Artischocken x 4

Apulische Artischocken haben Saison. Grund, sie in vier verschiedenen Versionen auf einen Teller zu bringen: als Pesto, sous-vide mit Orange und Minze gegart, ferner roh und fritiert. Mehr fällt mir zu Artischocken im Moment nicht ein.

Artischocken x 4

Vorspeise für 2 Personen

Zutaten und Zubereitung

5 Artischocken aus Apulien.
Ascorbinsäure oder Zitronensaft
Olivenöl mit Orange
Weisswein (vin jaune)
Fleur de Sel
schwarzer Pfeffer
1 EL Pfefferminze, gerebelt

Olivenöl, qs
30 g Parmesan, fein gerieben
30 g Pinienkerne, geröstet
1 Knoblauchzehe
1 TL Zitronensaft
Fleur de Sel
schwarzer Pfeffer
1 TL frischer Majoran, gehackt

(1) Artischocken putzen, rüsten, 4 davon längs achteln, eine vierteln und in Wasser mit Ascorbinsäure oder etwas Zitronensaft legen. Stiele bis aufs helle Mark schälen.

(2) Artischockenachtel abtropfen, mit Olivenöl mit Orange, einem EL Weisswein, Salz, Pfeffer und Pfefferminze in einen SV-Beutel vakuumieren und 1 h bei 85°C im Wasserbad garen. Vor Verwendung in einem Topf mit dem Jus nachdünsten und abschmecken.

(3) das Mark der Artischockenstiele mit Olivenöl, Parmesan, Knoblauch und gerösteten Pienkernen zu einem Pesto cuttern. Abschmecken mit Pfeffer und Salz, Zitronensaft und Majoran.

(4) Die halbe, rohe Artischocke mit der Aufschnittmaschine 1 mm dick aufschneiden und in 170°C heissem Olivenöl, hellbraun fritieren. Auf Küchenpapier trocknen und salzen.

(5) Vor dem Servieren die restliche Artischockenhälfte in gleicher Weise fein aufschneiden. Leicht salzen und pfeffern.

(6) zum Servieren einen Klacks Pesto auf die vorgewärmten Teller streichen, die gedünsteten Artischocken darauf anrichten und mit den rohen und fritierten Artischockenscheiben belegen.

Gargano (2) Monte Sant’Angelo im Schnee

Frostiges Erwachen an unserem Übernachtungsort auf 850 m.ü.M.: Eisregen, Schneematsch und Null Grad Celsius.

So nutzten halt auch wir die Gelegenheit, die durch Besuche vieler Päpste, Heiliger und Fürsten berühmte Wallfahrtskirche zu besichtigen. San Michele ist eine Grottenkirche. Neben einem achteckigen Glocken- und Wachtturm (1273/74) steht die zweiteilige Eingangshalle (1395). Die Kirche selber liegt im Innern des Berges. Da war es zwar auch kalt, aber der Schneeregen fand draussen statt. Nach dem Durchschreiten der bronzenen Eingangspforte gelangt man direkt hinab zur Grotte des Erzengels.

Die riesige Kalksteinhöhle muss angesichts der Lage, der Struktur und der Größe bereits in griechischer und römischer Zeit ein Ort der Anbetung gewesen sein. Der Ursprung des Heiligtums wird auf das Ende des 5. und den Beginn des 6. Jahrhunderts datiert. Der damalige Bischof von Siponto wollte den heidnischen Kult unter den Bewohnern des Gargano ausrotten und ist wohl der Urheber der wundersamen Mär über seine Begegnungen mit dem Erzengel Michael.

Zwischen dem 6. und 7. Jahrhundert wurde der Ort zum Nationalheiligtum des Langobardenreichs. Was hätte sich zur Förderung des neuen Volksglaubens und der Festigung der Religionspolitik besser geeignet als der kriegerische Erzengel Michael?

Nach mehreren Angriffen der Sarazenen im 9. Jahrhundert wurden umfangreiche Renovationen und Erneuerung durchgeführt. Zwischen dem 10. und 11. Jahrhundert geriet die Wallfahrtskirche unter byzantinische Herrschaft. Diese wurde im 11. Jahrhundert von den Normannen abgelöst. Der Schwabe Friedrich II. hielt sich zu Beginn des 13. Jahrhunderts mit seinem prächtigen Hofstaat öfters in Monte Sant’Angelo auf.

Auf Veranlassung von Karl I. von Anjou, seit 1266 König von Sizilien, erfuhr das Sanktuarium des Erzengels Michael eine massive Umgestaltung. Das Heiligtum wurde zu einer obligatorischen Etappe auf der so genannten Via Francigena, die Gläubige und Kreuzritter ins Heilige Land führte. Im 17. Jahrhundert wurde die Stadt Monte Sant’Angelo zum wichtigsten Zentrum des Gargano.

Blick in die Michaels-Grotte: Hinter dem Altar droht der Erzengel mit seinem güldenen Schwert. Dem Wetter sei Dank, sonst hätte es hier über die Ostertage von Menschen gewimmelt.

Da der Schneeregen nicht aufhörte, lud uns die Reiseleiterin zu einem geführten Museumsbesuch ein. Das Museum befindet sich teilweise in alten Krypten aus byzantynisch-langobardischer Zeit, die um die Jahre 1270 – 1275 endgültig geschlossen wurden, als die Anjou dem Heiligtum mit neuen Bauten seinen heutigen Grundriss gaben. Während der folgenden Pestepidemien füllte man die Krypten mit Pestleichen.

Blick in die alten, wieder ausgegrabenen Zugänge der Grotte:

Hier sind alle Skulpturen ausgestellt, die bei den Ausgrabungen des Heiligtums, der Vorgängerkirche und in den der Ruinen der Abtei Santa Maria di Pulsano gefunden wurden, u.a eine Erlöserstatue aus dem 15. Jahrhundert und ein betender Christus aus dem 11. bis 12. Jahrhundert.

Neben dem Lapidarium sind auch die anderen Teile des Museums sehenswert, so die vielen Darstellungen des Erzengels und die Sammlung alter und jüngerer Votivtafeln.

Erzengel Michael in action als Lebensretter.

Der Schneeregen wollte immer noch nicht hören. An italienischen Wallfahrtorten ist man speditives Arbeiten gewohnt: caffè im Dutzend.

Anstelle der Wanderung auf den höchstgelegenen Berg des Gargano, den Monte Calvo (der seinen Namen dem völlig kahlen Gipfel auf 1065 m verdankt), wurde kurzfristig umdisponiert: mit einer Wanderung zur Baia Vignanotica [folgender Beitrag]. Am nächsten Tag war der Schneespuk vorbei, die Sonne schien wieder.

Die zweiteilige Eingangshalle des Sanktuariums San Michele:

Die ältesten Häuser der um das Jahr 1000 gegründeten Stadt sind mit Vorbauten geschützte Höhlen:

Dachlandschaften:

Typisch für den Ort sind die einfachen, zweistöckigen Häuser im Einheitsstil mit einem Wohnraum im Parterre und einem Schlafraum im ersten Stock:

Enge Gassen in der Altstadt:

Häuserverbindende Wäscheleine:

Gargano (1) Aufstieg nach Monte Sant’Angelo

2022 Blumenwandern in Kalabrien im Aspromonte, 2023 im Gargano in Apulien. Der Gargano-Nationalpark ist ein Vorgebirge an der Küste Apuliens im südlichen Italien. Die in die Adria hineinragende Halbinsel wird auch als Sporn des italienischen Stiefels bezeichnet. Die Fläche von rund 118’000 ha ist in unterschiedliche Zonen eingeteilt: Wälder mit Pinien und Steineichen, im Zentrum der foresta umbra mit Buchen und Kiefern. Landwirtschaftlich genutzte Flächen mit Mandel-, Orangen- und Olivenbäumen. Die Küste und die Strände im Norden des Gargano-Nationalparks sind flach und sandig, im südlichen Teil dominieren hohe, weisse Klippen mit kleinen, malerischen Buchten und Kiesstränden. Kleine, historische Städtchen wie Vieste, Peschici, Mattinata und Manfredonia, die sich im blauen Meer der Adriaküste spiegeln, oder andere, die sich in Seitentälern verstecken.

Die Reise fand unter derselben Reiseleitung und mit lokalen Guides statt, wie letztes Jahr. Zugfahrt bis Foggia. Von dort mit Kleinbus in die Küstenstadt Manfredonia. Von da aus führt ein schmaler, alter und steiler Pilgerpfad happige 700 Höhenmeter hoch und rund 15 km weit zum berühmten Pilgerort Monte Sant’Angelo. Schon zu Römer- und Griechen-Zeiten war der Platz Kultstätte und Orakelort. Seit dem Mittelalter ist er bedeutender Pilgerort der Christen, weil dort in einer Grotte der Erzengel Michael erschienen sein soll.  

Nach der (hier verkürzten) Legende erschien dem Bischof von Siponto (dem heutigen Manfredonia) um das Jahr 490 n. Chr. der Erzengel Michael (der mit dem Schwert und den hermaphroditen Flügeln) und befahl dem Gottesmann, ihm eine Höhle als Heiligtum auszubauen. Er selbst wolle ihr Wächter sein. Allen Besuchern sollen ihre Sünden vergeben, und was sie im Gebet erflehen, erhört werden. Eine Reise, die sich schon dadurch von selber amortisieren müsste.

Regenschauer wechselten mit Sonnenschein: Regenjacke an, ab, Regenhosen an, ab, Schirm auf, zu. Je höher, desto kälter, folglich waren warme Pullover gefragt.

Während die Botanikerinnen in der Gruppe immer wieder innehielten, um Blumen zu bestimmen (blümeln), war ich froh um die kleinen Verschnaufpausen und freute mich an dem gefundenen „griechischen“ Bergtee der Gattung Sideritis.

Gegen Mittag erreichten wir den Ort: Kalt und windig: Monte Sant’Angelo Downtown

Doch mit schöner, horizontloser Aussicht aufs ionische Meer

Nach dem Picknick in einem windgeschützten Raum, nein nicht in diesem zerfallenen trullo…,

bewegten wir uns erst in die nahe gelegene Abbazia di Santa Maria di Pulsano.

Die Einsiedler-Abtei wurde 591 auf den Überresten eines antiken, heidnischen Orakeltempels erbaut, Nach der Zerstörung durch die Sarazenen wurde sie zu Beginn des 12. Jahrhunderts vom Heiligen Johannes von Matera wieder aufgebaut und bis zum 15. Jahrhundert durch Mönche des armen Pulsaner-Orden belebt. Nach dem Aussterben des Ordens wurde die Abtei von wechselnden, andern Orden übernommen. Das heftige Erdbeben im Gargano von 1646 zerstörte das Archiv und die Bibliothek.

Nach der Vertreibung der Bourbonen aus dem Königreich Neapel untersagte Joachim Murat, König von Neapel von Napoleons Gnaden, die Anwesenheit eines Mönchsordens.

Später wurde der Klosterkomplex vom wieder vereinigten Königreich beider Sizilien einer Reihe von Diözesanpriestern anvertraut, die ihn bis 1969 verwalteten, dem Jahr, in dem er aufgegeben wurde.

Seit 1990 ist die Abtei dank der Arbeit von Freiwilligen und später der Mönche, die 1997 wieder eingezogen sind, zu neuem Leben erwacht.

Nur die im vorletzten Jahrhundert erbaute, abenteuerliche Strasse nach Manfredonia (weit unten am Meer) wurde nicht fertiggestellt, sie endet im Fels.

Am selten begangenen Weg findet man manch hübches Blümchen, hier die Campanula garganica (Sternpolster-Glockenblume):

Cavolo Rapa con Cime di Rapa

Vom Luxusrestaurant direkt wieder in die Niederungen einer bescheidenen Hausmannsküche. Grosse Fallhöhe, was ich aber keineswegs als Absturz empfunden habe. Zwei verschiedene Gemüse aus der Gattung der Kohlgewächse auf einem Teller. Das kann man nur eingefleischten Vegetariern zumuten: Weisser Kohlrabi auf einer grünen Salsa von Cima di Rapa.

Kohlrabi an Salsa von Cima di Rapa

Gemüsegang für 2 Personen

Zutaten und Zubereitung

250 g Cima di rapa
½ Peperoncino, entkernt, fein gehackt
1 Knoblauchzehe, gehackt
ca. 1.5 dl Olivenöl
20 g Pinienkerne, geröstet
Zitronenabrieb von ¼ Zitrone
20 g Parmesan
1 TL Zitronensaft
Salz
schwarzer Pfeffer

1 kleiner Kohlrabi
ein Schuss weisser Portwein
Salz
weisser Pfeffer

Salsa:
(1) Cime di rapa gut waschen (Erdflöhe -kleine, schwarze Käfer- mögen ihn auch), dicke Stiele entfernen und Blätter klein schneiden.
(2) Knoblauch und Peperoncino in 2 EL Olivenöl dünsten, die Cime di Rapa zugeben und unter häufigem Wenden weiter dünsten, bis er etwas zusammenfällt. 0.5-1dl Wasser zugeben und zugedeckt 5-10 Minuten köcheln bis die Stengel weich sind. Offen weiter garen, bis die Flüssigkeit verdampft ist.
(3) Danach in einen hohen Becher mit 1 dl Olivenöl umfüllen, Pinienkerne, Zitronenabrieb und Parmesan zugeben und mit dem Stabmixer zu einer dicken Paste mixen. Konsistenz adjustieren mit Olivenöl. Vor dem (warm) Servieren abschmecken mit Zitronensaft, Salz und Pfeffer.

Kohlrabi:
(4) schälen und in Spalten schneiden. In einer flachen Pfanne mit wenig Olivenöl leicht anbraten, salzen und pfeffern, mit etwas weissem Portwein ablöschen und zugedeckt für 5-8 Minuten braisieren bis der Kohlrabi al dente ist.

Da die beiden Portionen eher klein waren, blieb noch etwas von der Salsa übrig. Die reichte, an kleinen Ditali (Tubetti rigati) serviert, aus, um den Hunger zu stillen.

Crissier: Restaurant de l’Hôtel de ville

In jungen Jahren war ich mit Frau L. während der Ägide des Jahrhunderkochs Fredy Girardet mehrere Male hier essen. Der Rücktritt von Fredy Girardet 1996 bedeutete auch für uns leider das Ende einer grossartigen Aera. Die gesundheitlichen Probleme von Frau L. liessen keine grossen, gastronomischen Ausflüge mehr zu. Die Nachfolger von Girardet: Philippe Rochat und 2012  Benoît Violier besuchten wir nicht mehr. Seit dem Tod von Violier 2016 führt Frank Giovannini die Küche. Auch er, wie alle seine Vorgänger, mit 3 Michelinsternen ausgezeichnet. Ein Haus mit 3 Sternen seit 1975 ohne Unterbruch (das Übergangsjahr 1997 in Klammern).

Meine heutige Lebenspartnerin, Frau H., die um meine seit 40 Jahren andauernde Wertschätzung des Restaurants weiss, fädelte den Besuch ein und machte mir damit eine Riesenfreude. Als (zahlender) Gast nicht auf bequemen Stühlen in einem der beiden Speisesäle, sondern „au bout du passe“, am Ende des Küchenpasses, auf zwei lehnenlosen Barhockern mit spektakulärer Rundumsicht auf Küche, 25 Köche und die laufend angerichteten Teller. Das angespannte Zuschauen macht die Stuhllehne überflüssig.

Wir haben uns inmitten der Abläufe wunderbar aufgehoben gefühlt, in beinahe familiärer Atmosphäre. Die grosse Küche ist klinisch sauber, klimatisiert und belüftet, hat dieselbe Temperatur wie die Speisesäle, erklärt uns Giovannini bei einem Glas Champagner. Die 25 Köche, alle mit Torchon und Toque, arbeiten ruhig, sauber, konzentriert und mit einer unglaublichen Präzision. Tätowiert ist kaum jemand, jeder Koch kennt seine Aufgaben, geredet wird wenig, geschrien überhaupt nicht. Der im Video hörbare Gesprächslärm stammt hauptsächlich von den Gästen am Chefs Table. Einzig das mehrstimmige „oui“ übertönt das Raunen in der Küche, wenn der Chef am Pass die Bestellungen abruft. Regie und Kommando am Pass führt der sous-chef. Franck Giovannini hat sich beim Skifahren leider die Schulter gebrochen, trotzdem steht er am Pass, hilft beim Teller putzen und Kontrollieren. Begrüsst und verabschiedet Gäste. Kurzum: ein einmaliges Erlebnis. Auf jedes Gedeck kommt mindestens ein Angestellter. Das erklärt den gehobenen Preis. Dennoch: in Paris zahlt man für 3-Sterne mehr.

Die Barhocker am Pass (wie auch die 6 Gedecke am chefs table) werden nur belegt, wenn das Restaurant nicht mit grösseren Gruppen ausgelastet ist. Serviert wurde uns das Wintermenu 2023, No° 53 (die Karten werden seit der Aera Violier hochgezählt). Seit Jahren ist das Haus Mittags wie Abends ausverkauft. Zu Recht. Und für das wirtschaftliche Überleben notwendig.

Unlängst hat Andy von lieberlecker hier gegessen und sein Menu voll bebildert, ich kann mich deshalb auf wenige Bilder beschränken.

Auf dem Pass hinter unserem Brotkörbchen:
Nage glacée de Couteaux mouillée au Dézaley du Lavaux,
primeurs d’hiver au géant d’Italie et caviar Osciètre.

Foie Gras de Canard poudré au balsamique des Alpes bernoises
pickles de chou-fleur et topinambour de Noville

Noix de Saint-Jacques caramélisée aux zestes d’agrumes
courge craquante et jus à la chair de clémentine

Tarte renversée de Cardons de Crissier, aromatisée aux diamants noirs de Provence
Regionale Produkte spielen eine grosse Rolle in den geradlinigen, auf das Produkt fokussierten Menus von Giovannini.

Dos de Barbue rôti sur l’arête aux jeunes poireaux du canton
émulsion gourmande comme une béarnaise.
Der Glattbutt wird vor dem Gast kunstvoll von der Gräte gelöst.

so sieht er dann auf dem Teller aus.

Ohne Bild:
Délicate royale de Langoustine au Cornalin Combe d’Enfer
éclats de panais et pousses de rampon d’Orny
Agneau de lait cuisiné de la tête aux pieds
laitue confite à la moutarde d’herbes fraîches
Fromages frais et affinés
Coque givrée d’Oranges sanguines siciliennes
chocolat intense et amandes acidulées
Friandises


Sorbet rafraîchissant de Pommes Gala
parfumé aux fruits de la passion

Nach 15 Uhr übernimmt die nächste Schicht die Vorbereitungen für den Abend. Alles frisch, von Grund auf à la minute zubereitet. Kein sous-vide, nichts Vorgekochtes.

Quiche aux légumes

Die Quiche mit spiralförmig eingelegten Gemüsestreifen geistert schon seit Jahren durchs Netz und einschlägige Zeitschriften. Muss man nicht unbedingt nachbacken. Eine einfache Gemüsequiche schmeckt ebenso gut und ist wesentlich schneller gemacht. Aber weil die im Zürcher Opernhaus in den Pausen servierten Schinkengipfel und Käseküchlein im Verhältnis zum festlichen Anlass so dürftig und fantasielos daherkommen, entschloss ich mich, die 5½ Stunden dauernde Oper (inkl. Pausen) zuvor mit einem kleinen Nachmittagslunch aufzubretzeln.

Tarte spirale aux légumes

für 2 kleine 18 cm Quiches

Zutaten und Zubereitung

Dinkelmürbteig

230 g Dinkelmehl (Type 630)
1 TL Salz
120 g kalte Butter in Flocken
1 Vollei
1-2 EL Wasser
etwas Butter für die Form
etwas Mehl zur Teigverarbeitung

Belag

4 bunte, dicke Karotten
2 mittlere Zucchini

Guss

1 Ei
2.5 dl Vollrahm
1 Büffel-Mozzarella, ca 120 g, klein geschnitten
1 TL Maizena
20 g Parmesan, fein gerieben
1 Msp. Anapurna Curry
Salz, Pfeffer

(1) Mehl mit Salz in der Küchenmaschine (K-Haken) mischen. Kalte Butter in Stücken unterrühren bis keine Stücke mehr sichtbar sind. Das Ei zugeben und rasch untermischen. Wasser zugeben. Zu einem glatten Teig mischen (nicht kneten) und in Folie eingewickelt mind. 30 Minuten kaltstellen.

(2) Teig halbieren, ausrollen (2 mm) und in die gebutterte Form drücken. Boden mit Gabel einstechen, mit einem runden Backpapier bedecken, Form mit Backerbsen auffüllen und 20 Minuten bei 170°C UL vorbacken.

(3) Das Gemüse auf einem Gemüsehobel oder mit einem Sparschäler in 1 mm dünne Bahnen schneiden. Die Breite der Bahnen sollte gleichmässig sein und sollte die Höhe der Form nicht überschreiten. Abschnitte für eine Gemüsesuppe verwenden.

(4) Die Gemüsestreifen vom Teig-Rand her abwechselnd, auf der langen Kante stehend, spiralförmig nach innen hin auslegen.

(5) Zutaten für den Guss mit dem Stabmixer in einem hohen Becher zu einer homogenen Creme mixen. Guss auf die beiden Quiches verteilen.

Backen

30-40 Minuten bei 200°C UL

Vielleicht wäre es besser gewesen, die vorgebackene Quiche erst mit dem Guss auszugiessen und anschliessend mit den Gemüsestreifen zu füllen. Die Oberfläche dürfte damit bunter wirken. Nächster Versuch, wenn die Götter dämmern.


F-75002 Paris: Flanieren

[Fin de serie]. Wer ohne Ziel in Paris umherläuft, läuft oft im Kreis. Immer wieder passieren wir Les Halles und damit das Geschäft mit der (für mich) allerhöchsten Anziehungskraft: E. Dehillerin. Le Spécialiste du matériel de cuisine, depuis 1820.

Hier hängt der Himmel wahrlich voller G…erätschaften. In den dunkeln Kellern stapeln sich Kupfertöpfe und alles, was das Herz eines (Hobby)-Kochs höher schlagen lässt oder zumindest die Blicke auf sich zieht wie etwa die silberne Entenpresse.

Was mir die Küchenläden, sind Frau H. die grossen Galerien, allen voran die Galeries Lafayette. Da in der Besuchswoche die  Fashion Week®2023 stattfand, belustigten wir uns an den blasierten Posen der Models, den Verrenkungen ihrer Fotografen und den mit affektierter Selbstdarstellung beschäftigten Influencerinnen. Kleider machen Leute, doch nur auf den ersten Blick. Nimmt man ihnen die Kleider weg, bleibt oft erbärmlich wenig übrig. Dann bleibt nur noch die Entscheidung zwischen Déstockage oder Müll.

Zurück zu Lafayette. Die eindrucksvolle Jugendstil-Glaskuppel wurde 1912 eingebaut.

Die offene Dachterasse der Galeries Lafayette gewährt einen wunderbaren Rundblick, auch wenn man nichts kauft:

Oder näher herangezoomt (nicht mit einem teuren Teleobjektiv sondern by hiking):

Im Nebenhaus am Boulevard Haussmann hat sich Lafayette Gourmet eingenistet: Auf drei Etagen und über 4500 m2 bilden der Marktplatz, das Feinkostgeschäft, der Weinkeller, die Feinschmeckerläden, die Theken und die Nouvelles Tables die französische Lebenskunst in der Luxusvariante ab. Bekannte Köche und Konditoren, renommierte Häuser, junge Talente und erlesene Marken sind hier vertreten. Am Morgen nach Türöffnung um 09.30h ist der Laden noch wenig besucht. Mittags und Abends muss man an einzelnen Theken lange Warteschlangen in Kauf nehmen.

Die Foie Gras Theke:

ein winziger Ausschnitt der Fleischertheke von Gilles Verot. Hier deckten wir uns mit Quiches ein:

Die Pfeffertheke

In der süssen Abteilung sind u.a. Alain Ducasse, Pierre Marcolini, La maison du chocolat, Philippe Conticini, Jean-Paul Hévin, Dalloyau und Pierre Hermé vertreten. Ferner auch das auf Éclairs spezialisierte Unternehmen von Les Éclairs de Genie.

Gourmets können sich aber auch ausserhalb von Lafayette in schönen, kleinen Quartierläden eindecken:

La Mère de la Famille, Schokolade seit 1761

Unterhalb des Montmartre werden im Clos Montmartre Rebstöcke gepflegt. Die Reben gehören der Stadt und liefern alljährlich rund 1000 Flaschen Wein, Gamay und Pinot noir.

Zu wenig, um in den umliegenden Restaurants angeboten zu werden.

Die Aussicht vom Montmartre war leider durch Liebesschlösser verdeckt, aber Aussicht auf den Tour d’Eiffel hatten wir ja schon.

Und schon schlägt die letzte Stunde unseres Kurzaufenthaltes in Paris: In einem Stück Natur mitten in der Stadt. Der Jardin des Plantes ist ein wissenschaftlicher Garten, der vor vier Jahrhunderten auf 2.5 Hektaren angelegt wurde. Mit seinen bepflanzten Flächen, bemerkenswerten Bäumen, Statuen und Wegen bietet der Park eine abwechslungsreiche und gut erhaltene Umgebung zum Bummeln…. und zum Abschied. Zum Auffrischen der Botanikkenntnisse war es noch zu früh. Verbraucht haben wir 2×10 Metrotickets. Und Schuhsohlen. Gekauft haben wir u.a. 2 Navigokarten. Die kann man mit Metrofahrten vorab elektronisch aufladen. Für künftige Besuche 😉

Polpette alle cime di rapa

Das klassische, apulische Nationalgericht sind Orecchiette con le cime di rapa. Rezept hier. Da wir über Ostern im Gargano in Apulien wanderten, lernten wir noch andere Zubereitungsarten für den Stängelkohl kennen. Der Stängelkohl ist eines der ersten Freilandgemüse, das bei uns im Frühjahr aus dem kalten Boden spriesst. Unsere Biobauern pflanzen ihn, einjährig und schnell wachsend, als Gründüngung an. Bei der Bestellung der Felder wird im Frühjahr der ganze Bewuchs untergepflügt. Um sich dann im nächsten Jahr als „Unkraut“ weiter zu verbreiten. Wir erlaubten uns, ein paar Stängel einzusammeln. Oder war das Mundraub? Denn wer „zur Befriedigung augenblicklicher Lüsternheit“ (Urteil des Schweizerischen Bundesgerichts 80 IV 240 von 1954) Lebensmittel geringen Wertes stiehlt, macht sich strafbar und kann juristisch verfolgt werden.

Der Begriff des Mundraubes ist in der Schweiz seit 1942 nicht mehr gebräuchlich und wird heute als einfache Form des Diebstahles klassiert. Er ist aber nach wie vor -auf Antrag des Geschädigten- strafbar. Glücklich, in dessen Gärtchen Cime di Rapa wachsen.

Der kräftige, leicht bittere Geschmack kommt in den Polpette zwar weniger zur Geltung, als mit den Orecchiette, reicht aber völlig aus, um eine augenblickliche Lüsternheit auf Stängelkohl zu befriedigen.

Polpette alle cime di rapa

Hauptmahlzeit für 2 Personen

Zutaten und Zubereitung

120 g Quinoa (aus Schweizer Bioproduktion)
ca. 1.6 dl Wasser
1 TL Bio-Gemüsebrühpulver

250 g Cime di Rapa
2 Zehen Knoblauch, gewürfelt
1 kleine Chilischote, entkernt, fein gehackt
2 EL Salz-Kapern, gewässert, gehackt
2 EL Pinienkerne, trocken geröstet und grob gehackt
1-2 EL Ackerbohnenmehl (Vicia faba)
Gewürzfenchelsamen, gemahlen
Meersalz
Pfeffer
Muskatnuss

(1) Wasser mit dem Gemüsebrühpulver aufkochen, das Pseudogetreide einstreuen und bei niedriger Temperatur zugedeckt 15 Minuten simmern lassen. Anschliessen vom Feuer auf ein Holzbrett ziehen und weitere 20 Minuten quellen lassen.
(2) Cime die Rapa putzen und waschen. 1 Minute im Dampfgarer bei 120°C oder 5 Minuten in kochendem Salzwasser blanchieren, eiskalt abschrecken und sehr gut ausdrücken. Danach mit dem Messer feinstmöglich hacken.
(3) Knoblauch, Chili und Fenchel in 2 EL Olivenöl dünsten, Kapern und Pinienkerne zugeben.
(4) Gehackten Cima di Rapa unterrühren, das Ackerbohnenmehl darauf sieben und ggf. mit einem Schluck Wasser gut verrühren. Etwa 5 Minuten weiter dünsten bis eine weiche, formbare Masse entsteht. Würzen mit Salz, Pfeffer und Muskat.
(5) mit nassen Händen Kugeln formen, auf einem mit Backpapier belegten Blech mit wenig Olivenöl beträufeln.
(6) Im vorgeheizten Backofen bei 180°C UL 10 Minuten backen.

Dazu:

a) Im Dampfgarer 10 Minuten bei 100°C vorgegarte Corne de Gatte Kartöffelchen schälen und in heissem Olivenöl schwenken und salzen. Bestreuen mit Rosslauch (Allium selvaticum)
b) Aioli (Knoblauch-Mayonnaise)

Beccafico e Crudi. Süsswasserversion

Im Original ein altes, typisch sizilianisches Volksgericht. Sein Name leitet sich vom italienischen „beccafico“ ab, einer Grasmücke, der Singvogel aus der Familie der Sylviidae. Die Vögel picken (beccare) sich mit ihren Schnäbeln an den süssen Feigen (fica) satt und dick. So wurden sie früher (wohl auch noch heute) in Netzen gefangen. Der Adel verlangte nach dieser „Delikatesse“ und liess sich die Vögel mit Eingeweiden und Innereien füllen. Ein angeblich schmackhaftes Gericht, aber für das einfache Volk damals als Luxusgut unerschwinglich. Das Volk, nicht dumm, ersetzte den raren Vogel durch etwas, das an der Küste Sizilien billigst zu haben war: Sardinen.
Frische Sardinen sind bei uns kaum frischfrisch zu erhalten, der hohe Fettgehalt macht sie rasch ungeniessbar. In Dosen gibts es sie als Bückware im Supermarkt, in Delikatessläden in unterschiedlichsten Varianten, sogar als Jahrgangssardinen. Aber Dosenfische sind nur für die Füllung geeignet.

Lucas hatte das Gericht von seiner Sizilienreise mitgebracht. Im Gespräch mit dem Fischhändler auf dem Luzerner Markt hatte er die Inspiration, tagesfrische Albeli anstelle weitgereister Sardinen zu verwenden. Diese Kleinfelche (Renke) hat ähnliche Dimensionen wie die Sardine. Darauf lag es nahe, für den rohen Fisch ebenfalls einen frischen, einheimischen Fisch zu verwenden: eine grosse Felche.

Entstanden ist eine kleine Köstlichkeit, von der man nicht genug bekommen kann. Das Rezept leicht angelehnt an Giorgio Locatelli: „Meine sizilianische Küche“.

Die story mit Bildern vom Luzerner Markt, dem ganzen Menu und wie aus einem unscheinbaren Vierwaldstätterseefisch eine Sardine wurde: wie immer im Blog [K]ein Kochbuch von Lucas Rosenblatt.

mit Füllung belegt

Beccafico

Menugang für 15 Personen

16 Albeli Doppelfilets (600 g)
3 Sardellen (Konserve)
2 EL Brotbrösel
20 g Salzkapern, gewässert, gehackt
30 g Taggiasca Oliven, gehackt
1 EL Sultaninen, dunkel, gehackt
4 EL Pinienkerne, geröstet, gehackt
4 EL Mandeln, geröstet, gehackt
1 EL Kardamomöl

1 Peperoncino, entkernt und enthäutet, klein gewürfelt
Gewürzsalz für Fische, schwarzer Pfeffer
1 dl Zitronensaft/Orangensaft 1:1

Frische Lorbeerblätter
Flüssige Butter
Brotbrösel

Fische parieren, auf die Hautseite legen. Einpinseln mit Zitronensaft/Orangensaft. Mit Pfeffer und Gewürzsalz würzen.
Zutaten für die Füllung mischen und abschmecken. Füllung auf die Filets verteilen, oberen Rand frei lassen.
Satt einrollen, jeweils 4 Filets mit einem Holzspiess aufspiessen, Lorbeerblätter (ohne Mittelrippe) dazwischen legen, rundum mit flüssiger Butter oder Olivenöl bestreichen und mit Brotbröseln bestreuen.
Vor Verwendung 3 Minuten bei 240°C im vorgeheizten Salamander überbacken.

Ofenfertig gerollt

Crudi: Felchentartar

1 Felchen
2 Radiesli, fein gehackt
6 Stängel Schnittlauch, fein gehackt
3 Zweige Koriander, fein gehackt
1 Frühlingszwiebel, fein gehackt
1 kleine Chilischote, entkernt und enthäutet, klein gewürfelt
Gewürzsalz für Fische
Orangenöl

Felchen filetieren und entgräten. In kleine Würfel schneiden und kalt stellen. Vor Verwendung mit den übrigen Zutaten mischen und abschmecken.

Pesto Trapanese

75 g Mandelkerne, geschält

500 g Cherrytomätchen
4 Knoblauchzehen
Meersalz
Schwarzer Pfeffer
40 g Pfefferminzblätter, gehackt
50 ml Mandarinenöl

Mandeln im Ofen bei 180°C goldgelb rösten, auskühlen und hacken.

Tomätchen anritzen, in siedendem Wasser kurz blanchieren und enthäuten. Halbieren, Kerne entfernen (Jus auffangen und beiseitestellen) und die Hälften auf ein mit Backpapier belegtes Blech legen. Mit wenig Mandarinenöl beträufeln, salzen und 90 Minuten bei 95°C im Ofen confieren. Danach fein hacken.

Mandeln und Knoblauch im Mörser zu einer Paste zerstossen, die Pfefferminze und das Mandarinenöl sukzessive einarbeiten, am Schluss die Tomaten untermischen. Abschmecken.

Salsa verde

2 Freilandeier
3 geschälte, zerdrückte Knoblauchzehen
2 Sardellenfilets
1 Scheibe Toastbrot ohne Rinde
½ grüne, entkernte Chilischote
1 Bund glatte Petersilie (15 g)
30 g Salatspinat
1 EL Salzkapern, gewässert
8 Blätter Minze, ca. 5 g
1 Bund Schnittlauch, ca. 10 g
ca. 100 ml Zitronenöl
schwarzer Pfeffer, Prise Zucker

Eier in Essigwasser 5 Minuten kochen, kalt abschrecken. Schälen. Die Eigelbe in den Cutter geben. 
Knoblauch, Sardellen, Toastbrot und Chilischote klein schneiden und in den Cutter geben. 
Kräuter von den Stielen zupfen, grob hacken. Zitronenöl, Pfeffer und Zucker zu den andern Zutaten im Cutter geben und bei maximaler Drehzahl pürieren. Abschmecken mit Fleur de Sel.

Fertigstellen

Zum Garnieren: Basilikum

Eine Nocke Pesto trapanese. Ein TL Felchentartar (in eine, kleine quadratische Form gedrückt). Daneben ein Strich Salsa verde, darauf eine Albeli-Rolle auf die Teller anrichten.

Grüsse aus dem regnerischen Apulien, das liegt ja fast so südlich wie Sizilien.

F-75005 Paris: Sind Sterne essbar?

Unsern Kurzaufenthalt im eiskalten Paris wollten wir mit einem Besuch im L’ Arpège bei Alain Passard krönen. Eigentlich… Seit 1996 hält er 3 Sterne. Passard, Gemüsegott mit drei eigenen Gemüsegärtnereien, die Gemüse weitgehend ohne Spritzmittel für ihn und Abonennten tagesfrisch produzieren. Passard ist inzwischen vom Vegetarier wieder zum Flexitarier mutiert. Die Kürbissuppe gibts für 88€. Das grosse Abendmenu für 490€. Geradezu ein Schnäppchen. Da Abendtische in Pariser 3-Sternelokalen über Tage, manchmal Wochen ausgebucht sind galt es sofort nach der Devise „how to book my month ahead table“, zu handeln. Eigentlich…

Beim Blättern im Internet stiess ich auf eine vernichtende Kritik (2016) von Ryan Sutton, einem erfahrenen food-Journalisten von Eater. Das mit Kamille gefüllte Kohlblatt machte mich stutzig, war Anlass, weiter zu recherchieren. Fand weitere, glaubhaft wirkende Belege, welche mein Unbehagen bestärkten. Je mehr ein Gast für ein Gericht bezahlt, desto größer ist die Erwartung, dass sich das Gebotene qualitativ von der traditionellen Basis abhebt, und zwar auf sinnvolle Weise. Und dass der Service perfekt ist. Kurz: In einer Stadt wie Paris, wo so viele junge Köche raffinierte Gerichte zu einem Bruchteil der im Arpège verlangten Preise anbieten, bieten sich noch andere Möglichkeiten, gut zu essen.

Nach ausgiebigem Recherchieren von Stil, Innovation, Tellerästhetik, Lage, Bewertungen, Bildern, Berichten und Kritiken (man ist schliesslich anspruchsvoll) fand ich zwei von Japanern geführte Restaurants, die mir gefielen: das AT von Atsushi Tanaka sowie das Bistro Automne von Nobuyuki Akishige.

Beide Lokale haben einen Michelinstern, sind minimalistisch, um nicht zu sagen spartanisch, aber ästhetisch eingerichtet: Holztische ohne Tischtuch, die Menukarten kommen bei beiden aus dem Tintenstrahldrucker. Freundlicher Empfang. Guter, aufmerksamer Service. Beide kochen modern. Die Qualität und Frische der Gerichte entspricht dem für Sterneküchen zu erwartenden Standard. Im Küchenstil unterscheiden sich die Köche. Tanaka sprüht von Innovationen, kocht aufwändig, ein wenig verspielt, ästhetisch angerichtete Teller mit japanischem touch im mittleren Preissegment (3 Amuses, 8 Gänge, 2 Desserts: 160€). Akishige pflegt hingegen eine eher französisch inspirierte Küche, wesentlich einfacher als Tanaka, mit gutem Preis/Leistungsverhältnis (5 Gänge: 85€, 7 Gänge: 135€).

Hier ein paar Tellerbilder aus dem AT:

Boeuf / Topinambour / Foin: Törtchen gefüllt mit Rindertartar und Topinambour. Dazu eine Rinderessenz.

Saint Jacques / Oca du Pérou: Scheiben von rohen Jakobsmuscheln mit Oca (Oxalis tuberosa), Löwenzahn, Schnittlauchöl und einer aromatischen Dashi.

Huître / Oseille / Livèche: Gillardeau Muscheln N°2 in einer krümelig-grünen, mit Stickstoff erzeugten Granita aus Sauerampfer und Liebstöckel.

Oursin / Carotte / Tonka: Seeigelfleisch mit Karotten und einer Seeigel-Bisque.

Camouflage: Truite / Genièvre / Persil: Der signature dish von AT: mit Wacholder leicht geräuchte Forelle, versteckt unter dünnen, verschieden grünen Chips, bestreut mit gefrorener Granita aus mit Wacholder geräuchtem Fromage blanc, beträufelt mit Petersilienöl.

Encornet / Cima di Rapa / Cédrat: Tintenfischstreifen auf Cima di Rapa-püree und Zedratzitronenwürfeln.

Turbot / Epinard / PilPil: Steinbutt an und in Spinat, mit Pil Pil und Salbeisauce gewürzt.

Pigeon de Poitou / Rutabaga / Sudachi Kosho: Gebratene Taubenbrust und -jus. Üppige Fleischportion. Von den kleinen Beilagen erinnere ich mich nur noch an das Tannennadelpesto, Stachys, Rutabaga und das Gewürz aus japanischen Zitronen. Das in Sesam gebackene Taubenbein inklusive Krallen erinnerte an einen Flugsaurier und war deplaziert.

Pré-Dessert Betterave / Poivre de Timut : Rote Bete als Biskuitblatt, Gel-Stangen mit halbflüssiger Crème-Füllung, Randen-Eiweiss-Chips mit Randen-Granita und als Konfitüre.

Dessert: Coing /Poivre Verveine: Quittenwürfel, Quittencreme und -chip

Fazit: Beide Restaurants sind empfehlenswert. Das AT um einmal richtig schlemmen zu gehen ohne sein Bankkonto leerplündern zu müssen. Das Automne, wenn man in der Nähe wohnt, wegen seiner einfachen, günstigen Mittagsgerichte (45€ mit Wein und Kaffee).

F-75002 Paris: Spaziergang durch Passagen

Die gedeckten Passagen gehören seit 200 Jahren zum Stadtbild von Paris. Beim Flanieren übersieht man sie leicht. Deshalb empfiehlt sich ein Stadtplan oder google maps.

Wir fahren mit der M7 bis zur Station Le Peletier. In wenigen Schritten sind wir in der Rue du Faubourg du Montmartre. Hier fasziniert mich ein chinesischer Nudelmacher mit einer Technik, die den italienischen Pici nahe verwandt ist. Übrigens assen wir in dem Lokal zu Mittag. Gut. Günstig. Tadellos.

Die Nudeln erinnern mich an mein vor mehr als 12 Jahren abgegebenes Gelübde, mit der Bloggerei aufzuhören, sobald es mir gelänge, chinesische Nudeln selber zu drehen. Leider scheiterten all meine bisherigen (unzähligen) Versuche in Misserfolgen. Doch geb ich die Nudeln noch nicht auf. Neue Ideen beflügeln mich.
Rein in die Passage Verdeau.

Passage Verdeau (6 rue de la Grange-Batelière /9. Arr.)

Die Passage Verdeau wurde 1846 zusammen mit der Passage Jouffroy errichtet. Sie ist nicht die Schönste, gehört aber zu den schöneren Galerien in Paris.

Die Verdeau beherbergt vorwiegend Läden für Sammler und Restaurants.

Über eine kleine Seitenstrasse fällt man gleich in die nächste Passage:

Passage Youffroy (10 – 12 Boulevard Montmartre /9. Arr.)

Die Youffroy ist eine der schönsten Galerien. Erbaut wurde sie 1846 und ist nach einem der Bauherren benannt. Die Passage liegt auf leicht fallendem Gelände, so dass in der Mitte ein paar Treppenstufen überwunden werden müssen.

Hier hats Cafés, Geschenkboutiquen, Vintage Poster, Postkarten, Bücher, ein Laden für Spazierstöcke und weitere Dinge, die niemand braucht. Ja sogar ein Hotel.

Das Tageslicht erreicht man auf dem Boulevard Montmartre. Die letzte Passage der Passagen-Trilogie findet sich wiederum gegenüber dem Ausgang:

Passage des Panoramas (11 Boulevard Montmartre /2. Arr.)

Sie wurde 1799 erbaut und gehört zu den Schönsten. Sie hat originelle Läden, teilweise mit alten Beschilderungen. Cafés, Restaurants und Kuriositäten, wie diese praktischen Elektroschalter.

Im Sommer stelle ich mir die Passagen angenehm frisch vor. Jetzt, Anfang März waren sie kalt und zugig. Beim Ausgang wählen wir die Rue Vivienne, sie führt uns nach etwa 500 Metern zur

Galerie Vivienne (4 Rue des Petits Champs /2. Arr.)

Die Galerie wurde 1823 erbaut, ist vielleicht die Schönste in Paris, schon wegen der erhaltenen Bodenmosaike.

Die Galerie Vivienne beherbergt Boutiquen bekannter Modeschöpfer, aber auch Läden für Dekoration, Restaurants und Cafés, Buchläden mit neuen und alten Büchern

Danch muss man sich um ein paar Blocks herum in die Rue Jean-Jacques Rousseau bewegen:

Galerie Véro-Dodat (19 Rue Jean-Jacques Rousseau /1. Arr.)

Die Galerie Véro-Dodat wurde 1826 erbaut. Auch sie trägt die Namen der Investoren und ist die eleganteste Passage von Paris. Alles sehr schick. Alles sehr teuer.

Am Eingang der Passage hat sich das Haus Louboutin etabliert. Leserinnen mögen wissen, um was es sich dabei handelt: Die grüne Farbe hätte Frau H. gefallen, doch die Stilettos sind nur zum Sitzen geeignet (Preis für die Sitzschuhe: 700€. Immerhin pro Paar).

200 Meter von der Passage entfernt, findet man sich auf der Rue de Saint-Honoré wieder. Das waren 5 von insgesamt etwa 20 mit Glas überdachten Passagen. Von der Station der M4 Château d’Eau aus lassen sich weitere Passagen besichtigen (Passage Brady, du Caire, du Cerf).

How to Make Croissants

Nicht irgendwelche Gipfeli, sondern Schweizer Croissants au Beurre, nach einem Rezept der Basler Bäckerei Kult. Und die sind in Basel: Kult. Ich besuchte kürzlich den von der Bäckerei angebotenen Kurs „How to croissant“ und lernte an einem Nachmittag von 14h bis 20h Theorie und Grundlagen des Gipfelibackhandwerks und wie man das zuhause mit einem gewöhnlichen Backofen und ohne grossen Maschinenpark manuell umsetzt.

Zugegeben, es steckt viel Arbeit dahinter, die nicht jede/r aufbringen kann oder aufzubringen bereit ist. Wer jedoch einmal in ein solches, frisch gebackenes croissant beissen durfte, will keine anderen mehr. Selbst wenn meine ersten, nach dem Kurs zuhause nachgebackenen Gipfeli gegenüber dem Original noch Fertigungs-Mängel aufwiesen, Meister wird man erst durch Übung.

Croissants au Beurre

Zutaten

450 g Weissmehl
40 g Zucker (L.: 5 g weniger als das Original)
9 g Salz
10 g Frisch-Hefe
112 g Milch
112 g Wasser
1 Ei (45 g ohne Schale)
22 g weiche Vorzugsbutter

zusätzlich:
250 g Vorzugsbutter zum Tourieren

Zubereitung

Tag 1:
Teig und Tourierbutter am Abend vorbereiten

(1) Zucker und Salz im Milchwasser auflösen, Hefe darin suspendieren. Ei darin verquirlen. Butter in feine Flocken verteilt unter das Mehl mischen, dann die Eiermilch kurz (1-2 Minuten) dazumischen. Mischen, nicht Kneten. Zu einer runden Platte formen und in einem Plastikbeutel einschlagen. Sofort kühl stellen (2-4°C).

Tipp: Die Zutaten müssen gut gemischt sein, es darf sich aber nicht zuviel Gluten bilden, sonst wird der Teig bockig (zieht sich beim Ausrollen zusammen)

(2) Die Tourierbutter in einen 20×30 cm grossen Plastikbeutel geben, etwas weich werden lassen und mit dem Wallholz in eine flache Form, 20x20cm bringen. Die Butter muss gleichmässig dick sein. Die Butterplatte ebenfalls über Nacht in den Kühlschrank geben.

Tag 2:
Tourierbutter einschlagen

(3) Teig aus dem Kühlschrank nehmen und mit wenig Mehl auf 30x30cm auswallen. Es sollte ein gleichmässig dickes, exaktes Quadrat entstehen. Falls die Ecken rund werden, den Teig an den Ecken mit gegengreifenden Fingern von der Mitte her leicht ausziehen. Butterplatte aus dem Kühlschrank nehmen und sie um 45° versetzt auf das Teigquadrat legen. Leicht andrücken. Die vorstehenden Teigdreiecke wie einen Briefumschlag über die Butterplatte zusammenlegen und die Butter im Teig einsiegeln. Mind. 30 Minuten -in Folie eingewickelt- kalt stellen.

Erste Tour

(4) Teig-Butterblock auswallen:
Arbeitsfläche und Rollholz sparsam mit Mehl bestreuen. Das Rollholz in der Mitte des Teig/Butterblocks ansetzen und durch leichtes Klopfen nach hinten arbeiten. Dasselbe nach vorne. Den Teig (immer von der Mitte ausgehend) auf eine Fläche von 20x60cm auswallen. Er muss an allen Stellen gleich dick sein. Mehl wegpinseln und das Rechteck auf beiden Seiten in Drittel falten, so dass drei Lagen von 20×20 cm entstehen. Mind. 30 Minuten -in Folie eingewickelt- kalt stellen.

Tipps:
Der Teig muss gekühlt sein. Ist er zu warm -oder wird durch allzu langes Ausrollen warm, schmilzt die Butter in die Mehlschicht und es resultiert ein Briocheteig, dem die blättrige Struktur des Croissant fehlt. Das Ausrollen auf einer kühlen Arbeitsplatte ist deshalb von Vorteil. Bei sommerlichen Temperaturen muss sehr rasch gearbeitet werden.

Der Teig soll gleichmässig dick ausgerollt sein. Dazu das Rollholz in der Mitte ansetzen und von sich wegrollen. Teigstück um 180° rotieren und das Ausrollen auf die andere Seite wiederholen. Zieht man das Rollholz gegen sich, wird meist weniger Druck ausgeübt und die Teigplatte wird uneben.

Die Kanten möglichst gerade formen und dem Teig vor allem Länge geben, statt ihn zu breit auszurollen.

Den Teig leicht bemehlen und immer wieder von der Unterlage lösen, damit er nicht klebt und seine Struktur zerrissen wird. Anhaftendes Mehl immer! sauber abpinseln.

Wenn der Teig durch langes Ausrollen bockig wird, besteht die Gefahr, dass man mit zuviel Druck die Schichten zerstört. Dann den Teig falten, wieder kühl stellen, entspannen lassen und das Ausrollen wiederholen.

Zweite Tour

(5) Teig herausnehmen und so vor sich hinlegen, dass man die eingefalteten Seiten wie ein Buch aufklappen könnte. Teig auf 20×60 cm auswallen und wie bei der ersten Tour in Drittel falten. Mind. 30 Minuten -in Folie eingewickelt- kalt stellen.

Dritte Tour

(6) Nochmals dasselbe wie in der Zweiten Tour. Am Ende hat man einen quadratischen Plunderteigblock mit 27 Butterschichten. Von weiteren Lagen sollte abgesehen werden.

Tipp: In diesem Zustand kann man den Teig bis zu 3 Tage gut eingepackt tiefkühlen. Nach dem Rausnehmen benötigt er 12 Stunden zum auftauen.

Letztes Ausrollen

(7) Auf einer leicht bemehlten Arbeitsfläche auf 20-25×110 cm ausrollen. Bei engen Platzverhältnissen auf ca. 60 cm Länge ausrollen, halbieren und beide Teilstücke auf ca 55cm ausrollen.

(8) Wenn der Teig seine endgültige Länge erreicht hat, den Teig vorsichtig von der Platte abheben und wieder hinlegen.

Tipp: 5 Minuten entspannen, bzw. schrumpfen lassen, damit sich die späteren Dreiecke nicht mehr zusammenziehen.

(9) Die obere Längskante des Teigbandes alle 12 cm mit einem Schnitt markieren. Dasselbe, um 6 cm versetzt, an der untern Kante. Von der obern Markierung ausgehend mit dem Messer einen kühnen Diagonalschnitt zur untern Markierung machen. Das gibt, mit Abschnitten, etwa 14-16 Dreiecke.

Croissants rollen

(10) Die Dreiecke so hinlegen, dass die Spitze nach hinten zeigt. An der kurzen Seite des Dreiecks jeweils 1.5 cm lang einschneiden. Leicht auseinander ziehen und mit beiden Händen zur Spitze hin aufrollen. Am Anfang mit leichtem Druck in die Breite stossend.

frisch gerollt

(11) Danach mit grosszügigen Abständen auf ein mit Backpapier belegtes Blech legen, mit einer Plastikfolie abdecken und bei ca. 25°C auf das Doppelte aufgehen lassen (L.: bei Raumtemperatur im Backofen mit einer flachen Schale mit heissem Wasser ca. 2 Stunden bei 25-27 C gehen lassen)

Tipp: Vorsicht, dass die Temperatur nicht überschritten wird, sonst schmilzt die Butter weg. Zugluft vermeiden.

(12) Danach mit aufgeschlagenem Ei (mit je einer Prise Salz und Zucker versetzt) bestreichen.

Tipp: Pinsel von der Mitte weg nach Aussen bewegen, damit die Teigränder nicht verkleben.

Backen

20 Minuten bei 180°C UL mit Schwaden.

Tipp: die Croissants gegen Ende auf Sicht backen, sie werden schnell dunkel. Bei zwei Blechen gegen Ende die Bleche vertauschen. Türe vorher nicht öffnen.

Im Kurs benutzten wir den Profi-Ofen. Darin werden die Gipfeli einige Minuten bei 85°C beschwadet, anschliessend der Dampf automatisch reduziert und die Gipfeli bei 180°C fertig gebacken. Ich versuchte das zuhause zu imitieren: gut 5 Minuten bei 85°C mit einer heissen, flachen Schale mit 50 ml kochendem Wasser. Danach den Ofen auf 180°C aufheizen und nach Erreichen der Temperatur ca. 15 Minuten fertig backen. Gegen Ende Türe kurz öffnen um den Dampf zu entfernen.

Der Profi-Ofen heizt nach dem Beschwaden automatisch auf

In Paris nahmen wir das tägliche Frühstück in nahegelegenen Boulangerien ein. Meine, nach dem Rezept der Basler Bäckerei Kult, schmeckten mindestens so gut. Eher besser.


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