Niedertempraturschmorbraten

Niedertemperaturschmorbraten von der Kalbsschulter

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Niedertemperaturschmoren? So vertraut der Begriff klingt, er findet sich in google (bis heute 06.00h) nicht. Niedertemperaturgaren ist, technisch gesehen, Braten und kein Schmoren. Wer beim Niedertemperaturgaren ein Sauce will, muss sie separat ziehen. Dabei liegt es eigentlich auf der Hand, einen Schmorbraten ganz konventionell anzusetzen und ihn dann, anstelle der meist empfohlenen, hohen Temperaturen [250°C: schmoren.com, 180°C: Betty Bossy, Koch-wiki, 170°C: Essen&Trinken] einfach bei 80°C  im Ofen langsam und sachte in der Sauce zu schmoren.

Ab 50 °C beginnt das Eiweiss zu gerinnen, das in den Zellen gebundene Wasser wird langsam freigesetzt und das Fleisch wird, je höher die Temperatur steigt und je mehr Wasser es verliert, trocken. Ab etwa 70 °C verwandelt sich das Kollagen des festen Bindegewebes in Gelatine, wodurch (gerade bindegewebsreiches) Fleisch mürbe wird. Das passiert auch schon unterhalb 70°C, aber extrem langsam, deshalb die langen Garzeiten bei sous-vide. Je höher die Temperatur im Ofen gestellt wird, desto schneller nähert sich die Temperatur im geschlossenen Bräter dem Kochpunkt, also max. ca. 100°C.  80°C braucht etwas länger als 100°C um das Kollagen in Gelatine zu verwandeln, aber das Resultat wird es lohnen.

Kurz: „Mein“ Niedertemperaturschmoren ist nichts anderes als ein Kompromiss zwischen möglichst hohem Abbau des Kollagens und einem möglichst kleinen Verlust an gebundenem Wasser. Und das im selben Arbeitsgang mit der Saucenherstellung! Mehrere perfekt gelungene, saftige Schmorbraten sprechen für meine Methode. Allein der schöne, klangvolle Name lädt schon zum Nachsprechen ein: „Kalbsschulterniedertemperaturschmorbraten“. Wow!

Niedertemperaturschmorbraten von der Kalbsschulter


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Zutaten
für 2 Personen (Braten und Sauce reichen für 4)
2 EL neutrales Pflanzenöl zum Braten
ca. 700 g Kalbsschulterbraten, pariert, in Form gebunden
1 EL Ghee
1/3 rote od. gelbe Peperoni
1 kleine Zwiebel
1 Karotte mittelgross
1 kleinePetersilienwurzel
1 Stangensellerierippe
3 cm Lauchstange
1 sonnengetrocknete Tomate
1 EL Tomatenpüree
1 Knoblauchzehe
4 dl Rotwein (mein fabelhafter Huckebein)
50 ml Madeira sercial
200 ml Kalbsfond von hier
3 Stück Zitronenschale
2 Lorbeerblätter
5 Wacholderbeeren
5 Pimentkörner ganz
5 schwarze Pfefferkörner
10 Korianderkörner ganz
Salz
2 Zweige Thymian

Maisnocken:
75 g grobes Maisgriess Bramata
160 ml Milch
160 ml Wasser
1/2 TL Gemüsebrühpulver
Salz und schwarzer Pfeffer
15 g Butter

Fave:
800 g Fave in den Hülsen
1 TL Zitronenöl
Salz

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Zubereitung
(1) Ofen auf 100°C vorheizen.
(2) Die geschälten, zu Mirepoix gewürfelten Gemüse in einer Kasserolle in Ghee auf mittlerer Stufe 5-10 Minuten rührbraten, bis das Gemüse Farbe annimmt. Tomatenpüree zugeben und unter Rühren kurz mitdünsten. Mit dem Rotwein und dem Madeira portionsweise glacieren und etwas einkochen. Kalbsfond und die Hälfte der Gewürze zugeben.
(3) Parallel dazu den Kalbsbraten in einer Pfanne im Bratöl etwa 8 Minuten rundum anbraten. Braten herausheben und in die Kasserolle zu Wein und Gemüsen legen.
(4) Bratpfanne mit Küchenpapier austupfen und mit etwas Wasser ablöschen. Fond aufkratzen und alles in die Kasserolle geben.
(5) Kasserolle mit dem Deckel verschliessen und in den Ofen stellen. Ca. 1 h. Danach Temperatur in der Sauce messen. Sobald etwa 75°C erreicht sind, die Ofentemperatur auf 90°C zurückschalten. Weitere 3 Stunden schmoren. Die Temperatur in der Sauce soll knapp unterhalb 80°C bleiben. Braten gelegentlich wenden.
(6) 20 Minuten vor Schluss den Rest der Gewürze und den Thymian zugeben.
(7) Zum Schluss das Bratenstück herausnehmen, die Sauce absieben. Den Braten sofort wieder in die geleerte Kasserolle zurücklegen, mit 2-3 EL Sauce übergiessen und zugedeckt im Ofen warm halten.
(8) Sauce auf dem Herd einkochen bis zur gewünschte Konsistenz und zum Braten in der Kasserolle geben.

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Maisnocken:
(9) 1 Stunde vor dem Servieren Milchwasser in einem Topf mit dem Gemüsebrühpulver aufkochen. Maisgriess unter Rühren einrieseln und 5 Minuten unter Rühren simmern lassen. Mit Deckel verschliessen und in den Ofen (neben die Bratenkasserolle stellen). Nach 20 Minuten und am Schluss gut umrühren.

Fave:
(10) Fave aus den Hülsen lösen und im Dampf 2-3 Minuten garen. Die Hat von den Kernen lösen und die Kerne in 1 TL Zitronenöl schwenken. Salzen.

Anrichten:
auf vorgewärmte Teller einen kleinen Saucenspiegel giessen, 2-3 dünne Bratenstücke auf die Teller verteilen. Mit in heissem Wasser angefeuchteten Löffeln Polentanocken abstechen und dazulegen. Fave im Zitronenöl aufwärmen. Garnieren mit Lorbeer und Thymian.


Ersetzt alle vorhergehenden Kalbsbraten. Besser glaube ich ihn nicht mehr machen zu können.

42 Kommentare zu „Niedertemperaturschmorbraten von der Kalbsschulter“

  1. Wunderbar! Und man braucht nicht einmal mehr ein Messer bei Tisch!

    ZARTGAREN nenne ich diese Methode bei mir.
    Begonnen habe ich zwar nicht mit Kalb (welches es hier gar nicht gibt), sondern mit Geflügelbrust, die sonst gerne trocken wird (zartgegarte «Hähnchenbrust mit confierten Trauben»), Garflüssigkeit = Weisswein.
    Es folgten erfolgreiche Versuche mit Schweinsfilet, Tafelspitz und Fisch in Orangensaft, Rotwein, Bier, Tomatensaft, Marsala usw. (demnächst auf meinem Blog)!

    Mit besten Grüssen,
    FEL!X

    1. Das Prinzip der Methode ist natürlich längst bekannt. Wurde m.W. erstmals von Werner Wirth im Buch „Gabelzart“ (2006) beschrieben. Allerdings basieren seine Rezepte oft auf Brühwürfeln.

  2. „besser glaube ich ihn nicht mehr machen zu können“ – das sagt alles und wird daher ausprobiert!
    Kalb werde ich nicht bekommen, wozu rätst du alternativ??

    „rührbraten“ …..= wunderbar 🙂

    1. z.B. Rindsschulterbraten. Hab ich jedoch noch nicht probiert. Benötigt wahrscheinlich eine etwas längere Garzeit. Nach Werner Wirth: 12 Stunden.

  3. Soo nieder hab ich mich noch nicht getraut, stelle den Ofen meist auf 110- 130° ein- außer bei der Weihnachtsgans die die sanfte Behandlung dankt. Deine wissenschaftliche Erklärung macht mir Mut!

    1. So hab ich ihn bisher auch gemacht, (nach A. Schuhbeck). Die Temperatur im Topf bleibt damit knapp unter dem Siedepunkt. ca- 95°C.

  4. Zum Gericht kann die Fleischverzichterin nichts sagen, aber die Lust der Sucherin war geweckt: Versuch mal Niedrigtemperatur + schmoren 🙂 oder such mit MetaGere. Herzliche Grüße aus dem kalten Berlin, wo die Krokusse zittern.

  5. Dienstagmorgen, 9:00 h in Rheinhessen. Ich habe jetzt dreimal laut hintereinander “Kalbsschulterniedertemperaturschmorbraten” gesagt und muss umgehend in die Küche.

    1. Wenn das kein Grund ist, in die Küche zu gehen 😉 Aber Du sollst nicht in die Küche!!! Bleib schön an deinem PC und mach erst die Änderungen an deinem Blog fertig.

  6. Hallo!
    Feiner Tipp – muss ich mal testen. (Bislang hab‘ ich Niedrigtemperaturgaren für große Braten eingesetzt und eine Sauce extra gezogen.) So oder so: Das Garen mit kleiner Temperatur kann ich nur dringend empfehlen. Erst am Wochenende hab‘ ich einen Schweinerückenbraten bei 80 Grad im Ofen auf eine Kerntemperatur von knapp 65 Grad gegart, und es war trotz des magereren Fleisches wunderbar saftig und zart.

    Viele Grüße!
    Kai

  7. Eine wunderbare Art, die Fleischeslust zu bedienen – merci. In Punkt 7) wird die Sauce ‚abgesiebt‘, in Punkt 8) ‚eingekocht‘. Was passiert mit dem abgesiebten Gemüse?

    1. Das in brauner Sauce ausgekochte Gemüse sieht nicht mehr schön aus. Wir haben es an den nächsten 2 Tagen zum „strecken“ des übriggebliebenen Fleisches in der reichlich vorhandenen Sauce aufgewärmt und gegessen. Muss man nicht fortwerfen.

  8. „Das kommt mir nicht in den Beutel“. Ich bin dabei einen Lammbraten vorzubereiten. Ih wollte Ihn vakuumieren und dann Sous Vide. Jetzt, wo ich das hier lese mache ich es ohne. D.h., das Fleisch wird nicht vakuumiert und kommt mir nicht in den Beutel. Super gute Idde so wie Du das machst. Danke für den Tipp. LG Hartmut

  9. Passenderweise bereite ich gerade die legendären Saftplätzli aus dem Hause L. zu, so zart habe ich sous-vide noch nichts hinbekommen

    1. 80°C könnte man ja auch mal bei den Saftplätzli ausprobieren, eine gute Idee. Hab noch ein Paket von erwiesenermassen zähen Plätzli im Kühler. Mal sehen, ob ich die damit auch weich kriege.

  10. Beim Garen im Ofen kann man das SousVide vergessen. Bei mir gab es Entrecote-Braten bis zur Kerntemperatur von 58 Grad – alle waren begeistert.

  11. Niedertemperaturschmoren höre ich wirklich zum ersten Mal, aber ich finde das so spannend, dass ich es unbedingt bei Gelegenheit ausprobieren muss. Danke für diese tolle Anregung!

    1. Wer denkt denn an Bildung in den Skiferien in Zermatt ? Ich an Deiner Stelle würde nur Sonne, Schnee und das Essen geniessen.

  12. Hättest du diesen Post doch früher veröffentlicht. Dann wäre mir der trockene Wildschweinbraten erspart geblieben. 😉

    1. Zaubern wird man damit auch nicht können. Ein schlechtes Stück Fleisch bleibt schlecht. Man kann höchstens vermeiden, dass man aus einem guten Stück unbeabsichtigterweise ein schlechtes macht 😉

  13. Au in Nordthailand isch di Brootis mit Begeischterig ufgnoo worde. Einzig, dass‘ er eglai zuewarte muess. Do git‘ s, wie scho dr Felix schribt, kai Kalbflaisch. Aber ufgschoobe isch nit ufghoobe …
    Sunnigwarmi Griess us em Riis- und Currypaschteland.

      1. Das stimmt – in beide Fäll. Me kennt in dr thailändische Kuchi eigentlig kaini Broote. Und s‘ Rindfleisch vo Thailand isch „e Fall für sich“. Drum wird viil importiert. Das hingege isch denn aber SEHR kèschtlig.

  14. Niedrigtemperatur garen , habe ich durch dich kennengelernt. Ich habe bis jetzt immer zum Schluss angebraten, aber werde diese Variante nächstes Mal auch probieren. Ein Genuss ist es allemal. Aber mir hat dein letzter Satz am besten gefallen: Ersetzt alle vorhergehenden Kalbsbraten. Besser glaube ich ihn nicht mehr machen zu können.Das sagt mehr als tausend Worte. Zufriedenheit pur. 😉

  15. Vielen Dank für die ausführliche Beschreibung. Das klingt sehr logisch. Würde gerne eine Wildschweinkeule ohne Knochen so zubereiten. Gibt es Erfahrungen bzgl. der Garzeit? Im Voraus vielen Dank für eine Antwort.

    1. ich koche selten Schwein und habe keine Erfahrung damit. Auch im Buch von W. Wirth fand ich keinen Hinweis. Ein Schweinsschmorbraten wird üblicherweise etwa 2 Stunden bei 170°C im Ofen geschmort. Müsste eigentlich auch mit der 80°C/5 h Methode funktionieren. Das Fett wird dabei im Unterschied zum trockenen Braten jedoch kaum ausschmelzen.

  16. Extrem einfaches Rezept mit unglaublich zuverlässigem perfektem Ergebnis. Bin begeistert.

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