
Freitag, 20. Januar war in Basel wieder Vogel Gryff. Der Vogel Gryff ist eine von drei heraldischen Kleinbasler Figuren. Das im „minderen“, rechtsrheinischen Teil der Stadt Basel organisierte, traditionelle Fest der drei Ehrengesellschaften zum Rebhaus, zur Hären und zum Greifen ist nach ihm benannt.
Am Vogel Gryff treten die drei personifizierten Schildhalter, der Vogel Gryff, ein Greif in schwerem Schuppenpanzer, der Wild Maa, ein grimmig blickender Wilder Mann mit einem ausgerissenen Tännchen in Händen, sowie der Leu, ein so gar nicht dämonischer Löwe, auf. Sie ziehen durchs Kleinbasel und führen dabei immer wieder ihre Tänze mit traditionell vorgeschriebenen Schrittfolgen vor. Die Figuren Vogel Gryff, Leu und Wild Maa wurden schon 1597 in einer Chronik als alter Brauch der drei Gesellschaften dokumentiert. Gemeinsam treten sie erst seit dem Jahr 1839 auf.

Etwa um 10.30 Uhr beginnt der Umzug mit der Rheinfahrt des Wilden Mannes. Der Wilde Mann fährt tanzend auf einem Floss bestehend aus überdeckten Langschiffen talwärts. Begleitet wird er von Trommlern, Bannerträgen und ohrenbetäubendem Krachen der Böllerschüsse, die aus dem mitgeführten Mörser abgefeuert werden.

Mit einem Sprung geht er an Land und netzt dabei die Tanne. Sein grünes Wams hängt voller Aepfel, ein Fruchtbarkeitssymbol. Empfangen wird der Wild Maa unterhalb der Mittleren Rheinbrücke vom Vogel Gryff, dem Leu und ihren Begleitern, drei Trommlern und Bannerträgern, sowie vier Ueli (Narrengestalten), welche mit klappernden Büchsen Geld für Bedürftige sammeln. Seine Tänze führt der Wild Maa immer gegen das Kleinbasel gerichtet zu. Dem Grossbasel zeigt er den Hinterteil.

Vor dem Kloster Klingental absolvieren die drei Schildhalter ihre traditionelle Tänze, die durch die schwarz behüteten Vorgesetzten der Ehrengesellschaften mit dem Lüften ihrer Hüte verdankt werden.

Die um 1225 erbaute erste Rheinbrücke in Basel führte zu einem raschen wirtschaftlichen Aufschwung Kleinbasels im 13. Jahrhundert. Im Delta des einst mäandrierenden Schwarzwaldflüsschens Wiese wurden Kanäle abgeleitet, Gewerbe siedelte sich an, die Bevölkerung nahm stetig zu. So zählte die Stadt Kleinbasel um das Jahr 1300 schon über tausend Einwohner. 1285 erteilte König Rudolf Kleinbasel die Stadtrechte.
Trotz enger, wirtschaftlicher Verflechtungen mit dem linksrheinischen Grossbasel besass das Kleinbasel eine eigene Gerichtsbarkeit und autonome Verwaltungsstrukturen. In dieser Zeit schlossen sich die Kleinbasler Bürger in den Drei Ehrengesellschaften zusammen. Anders als die Zünfte im Grossbasel waren sie nicht gewerblich organisiert, sondern bildeten einen Verband von Bürgern, die das öffentliche Leben organisierten und überwachten sowie die Interessen Kleinbasels nach aussen vertraten.
Die Gesellschaften waren für die niedere Gerichtsbarkeit, das Vormundschaftswesen, den Weidgang, den Unterhalt der Teiche (Kanäle), die kirchliche Aufsicht, die Weinlese und Allmendangelegenheiten zuständig. Hinzu kommt die Aufsicht über das Wehrwesen, z.B. die Überwachung eines Abschnittes der Kleinbasler Stadtmauer und die militärische Musterung der Ausrüstung, die damals aus Harnisch, Hellebarde, Schwert und Helm bestand.
Im 14. Jahrhundert nahmen die wirtschaftlichen Verflechtungen mit Grossbasel stetig zu. Gleichzeitig musste der Bischof von Basel aus Geldnot nach und nach wichtige Herrschaftsrechte in Kleinbasel an den Grossbasler Rat verkaufen, was letzlich zu einer politischen Vereinigung der beiden Stadtteile führte.
Der Umzug hat seinen Ursprung in den im Mittelalter stattgefundenen jährlichen Waffenmusterungen der verantwortlichen Ehrengesellschaften. Diese Musterungen endeten jeweils mit einem Marsch durch das Kleinbasel und einem Umtrunk.

Nach Abnahme des ersten Tanzes vor dem Klingental beginnt die wilde Jagd durchs Kleinbasel, wobei es die übermütige Jugend besonders auf den wilden Mann bzw. dessen Aepfel abgesehen hat. Trotz heftiger Gegenwehr mit der Tanne hat er seine Aepfel nach wenigen Minuten eingebüsst.

Um 12 Uhr tanzen die Ehrenzeichen vor dem Käppelijoch auf der Mittleren Rheinbrücke vor Kindern. Auch dabei bleibt das Hinterteil der Figuren stets Grossbasel zugewandt. Auf keinen Fall dürfen sie die Mitte der Brücke überqueren. Grossbasel revanchiert sich mit der herausgestreckten Zunge des Lällekönigs, einem Neidkopf, der fast zwei Jahrhunderte lang vom ehemaligen Rheintor hinunter die Leute grüsste.
Danach wird der Lauf bis in den Abend hinein fortgesetzt, von einigen Pausen mit viel Speis und viel Trank unterbrochen. Kreuz und quer durch Kleinbasel vor die Wohn- oder Geschäftssitze der Herren Meister und Vorgesetzten sowie in den Hof des Waisenhauses.
Heuer war insofern ein besonderes Jahr, als der ganze Vogel Gryff Tross erstmals seit vielen Jahren wieder ein Aussenquartier besuchte. Und zwar mit dem Oldtimertram samt Freiluft-Sommer-Anhänger, dem Badwännli, Baujahr 1938.


Für uns gabs an diesem kalten und eher nassen Tag heisse Mehlsuppe mit Faschtewajie. Für die Rezepte anklicken.
Quellen:
3 Ehrengesellschaften Kleinbasel
wiki
Wundervoll. Thanks for sharing! Mehlsuppe habe ich sehr gerne.
Grüsse,
Rosa
Schon wieder hast Du mir eine Stelle gezeigt, die Ich mal bereisen sollt 😉
Lg Kerstin
Ein schöner Bericht, danke!
Und ich habe beim Lesen tatsächlich das Sonntagshemd an gehabt – allerdings ohne Krawatte.
Vielen Dank, wieder etwas gelernt, das sonst in den Stadtbeschreibungen für Touristen gar keine Beachtung erfährt. Für Auswärtige findet die Fasnacht nur in Grossbasel statt – sie streuen uns offenbar gezielt Räppli in die Augen 😉
Superschönes buntes Treiben!
Und wie hast du das gemacht? Einerseits am Logenplatz von oben runtergeschaut und dann doch ganz nah am Geschehen dabei?
Hab keine Äpfel beim WildMa gesehen.
Liebe Sonntagsgrüße!
Schade, dass ich am Freitag nur durch Basel durchgefahren bin, das wäre sicher ein sehenswertes Spektakel gewesen!
Hoijojeu, ihr seit mir wetterfest – ist ja grade nicht so lieblich draußen (schreibe ich von Freiburg aus). Aber für uns hat sich dein Einsatz gelohnt: sehr schöne Eindrücke, vielen Dank!
again what learned…;-)
Nachdem ich mich die letzten Wochen im Zuge des NZZ-Folio-Rätsels intensivst mit allerlei Bräuchen aus der Schweiz befasst habe (Hirsebreifahrt! Unspunnen!!! etc.) fehlt mir genau das noch in meiner Sammlung. Vielen Dank, ich werde es abspeichern, kommt sicher in einem der nächsten Rätsel dran.
@Rosa May: wir essen einmal die Woche Mehlsuppe bis nach der Fasnacht.
@Verboten gut: Vogel Gryff ist halt immer in der kalten Jahreszeit.
@MLO: 🙂 Die Herren Vorsitzenden der Ehrengesellschaften tragen an diesem Tag auch Krawatte oder Fliege mit Basler-Hut.
@bee: Vogel Gryff hat mit Fasnacht nichts zu tun.
@entegut: erst war ich am Ufer, bin dann schnell heimgedüst, dann wieder hinunter. Nach der Suppe bin ich ins Aussenquartier, auf das Trämli warten. Der fliegende Reporter.
@Ute-S: Weder von der Autobahnbrücke noch von der Eisenbahnbrücke aus sieht man etwas.
@Micha: ihr ? ich ! Frau L. blieb zu Hause.
@elettra: die 3 Ehrengesellschaften bitte nicht mit den ehrenwerten Gesellschaften verwechseln 😉
Der Vogel Gryff wird wohl nirgends springen mit seinem 35 kg Aufsatz 😀
Oha, das war aber ein ganz unziemlicher Missgriff von mir! Da war ich vom alten Röhrich beeinflusst, der das ganze Brauchtum jahreszeitlich mit unter die Fasnacht rechnete. Als Wiedergutmachung gibt es am nächsten Wochenende ein kleines Gedicht, mir schwebt schon etwas zu Basel vor.
Do mi Taschtatur geschdert versait het, kumm i erscht hyt derzue, dir zu däm feine Bricht mit dere sagehafte Helgeuswahl z‘ gratuliere. I zieh dr Huet – wie die Vorgsetzte !
P.S. I ha no gescht‘ am Morge für mi dänggt, dass bestimmt èber das Fescht mit dr Fasnacht in Verbindig bringe wird. Und scho hämmer‘ s gha. He nu, di Antwort losst kaini Zwiifel offe.
Oh, es ist schon wieder Zeit für Fastenwähen?
Dann muß ich wohl am Wochenende auch eine backen.
Die Schweizer Sektion 😉 unserer Familie zieht jetzt wieder nach Basel um.
@the rufus: als Vogel hat er zwar Flügel, aber da hilft alles Flattern nichts.
@bee: in Fasnachtsangelegenheiten sind die Basler eigen. Auf den Limerick bin ich gespannt 😉
@Basler Dybli: praktisch, wenn man sich Batterien im Bahnhof besorgen kann.
@Hesting: Noch ist es ein Gebäck, das nur in einem bestimmten Zeitfenster hergestellt wird, obwohl Grossverteilern schon seit Anfang Jänner Faschtewajie anbieten. Eine willst Du backen ? Viel Aufwand für wenig zu Essen.