Zwischen Tiefencastel und Alvaschein im Kanton Graubünden liegt auf einem kleinen Plateau über der Albulaschlucht das verborgene, wenig bekannte Kirchlein St. Peter Mistail. Auch ich wusste davon bislang nicht, erfuhr erst durch eine Teilnehmerin in den Kochkursen bei Lucas davon. Danke, Erika. Kochen bildet.
St. Peter Mistail (Mistail stammt vom Wort monasterium) ist die einzige karolingische Dreiapsidenkirche der Schweiz im baulichen Originalzustand. Die zweite karolingische Anlage, das Benediktinerkloster St. Johann in Müstair, ist durch den Einbau spätgotischer Gewölbe stark verändert.
Ein stotziger, mit Fahrverbot belegter Waldweg führt hinab auf die Lichtung zum kleinen Kirchlein. Der Zugang zur Kirche wird durch eine Prätorianergarde von scharf fauchenden Gänsen bewacht. Doch wer mit Raben spricht, kann auch mit Gänsen sprechen. Die Schar beruhigte sich: ich durfte passieren.
Die genaue Entstehungszeit geht auf das 7. bis 8. Jahrhundert zurück. Indirekt wurde auf die Anlage hingewiesen im Jahre 823. Explizit erwähnt wird das Kloster 926 in einer Schenkungsurkunde. Die Kirche dürfte in der zweiten Hälfte des 8. Jahrhunderts erbaut worden sein. Nach der Auflösung des Karolingischen Reichs scheint ein Niedergang eingetreten zu sein. 1154 wurde das Kloster aufgehoben. Die Güter gingen an ein Kloster in Chur. Mistail fiel im 14. Jahrhundert an die Gemeinde Alvaschein. Bis 1679 war Mistail Bestattungskirche von Alvaschein. Pfarrkirche war jedoch bis 1739 die Kirche von Tiefencastel.
Näheres zur Baugeschichte lässt sich nur aus archäologischen Untersuchungen ableiten. Der bestehende Dreiapsidensaal der Kirche wurde auf den Grundmauern eines Vorgängerbaues errichtet. Vom Konventgebäude sind nur noch Grundmauern vorhanden. Die ursprüngliche, äusserst schlicht gehaltene Anlage wurde in spätgotischer Zeit durch den Glockenturm, eine Sakristei und ein Beinhaus erweitert.
Das Innere ist ein schlichter, rechteckiger Saal mit hoch sitzenden Fenstern, der eine unglaubliche Ruhe ausströmt. Gerne wäre ich ein Stunde geblieben, aber ich konnte die geduldig im Auto verbliebene Frau L. nicht warten lassen. Die drei hufeisenförmige Apsiden liegen ostwärts, architekturgeschichtlich gehen sie auf alte, orientalische und römische Bauformen zurück.
Die karolingischen Malereien sind nur in spärlichen Fragmenten erhalten. Zu Beginn des 15. Jahrhunderts wurde die mittlere Apsis neu ausgemalt. In der Kalotte der thronende Christus. Im darunter liegenden Fries die 12 Apostel. Im untersten Fries der Drachenkampf des Georg, ein stehender Heiliger mit Fahne und Schild. Rechts die Anbetung der drei Könige.
An der Nordwand ein 7 m hoher Christophorus mit Jesus und Reichsapfel. Der Anblick des Heiligen bewahrte nach der Überlieferung vor unerwartetem Tod und damit vor ewiger Verdammnis.
Auch die drei weiteren Wandmalereien über dem Seitenportal stammen aus dem Beginn des 15. Jahrhundert).
Da ich nichts gestohlen, die behändigte schweizerische Kunstbroschüre ordnungsgemäss bezahlt hatte, liessen mich die Gänse wieder durch.
Davor Mittagessen im Restaurant Vabene in Chur, das in eine noble Altersresidenz integrierte Restaurant (14 Gault-Millau Punkte). Hier parkt es sich gut im Schatten, man isst ausgezeichnet, findet eine gut dotierte Weinkarte auf ipad und man muss keine Stufen überwinden. Einen Moment musste ich mir überlegen, ob ich uns hier nicht gleich bis ans Lebensende einquartieren sollte.

Wären da nicht die Bergkartoffeln aus Filisur gewesen, die ich noch unbedingt haben musste. Und die in Basel verbliebenen Zahnbürsten. Zuletzt gings entlang der Rheinschlucht wieder nach Hause. Effizient, nicht wahr? Altersheim muss noch etwas warten.
Quellen:
wiki St. Peter Mistail
Schweizerische Kunstführer GSK, Kirche und ehemaliges Frauenkloster St. Peter Mistail, 2011, ISBN 978-3-85782-884-3
Die Schweiz scheint über unzählbar viele historische Kleinode zu verfügen – etwas ganz Besonderes, dieses Kirchlein!
Und Altersheim?? Nee, Robert, gar nicht darüber nachdenken. 😉
Einen schönen Sonntag für euch und liebe Grüße Eva
bin noch lange nicht fertig mit dem Abklappern der hiesigen Kleinode. Solange kann ich nicht ins Altesrheim. Feiert schön!
I ha härzhaft glache. Me het’s emänd bis nach Basel ghèèrt. Jä, s‘ Wärgzyg set me natyrlig scho mit derbii ha … 🙂
Danggscheen fir dä interessanti Post !.
schon wieder weg? Du hast gut lachen, kannst deine Zahnbürste gleich in Thailand lassen.
Oh, was ein Kleinod! Niemand macht schöner Werbung für die Schweiz wie du. Und gegessen habt ihr offensichtlich auch fein. Leben wie Gott in der Schweiz 😉
Würde ich wie Du in Frankreich leben, so käme ich mit Reisen und Schreiben überhaupt an kein Ende.
Im Altersheim gibt es bestenfalls eine Pantryküche für dich, und wohin sollst du mir den ganzen Geräten wie Kenwood etc. hin? Das gibt unlösbare Konflikte. Die Gänse sind fast so schön wie die Kirche!
Dort würde ich mich bekochen lassen und könnte den ganzen Tag TV sehen, Zeitung lesen, zum Fenster hinauslehnen und… das wars wohl.
Das ist ja ein echter Schatz.
Gut dass manche Schätze wenig bekannt sind und bleiben.
Es führen offenbar alle Wege nach Rom. Man muss sie aber nicht alle gleichzeitig gehen 😉
der beste Weg führt hier durch nach Rom, da gibt es entlang der Route die besten Weine: Bündner Herrschäftler, über den Julier ins Veltlin, von da ins Südtirol, Trient, Veneto, Bologna, Florenz…
Danke für diesen ganz wunderbaren Bericht und die großartigen Photos.
Elena
Schön, das es Dir gefällt.
Wenig bekannt? Diese wunderschoene Kirche ist sogar meiner thailaendischen Frau bekannt und von ihr besucht worden. Beeindruckt war sie allerdings weniger als ich, ausser ueber den trotz Alter gut erhaltenen Zustand. Das sind die Thais aber auch von meinem 24 jaehrigen Velo und den geerbten Gartenwerkzeugen, die gleich alt sind wie ich, sie koennen es nicht verstehen.
Danke fuer den Bericht mit den schoenen Fotos.
Gruss, Erich
Da Du sie dorthin geführt hast, gilt das nicht als selbstentdeckt 😉
Gut, das unsere Dinge aus Plastik nicht so alt werden, wie dieses Kirchlein.
Stimmt: Kochen (v.a. Bei Lucas Rosenblatt) bildet! Aber auch deine wunderbaren Posts, lieber Robert!
Dank und Gruss
Daniel
Danke! am Samstag wieder?
Die Gänse trauen dir noch, weil bis St. Martin ist es noch lange hin. Sehr schöner Bericht in Wort und Bild. 🙂
Dank Dir. Gänse können 15-30 Jahre alt werden. Da hat die eine oder andere vielleicht Glück.
Obwohl schon über Jahre immer wiederBlog- Besucher überraschen mich doch manch Begriffe die offensichtlich allemanischen Ursprungs sind wie z.B „strotzig“! Ist das mehr als steinig?
Ein Nebensatz sprach mich ebenfalls an: Christopherus ( ) bewahrt vor unerwatetem Tod und damit ewiger Verdammnis.
Welch ein Wandel, heutzutage wird der „unerwartete Tod“ für den Verstorbenen von den Hinterbliebenen positiv gewertet.
(Wenigstens mußte er/sie nicht lange leiden)
In meiner langen Tätigkeit als Hospizbegleiter erlebe ich jedoch immer wieder wie gut es sein kann wenn Betroffenen wie Hinterbliebenen noch Zeit zum Abschied blieb.
Letztendlich wiedereinmal vielen Dank für diesen Blog welcher Intellekt, Sensorik und Empathie als ganzheitlichen Ansatz von Mensch-Sein anspricht.
Stutz ist ein steiler Weg und sein Adjektiv ist stotzig. Hat nichts mit Steinen zu tun. Zum letzten Satz: Das strebe ich eigentlich gar nicht an, ich schreibe nur auf, was mir so einfällt. Offenbar kann man nicht aus seiner Haut heraus.