CH-4922 Thunstetten

CH-4922 Thunstetten: Schloss

CH-4922 Thunstetten

Versailles im Oberaargau. Das schön gelegene Landschlösschen Thunstetten wurde 1713 bis 1715 nach Plänen eines Pariser Architekten für den steinreichen Patrizier Hieronymus von Erlach erbaut. Das Schloss besteht aus dem Hauptbau und zwei südseits anschliessenden Flügeltrakten, die mit dem Toreingang einen Hof umschliessen. Auf der Hinterseite des Schlosses liegt die symmetrisch angelegte Gartenanlage.

Der 1667 geborene von Erlach trat als junger Mann in die Dienste der Schweizergarde in Frankreich, avancierte zum Hauptmann und heiratete 1694 eine Französin aus niederem Adel nach katholischem Ritus. Dazu schwor er dem evangelischen Glauben ab.

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Der Hauptbau, das corps de logis

Ein Jahr später verliess er Frau und Kind, die gegen Unterhaltszahlungen Schweigen gelobte. Er kehrte nach Bern zurück und heiratete dort eine reich begüterte Patrizierin. Diesmal wieder protestantisch. Ohne sich vorher scheiden zu lassen.

Bei Ausbruch des Spanischen Erbfolgekrieges 1701 trat er in österreichische Dienste und befehligte als Oberst ein Regiment der Stadt Bern. Nun wollte die verlassene Frau mehr Geld von ihm und wandte sich an den französischen Botschafter. Von diesem unter Druck gesetzt, die bigamische Ehe öffentlich zu machen, willigte Hieronymus ein, Frankreich als „Beobachter“ mit Informationen zu beliefern.

Hieronymus von Erlach
Hieronymus von Erlach (Bild: wiki)

Von 1702 bis 1714 diente er den Habsburgern in der kaiserlichen Armee am Oberrhein. Sein Doppelleben als Wolf im Schafspelz, der die Franzosen über die Planungen der kaiserlichen Armee informierte, blieb zu seinen Lebzeiten unentdeckt. 1704 wurde er zum österreichischen General, 1709 zum Feldmarschall befördert.

Er war eng befreundet mit dem habsburgischen Oberbefehlshaber der antifranzösischen Koalition, Prinz Eugen von Savoyen, und genoss die Gunst der österreichischen Kaiser. 1710 wurde er, trotz aufkeimender Verdachtsmomente, zum kaiserlichen Kammerherr, 1712 zum Reichsgrafen ernannt.

Opportunisten bringen es im Leben offensichtlich weit.

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Der „Cour d’entrée”, der durch Tor, Seitenflügel und Hauptbau gebildete Hof

Nach seinem Rücktritt als Oberst 1715 verfolgte er eine politische Karriere, u.a. war er 1721-1746 alternierend Schultheiss der Stadt Bern.

Die bescheidene Klause in Thunstetten wurde ihm bald zu klein. 1721-25 erbaute er ein grösseres Schloss, Hindelbank, und verkaufte Thunstetten. 1745, drei Jahre vor seinem Tod begann er in der Stadt Bern den Bau des prunkvollen Erlacherhofs.

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Gartenseite

Schloss Thunstetten wechselte mehrmals die Hand, bis es in den Besitz einer Langenthaler Arztfamilie kam, die es 1970 der „Stiftung Schloss Thunstetten“ verkaufte. Wer will, kann das Schloss und seine Räumlichkeiten für Veranstaltungen mieten.

Quellen:
wiki:  Hieronymus von Erlach
Richard Feller, Geschichte Berns, Band III, 1955

12 Kommentare zu „CH-4922 Thunstetten: Schloss“

  1. Interessant. Bis heute habe ich nicht realisiert, dass der Erlacherhof, Schloss Hidelbank und Schloss Thunstetten vom selben von Erlach erbaut wurden. Eine meiner Grossmütter kam von Thunstetten. Als Kind war ich fest davon überzeugt, das ich einmal im Schloss wohnen wollte, wenn „ich gross bin“. Vor Jahren musste ich wider daran denken, als die Stelle eines Hauswarts mit Dienstwohnung im Schloss ausgeschrieben war. Schade, dafür hatte ich den falschen Beruf…

    1. Der Hindelbänkler war reich. Schade, dass ich von der Dienstwohnung nichts gewusst habe.Da wäre ich gerne Hauswart gewesen. Tropfende Wasserhahnen hätte ich auch flicken können und Kieselstein rechen kann ich auch.

  2. wieder so ein schatz, mehr klassizistisch-elegant als barock
    + das bei offensichtlich wesentlich besserem wetter als hier
    (wir hatten am donnerstag 15 cm neuschnee).

    was klettert da an den wänden hoch, ist das wein?
    schöne grüsse

  3. Was für eine tolle Geschichte. Ein Oberst Alfred Redl des 18. Jahrhunderts. Unter den bekannt geringen Geschenken Pfingstens fanden wir in diesem Jahr nach einer wunderschönen Berlin-Xberg-Geschichte (abseits vom Trubel) nun auch noch diese – danke und beste Grüße P.

    1. ach ja, der von Redl in seinem Evidenzbureau. Das muss i glei wieder einmal nachlesen. Dessen interessante Geschichte hatte ich ganz vergessen.

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