Schlagwort-Archive: Zeeland

Zeeland 3/4: Biesbosch Nationalpark, Dordrecht und Leiden

Auf dem von Frachtschiffen stark befahrenen Hollandsdiep fuhren wir von Willemstad flussaufwärts in das Mündungsdelta des Merwede (Provincie Noord-Brabant).

Die Merwede ist der heutige Unterlauf der Waal, des südlichen Rheinarms im Rhein-Maas-Delta. Der Nationalpark De Biesbosch ist ein rund 8’000 Hektar grosses Süsswasserdelta -ein Gezeitengebiet- mit einem wahren Labyrinth aus kleinen Flüssen und Bächen.

Viele Wasservogelarten suchen hier nach Futter. Hier wanderten und fuhren wir mit Leihvelos um einen grossen See, der vor Jahren ehemaligem Kulturland wieder abgewonnen wurde. Meine erste Elektro-Velofahrt.

Danach mit dem Schiff über den Dordtsche Kil nach Dordrecht (Zuid-Holland), wo wir bei Sonnenuntergang ankerten. Von der Stadt sahen wir vom Hafen aus nicht viel: die Grote Kerk (Onze-Lieve-Vrouwekerk), die größte Kirche der Stadt in Backsteingotik sowie eine Bar im Hafenviertel. Anderntags fuhren wir mit dem Bus in die Universitätsstadt Leiden.

Der Hortus Botanicus in Leiden ist einer der ältesten botanischen Gärten in den Niederlanden. Hier der moderne Eingangsbereich mit Cafeteria und Shop.

Er wurde 1590 für die Ausbildung der Studenten der Universität Leiden gegründet. Auf einem 1400 m2 grossen Areal (auf dem vorher ein Kloster der Dominikanerinnen gestanden hatte). Als Leiter des Gartens wurde 1592 Carolus Clusius gewonnen. Hofbotaniker, Arzt, Gelehrter und Tulpenpionier.

1608 erfolgte eine Erweiterung, darauf wurde eine erste Orangerie. errichtet. Waren es zu Beginn die ersten Tulpen, kamen Ende des 17. Jahrhunderts Tomaten, Tabak, Mais und Kartoffeln dazu, welche den Ruf des Gartens in Nordeuropa erhöhten. Auch exotische Pflanzen aus den niederländischen Kolonien, beschafft durch die Niederländische Ostindien-Kompanie, fanden Eingang in den Garten.

Stellvertretend für viele andere Aufnahmen hier der Samenstand des Indischen Lotus, Nelumbo nucifera.

und die Amazonas-Riesenseerose, Victoria amazonica.

Erholung im Garten unter einer gewöhnlichen Rosskastanie, Aesculus hippocastanum.

Mittagessen im Museumscafe, wo wir uns im Museumsshop zwei solide Radtaschen kauften. Nun fehlen uns nur noch die zu den Taschen passenden Velos 🙂 Danach kleine Stadtwanderung. Vorbei an der Stadstimmerwerf am Kort Galgewater. Ein beeindruckender Treppengiebel.

vorbei am Morspoort, dem westlichen Stadttor von Leiden, 1669 im manieristischen Stil der Spätrenaissance erbaut.

Durch eine Strassenunterführung mit wunderschönen Graffiti. Siehe auch im Headerbild.

Zum Naturalis Biodiversity Center. Ein 1998 fertiggestellter Komplex, erbaut in pompös-postmodernem Kitsch. Darin ist das Nationale Naturgeschichtliche Museum untergebracht, in dem mit verschiedenen Methoden und Formaten versucht wird, dem Besucher die Natur näher zu bringen. Im selben Bau sind zudem das Reichsmuseum für Naturgeschichte, das Reichsmuseum für Geologie und Mineralogie, die Sammlungen des Zoologischen Museums Amsterdam sowie das Nationale Herbarium der Niederlande untergebracht. Zudem wird hier an der Biodiversität der Niederlande geforscht.

Als erstes wurden wir von der Leiterin des Nationalen Herbariums empfangen und durften uns in den heiligen Hallen die schwer gesicherten und angenehm klimatisierten Archivschachteln mit alten Herbarien und Belegmustern ansehen. Nicht sprechen. Nur soweit notwendig atmen. Nichts anfassen.

Hier der Ausschnitt eines uralten Herbarblatts, das der Arzt, Ethnologe, Japan- und Naturforscher Philipp Franz Balthasar (von) Siebold, anfangs des 19. Jahrhunderts in Japan sammelte.

Das Blatt zeigt den heute als invasiven Neophyten geächteten japanischen Staudenknöterich, Polygonum cuspidatum SIEBOLD et Zucc, aktuell als Reynoutria japonica Houtt. neu klassifiziert. Eine ganze Abteilung befasst sich mit der Digitalisierung der alten Herbarblätter.

Für den Rest des Nachmittags bewegten wir uns frei im Naturkundemuseum. Ein didaktisch modern und barrierefrei gestalteter Parcours durch die Entstehung von Leben und seinem Verfall.

bis hin zum homo erectus (Bild), dem homo neanderthalensis und schliesslich zum Tiefpunkt der Evolution: dem homo sapiens. (ohne Bild)

Zeeland 2/4: Zierikzee, Middelburg, Deltawerke

Von Brouwershaven fuhren wir mit dem Bus nach Zieriksee. Die Jachten folgten uns auf dem Seeweg.

Der dicke Turm Sint-Lievens Monstertoren dominiert die Stadtsilhouette von Zierikzee. 1454 begann der Bau, der freistehend neben der dazugehörigen gotischen Kirche errichtet wurde, Der Turm sollte eine Höhe von etwa 130 Metern erreichen, der Bau wurde aber auf der heutigen Höhe von 61 Metern aus Geldmangel gestoppt. Nach dem Brand der Kirche 1832, bei dem der Turm unbeschädigt blieb, wurde die spätgotische Kirche abgerissen und durch einen neoklassizistischen Neubau ersetzt, der heute als Kulturhaus dient.

Der Aufstieg erfolgt über eine Wendeltreppe mit gefühlten 979, tatsächlich aber nur 279 Stufen. Die Aussicht lohnt jedoch die Mühe.

Die Stadt war im 14. Jahrhundert in den Krieg der Holländer mit den Flamen verwickelt, wurde lange belagert, konnte sich aber behaupten. Erst 1576, zu Beginn des achzigjährigen Krieges, gelang den Spaniern nach neunmonatiger Belagerung die kurzzeitige Besetzung der wehrhaften Stadt. Zierikzee hat drei schöne mittelalterliche Stadttore: das Noordhavenpoort, das Zuidhavenpoort und das Nobelpoort. Alles ehemalige Verteidigungsanlagen. Das Zuidhavenpoort befindet sich an der Einfahrt zum alten Hafen.

Am Hafen steht die Mühle Den Hoop.

Danach mit dem Bus zum nach der Flutkatastrophe von 1953 neu geschaffenen Naturschutzgebiet De Schelphoek. Hier wurde fleissig botanisiert. Es fand sich sogar ein wilder Sellerie.

Interessant, wie in Zeeland die Ufer befestigt werden: ca. 50-60cm lange, unterschiedlich geformte Betonsteine mit Basaltzusatz werden maschinell nach einem geometrisch abgestimmten Muster in den Boden gerammt. Basalt deshalb, weil man entdeckt hat, dass dieses Gestein das Wachstum von Pflanzen in den Ritzen fördert.

Auf dem Heimweg ein kurzer Zwischenstopp bei den Deltawerken. Unser Skipper, im Hauptberuf leitender Ingenieur bei den Deltawerken, gab uns eine eindrückliche Übersicht auf die Anlage bei Neeltje Jans. Anlass zu deren Konstruktion war die Flutkatastrophe von 1953, bei der im Flussdelta im Süden der Niederlande 1835 Menschen und über 200’000 Tiere ums Leben kamen. Um das Land künftig gegen solche Sturmfluten zu schützen, liess die Regierung 1953 einen Plan mit Sturmflutsperren entwerfen, der eine drastische Verkürzung der Küstenlinien vorsah.

Im Jahr 1958 wurde die erste, bewegliche Sturmflutsperre in der Hollandse Ijssel in Betrieb genommen, 1961 bis 1987 folgten weitere Dammbauten. Das grosse Oosterscheldesperrwerk wurde 1986, die letzten Sperren 1997 in Betrieb genommen.

Zur Regulierung des Wasserabflusses aus den Rhein- und Maasmündungsarmen mussten die Dämme jeweils mit grossen Sielanlagen versehen werden. Das sind verschliessbare Gewässerdurchlässe in einem Deich. Gewissermassen Ventile zur passiven Entwässerung des hinter dem Deich gelegenen Binnenlandes. Bei Flut ist der Wasserstand bzw. Wasserdruck auf der Meerseite höher, dann werden die Siele geschlossen. Bei Ebbe ist der Wasserstand bzw. Wasserdruck auf der Binnenseite höher, dann werden die Siele geöffnet.

Die Kosten des Projekts waren gigantisch, betrugen damals rund 3 Milliarden Euro. Wie lange die Anlage bei der durch die Meereserwärmung steigenden Meerspiegel noch halten wird, ist offen. Die Deltawerke sind auf einen Meeresspiegelanstieg von 40 cm und frontalen Druck ausgelegt. Der bis Ende 21. Jahrhundert prognostizierte Anstieg ist jedoch wesentlich höher. Und was, wenn eine Sturmflut in schrägem Winkel auf die Sperren trifft?

Leichtes Abendessen im Kettenimbiss Lekkerbekker: Dorschfilet paniert mit Mayo und Pommes (und Jupiterbier). Keine Sterneküche, aber nicht schlecht.

Am nächsten Tag folgte eine spontan eingeschobene Fahrt nach Middelburg, der Hauptstadt von Zeeland. Im 17. Jahrhundert war Middelburg nach Amsterdam die zweitwichtigste Stadt der Niederlande. Diese Epoche hat deutliche Spuren hinterlassen: Alte Lagerhäuser, stattliche Herrenhäuser, enge Gassen und historische Plätze. Das historische Rathaus gehört zu den meistfotografierten Gebäuden der Stadt.

Die Abtei in Middelburg wurde um 1100 von Mönchen aus Flandern gegründet. Das Kloster erwarb enormen Reichtum und der Abt war einer der mächtigsten und einflussreichsten Personen in Zeeland. Nach der Eroberung der Stadt durch den Prinzen von Oranien 1574 wurden die Mönche gezwungen, die Abtei zu verlassen. Mit Ausnahme der Kirchen wurde der Komplex bis heute als Sitz der Staaten von Zeeland genutzt. Zum Abteikomplex gehören neben verschiedenen Kirchen das Zeeuws Museum.

De Gistpoort, das Blaue Tor, ist eines der früheren Zugangstore zur Abtei von Middelburg. Die im spätgotischen Stil erbaute Pforte stammt aus dem 16. Jahrhundert. Die Fassade ziert eine Statue von Graf Willem II., in dessen Auftrag die Abtei zwischen 1255 und 1256 erweitert wurde.

An der Seite der Abteianlage befindet sich der Abteiturm „Lange Jan“. Er ist 90,5 Meter hoch und gehört damit zu den höchsten Türmen der Niederlande.

Hübsch auch die engen Gassen der Altstadt, wenn man sich an dunkeln Orten auch irgendwie beobachtet fühlt.

Dieses ehemalige Lagerhaus, ein nationales Denkmal aus dem 17. Jahrhundert, wurde nach aufwendiger Restaurierung zum Wohnhaus.

Die „Vereenigde Oostindische Compagnie;“ abgekürzt VOC,  war eine Ostindien-Kompanie, zu der sich 1602 niederländische Kaufmanns-innungen zusammenschlossen, um die Konkurrenz untereinander auszuschalten. Die VOC erhielt vom niederländischen Staat Handelsmonopole sowie Hoheitsrechte in Landerwerb, Kriegsführung und Festungsbau. Sie war eines der grössten Handelsunternehmen des 17. und 18. Jahrhunderts.

Die VOC hatte ihren Hauptsitz in Amsterdam und Middelburg. Davon zeugen heute noch die reichen Quartiere von Middelburg. Die wirtschaftliche Stärke der VOC beruhte vor allem auf der Kontrolle der Gewürzroute von Hinterindien nach Europa. Während zweier Jahrhunderte hatte die VOC circa 4700 Schiffe unter Segel. Nach dem Vierten Englisch-Niederländischen Krieg von 1780 bis 1784 kam die Kompanie in finanzielle Schwierigkeiten und wurde 1798 liquidiert.

Blick auf die Oostkerk (im Hintergrund), eine achteckige, barocke Kuppelkirche aus den Jahren 1664–1667. Sie wurde als erste grössere Kirche der Stadt nach der Reformation speziell für den reformierten Gottesdienst gebaut.

Mittagessen in der Seafarm, Nähe Neeltje Jans. Einem in der Spitzen-Gastronomie führenden „grünen“, nachhaltigen Züchter und Grosshändler von Steinbutt, Schwertmuscheln, Austern, Meeresfrüchten und Krustentieren mit integriertem Speiserestaurant. Auf meinem Teller ein Baby-Steinbutt.

Zurück über die Zeelandbrug nach Zieriksee. Danach einschiffen und Fahrt zu der zum Nationalpark Oosterschelde gehörenden Zeehondenbank. Einer Sandbank, auf der sich nachmittags die vereinigte Seehundkolonie ein Verdauungsschläfchen gönnt.

Weiter mit dem Schiff Richtung Willemstad. Wer müde war, blieb auf dem Schiff, die Unternehmungslustigen stiegen an den Krammersluizen aus, wurden vom Bus abgeholt und an das Ufer des Wattenmeers vor Sint Philipsland gefahren. Die drei beherzten Damen stiegen nackten Fusses in den Schlick, um kiloweise Herzmuscheln zu sammeln bis sie nach 2 Stunden, von der rasch steigenden Flut vertrieben, wieder zu uns stiessen.

Die am trockenen Ufer verbliebenen Herren hielten Mittagsschläfchen, beobachteten Wasservögel oder botanisierten derweil und fanden eine ergiebige Quelle von frischem Queller (Salicorne).

Abendstiummung am Wattenmeer vor Sint Philipsland.

Eintreffen abends gegen 21 Uhr in Willemstad. Kochen und Nachtessen auf dem Schiff. Herzmuscheln mit Salicornesalat. Dann Ratatouille. Aus der von mir heimlich erträumten Karriere als Smutje ist leider nichts geworden. Ich sehe ja auch nicht aus, als ob ich ein Spiegelei braten könnte. Immerhin wurde ich von der Salatgruppe mit dem Schneiden von Zwiebeln und dem Abzupfen der Salicornes betraut. Eine verantwortungsvolle Aufgabe, die ich ohne Beanstandungen meisterte.

Zeeland 1/4: Willemstad

9 Tage Ferien entlang der Küsten von Zeeland und Zuid-Holland. Organisiert durch Dr. L. de Witte (Botanikerin mit holländischen Wurzeln) von der Basler Botanischen Gesellschaft. Unterkunft in 2 Motorjachten mit je 3 Zweierkabinen, Küche und WW-Duschen. Zwei Skipper führten die Boote. Blaue Linien: Landreisen mit dem Kleinbus. Rote Linien: Bootsfahrten. Details auf google.

Vor dem Bezug der Boote wurde für eine Woche eingekauft und auf die Boote verladen. Der kleine Supermarkt freute sich über das Geschäft. Wir uns u.a. über die eingekauften „Lebensmittel“, siehe Kassa-screen.

Im Heimathafen Willemstad. Blick in den Stadthafen mit Windmühle.

Willemstad ist eine kleine historische Stadt mit einer weitgehend intakten, sternförmigen Festungsanlage in der Form eines Heptagons (Siebeneck). Sie liegt am Hollands Diep und erhielt 1585 die Stadtrechte. Die heute noch gut erhaltenen Befestigungsanlagen wurden im Jahr 1587 fertiggestellt, später ausgebaut und erst im Jahe 1926 ausser Betrieb genommen.

Das Gouvernementshuis wurde zwischen 1623 und 1625 für Maurits, Prinz von Oranien, errichtet. Nach seinem Tod im Jahr 1625 diente es bis 1795 als Residenz des Gouverneurs von Willemstad, später als Rathaus

Das Mauritshuis wurde 1623 im Auftrag und im Namen von Prinz Maurits als Jagdschloss und Landsitz gebaut. 1625 starb Prinz Maurits und das Gebäude wurde zur neuen Residenz des Gouverneurs von Willemstad, dem obersten militärischen Befehlshaber der Festung. In den folgenden Jahren wurde das Mauritshuis zu einem Militärkrankenhaus, einer Kaserne der Militärpolizei und einer nationalen Taubenstation. Im April 1967 wurde der gesamte Komplex vom Staat an die Gemeinde Willemstad verkauft. Seit 1973 dient es als Rathaus, das Touristoffice und für Hochzeiten.

Hergekommen waren wir aber weniger der Historie wegen, sondern um die Küstenpflanzen zu erkunden. Der erste See-Ausflug führte uns auf das unbewohnte Eiland Hompelvoet. Auf den ersten Blick kahl mit wenig Gebüsch und viel Wind. Hier führte uns der langjährige Insel-Ranger Kees de Kraaker über die Salzwiesen.

Beim genauer hinsehen, sehe sogar ich als Nichtbotaniker und Kurzsichtiger einige Blümchen, wie etwa das Sumpf-Herzblatt, Parnassia palustris L.

oder Herbst-Drehwurz, Spiranthes spiralis L.

Kees kennt jede Pflanze auf dem Eiland. (Bild L. de W.)

Frau L. versteht sich auch mit den einzigen, ständigen Inselbewohnern, norwegischen Fjordpferden, gut.

Zum Abendessen waren wir in Brouwershaven eingeladen von der niederländischen FLORON, einer Vereinigung, die sich mit der Erforschung und dem Schutz der niederländischen Wildflora befasst.

Köstlich der Nudelsalat aus Penne rigate, rohen Salicorne, Tomätchen, Oliven, Fetawürfeln und Peperoncino aus 20 Liter Töpfen.

Brouwershaven. Blick aufs Rathaus.