen haben wir:

Ochsenschwanz-Ravioli, Tomatensauce mit Rosinen und Pinienkernen, römischer Schafskäse. (Bild)
Entenleberterrine mit roten Paprikaschoten, Sprossensalat, Vinaigrette aus Sesam-Samen und Sonnenblumenkernen, Pan Brioche. (Bild)

Steinbutt-Scheibe, Pfifferling – Soße, roter Radicchio aus Treviso, kandierter Ingwer, Julienne aus Orangenschalen.
Goldbrassefilet, Griechische Soße, Kirschtomaten und Apfel, Koriander und Mohn, Ofenkartoffeln.

Einziger Kritikpunkt: die Desserts waren uns etwas zu sizilianisch süss. Frau L. war zufrieden, ich war zufrieden, was will man mehr.

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Entenleberterrine

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Ochsenschwanzraviolini

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Luigi Ottaiano in seinem Reich

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Die steht bei Seibstock

Danach die üblichen Tour durch Meran, der obligate Besuch bei Frasnelli.

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durchs Tor

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Laubengasse

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Frau L. in Frasnellis Küchenladen

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Endstation Bozen

Nach kurzem Rundgang durch Meran haben wir abgekürzt, die Laubengasse war derart voll von Schweizern und Deutschen, dass wir in einem Anfall von Misanthropie doch lieber die 40 km Weg auf uns genommen haben, um in Bozen zu flanieren. Hätten wir einfacher haben können.

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CH-4103 Bottmingen: Probeessen im Schloss

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Das Wetter am Morgen noch verhangen, auf den Strassen noch etwas Schnee. Keine Lust auf weite Ausreisen. Hingegen Lust auf ein gutes Essen. Frau L. möchte unbedingt im Wasserschloss einer Basler Vorortsgemeinde essen gehen. Probeessen 🙂

Das Schloss ist die einzige Wasserburg im Leimental, die bis heute erhalten geblieben ist. Das Schloss wurde erstmals 1363 erwähnt, 1645 wurde es nach wechselhafter Geschichte durch den pfälzischen Adeligen Johann von der Grün,  Generaladjutant von Bernhard Herzog von Sachsen-Weimar im dreissigjährigen Krieg,  im Stile des deutschen Frühbarocks umgebaut. 1730 erwarb Johannes Georg Deucher, ein reicher Spekulant, das Schloss. Er liess es umbauen und gab ihm das heutige Aussehen. Hier in einem Kupferstich nach einer Zeichnung des Zeitgenossen Emanuel Büchel. Ausserhalb des Weihers entstanden Stallungen, Orangerien, Gewächshäuser und ein französischer Barock-Garten.

CH-4103 Bottmingen Weiherschloss

1780 liess ein späterer Besitzer Turm und Mauern des Südostwinkels bis aufs Hofniveau abtragen, was den engen Schlosshof zu einer Garten-Terrasse öffnete.

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südlicher Zugang

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Gartenterasse

Nach weiteren Handwechseln wurde 1887 ein Restaurant mit Kuranstalt und einem grossen Saal eingebaut, in den folgenden Jahrzehnten vergammelte das Haus stark. Auf Initiative der Burgenfreunde beider Basel wurde das Schloss 1943 wieder instandgestellt und gehört seit 1957 dem Kanton Baselland. Heute  wird darin ein stilvolles Restaurant der gehobenen Presiklasse betrieben.

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Hof und Blick auf Nordzugang

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Blick in das Vestibüle

Wir haben den Tageslunch gegessen. Feldsalat mit Frühlingsrollen. Als Hauptgang ein selten zartes, perfekt gebratenes Kalbssteak an Champignonssauce mit Gemüsen. Dessert: Schokomousse im Tärtchen mit Blutorangeneis. Konservative, klassisch-französische Küche. Ganz nach dem Geschmack von Madame L.

Quellen: Kunstführer Kanton Basellandschaft

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