Emanuel_Büchel,_Wildenstein

CH-5106 Veltheim: Schloss Wildenstein

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Die Schenken von Kasteln (denen sind wir letzten Sonntag begegnet) scheinen eifrige Burgenbauer gewesen zu sein. 1301 wird die Burg Wildenstein als ihr Eigengut erwähnt. Wenig später gelangte sie in den Besitz der Herren von Rinach, einem Ministerialengeschlecht, das den Grafen von Lenzburg, den Kyburgern und später den Habsburgern und Bourbonen diente. 1415 musste Henmann von Rinach den Bernern huldigen und Wildenstein von ihnen zu Lehen nehmen. Die R(e)inacher verkauften bis 1545 all ihre Besitzungen und Rechte in der Schweiz und schufen sich im vorderösterreichischen Elsass im 15. Jahrhundert eine neue Machtbasis.

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Die beiden Wehrtürme und der Ausbau des Palas entstanden gegen Ende des 14. Jahrhunderts. Die Anlage hat die Form eines unregelmässigen Vierecks. Um den Innenhof gruppieren sich die beiden Bergfriede, die Ringmauer, der Palas und Ökonomiegebäude. Die Rinacher residierten auch unter den Bernern bis 1465 weiter auf der Burg. Nach einer Reihe von Handwechseln gelangte die Anlage 1491 in den Besitz der von Mülinen, später durch Vererbung an die Effinger von Wildegg, die der Burg um die 1650 mit barockem Palas, Treppenhaus und Brunnen das heutige Aussehen gaben. Die Burg der Effinger (Wildegg) liegt übrigens gleich gegenüber, getrennt durch die Aare und ist im Hintergrund des Headers zu sehen.

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1720 verkauften die Wildegger an David Sprüngli, der das Schloss kurz nach dem Kauf auf Begehren des Schenkenberger Obervogtes zwangsweise an Bern abtreten musste, weil der Obervogt der baufälligen Burg Schenkenberg das Schloss Wildenstein als neuen Landvogteisitz beanspruchte. Bis 1798 residierten 15 Obervögte auf Schloss Wildenstein.

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Schloss Wildenstein ist im Roman von Rudolf von Tavel „D’Haselmuus“ zeitweiliger Wohnort der jungen Madeleine, da sich ihr Vormund, der Heimlicher Ryhiner (geheimer Rat) „bi der nächschte Amtsbsatzig e Landvogtei gheuschen und ds Los für Schänkebärg zoge het“:

„Uf der Abedsyte vom Schloss Wildestei im Aargau hei d’Lila blüjet, und der Guldräge het syni gääle Trüble derzwüsche ghänkt…“ Berner Poesie vom Schönsten.

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Der Eingang zeugt von bernischer Bescheidenheit

Nach dem Untergang der Republik Bern ging Wildenstein an den neu geschaffenen Kanton Aargau über, der das Schloss 1804 an Private verkaufte. Alle paar Jahre wechselten sich Bürgerliche, wie etwa der napoleonische General Jean Rapp, und Adel im Besitz des Schlosses ab. Ab 1894 besass Pauline von Sinner–von Effinger (1836–1906) das Schloss. Sie vererbte Schloss Wildenstein als Stiftung für wohltätige Zwecke. 1928 gehörte das Schloss einem Pfarrer, der darin ein Altersheim des Diakonissenhauses einrichtete, das bis 1972 existierte. Ab 1976 gehörte Wildenstein der Stiftung eines Aargauer Baumeisters, der sich mit den Kantonsbehörden in der Frage, ob das Schloss in eine Familienstiftung oder öffentliche Stiftung eingebracht werden solle, überwarf.

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Berner Bauernbarock

2010 wurde Schloss Wildenstein, nachdem es erst in der NZZ und auf ebay angeboten wurde,  konkursamtlich versteigert. Der neue Besitzer, Coiffeurmeister, Patentinhaber des berühmten Dobi-Haarschneidegerätes für Friseure (für den noch berühmteren Coupe Hardy) und mittlerweile Kosmetikahändler, unterzog sich den kantonalen Auflagen, machte das Schloss nach einer umfassenden Restaurierung in den Jahren 2012-2015 der Öffentlichkeit als Museum und Eventort zugänglich und bezog im Palas seine Privatgemächer. Der Erhalt, Unterhalt und Betrieb der öffentlich zugänglichen Schlossanlage wird durch die Stiftung Schloss Wildenstein sichergestellt. Happy end. Handwerk hat halt doch goldenen Boden.

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Eingangspforte in de Garten

Durch die alte Pforte aus dem Jahre 1696 betritt man den terrassierten Garten am Osthang des Schlosses, wo mehrere altgriechische Jugendstilnixen aus dem Gartencenter das Auge der Besucher erfreuen.

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Hellenistische Jugendstilnixen aus dem Gartencenter

8 Kommentare zu „CH-5106 Veltheim: Schloss Wildenstein“

  1. Die 2 berndeutschen Zeilen sind wunderbar. In Standarddeutsch waeren sie nie so schoen. Wie war ich doch hochnaesig gegen Ende der Schule, ware entsetzt gewesen ueber den Gedanken, Friseur zu werden. Aber ich bin ganz zufrieden hier, 34 C im Haus, Erfrischung wartet im Pool.

    1. Allein vom Haareschneiden wird man nicht so reich. Frau L. die mir ab und zu die verbliebenen Einzelhäärchen schneidet, kann das bestätigen. Geniesse dein Leben. In Schloss Wildenstein hab ich keinen Pool gesehen.

  2. Für mich bitte das Haus im Berner Bauernbarock mit den interessanten Schattenspielen!

  3. Eimol meh e interssante Post (mit Poschchartehelge !!!) wo mir dr Sunntigoobe versiesst. Danggerscheen !

    @ Houdini
    Sit bald zwai Monet bin‘ in „in dr Lehr“ in‘ ere Gassechuchi in dr Nèchi vo Lampang. Zr Zyt 42° C im Schatte – ohni Fudischwänggbeggi.
    Erfryschend isch Anderscht – aber „cool“ isch es trotzdäm !

  4. Wer Burgen baut, baut auch auf lange Sicht. In vielen Jahrtausenden wird man nur noch feststellen, dass Gebäude und Gebrauchsgerät aus ungefähr derselben Epoche stammen dürften 😉

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