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Sizilien (8) : Palermo e dintorni

Von Palermo aus fuhren wir der Küste entlang nach Trapani, in die Riserva Naturale Saline di Trapani. Das rund 100 ha grosse Gebiet, in dem seit jeher und noch heute Meersalz gewonnen wird, ist ein wichtiges Vogelschutzgebiet, das zahlreichen Zugvogelarten, insbesondere Flamingos, Schutz bietet. Es beherbergt aber auch viele endemische Pflanzenarten, die sich an die Salzkonzentration der Salinenfelder und Salzmarschen angepasst haben. So z.B. der seltene Malteserschwamm, Cynomorium coccineum, ein Vollschmarotzer der an den Wurzeln der Küstenpflanzen parasitiert.

Oder die Meeresstrand-Ringelblume, Calendula maritima.
Aus dem Meer grüsst die Colombaia, das Castello di Mare, eine mittelalterliche Festung sehr alten Ursprungs, die auf einer kleinen Insel am westlichen Ende des Hafens von Trapani liegt. Der antike Historiker Diodorus Siculus benannte um 260 v. Chr. Hamilkar Barkas (Vater von Hannibal) während des Ersten Punischen Krieges den Bau der militärische Festung veranlasst zu haben.

Mehr als die riesigen Salzhalden interessierte mich der Taucher, der mit einer Beute von 6 zappelnden Oktopussen aus dem Meer stieg.

An Trapani vorbei auf das 16 km nördlich, hoch über Trapani gelegene Erice . In der Antike hiess die Stadt Eryx und war mit Segesta und Entella eine der drei grössten Städte der Elymer. Die Elymer waren ein Teil der vorgriechischen Bevölkerung Siziliens. Laut Vergils Aeneis gehörten sie zu den Trojanern, die mit Aeneas aus Troja geflohen sind, dann aber nicht mit ihm weiter nach Latium zogen. Alte Geschichten. Eryx wurde vom 6. bis zum 3. Jahrhundert v. Chr. zu einer punischen Zitadelle und diente Hamilkar Barkas im Ersten Punischen Krieg mehrere Jahre als wichtiger Stützpunkt. Zu Beginn des 5. Jh. v. Chr., geriet die Stadt kurze Zeit unter den Einfluss von Akragas. 241 v. Chr. fiel die Stadt an die Römer.

In der Spätantike wurde die Stadt verlassen. Zeitweise war sie von den Arabern besetzt. Die Normannen besiedelten die Stadt im 12. Jahrhundert neu und errichteten dort ein Kastell. Im Mittelalter erblühte die Stadt, Kirchen und Klöster wurden gebaut.

Die  Stadtmauer aus punischer Zeit begrenzt auch heute noch die Stadt. Durch die Lage auf einem hohen Berg hat man von Erice aus eine einzigartige Aussicht auf das Landesinnere und das Meer. Die Einwohner leben hauptsächlich von Tourismus, Landwirtschaft und Handwerk…und ächzen oder profitieren unter der Mafia.

Die Porta Trapani, eines der 3 Stadttore.

Auffallend die durchgehend geometrisch gemusterte Pflästerung der Stadt.

Piazza Umberto I.

Chiesa San Giuliano

Chiesa di San Martino. Barock

Das normannische Castello di Venere aus dem 12. Jhdt.

Sehr empfehlenswert die Pasticceria Grammatico u.a. mit den -gemäss unserem Chauffeur- besten Genovese-törtchen Siziliens. Wer sich einen Kaffee auf der versteckten Gartenlaube bestellt, kann die langen Warteschlangen vor dem Laden umgehen.

Zuviel Zeit beim Kaffee vertrödelt. Einmal mehr drängte das Blumenprogramm. An den Hängen unterhalb Erices wurden wir fündig:

Neapolitanischer Lauch, Allium neapolitanum, in Vollblüte

u.a. Bienen-Ragwurz, Ophrys apifera.

Anderntags ein Ausflug in die Riserva Naturale Orientata Bosco della Ficuzza bei Corleone, im Hinterland von Palermo. Ein schönes, königliches Jagdschloss, ab 1799 im Wald von Ficuzza für König Ferdinand III. von Sizilien erbaut.

Dahinter viel Wald. Grün. Gluckernde Bächlein.

Gelbe Ragwurz, Ophrys lutea

Provence Knabenkraut, Orchis provincialis.

Italienisches Knabenkraut, weissblühend , Orchis italica albiflora

und wieder an die Nordküste, an die Hänge des Monte Catalfano
Blick auf das Capo Zafferano, das Safran Kap.

Tag der Heimreise. Wir müssen da unbedingt nochmals hin.

Fin de série

Sizilien (5) : Grössenwahn in Agrigent

Die archäologischen Stätten von Agrigent südlich des heutigen Stadtkerns von Agrigent gehören zu den eindrucksvollsten archäologischen Fundplätzen auf Sizilien.

Die Hochblüte der Stadt, die damals unter dem griechischen Namen Akragas bekannt war, dauerte etwa von der ersten Hälfte des 6. Jahrhunderts v. Chr. bis zum Fall der Stadt im Jahr 406 v. Chr. In der kurzen Zeitspanne von rund 200 Jahren erlebte Akragas ein bemerkenswertes Wachstum, erlangte grossen Reichtum und politische Bedeutung… und den tiefen Fall in die Bedeutungslosigkeit.

Die Bronzeskulptur von Igor Mitoraj (2011) „Der gefallene Ikarus“ (auf dem Headerbild) versinnbildlicht den Grössenwahn der Stadt bzw. ihrer Herrscher.

Blick auf den Heratempel

Im Folgenden eine kleine Zeitreise:

Gründung und frühe Entwicklung: Akragas wurde um 582-580 v. Chr. von griechischen Kolonisten aus Gela und Rhodos gegründet und entwickelte sich schnell zu einer der bedeutendsten griechischen Städte in Sizilien und im gesamten Mittelmeerraum.

Herrschaft der Tyrannen: Besonders unter den Tyrannen Phalaris (ca. 570-554 v. Chr.) und Theron (ca. 488-473 v. Chr.) erlebte die Stadt eine Phase bedeutender territorialer Expansion, politischer Stabilität und kultureller Entwicklung. Insbesondere Theron dehnte seinen Machtbereich weiter aus und machte Akragas zur zweitwichtigsten Stadt Siziliens nach Syrakus. Das Gebiet umfasste grosse Teile Westsiziliens. 483 vertrieb er den Herrscher Terillos aus Himera (eine griechische Stadt an der Nordküste Siziliens). Terillos bat die Karthager um Hilfe, die jedoch in der Schlacht bei Himera von einer Allianz griechischer Stadtstaaten unter Theron und seinem Schwiegersohn Gelon, dem Tyrannen von Syrakus, vernichtend geschlagen wurden. Die Karthager verloren ihre gesamte Kriegsflotte, ihren Feldherrn Hamilkar; die Überlebenden gerieten in Sklavenschaft.

Bau prächtiger Tempel: Nach dem Tod Therons und der Vertreibung seines Sohnes wurde Akragas zu einer Demokratie. Der Reichtum der Stadt in dieser Zeit beruhte besonders auf dem Handel. In der zweiten Hälfte des 5. Jahrhunderts wurde die Mehrzahl der Tempel an der Südmauer errichtet, die einem vom Meer aus ankommenden Besucher einen imposanten ersten Eindruck von dem Reichtum der Stadt vermittelten.

U.a. ist der Heraklestempel der älteste Tempel an der südlichen Stadtmauer und stammt noch aus der archaischen Zeit zu Beginn des 5. Jahrhunderts v. Chr. Er ruht auf einem dreistufigen Unterbau.

Trümmer des Tempels sind über das ganze Areal verstreut. Die acht Säulen auf der Südseite wurden 1924 (fehlerhaft) wieder aufgerichtet, der Säulenstummel auf der Nordseite bereits im 19. Jahrhundert.

Die Errichtung des Tempels des Zeus (Olympieion) wurde 480 vor unserer Zeit als grössenwahnsinniges Siegesmonument für die Schlacht von Himera begonnen. Er sollte den Sieg des griechischen Geistes über die Barbaren verherrlichen. Der Tempel wurde auf einem 5 Stufensockel errichtet. Die Grundfläche von 57 x 113 m erzeugte ein Bauwerk der Superlative. Es hätte der drittgrößte griechische Tempel der Antike werden sollen. Die äussere Halle bestand aus 7 × 14 etwa 17 m hohen Pfeilern, denen Halbsäulen vorgesetzt waren, die an ihrem unteren Ende einen Durchmesser von etwa 4 m hatten. Die Pfeiler waren durch eine durchgehende Mauer verbunden. An den Pfeilern waren fast 8 m hohe Figuren von Giganten, sogenannte Telamone oder Karyatiden angebracht, die die Last des Gebälks trugen.

Östlich des Tempels ist noch die Basis des mächtige Opferaltars zu erkennen.

Bei der Eroberung von Akragas durch die Karthager 406 v. Chr. wurde der Tempel, der noch nicht fertiggestellt war, zerstört. Vom einst monumentalen Olympieion sind nur noch die Grundmauern, einige Säulen- und Kapitellreste sowie ein riesiges Trümmerfeld übrig geblieben.

Der Concordia-Tempel, dessen Bezeichnung auf die Zeit des Renaissance-Humanismus zurückgeht. Der Tempel ist der besterhaltene Tempel Siziliens, weil er nach der Christianisierung 597 n. Chr. als Kirche genutzt wurde. 1748 wurde sie profaniert und anschliessend wieder weitgehend in ihren ursprünglichen Zustand zurückverwandelt.

Der letzte Tempel der Reihe ist der Heratempel an der Südostecke des Hochplateaus, auch Tempel der Iuno Lacinia genannt. Es ist jedoch unbekannt, welcher Gottheit der Tempel tatsächlich gewidmet war. 6 × 13 Säulen auf einem vierstufigen Unterbau.

Derselbe Tempel, von Caspar David Friedrich 1828–30 nach einer Vorlage nachgemalt. Zu sehen im Museum für Kunst und Kulturgeschichte, Dortmund. Wunderbar der Sonnenuntergang mit Scirocco und rotem Saharastaub.

Oder etwas weniger kunstvoll, dafür schon ab 4 Euro im Agrigenter Andenkenladen beim Eingang Ost:


Kulturelles Zentrum: Akragas war nicht nur ein politisches und wirtschaftliches Zentrum, sondern auch ein bedeutender Ort der Kultur und Philosophie. Der berühmte Philosoph Empedokles stammte aus dieser Stadt. „Die Menschen von Akragas geniessen den Luxus, als ob sie morgen sterben müssten, errichten aber Bauten, als ob sie ewig leben würden.“ Mit diesem Bonmot soll Empedokles seine Mitbürger beschrieben haben.

Das Ende: Gegen Ende des 5. Jahrhunderts brachen zunehmend Streitigkeiten zwischen den griechischen Städten Siziliens aus. Nach Kriegen zwischen den Städten Selinunt und Segesta riefen die Selinunter Karthago zu Hilfe. 409 v. Chr. wurde Selinunt von den Karthagern (Karthager/Punier: semitische Phönizier aus den Küstengebieten Nordafrikas und Südspaniens), weitgehend zerstört und anschliessend von ihnen besiedelt. Die Karthager drangen weiter auf der Insel vor und eroberten und zerstörten noch im selben Jahr Himera, danach 406 v. Chr. Agrigent und 405 v. Chr. Gela.

Quellen: wiki

Sizilien (4): Piazza Armerina, Bikinimädchen und Schlammvulkane

Unweit von Piazza Armerina liegt die spätrömische Villa Romana del Casale, aus dem 3. bis 4. Jahrhundert nach Chr. Der beeindruckende Landsitz ist berühmt für seine Bodenmosaiken und ist ein wichtiges Denkmal des römischen Sizilien.
Der Gebäudekomplex der Villa del Casale bedeckt etwa 1,5 Hektar. Heute sind noch 45 Räume erhalten. Der Auftraggeber der Villa ist nicht bekannt. Jedenfalls muss es sich um eine bedeutende, wohlhabende Persönlichkeit gehandelt haben.

Grundriss: von wiki commons

Der Boden fast aller Räume des Anwesens ist mit Mosaiken aus farbigen Steinchen (Tesserae) bedeckt, die insgesamt eine Fläche von rund 3’500 m² bedecken und aus etwa 120 Millionen einzelnen Steinchen bestehen (ohne Gewähr, ich habe sie nicht nachgezählt), mehr als in jedem anderen bekannten Gebäude des römischen Reichs.

Die Mosaiken sind hervorragend erhalten. Im 12. Jahrhundert n. Chr. wurde sie durch Erdrutsche verschüttet, die die Decken und einen Teil der Wände zum Einsturz brachten. Ausser den Fussböden sind die Wände in einer Höhe von zwei bis zu acht Metern erhalten. Die Mosaiken werden heute durch einen Bau überdacht, der die antike Villa nachbildet. Besucher erhalten über Stege Zugang, die sich auf den antiken Mauern befinden und von denen man in die Räume von oben herab auf die Mosaiken schauen kann.

Vom Eingang der Villa aus gelangt man zu einem  Thermenkomplex, Caldarium (im Plan rot)

gut sichtbar der Aufbau der Hypokauste

Der Zugang zum Anwesen erfolgte über einen 28 m breiten monumentalen Eingang mit einem Vestibül mit drei bis zu 6 m hohen Durchgängen, die mit Malereien militärischen Charakters dekoriert sind.

Vom Vestibül gelangt man in das erste Peristyl (im Plan gelb) mit Wasserbecken sowie Säulen der für das dritte Jahrhundert typischen korinthischen Ordnung.

Vom hinteren, östlichen Teil des Peristyls gelangt man zum „Gang der grossen Jagd“. Ein Raum von 66 Metern Länge und 5 Metern Breite, dessen beide Seiten von Apsiden abgeschlossen werden. Dieser Gang stellt ein Verbindungs- und Trennungsglied zwischen dem öffentlichen und dem privaten (blau/violett) Teil der Villa dar. 

Anders als sein Name vermuten lässt, zeigen die Bodenmosaiken des langen Ganges keine Jagd, sondern eine grosse Tierfangaktion für die Spiele in Rom: Tiere, die in Nordafrika gefangen wurden, wie sie auf Galeeren verladen und am Zielort wieder entladen werden.

Eber

Ochsen

Nashorn, des Weiteren Löwen und Elefanten

Direkt angrenzend an die Treppen, die auf den Gang der grossen Jagd führen, befinden sich am südlichen Gang des grossen Peristyls zwei Diensträume, die ursprünglich mit geometrisch gemusterten Mosaiken ausgelegt waren. In einer späteren Bauphase wurde der eine Raum mit einem Mosaik ausgestattet, das als „Mosaik der Mädchen im Bikini“ bekannt wurde. Beweis, dass der Bikini nicht von den Franzosen erfunden wurde.

In den Räumen im hinteren Teil des Peristyls befindet sich ein grosser Raum mit Apsis. Der Mosaikfussboden zeigt den Dichter Arion von Lesbos, der durch seinen mit der Leier begleiteten Gesang allerlei Meerestiere, Tritonen und nackige Nereiden (Meernymphen) anlockt.

Nach dem Besuch der Mosaiken verkrümelten wir uns für 2 Stunden auf eigene Faust in der schönen Altstadt.

Eine mächtige Kathedrale, die Cattedrale di Maria Santissima delle Vittorie, sehr viele Barockkirchen, ein Kastell der Aragonier.

Chiesa di Fundrò. Im Zeichen des doppelten Kreuzes

Chiesa Sant’Anna. Wohnen in der Barockfassade.

Ein richtiges Opernhaus, das heute jedoch als Kinosaal benutzt wird.

Antipasti im Theaterrestaurant unter den Blicken von Turandot und Tosca.

Ende unseres Freigangs, der Bus erwartete uns am martialisch-skurrilen Kriegerdenkmal. Auf einem separaten Sockel steht der aus Piazza Armerina stammende Generalissimus Antonino Cascino, das Spielbein mutig auf einen Marmorblock vorangestellt. Nebenan ein stilisierter Berg mit einem Trupp namenloser, im Geröll hochkriechender Soldaten, die er mit seinem aktenkundigen Befehl gegen die österreichischen Befestigungen vorantreibt. „Siate la valange che sale“ (Seid die Lawine, die sich erhebt) . Generalen gehen die Worte leicht von den Lippen. Zumal vom sicheren Unterstand aus,

Danach Fahrt zu einem Feld mit niedlichen, blubbernden Schlammvulkanen, zu einem weiteren Orchideenfeld und schliesslich wieder ins Grand-Hotel vor Enna.

Sizilien (3): Naturreservate und Müllkippen

Naturreservate, hier z.B. die Riserva Naturale Pino d’Aleppo, werden in Italien (nicht nur in Italien!) gerne als Müllkippen missbraucht. Damit werden Oekosysteme, die für das Leben und die Balance auf unserem Planeten essenziell sind, empfindlich gestört. Natur, begraben unter Bierdosen, Waschmittelbehältern, Plastik und … einem Pokal. Den Pokal für Umweltverschmutzung haben sich die Verursacher verdient.

Das schien die reichlich vorhandenen Orchideen aber (noch?) keineswegs zu stören. Ähnliches beobachteten wir auf einer Orchideenwiese in einem Naturpark, wo die Gemeinde alljährlich vor Ostern das Gras samt Orchideen kurz scheren lässt, um Picknickenden eine bequeme Liegewiese zu bieten. Es wird wohl nicht mehr lange dauern, bis uns die Natur fühlen lässt, wie abhängig wir von ihr sind. Dazu ein Zitat von Henry Ford: „Die Natur braucht keine Menschen – Menschen brauchen die Natur“.

Ohnhorn, Orchis anthropophora

Orchis italica x antropophora

Orientalischer Zungenstendel, Serapias orientalis

Noch mehr Ophrys bertolonii

Am Rand des Naturschutzgebietes ein herrschaftlicher, zerfallender Gutshof:

Rund um das verlassene Gehöft wächst die seltene, nur in Sizilien vorkommende, vom Aussterben bedrohte Gussones Traubenhyazinthe, Muscari Gossonei.
Unser Führer, Antoine Giardino, war niedergeschlagen, wie er sehen musste, dass das Gebiet heute als Motocross-piste benutzt wird. Viele der Hyazinthen waren einfach platt gefahren.

Weiter in ein Schutzgebiet an der Südküste Siziliens, in der Nähe von Gela.

Wundervolle weidenblättrige Akazien, Acacia saligna

Gelbe Hauhechel, Ononis natrix

Schnabel-Ragwurz, Ophrys oxyrhynchos

eine Art von Cylindropuntia Kakteen

Am späten Nachmittag Transfer in die Mitte Siziliens, nach Enna.

Sizilien (2): Orchideen und die Nekropolen von Pantalica

Die nächsten 2 Tage übernachteten wir Nähe Modica. Picknick- und Schokolade-Einkauf bei Lidl. Ich wäre lieber in der Antica Dolceria Bonajuto im Zentrum eingekehrt. Dafür reichte die Zeit leider nicht. Auf in die Berge, zu den Monti Iblei. Knallblauer Himmel.
Blick aus dem Busfenster auf Ragusa…

… und vorbei:
Orchideen bewundern an den Hängen des Monte Lauro. Insgesamt fanden wir an diesem Tag über 20 Orchiden, die täglich vor dem Nachtessen in der Artenliste dokumentiert wurden

Grossblütiges Schmetterlingsknabenkraut, Anacamptia papilionacea grandiflora

Frühblühende Wespen-Ragwurz, Ophrys tenthredinifera

Füllhorn-Fedia, Fedia cornucopiae (schön, auch wenns kein Orchidee ist)

Gelbe Ragwurz, Ophrys lutea

Spiegel-Ragwurz, Ophrys speculum

Dreizähniges Knabenkraut, Orchis commutata

Picknick auf dem Hochplateau des Naturparks Pantalica, hoch über den Flüssen Anapo und Calcinara. Die Nekropole von Pantalica ist eine der grossen Nekropolen Siziliens mit mehr als 5000 Kammergräber, die aus der späten sizilischen Bronzezeit und der frühen Eisenzeit stammen. Die Grösse des Gräberfeldes lässt auf eine lange Nutzung schliessen. Die Nekropolen wurden vom 13. bis ins 8. Jahrhundert v. Chr. genutzt. In der arabisch-normannischen Zeit wurden einzelne Grabkammern zu Wohnhäusern erweitert. Der Ort hatte jedoch keine Bedeutung mehr. Ausser einigen Ruinen ist nichts übriggeblieben.

Blick ins Tal des Anapo:

Heidekraut und andere Blumen schmücken den Eingang zu einem alten Grab.

Ausbaufähige Wohnung mit schöner Aussicht aber wenig Komfort.

Gerne wäre ich ins Tal zu den grossen Nekropolen hinunter gelaufen, aber… die Fraktion der Orchideenfreunde obsiegte über die Freunde toter Steine. Nächstes Orchideenfeld bei Cassaro.

Nochmals Wespen-Ragwurz, Ophrys tenthredinifera

Bertolonis Ragwurz (Ophrys bertolonii)

Gegen Abend doch noch ein paar Regentropfen in der macchia.

Sizilien (1): Wo gehts denn hier zum Aetna?

März/April waren wir für 12 Tage -erstmals- in Sizilien unterwegs. Mit einer deutschen Reisegruppe. Orchideen waren das primäre Reisethema. 16 Hummeln auf Ochideenhopping. Angeführt von der sizilianischen Orchideenkoryphäe Antoine Giardina (Verfasser des Buches „Parco delle Madonie – le orchidee“) und dem deutschen Pflanzen- und Orchideenkenner Volker Violet. Neben den Orchideen besichtigten wir en passant ein paar kulturelle Schätze. Leider spielte das Wetter nicht mit. Schade, dass die sizilianische Küche kein Programmpunkt war. Meist lieblose Hotelküche, oft auf dem Niveau von Mirácoli™. Immerhin lernte ich auf dieser Reise, wie ein Lidl von innen aussieht.

Die ersten 2 Tage waren wir in Linguaglossa stationiert, am nördlichen Fuss des Aetna. Ein Ausflug führte uns in einen orchideenreichen Park bei Roccella Valdemone. Regen, Nebel. Kälte. Nasse Orchideen.

In einer weiteren Exkursion besuchten wir die geologisch interessante, rund 20 Meter tiefe Alcantara Schlucht. Vor einigen tausend Jahren wurde das Flussbett durch einen Lavastrom eines Nebenkraters des Aetna bei Mojo Alcantara blockiert. Spätere Erdbeben führten zu Rissen in der Lava, durch die sich der Fluss seinen Weg bahnte und die sehenswerten Gesteinsformationen der Schlucht „Gole dell’ Alcantara“ freilegte.

Die prismenförmige Basaltsäulen entstehen beim langsamen Erstarrungsprozess der Lava um die 850 °C.

Leider befindet sich der Naturpark in Hand einer privaten Gesellschaft, die die Schönheit der Schlucht zu einem kleinen Natur&Geologie-Disneyland ausbauen will.

Zum Abendessen ein vorzüglicher Etna rosso: der Vulkà von Nicosia

Zweiter Tag: Regen. Nebel. Vom Aetna nichts zu sehen. Durch Waldgebiete mit Eichen, Buchen, Kastanien und Schwarzkiefern. Ab 1600 Höhenmetern reduziert sich die Vegetation auf Buschwerk, den Aetna-Ginster, Flechten und die endemische Aetnabirke. Noch höher waren wir nicht: dicker Nebel, Flechten und Moose.

Im Bild Schwarzkiefern (Pinus nigra) und die stachligen Kissen des Tragant (Astragalus siculus). Hier wanderten wir mit einem kundigen, vulkanologischen Aetna-Guide entlang des Sartoriuskegels. Wunderbar weich, federnd und knirschend die schwarze Lava-Asche. Traumhaft der Nebel: „Seltsam, im Nebel zu wandern! Einsam ist jeder Busch und Stein“. (H.H.)

Die Aetnabirke (Betula aetnensis) kann im Gegensatz zur normalen Birke mehrere Stämme haben und erreicht eine Höhe von bis zu 15 Metern.
Sie entstand während der letzten Eiszeit (Würm) und breitete sich auch nach Sizilien aus. Nach dem Ende der Eiszeit zog sie sich in den kühleren Norden zurück, nur am Aetna blieb, auf Grund des kühlen und regenreichen Höhen-Klimas, ein Restbestand erhalten. Dieser passte sich an die lokalen Bedingungen auf einem Vulkan an und entwickelte sich anders weiter als seine Verwandten im Norden. Wurde endemisch. Doch ihre Tage in Sizilien sind gezählt. Aufgrund der Klimaerwärmung befällt ein sonst in Symbiose lebender Pilz ihre flachen Wurzeln. Reihenweise kippen die geschwächten Stämme um.

Nebelbildquelle: Frau H.

Zum Abschluss ein speläologischer Besuch einer sekundären Lavahöhle. Die meisten dieser -rund 200- Grotten des Aetna sind aus fliessender Lava entstanden. Wenn sich ein zu Tal fliessender Lavastrom an seiner Aussenseite durch die Luft abkühlt und verfestigt, bildet sich eine Röhre, durch welche die Lava im Inneren des Stroms mit rund 1000 °C weiterfliesst. Fliesst kein neues Material mehr nach, läuft die Röhre leer (wie ein sich entleerender Wasserschlauch) und es bleibt ein Hohlraum zurück. In den begehbaren Grotten wurde in früheren Jahrhunderten Schnee eingelagert und festgestampft. Durch Regen und Feuchtigkeit gefror der Schnee zu Eis. Für den Verkauf wurde das Eis in Blöcke geschnitten, in Farnblätter eingewickelt und in Hanfsäcke verpackt, abtransportiert und in ganz Sizilien verkauft. Zunächst diente es als Kühlmittel

Die Araber, die von 831 bis 1091 auf Sizilien herrschten, waren es, die das Eis mit Honig und Zitronensaft mischten und so wohl die spätere Granita erfunden haben. Eis, ein Luxusprodukt, bis zur Erfindung der Kältemaschine.

Mit Taschenlampen und Helm in der Grotta delle Neve unterwegs

Und auf steilen Wegen wieder in den Nebel.

Letztlich zeigte sich der Vulkan doch noch:

Auf einem Werbe-Plakat im Flughafen von Catania.