
Knochenmangel als Folge einer gesteigerten, kulinarischen Anspruchshaltung ? Verdrängt hausgemachter Kalbsfond die Fleischbrühwürfel im Durchschnittshaushalt ? Ausgerechnet vor dem regnerischen Wochenende waren bei meinen Metzgern keine Kalbsknochen zu kriegen. In meiner Knochennot griff ich zu Kalbsschwanz (aus dem Warenhaus). Teurer, hat dafür auch mehr Fleisch dran. Auf dem Nachhauseweg kommt mir die Idee einer Mehrzweck-Verwertung. Was den Herstellern von Hallen, Kampfflugzeugen, Transportern, Getriebeöl und Papierschubladen recht ist, kann mir nur billig sein.
Aus Eins mach Drei. Sparsamkeit mal Drei.
(1) Erst wird aus den Kalbsschwänzen ein Fond gekocht. Den Fond verstärke ich zusätzlich mit Rinderwade statt ihn stark einzukochen. Gleichzeitig klärt sie den Fond.
(2) Die ausgekochte Rinderwade gibt eine Automaten-Bolo für den Alltagsgebrauch.
(3) Aus dem ausgekochten, abgefieselten Kalbschwanzfleisch wird eine Terrine gebastelt.
Viel Arbeit, das Richtige für einen regnerischen Sonntag.

Zutaten
1.3 kg Kalbsschwanz in Stücken
2 Elf. Erdnussöl
1 Elf. Olivenöl extra
3 kleine Schalotten
50 g Karotte
3 Stangen Staudensellerie
1 heurige Knoblauchzehe, angedrückt
2 Elf. Tomatenpüree
1 Rosmarinzweiglein
2 Zweige Thymian
1 Lorbeerblatt
6 Wacholderbeeren, angedrückt
1 Gewürznelke
6 Pimentkörner, angedrückt
1.5 dl Madeirawein
5 dl Rotwein (Nieport Fabelhaft, Tinto, Douro)
2 L kaltes Wasser
ca. 300 g Rinderwade, frisch gehackt
Zubereitung
(1) Das vom Metzger entlang der Wirbel zerteilte Fleisch mit wenig Erdnussöl einreiben und in einen Bräter legen. 30 Minuten im Ofen bei 200°C Umluft anrösten. Kalbsschwanzstücke herausnehmen und vollständig erkalten lassen.
(2) Bräter entfetten, einen halben Liter Wasser zugeben und wieder in den abkühlenden Ofen stellen. Nach ca. 15 Minuten den Bratensatz aufkratzen.

(3) 2 Elf. Olivenöl in einem Wok erhitzen, alle Gemüse zugeben und bei mittlerer Hitze 5 Minuten leicht anrösten, in die Mitte des Topfes das Tomatenpüree geben, kurz mitrösten (max. 2 Minuten). Portionsweise deglacieren mit dem Madeira und dem Rotwein, damit der Alkohol verdunstet und auf ca. 2-3 dl einreduzieren. Erkalten lassen.
(4) Die erkalteten Kalbsschwanzknochen mit 2 L eiskaltem Wasser (der Trick von Heinz Winkler) in einem grossen Dampfkochtopf aufsetzen und langsam erwärmen. Gewürze, das Gemüse samt Weinreduktion und den aufgelösten Brätersatz zugeben und ca. 3 Stunden bei ca. 0.8 bar im Dampfkochtopf (max. zweiter Ring) leise simmern lassen.
(5) Druck nach Vorschrift des Topfherstellers ausgleichen, Fleisch herausfischen und noch heiss vom Knochen lösen. Knorpel und grössere Gäderfetzen wegschneiden. Beiseitestellen für die Zubereitung der Terrine.
(6) den verbliebenen Fond ohne Druck durch ein Sieb, das mit Vlies belegt ist, filtrieren und ca. eine Stunde kalt stellen. Danach Fett abschöpfen.
(7) Nun kommt die Rinderwade: Hätte man auch gleich in den Dampfkochtopf geben können. Dann wäre jedoch das Hack nicht mehr weiter verwendbar gewesen. Die Rinderwade frisch wolfen, Reste mit etwas Peterliwurzel oder Karotte ausstossen und unter den kalten, entftteten Fond rühren. Langsam unter häufigem Umrühren erwärmen, bis es im Topf zu brodeln beginnt, dann auf kleinstem Feuer, ohne Umrühren, ca. 30 Minuten ziehen lassen.
(8) Rinderwade vorsichtig durch ein mit Vlies belegtes Sieb abtrennen.
(9) Fond über Nacht kalt stellen und anderntags auf ca. 1.5-2 L einkochen (je nach Geliergrad). Heiss in ausgekochte Gläschen abfüllen, kalt stellen und tiefkühlen oder sterilisieren.

Das Resultat ist ein ausgezeichnet schmeckender Basis-Kalbsfond. Mein bester bis jetzt. Diesen Weg zur Fondgewinnung werde ich weiter verfolgen. Nächstes Mal will ich daraus eine Glace de viande herstellen. Was ich mit dem ausgekochten Fleisch von Kalbsschwanz und Rinderwade gemacht habe, ist hier in 2 Tagen nachzulesen.
Ich lernte schon in den Blogville-Anfängen von Dir, 2007 vermutlich, und ich lerne auch heute immer wieder neues bei Dir. Ochsenschwanz ist eines meiner Lieblingsstücke, Kalbsschwanz nie gehabt, muss lecker sein, hier unmöglich zu finden …. ich muss einmal über die Kühe hier berichten.
Kühe sind doch nur in Indien heilig ?
dir kann das Wetter nichts anhaben, du bist immer kreativ.
Das Ergebnis sieht – wie immer – perfekt aus!
Wenns regnet, bleiben wir zuhause 🙂
Ein Elexier, um das ich dich durchaus beneide. Vielleicht muss ich doch mal ans Fond kochen – selbst wenn wir so wenig Fleisch essen…
Einen guten Gemüsefond kann man auch immer brauchen.
Der unermüdliche Robert legt noch einen drauf. Ob es neben dem Bistro auch noch einen Shop mit solchen Leckereien gibt? 😉
Liebe Grüsse aus Zürich,
Andy
Mein Fond liegt auf der GM-Skala erst bei etwa 15 Punkten. Bevor ich ihn nicht auf 19 Punkten habe, brauche ich keinen Gedanken an einen shop zu verschwenden.
Ich stelle mich als anonymer Tester zur Verfügung 😉
Phantastisch – da sehe ich auf welch flachen Niveau ich mich bis dato bewege… Es gibt viel zu lernen, und das ist schön so.
Danke!
Nach oben ist noch jede Menge Patz.
Grosses Kino! Danke für diesen tollen ‚Film‘.
besonders stolz bin ich darauf, alles verwertet zu haben.
So ein Kalbsfond ist schon was feines! So wie sich es liest glaube ich das es der beste bisher war. So einen Dampfkochtopf anzuschaffen wäre direkt eine Überlegung. Auf die Terrine bin ich gespannt.
unter Druck wird besser extrahiert, zudem verdampfen die komplexen Aromen nicht wie beim stundenlangen, offenen Kochprozess.
*seufz* Ich fürchte, von diesem wunderbaren Elixier trennt mich mehr als nur der nicht vorhandene Druckkochtopf.
Denk einfach an meine Sachertorte dann bist Du mit Dir ganz zufrieden 😉
Ochsenschwanz kenne ich ja und habe damit auch schon eine köstliche Ochsenschwanzsuppe gekocht, doch auf die Idee, einen Kalbsschwanz zu verwenden, kam ich bisher noch nicht. Irgendwie muss einen ja auch mal jemand darauf bringen, so ähnlich wie mit dem Kalbstafelspitz, nicht wahr? 😉
Ochsenschwanzfond geht auch, ist einfach zwei Stufen kräftiger.
Gute Idee, das mit dem Kälbchenschwänzchen. Das Ergebnis ist flüssiges Gold!
Wie echtes Gold zerrinnt es einem zwischen den Fingern und ist plötzlich weg.
Hmm, 3 h im Dampfdrucktopf … Irgendwie habe ich ziemlichen Respekt vor dem un nutzte den selten. Vielleicht sollte ich den wieder einmal hervorholen