Die Aussicht, unter dem Schnee begrabene Orchideen ausbuddeln zu müssen, war wenig verlockend. Das Ersatzangebot umso mehr. Auf der Küstenstrasse SP53, derLitoranea fuhren wir bis kurz nach Baia delle Zagare. Ab hier verläuft der Wanderweg Mergoli-Vignanotica als gut ausgebauter Pfad entlang der Küste.
Blick zurück in die Baia dei Mergoli:
Dabei bieten sich immer wieder schöne Ausblicke auf das türkisblaue Meer.
Während der Wanderung trafen wir auf Feuerstein-Adern (Silex). Feuerstein ist ein hartes Kieselgestein das nahezu ausschließlich aus Siliziumdioxid (SiO2) besteht. Die Feuersteinschichten liegen hier 2-20 cm dick eingebettet in Kalkgesteinsschichten.
Entstanden ist er durch sedimentierte Relikte von Diatomeen. Während der seit Jahrmillionen andauernden Kompaktierungs- und Umwandlungsprozesse der Gesteinsbildung entsteht zunächst ein amorpher Opal, der schliesslich durch Wasserverlust in den quarzähnlichen Hauptbestandteil des Feuersteins umgewandelt wird. Dabei wird Kalziumkarbonat durch Siliziumdioxid verdrängt.
Ich erlaubte mir, einen grossen, kilogrammschweren Feuerstein mit nach Hause zu nehmen. Vielleicht nützt er uns noch, falls Herr Putin sein Vorhaben, uns in die Steinzeit zu bombardieren, umsetzt.
Als ob sie ihre Wurzeln im Meer baden wollten. Steile Olivenhänge.
Unübersehbar der „uomo nudo“, die Orchis italica:
oder die salbeiblättrige Zistrose, Cistus salviifolius, mit geflügeltem Liebhaber:
Blumen über Blumen, hier das weichhaarige Schwefelkörbchen, Urospermum dalechampii:
Und wonnig winkt dem Wanderer das kühlende (eher kalte) Nass aus der Tiefe der Baia vignanotica, einem der schönsten Strände Italiens.
Im Sommer bestimmt gut besucht:
Der Gargano ist eines der wenigen Gebiete im Mittelmeerraum, in dem man ursprüngliche, wenig deformierte Gesteinsschichtungen beobachten kann.
Frostiges Erwachen an unserem Übernachtungsort auf 850 m.ü.M.: Eisregen, Schneematsch und Null Grad Celsius.
So nutzten halt auch wir die Gelegenheit, die durch Besuche vieler Päpste, Heiliger und Fürsten berühmte Wallfahrtskirche zu besichtigen. San Michele ist eine Grottenkirche. Neben einem achteckigen Glocken- und Wachtturm (1273/74) steht die zweiteilige Eingangshalle (1395). Die Kirche selber liegt im Innern des Berges. Da war es zwar auch kalt, aber der Schneeregen fand draussen statt. Nach dem Durchschreiten der bronzenen Eingangspforte gelangt man direkt hinab zur Grotte des Erzengels.
Die riesige Kalksteinhöhle muss angesichts der Lage, der Struktur und der Größe bereits in griechischer und römischer Zeit ein Ort der Anbetung gewesen sein. Der Ursprung des Heiligtums wird auf das Ende des 5. und den Beginn des 6. Jahrhunderts datiert. Der damalige Bischof von Siponto wollte den heidnischen Kult unter den Bewohnern des Gargano ausrotten und ist wohl der Urheber der wundersamen Mär über seine Begegnungen mit dem Erzengel Michael.
Zwischen dem 6. und 7. Jahrhundert wurde der Ort zum Nationalheiligtum des Langobardenreichs. Was hätte sich zur Förderung des neuen Volksglaubens und der Festigung der Religionspolitik besser geeignet als der kriegerische Erzengel Michael?
Nach mehreren Angriffen der Sarazenen im 9. Jahrhundert wurden umfangreiche Renovationen und Erneuerung durchgeführt. Zwischen dem 10. und 11. Jahrhundert geriet die Wallfahrtskirche unter byzantinische Herrschaft. Diese wurde im 11. Jahrhundert von den Normannen abgelöst. Der Schwabe Friedrich II. hielt sich zu Beginn des 13. Jahrhunderts mit seinem prächtigen Hofstaat öfters in Monte Sant’Angelo auf.
Auf Veranlassung von Karl I. von Anjou, seit 1266 König von Sizilien, erfuhr das Sanktuarium des Erzengels Michael eine massive Umgestaltung. Das Heiligtum wurde zu einer obligatorischen Etappe auf der so genannten Via Francigena, die Gläubige und Kreuzritter ins Heilige Land führte. Im 17. Jahrhundert wurde die Stadt Monte Sant’Angelo zum wichtigsten Zentrum des Gargano.
Blick in die Michaels-Grotte: Hinter dem Altar droht der Erzengel mit seinem güldenen Schwert. Dem Wetter sei Dank, sonst hätte es hier über die Ostertage von Menschen gewimmelt.
Da der Schneeregen nicht aufhörte, lud uns die Reiseleiterin zu einem geführten Museumsbesuch ein. Das Museum befindet sich teilweise in alten Krypten aus byzantynisch-langobardischer Zeit, die um die Jahre 1270 – 1275 endgültig geschlossen wurden, als die Anjou dem Heiligtum mit neuen Bauten seinen heutigen Grundriss gaben. Während der folgenden Pestepidemien füllte man die Krypten mit Pestleichen.
Blick in die alten, wieder ausgegrabenen Zugänge der Grotte:
Hier sind alle Skulpturen ausgestellt, die bei den Ausgrabungen des Heiligtums, der Vorgängerkirche und in den der Ruinen der Abtei Santa Maria di Pulsano gefunden wurden, u.a eine Erlöserstatue aus dem 15. Jahrhundert und ein betender Christus aus dem 11. bis 12. Jahrhundert.
Neben dem Lapidarium sind auch die anderen Teile des Museums sehenswert, so die vielen Darstellungen des Erzengels und die Sammlung alter und jüngerer Votivtafeln.
Erzengel Michael in action als Lebensretter.
Der Schneeregen wollte immer noch nicht hören. An italienischen Wallfahrtorten ist man speditives Arbeiten gewohnt: caffè im Dutzend.
Anstelle der Wanderung auf den höchstgelegenen Berg des Gargano, den Monte Calvo (der seinen Namen dem völlig kahlen Gipfel auf 1065 m verdankt), wurde kurzfristig umdisponiert: mit einer Wanderung zur Baia Vignanotica [folgender Beitrag]. Am nächsten Tag war der Schneespuk vorbei, die Sonne schien wieder.
Die zweiteilige Eingangshalle des Sanktuariums San Michele:
Die ältesten Häuser der um das Jahr 1000 gegründeten Stadt sind mit Vorbauten geschützte Höhlen:
Dachlandschaften:
Typisch für den Ort sind die einfachen, zweistöckigen Häuser im Einheitsstil mit einem Wohnraum im Parterre und einem Schlafraum im ersten Stock:
2022 Blumenwandern in Kalabrien im Aspromonte, 2023 im Gargano in Apulien. Der Gargano-Nationalpark ist ein Vorgebirge an der Küste Apuliens im südlichen Italien. Die in die Adria hineinragende Halbinsel wird auch als Sporn des italienischen Stiefels bezeichnet. Die Fläche von rund 118’000 ha ist in unterschiedliche Zonen eingeteilt: Wälder mit Pinien und Steineichen, im Zentrum der foresta umbra mit Buchen und Kiefern. Landwirtschaftlich genutzte Flächen mit Mandel-, Orangen- und Olivenbäumen. Die Küste und die Strände im Norden des Gargano-Nationalparks sind flach und sandig, im südlichen Teil dominieren hohe, weisse Klippen mit kleinen, malerischen Buchten und Kiesstränden. Kleine, historische Städtchen wie Vieste, Peschici, Mattinata und Manfredonia, die sich im blauen Meer der Adriaküste spiegeln, oder andere, die sich in Seitentälern verstecken.
Die Reise fand unter derselben Reiseleitung und mit lokalen Guides statt, wie letztes Jahr. Zugfahrt bis Foggia. Von dort mit Kleinbus in die Küstenstadt Manfredonia. Von da aus führt ein schmaler, alter und steiler Pilgerpfad happige 700 Höhenmeter hoch und rund 15 km weit zum berühmten Pilgerort Monte Sant’Angelo. Schon zu Römer- und Griechen-Zeiten war der Platz Kultstätte und Orakelort. Seit dem Mittelalter ist er bedeutender Pilgerort der Christen, weil dort in einer Grotte der Erzengel Michael erschienen sein soll.
Nach der (hier verkürzten) Legende erschien dem Bischof von Siponto (dem heutigen Manfredonia) um das Jahr 490 n. Chr. der Erzengel Michael (der mit dem Schwert und den hermaphroditen Flügeln) und befahl dem Gottesmann, ihm eine Höhle als Heiligtum auszubauen. Er selbst wolle ihr Wächter sein. Allen Besuchern sollen ihre Sünden vergeben, und was sie im Gebet erflehen, erhört werden. Eine Reise, die sich schon dadurch von selber amortisieren müsste.
Regenschauer wechselten mit Sonnenschein: Regenjacke an, ab, Regenhosen an, ab, Schirm auf, zu. Je höher, desto kälter, folglich waren warme Pullover gefragt.
Während die Botanikerinnen in der Gruppe immer wieder innehielten, um Blumen zu bestimmen (blümeln), war ich froh um die kleinen Verschnaufpausen und freute mich an dem gefundenen „griechischen“ Bergtee der Gattung Sideritis.
Gegen Mittag erreichten wir den Ort: Kalt und windig: Monte Sant’Angelo Downtown
Doch mit schöner, horizontloser Aussicht aufs ionische Meer
Nach dem Picknick in einem windgeschützten Raum, nein nicht in diesem zerfallenen trullo…,
bewegten wir uns erst in die nahe gelegene Abbazia di Santa Maria di Pulsano.
Die Einsiedler-Abtei wurde 591 auf den Überresten eines antiken, heidnischen Orakeltempels erbaut, Nach der Zerstörung durch die Sarazenen wurde sie zu Beginn des 12. Jahrhunderts vom Heiligen Johannes von Matera wieder aufgebaut und bis zum 15. Jahrhundert durch Mönche des armen Pulsaner-Orden belebt. Nach dem Aussterben des Ordens wurde die Abtei von wechselnden, andern Orden übernommen. Das heftige Erdbeben im Gargano von 1646 zerstörte das Archiv und die Bibliothek.
Nach der Vertreibung der Bourbonen aus dem Königreich Neapel untersagte Joachim Murat, König von Neapel von Napoleons Gnaden, die Anwesenheit eines Mönchsordens.
Später wurde der Klosterkomplex vom wieder vereinigten Königreich beider Sizilien einer Reihe von Diözesanpriestern anvertraut, die ihn bis 1969 verwalteten, dem Jahr, in dem er aufgegeben wurde.
Seit 1990 ist die Abtei dank der Arbeit von Freiwilligen und später der Mönche, die 1997 wieder eingezogen sind, zu neuem Leben erwacht.
Nur die im vorletzten Jahrhundert erbaute, abenteuerliche Strasse nach Manfredonia (weit unten am Meer) wurde nicht fertiggestellt, sie endet im Fels.
Am selten begangenen Weg findet man manch hübches Blümchen, hier die Campanula garganica (Sternpolster-Glockenblume):
In jungen Jahren war ich mit Frau L. während der Ägide des Jahrhunderkochs Fredy Girardet mehrere Male hier essen. Der Rücktritt von Fredy Girardet 1996 bedeutete auch für uns leider das Ende einer grossartigen Aera. Die gesundheitlichen Probleme von Frau L. liessen keine grossen, gastronomischen Ausflüge mehr zu. Die Nachfolger von Girardet: Philippe Rochat und 2012 Benoît Violier besuchten wir nicht mehr. Seit dem Tod von Violier 2016 führt Frank Giovannini die Küche. Auch er, wie alle seine Vorgänger, mit 3 Michelinsternen ausgezeichnet. Ein Haus mit 3 Sternen seit 1975 ohne Unterbruch (das Übergangsjahr 1997 in Klammern).
Meine heutige Lebenspartnerin, Frau H., die um meine seit 40 Jahren andauernde Wertschätzung des Restaurants weiss, fädelte den Besuch ein und machte mir damit eine Riesenfreude. Als (zahlender) Gast nicht auf bequemen Stühlen in einem der beiden Speisesäle, sondern „au bout du passe“, am Ende des Küchenpasses, auf zwei lehnenlosen Barhockern mit spektakulärer Rundumsicht auf Küche, 25 Köche und die laufend angerichteten Teller. Das angespannte Zuschauen macht die Stuhllehne überflüssig.
Wir haben uns inmitten der Abläufe wunderbar aufgehoben gefühlt, in beinahe familiärer Atmosphäre. Die grosse Küche ist klinisch sauber, klimatisiert und belüftet, hat dieselbe Temperatur wie die Speisesäle, erklärt uns Giovannini bei einem Glas Champagner. Die 25 Köche, alle mit Torchon und Toque, arbeiten ruhig, sauber, konzentriert und mit einer unglaublichen Präzision. Tätowiert ist kaum jemand, jeder Koch kennt seine Aufgaben, geredet wird wenig, geschrien überhaupt nicht. Der im Video hörbare Gesprächslärm stammt hauptsächlich von den Gästen am Chefs Table. Einzig das mehrstimmige „oui“ übertönt das Raunen in der Küche, wenn der Chef am Pass die Bestellungen abruft. Regie und Kommando am Pass führt der sous-chef. Franck Giovannini hat sich beim Skifahren leider die Schulter gebrochen, trotzdem steht er am Pass, hilft beim Teller putzen und Kontrollieren. Begrüsst und verabschiedet Gäste. Kurzum: ein einmaliges Erlebnis. Auf jedes Gedeck kommt mindestens ein Angestellter. Das erklärt den gehobenen Preis. Dennoch: in Paris zahlt man für 3-Sterne mehr.
Die Barhocker am Pass (wie auch die 6 Gedecke am chefs table) werden nur belegt, wenn das Restaurant nicht mit grösseren Gruppen ausgelastet ist. Serviert wurde uns das Wintermenu 2023, No° 53 (die Karten werden seit der Aera Violier hochgezählt). Seit Jahren ist das Haus Mittags wie Abends ausverkauft. Zu Recht. Und für das wirtschaftliche Überleben notwendig.
Unlängst hat Andy von lieberlecker hier gegessen und sein Menu voll bebildert, ich kann mich deshalb auf wenige Bilder beschränken.
Auf dem Pass hinter unserem Brotkörbchen: Nage glacée de Couteaux mouillée au Dézaley du Lavaux, primeurs d’hiver au géant d’Italie et caviar Osciètre.
Foie Gras de Canardpoudré au balsamique des Alpes bernoises pickles de chou-fleur et topinambour de Noville
Noix de Saint-Jacques caramélisée aux zestes d’agrumes courge craquante et jus à la chair de clémentine
Tarte renversée de Cardons de Crissier, aromatisée aux diamants noirs de Provence Regionale Produkte spielen eine grosse Rolle in den geradlinigen, auf das Produkt fokussierten Menus von Giovannini.
Dos de Barbue rôti sur l’arête aux jeunes poireaux du canton émulsion gourmande comme une béarnaise. Der Glattbutt wird vor dem Gast kunstvoll von der Gräte gelöst.
so sieht er dann auf dem Teller aus.
Ohne Bild: Délicate royale de Langoustine au Cornalin Combe d’Enfer éclats de panais et pousses de rampon d’Orny Agneau de lait cuisiné de la tête aux pieds laitue confite à la moutarde d’herbes fraîches Fromages frais et affinés Coque givrée d’Oranges sanguines siciliennes chocolat intense et amandes acidulées Friandises
Sorbet rafraîchissant de Pommes Gala parfumé aux fruits de la passion
Nach 15 Uhr übernimmt die nächste Schicht die Vorbereitungen für den Abend. Alles frisch, von Grund auf à la minute zubereitet. Kein sous-vide, nichts Vorgekochtes.
[Fin de serie]. Wer ohne Ziel in Paris umherläuft, läuft oft im Kreis. Immer wieder passieren wir Les Halles und damit das Geschäft mit der (für mich) allerhöchsten Anziehungskraft: E. Dehillerin. Le Spécialiste du matériel de cuisine, depuis 1820.
Hier hängt der Himmel wahrlich voller G…erätschaften. In den dunkeln Kellern stapeln sich Kupfertöpfe und alles, was das Herz eines (Hobby)-Kochs höher schlagen lässt oder zumindest die Blicke auf sich zieht wie etwa die silberne Entenpresse.
Was mir die Küchenläden, sind Frau H. die grossen Galerien, allen voran die Galeries Lafayette. Da in der Besuchswoche die Fashion Week®2023 stattfand, belustigten wir uns an den blasierten Posen der Models, den Verrenkungen ihrer Fotografen und den mit affektierter Selbstdarstellung beschäftigten Influencerinnen. Kleider machen Leute, doch nur auf den ersten Blick. Nimmt man ihnen die Kleider weg, bleibt oft erbärmlich wenig übrig. Dann bleibt nur noch die Entscheidung zwischen Déstockage oder Müll.
Zurück zu Lafayette. Die eindrucksvolle Jugendstil-Glaskuppel wurde 1912 eingebaut.
Die offene Dachterasse der Galeries Lafayette gewährt einen wunderbaren Rundblick, auch wenn man nichts kauft:
Oder näher herangezoomt (nicht mit einem teuren Teleobjektiv sondern by hiking):
Im Nebenhaus am Boulevard Haussmann hat sich Lafayette Gourmet eingenistet: Auf drei Etagen und über 4500 m2 bilden der Marktplatz, das Feinkostgeschäft, der Weinkeller, die Feinschmeckerläden, die Theken und die Nouvelles Tables die französische Lebenskunst in der Luxusvariante ab. Bekannte Köche und Konditoren, renommierte Häuser, junge Talente und erlesene Marken sind hier vertreten. Am Morgen nach Türöffnung um 09.30h ist der Laden noch wenig besucht. Mittags und Abends muss man an einzelnen Theken lange Warteschlangen in Kauf nehmen.
Die Foie Gras Theke:
ein winziger Ausschnitt der Fleischertheke von Gilles Verot. Hier deckten wir uns mit Quiches ein:
Die Pfeffertheke
In der süssen Abteilung sind u.a. Alain Ducasse, Pierre Marcolini, La maison du chocolat, Philippe Conticini, Jean-Paul Hévin, Dalloyau und Pierre Hermé vertreten. Ferner auch das auf Éclairs spezialisierte Unternehmen von Les Éclairs de Genie.
Gourmets können sich aber auch ausserhalb von Lafayette in schönen, kleinen Quartierläden eindecken:
La Mère de la Famille, Schokolade seit 1761
Unterhalb des Montmartre werden im Clos Montmartre Rebstöcke gepflegt. Die Reben gehören der Stadt und liefern alljährlich rund 1000 Flaschen Wein, Gamay und Pinot noir.
Zu wenig, um in den umliegenden Restaurants angeboten zu werden.
Die Aussicht vom Montmartre war leider durch Liebesschlösser verdeckt, aber Aussicht auf den Tour d’Eiffel hatten wir ja schon.
Und schon schlägt die letzte Stunde unseres Kurzaufenthaltes in Paris: In einem Stück Natur mitten in der Stadt. Der Jardin des Plantes ist ein wissenschaftlicher Garten, der vor vier Jahrhunderten auf 2.5 Hektaren angelegt wurde. Mit seinen bepflanzten Flächen, bemerkenswerten Bäumen, Statuen und Wegen bietet der Park eine abwechslungsreiche und gut erhaltene Umgebung zum Bummeln…. und zum Abschied. Zum Auffrischen der Botanikkenntnisse war es noch zu früh. Verbraucht haben wir 2×10 Metrotickets. Und Schuhsohlen. Gekauft haben wir u.a. 2 Navigokarten. Die kann man mit Metrofahrten vorab elektronisch aufladen. Für künftige Besuche 😉
Unsern Kurzaufenthalt im eiskalten Paris wollten wir mit einem Besuch im L’ Arpège bei Alain Passard krönen. Eigentlich… Seit 1996 hält er 3 Sterne. Passard, Gemüsegott mit drei eigenen Gemüsegärtnereien, die Gemüse weitgehend ohne Spritzmittel für ihn und Abonennten tagesfrisch produzieren. Passard ist inzwischen vom Vegetarier wieder zum Flexitarier mutiert. Die Kürbissuppe gibts für 88€. Das grosse Abendmenu für 490€. Geradezu ein Schnäppchen. Da Abendtische in Pariser 3-Sternelokalen über Tage, manchmal Wochen ausgebucht sind galt es sofort nach der Devise „how to book my month ahead table“, zu handeln. Eigentlich…
Beim Blättern im Internet stiess ich auf eine vernichtende Kritik (2016) von Ryan Sutton, einem erfahrenen food-Journalisten von Eater. Das mit Kamille gefüllte Kohlblatt machte mich stutzig, war Anlass, weiter zu recherchieren. Fand weitere, glaubhaft wirkende Belege, welche mein Unbehagen bestärkten. Je mehr ein Gast für ein Gericht bezahlt, desto größer ist die Erwartung, dass sich das Gebotene qualitativ von der traditionellen Basis abhebt, und zwar auf sinnvolle Weise. Und dass der Service perfekt ist. Kurz: In einer Stadt wie Paris, wo so viele junge Köche raffinierte Gerichte zu einem Bruchteil der im Arpège verlangten Preise anbieten, bieten sich noch andere Möglichkeiten, gut zu essen.
Nach ausgiebigem Recherchieren von Stil, Innovation, Tellerästhetik, Lage, Bewertungen, Bildern, Berichten und Kritiken (man ist schliesslich anspruchsvoll) fand ich zwei von Japanern geführte Restaurants, die mir gefielen: das AT von Atsushi Tanaka sowie das Bistro Automne von Nobuyuki Akishige.
Beide Lokale haben einen Michelinstern, sind minimalistisch, um nicht zu sagen spartanisch, aber ästhetisch eingerichtet: Holztische ohne Tischtuch, die Menukarten kommen bei beiden aus dem Tintenstrahldrucker. Freundlicher Empfang. Guter, aufmerksamer Service. Beide kochen modern. Die Qualität und Frische der Gerichte entspricht dem für Sterneküchen zu erwartenden Standard. Im Küchenstil unterscheiden sich die Köche. Tanaka sprüht von Innovationen, kocht aufwändig, ein wenig verspielt, ästhetisch angerichtete Teller mit japanischem touch im mittleren Preissegment (3 Amuses, 8 Gänge, 2 Desserts: 160€). Akishige pflegt hingegen eine eher französisch inspirierte Küche, wesentlich einfacher als Tanaka, mit gutem Preis/Leistungsverhältnis (5 Gänge: 85€, 7 Gänge: 135€).
Hier ein paar Tellerbilder aus dem AT:
Boeuf / Topinambour / Foin: Törtchen gefüllt mit Rindertartar und Topinambour. Dazu eine Rinderessenz.
Saint Jacques / Oca du Pérou: Scheiben von rohen Jakobsmuscheln mit Oca (Oxalis tuberosa), Löwenzahn, Schnittlauchöl und einer aromatischen Dashi.
Huître / Oseille / Livèche: Gillardeau Muscheln N°2 in einer krümelig-grünen, mit Stickstoff erzeugten Granita aus Sauerampfer und Liebstöckel.
Oursin / Carotte / Tonka: Seeigelfleisch mit Karotten und einer Seeigel-Bisque.
Camouflage: Truite / Genièvre / Persil: Der signature dish von AT: mit Wacholder leicht geräuchte Forelle, versteckt unter dünnen, verschieden grünen Chips, bestreut mit gefrorener Granita aus mit Wacholder geräuchtem Fromage blanc, beträufelt mit Petersilienöl.
Encornet / Cima di Rapa / Cédrat: Tintenfischstreifen auf Cima di Rapa-püree und Zedratzitronenwürfeln.
Turbot / Epinard / PilPil: Steinbutt an und in Spinat, mit Pil Pil und Salbeisauce gewürzt.
Pigeon de Poitou / Rutabaga / Sudachi Kosho: Gebratene Taubenbrust und -jus. Üppige Fleischportion. Von den kleinen Beilagen erinnere ich mich nur noch an das Tannennadelpesto, Stachys, Rutabaga und das Gewürz aus japanischen Zitronen. Das in Sesam gebackene Taubenbein inklusive Krallen erinnerte an einen Flugsaurier und war deplaziert.
Pré-Dessert Betterave / Poivre de Timut : Rote Bete als Biskuitblatt, Gel-Stangen mit halbflüssiger Crème-Füllung, Randen-Eiweiss-Chips mit Randen-Granita und als Konfitüre.
Dessert: Coing /Poivre Verveine: Quittenwürfel, Quittencreme und -chip
Fazit: Beide Restaurants sind empfehlenswert. Das AT um einmal richtig schlemmen zu gehen ohne sein Bankkonto leerplündern zu müssen. Das Automne, wenn man in der Nähe wohnt, wegen seiner einfachen, günstigen Mittagsgerichte (45€ mit Wein und Kaffee).
Die gedeckten Passagen gehören seit 200 Jahren zum Stadtbild von Paris. Beim Flanieren übersieht man sie leicht. Deshalb empfiehlt sich ein Stadtplan oder google maps.
Wir fahren mit der M7 bis zur Station Le Peletier. In wenigen Schritten sind wir in der Rue du Faubourg du Montmartre. Hier fasziniert mich ein chinesischer Nudelmacher mit einer Technik, die den italienischen Pici nahe verwandt ist. Übrigens assen wir in dem Lokal zu Mittag. Gut. Günstig. Tadellos.
Die Nudeln erinnern mich an mein vor mehr als 12 Jahren abgegebenes Gelübde, mit der Bloggerei aufzuhören, sobald es mir gelänge, chinesische Nudeln selber zu drehen. Leider scheiterten all meine bisherigen (unzähligen) Versuche in Misserfolgen. Doch geb ich die Nudeln noch nicht auf. Neue Ideen beflügeln mich. Rein in die Passage Verdeau.
Passage Verdeau (6 rue de la Grange-Batelière /9. Arr.)
Die Passage Verdeau wurde 1846 zusammen mit der Passage Jouffroy errichtet. Sie ist nicht die Schönste, gehört aber zu den schöneren Galerien in Paris.
Die Verdeau beherbergt vorwiegend Läden für Sammler und Restaurants.
Über eine kleine Seitenstrasse fällt man gleich in die nächste Passage:
Die Youffroy ist eine der schönsten Galerien. Erbaut wurde sie 1846 und ist nach einem der Bauherren benannt. Die Passage liegt auf leicht fallendem Gelände, so dass in der Mitte ein paar Treppenstufen überwunden werden müssen.
Hier hats Cafés, Geschenkboutiquen, Vintage Poster, Postkarten, Bücher, ein Laden für Spazierstöcke und weitere Dinge, die niemand braucht. Ja sogar ein Hotel.
Das Tageslicht erreicht man auf dem Boulevard Montmartre. Die letzte Passage der Passagen-Trilogie findet sich wiederum gegenüber dem Ausgang:
Passage des Panoramas (11 Boulevard Montmartre /2. Arr.)
Sie wurde 1799 erbaut und gehört zu den Schönsten. Sie hat originelle Läden, teilweise mit alten Beschilderungen. Cafés, Restaurants und Kuriositäten, wie diese praktischen Elektroschalter.
Im Sommer stelle ich mir die Passagen angenehm frisch vor. Jetzt, Anfang März waren sie kalt und zugig. Beim Ausgang wählen wir die Rue Vivienne, sie führt uns nach etwa 500 Metern zur
Galerie Vivienne (4 Rue des Petits Champs /2. Arr.)
Die Galerie wurde 1823 erbaut, ist vielleicht die Schönste in Paris, schon wegen der erhaltenen Bodenmosaike.
Die Galerie Vivienne beherbergt Boutiquen bekannter Modeschöpfer, aber auch Läden für Dekoration, Restaurants und Cafés, Buchläden mit neuen und alten Büchern
Danch muss man sich um ein paar Blocks herum in die Rue Jean-Jacques Rousseau bewegen:
Galerie Véro-Dodat (19 Rue Jean-Jacques Rousseau /1. Arr.)
Die Galerie Véro-Dodat wurde 1826 erbaut. Auch sie trägt die Namen der Investoren und ist die eleganteste Passage von Paris. Alles sehr schick. Alles sehr teuer.
Am Eingang der Passage hat sich das Haus Louboutin etabliert. Leserinnen mögen wissen, um was es sich dabei handelt: Die grüne Farbe hätte Frau H. gefallen, doch die Stilettos sind nur zum Sitzen geeignet (Preis für die Sitzschuhe: 700€. Immerhin pro Paar).
200 Meter von der Passage entfernt, findet man sich auf der Rue de Saint-Honoré wieder. Das waren 5 von insgesamt etwa 20 mit Glas überdachten Passagen. Von der Station der M4 Château d’Eau aus lassen sich weitere Passagen besichtigen (Passage Brady, du Caire, du Cerf).
Zwischen Rigoletto, Gipfelibacken, Sommernachtstraum, Zahnarzt, Blog und Siegfried lag eine Woche ohne Pflichten. Eine Woche ohne Streiks. Frau H. bestellte kurz entschlossen 2 Bahntickets nach Paris. Ich die Unterkunft in einem hübschen airbnb. Nous allions à Paris. Unvorbereitet. Einfach mal ein bisschen durch die Stadt flanieren. Ohne Zweck und Ziel. Ohne Reiseführer. Ich nenne das auch assoziatives Besichtigen. Schauen, was sich in Paris in den letzten 30 Jahren getan hat. Und das in nur 3 Stunden Fahrzeit ab Basel.
Da unser airbnb in 5 Minuten Gehdistanz zum grössten Friedhof von Paris lag, nutzten wir die ruhige Nachbarschaft, das Grab von Maria Callas aufzusuchen.
In 69’000 Grabstätten liegen hier rund eine Million Menschen begraben. Auf dem bewaldeten Hügel ausserhalb der Stadt liess Napoleon 1803 den Friedhof anlegen. Inzwischen wurde er mehrfach erweitert. Die Behausungen drängen sich dicht an dicht.
Teils wird die Grabesruhe von offenherzigen oder gepanzerten Amazonen bewacht.
Mit einem Dach über dem Kopf wartet es sich leichter auf die Auferstehung.
Nach einer Weile erfolglosen Planlesens und suchenden Umherirrens erbarmte sich Frau H. meiner Fehlsichtigkeit, suchte und fand im Internet eine App., mit der sich die ungefähre Lage des Grabes verorten liess. Ein Urnennischengrab im Columbarium. Nr. 16258. Doch unser Suchlauf rund um den Hof endete bei Nr. 15’000. Erst Fledermäuse (oder waren es Tauben?) brachten uns auf die Spur: Tote mit Nummern zwischen 15000 und 50000 liegen 1-2 Etagen tiefer.
Am 20. September 1977 wurde Maria Callas im Krematorium auf dem Friedhof Père-Lachaise eingeäschert. Ihre Asche wurde 1980 im Ägäischen Meer vor der Insel Skorpios verstreut. Ihre Grabnische im Kolumbarium ist leer, doch wird die Grabplatte noch täglich von Fans besucht.
Auf dem Rückweg besuchten wir das Grab aus dem Jahre 1835 von Vinzenzo Bellini, ich meine den Begründer der romantischen, italienischen Oper, nicht den Cocktail. Die Beisetzung des Komponisten erfolgte 1835 auf dem Friedhof Père-Lachaise. 1876 wurde Bellinis einbalsamierter Leichnam in seine sizilianische Heimat Catania überführt.
Was bleibt sind nicht Tafeln und Denkmäler. Was bleibt, ist die Erinnerung an eine wunderbare Stimme und einen wunderbaren Komponisten. Und all das, was sie uns zurückgelassen haben. Tonaufnahme 1958 eines Konzertes im Palais Garnier.
Schlicht ergreifend. Wer sich davon nicht ergriffen fühlt, kann sich ja ein anderes Grab im Père Lachaise aussuchen, zB das von Jim Morrison oder der Edith Piaf.
Bewegt man sich vom Freiburger Städtchen Greyerz in Richtung des Berner Oberländer Nobelorts Gstaad, fährt man erst durch das Intyamon-Tal mit lieblichen Talebenen und Waldgebieten. Dann schraubt sich die Strasse höher auf rund 1000m ins waadtländische Pays d’Enhaut, eine charakteristische Voralpen-Landschaft mit Alpweiden, Schluchten, Felswänden und Geröllhalden. [Headerbild: Kirche (11. Jhdt.) und Schloss von Rougemont (1572), ehemaliger Sitz der Berner Landvögte]
Das Grand Chalet in Rossinières, 1756 für einen Käsebaron erbaut. Grösstes Holzhaus der Schweiz.Das Grand Chalet heute, bis 2001 Wohnsitz des Malers Balthus.
In dieser Gegend werden traditionsreiche Käsesorten hergestellt: Im freiburgischen sind es Greyerzerkäse und Vacherin fribourgois, im waadtländischen Pays d’Enhaut der geschmackvolle, noch über Holzfeuer hergestellte Étivazkäse. Dennoch befinden sich die alten Traditionen auf dem Rückzug. Wintersport und Tourismus haben übernommen. Das Geschäft der Real Estate Agenturen ist einträglicher als die Herstellung von Käse.
Real Estate Agencies offer a wide selection of beautiful Chalets (Cow included on demand) Kirche St. Nicolas in Rougemont mit Holzschindeln gedeckt (11. Jhdt.)
Uns interessierten aber weder Käse und Kirchen noch Wintersport und Luxuschalets, sondern die Scherenschnittkunst. Kunst? Volkskunst? Kunsthandwerk? Papierkunst? Definitiv Kunst! Filigrane Papierwelten! Die ursprünglich aus dem Orient stammenden Scherenschnitte sind im alpinen Pays d’Enhaut seit etwa 300 Jahren verwurzelt. Moderne Schnitte (papier découpés, paper cuts) werden im Unterschied zu klassischen Scherenschnitten mit feinsten Messern ausgeschnitten und erlauben daher auch asymmetrisch aufgebaute Bilder.
Das mit einem Neubau erweiterte Heimatkundemuseum in Château-d’Œx dokumentiert in seiner permanenten Ausstellung anhand gesammelter, historischer Gerätschaften und Einrichtungen das Leben von Bauern, Handwerkern und Käsebaronen. Daneben werden einige Papierschnitte gezeigt (das Museum hortet davon Hunderte), die das tägliche Leben in den Bergdörfern zum Thema haben. Scherenschnitte und Ausstellungsobjekte erzählen von einem Alltag in den Bergen, der heute endgültig vorbei ist. In der aktuellen Sonderausstellung von Scherenschnitt Schweiz (die zuvor im Verkehrshaus Luzern gezeigt wurde), werden ausgewählte, zeitgenössische Werke gegenübergestellt, die von Künstlern aus der ganzen Schweiz geschnitten wurden. Hier nur fünf Beispiele (die uns besonders beeindruckten) aus über 70 Werken:
Die sehenswerte Ausstellung in Château-d’Œx ist noch bis 27.02.2023 geöffnet. Die Werke sind urheberrechtlich geschützt. Unten verlinke ich auf die homepages der oben erwähnten Künstler. Da gibt es für Interessierte noch mehr Schnitte zu entdecken.
Im Nachbarort öffnet ein Privathaus jeweils über die Jahreswende eine kleine, einzigartige Ausstellung. Präsentiert wird das Werk eines passionierten Sammlers und Bastlers: eine mechanische, von Elektromotörchen angetriebene Krippenlandschaft. (link zur website)
Darin üben allerlei Handwerker und Bauern ihre Tätigkeiten aus: Schreiner, Bäcker, Maler, Holzfäller, Holzhacker, Schmied, Winzer. Kaffeemühlen werden gedreht, Leinen geplättet, Braten am Spiess gedreht, Wolle kardiert, Teig ausgewallt, Esel wackeln mit dem Kopf, Hühner picken Futter, Kinder werden in der Wiege geschaukelt, hüpfen Seil oder gigampfen auf einer Wippe. Nebenbei wird dem Jesuskind kräftig gehuldigt und die Huldigungen von jenem huldvoll angenommen.
Die Krippe wird von 200 Figuren perspektivisch bevölkert, wovon 90 elektrisch animiert sind. Nachts senkt sich die Dunkelheit über die Szene. Sterne funkeln. Heute schliesst die Ausstellung wieder für Individualbesucher bis zum Jahresende 2023.
Im laufenden Jahr reichte es uns leider nur für zwei Besuche am Doubs. Dazu bewanderte ich mit Frau H. die Strecke Soubey bis St. Ursanne.
Umso schöner, wenn sich der Doubs in meine Nähe bemüht; einen Halt macht im Musée jurassien d’art et d’histoire in der Kantonshauptstadt Delémont: mit einer sehenswerten Ausstellung von Pastellkreidezeichnungen und Ölgemälden des Neuenburger Künstlers Charles L’Eplattenier (1874-1946). Der hatte sich mir vor einigen Monaten als künstlerischer Gestalter des Krematoriums von La Chaux-de-Fonds eingeprägt.
Die ausgestellten 30 Werke stammen vorwiegend aus einer Serie von über hundert Pastellgemälden aus den Jahren 1914 und 1915, die heute unter dem Namen Poème du Doubs (Ode an den Doubs) bekannt sind. L’Eplattenier war mit der Region des Jura tief verbunden.
Er suchte die Intimität der Natur, campierte im Zelt an den Ufern des Doubs wie auf den umliegenden Höhen der Doubsschlucht, um den Geist dieses Flusses und seiner Umgebung in eine Vielzahl von Farben und Formen zu bannen. In den „sur le motif“ spontan gezeichneten Pastellgemälden lädt er dazu ein, diese Landschaft zu Fuss zu erkunden.
Charles L‘ Éplattenier wurde 1874 in Neuchâtel geboren. Der Tod seines Vaters, an Tuberkulose verstorben, brachte die Familie in finanzielle Schwierigkeiten. Der Junge absolvierte eine Lehre als Maler und Gipser, besuchte nebenbei Abendkurse bei dem Neuenburger Maler und Architekten Paul Bouvier. Um die Mutter zu entlasten, wurde er 1889 zu einer Tante nach Budapest gegeben. 1892-94 studierte an der Kunsthochschule in Budapest. Stipendien der Eidgenossenschaft und des Kantons Neuchâtel erlaubten ihm die Fortsetzung seiner Studien in Paris. Im Alter von 18 Jahren wurde er nach einem Auswahlverfahren an die Ecole nationale et spéciale des Beaux-Arts aufgenommen. 1896 kehrt er in die Schweiz zurück. Von dekorativer Kunst und Jugendstil angesprochen, unternahm er Studienreisen nach London, Belgien, die Niederlande und München. Ab 1897 war er Lehrer für Zeichnen und dekorative Komposition an der École d’Art in La Chaux-de-Fonds, eine Kunstgewerbeschule, die ursprünglich der Ausbildung von Graveuren für die Uhrenindustrie bestimmt war.
Aufgrund seiner Anregungen wurde die Ausbildung an der Kunstgewerbeschule grundlegend reformiert. Nach dem Vorbild der 1903 eröffneten Wiener Werkstätte entwickelte er mit seinen Schülern eine besondere Ausprägung des Jugendstils (style sapin), die ihre Quellen im Studium der Natur und ihren Gegebenheiten suchte. 1912 erweiterte er das Ausbildungsangebot mit Unterstützung dreier seiner besten Schüler, u.a. Charles-Edouard Jeanneret, dem späteren Le Corbusier.
In diesen Jahren beteiligte er sich erfolgreich an Gruppenausstellungen, u.a. neben Ferdinand Hodler.
Interne Zwistigkeiten veranlassten ihn 1914, seine Stelle an der Kunstgewerbeschule abrupt zu kündigen. Der erste Weltkrieg tobte ausserhalb der Schweizergrenze in Europa. L’Eplattenier diente als Soldat in der Festung Savatan bei Saint-Maurice. Während eines Urlaubs zog er sich in die einsamen Schluchten des Doubs zurück. Dabei entstand die wunderbare Folge der Pastellbilder die er 1915 in seiner ersten Einzelausstellung präsentierte.
1924 schuf er in Erinnerung an die Grenzbesetzung seine berühmte, aus einem 20 Tonnen schweren Findling gehauene Skulptur „La Sentinelle“ (der Wächter). Der Volksmund nannte die monumentale Statue wegen ihrer martialischen Haltung „Le Fritz“. Während des Jurakonflikts kam es wiederholt zu Auseinandersetzungen um das Denkmal, weil Separatisten in ihm ein Symbol der «bernischen Besatzung» sahen. 1989 wurde die Statue von aufmüpfigen Jurassiern vom Sockel geholt. Letztlich mit Vorschlaghämmern der Kopf in Stücke gehauen.
Architektur und Stadtplanung waren weitere Bereiche, in denen sich L’Eplattenier engagierte. Zusammen mit dem Architekten Chapellaz entwarf und baute er 1926 das bunte Museum der schönen Künste in La Chaux-de-Fonds.
In den folgenden Jahren war er vielseitig als Maler, Zeichner, Bildhauer, Architekt, Dekorateur und Buch-Illustrator tätig. Immer wieder zog es ihn an den Doubs. In Les Brenets besass er ein Ruderboot, in welchem er schwer zugängliche Stellen des Grande Bassin, oberhalb des Saut du Doubs, anfuhr.
1946 stürzte er, der gewandte Berggänger und Naturverbundene „homme des bois“, an einer glitschigen Stelle in felsigem Gelände nahe den Ufern des Doubs zu Tode.
Obwohl er, im Gegensatz zu Ferdinand Hodler nicht wirklich über die Grenzen der Schweiz hinaus bekannt wurde, hinterliess er ein enormes Werk und zahlreiche Schüler, die von ihm geprägt wurden.
Als Abschluss meines Porträts ein gekürzter Ausschnitt einer historischen Filmaufnahme von 1944 Agfa 8mm. Sie zeigt den Künstler am Ufer des Doubs: wie er malt und Mahlzeit hält.
Dauer der Ausstellung vom 19. November 2022 bis 26. Februar 2023.
Damit wünsche ich allen Leserinnen und Lesern schöne Feiertage.
Quellen: Charles L’Eplattenier: Les Pastels. Herausgeber: Marine Englert und N.M. Güdel, Editions Notari 2022
Der neue Tag verheisst gutes Wetter. Besser als es die Wetterpropheten wissen wollen, aber die sitzen bekanntlich in Bunkern und schauen ausschliesslich auf ihre Bildschirme.
Novello
Das Mittagessen ist bereits organisiert. Wir dudeln durch die Landschaft, hinauf nach La Morra, eines der grossen Weinbaudörfer (70 Produzenten) mit den grossen Namen grosser Barolisti: Elio Altare und Roberto Voerzio und der tollen Lage Cerequio.
La MorraTorre Campanaria 1709–1711Cassette postaliRenaissance trifft Rokoko
Nicht weit davon das Dorf Verduno, noch verschlafener als La Morra. Auch hier viel Wein: 180 Hektar Rebfläche, Barolo, Barbera und Dolcetto.
Verduno: San Michele Arcangelo, 1708
Danach queren wir das Tal Richtung Neive für einen Rundgang: ein hübsches, mitteralterliches Weinstädtchen.
Davon 15 Autominuten entfernt liegt unser Tagesziel: das Resort und Ristorante Madernassa (der Name steht für eine lokale Birnensorte). Hier kocht seit Frühjahr ein alter Bekannter aus Zürich; Giuseppe d’Errico. Früher während 5 Jahren Sous-Chef und rechte Hand von Michel Troisgros, wurde er von Rudi Bindella nach Zürich abgeworben, wo er sich in wenigen Monaten 17 Gault Millau-Punkte und viel Anerkennung erarbeitete. Kurz darauf brach Corona aus und das Lokal wurde geschlossen. Während Corona ergab sich leider keine neue Perspektive für Giuseppe in der Schweiz. Heute arbeitet er im Piemont. Ein sympathischer, bescheidener junger Koch. 2 Michelinsterne. Eigentlich fuhren wir wegen ihm ins Piemont.
Die amuse bouches stehen denen im Piazza Duomo nicht nach. in Erinnerung blieben die Randenravioli und die schwarzen fake-Trüffel.
und dann musste es halt doch noch sein. Man lebt bekanntlich nur einisch. Und das nur kurz.
Unter einer viereckig geschnittenen Decke aus geronnener Milch (schmeckt wie feinster Pastateig) verstecken sich ein warmes, in Guancialefett confiertes Eigelb, feinste, knusprig gebratene Guancialewürfelchen, Kürbiswürfelchen und Kürbismousse. Dazu eine Käsefonduta aus Raschera (Kuhkäse mit Ziege und Schaf).
sofort anschneiden, damit das warme Eigelb an die Trüffel kommt
Einfacher nachzukochen sind wohl die piemontesischen Eier-Taglierini, Nussbutter und Nusszabaglione. Vielleicht.
Tagliolini al burro di nocciola e zabaglione alla nocciola
Nach einer blütenartig geformten Komposition aus Saint-Pierre und hauchdünnen Steinpilzscheiben mit Lauch und Pilzjus (ohne Foto) folgt ein absolutes Meisterwerk französisch-italienischer Kochkunst: Taube Rossini
Piccione, foie gras, spinaci e salsa „périgourdine“
Als Dessert Milchmousse, Crema di Leche, getoastete Nüsse und Gelato fior di latte.
Was Giuseppe d’Errico kocht, kann sich mit Enrico Crippa messen. Erfreulicherweise sind hier die Weine deutlich günstiger zu haben als im Piazza Duomo in Alba.
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