Alltagsweine. Weine für den Alltag. Weine für alle Tage. Also auch für Sonn- und Feiertage. Weine die zu jedem, oder fast zu jedem Gericht passen. Ich kenne nur einen Wein, der das schafft: Champagner, der König aller Weine, wenn ich aus Fledermaus von J. Strauss richtig zitiere. Nur eben der Preis: halt doch kein Wein für alle Tage. Und zudem im Widerspruch zu meiner skurrilen Privatfehde gegen das Syndicat Général des Vignerons de la Champagne. Mein Beitrag zum Weinrallye #9 -Alltagsweine, diesen Monat vom Blog Bildergeschichten aus dem Weingut Steffens-Kess durchgeführt.
In einem Gelübde habe ich jedem Champagnergenuss abgeschworen, bis die kleine Schweizer Gemeinde Champagne wieder zu ihrem Recht kommt, ihre einfachen, stillen Weine weiterhin unter ihrem seit Jahrhunderten hergebrachten Namen verkaufen zu dürfen. Détails hier nachzulesen. Die 15 Flaschen Champagner, auf die ich pro Jahr verzichte, werden das Syndicat bei einer Jahresproduktion von über 300 Mio. Flaschen (2007) zwar kaum beeindrucken. Davon lasse ich mich aber nicht beirren.
Seither bin ich ruhelos auf der Suche nach valablem Ersatz. Bisher probierte Schweizer Schaumweine aus Chasselas, Pinot noir, Müller-Thurgau haben mich wenig überzeugt. Der bislang einzig gefallende, ein Räuschling, wird nicht mehr hergestellt.
Vor drei Wochen endlich der Durchbruch. Im jüngsten Schweizer Kanton Neuchâtel, bis 1857 preussisches Protektorat, liegt im Weindorf Cressier NE die Domaine Grillette, deren Weine schon in den 30-er Jahren des letzten Jahrhunderts in den Luftschiffen der Zeppelin-Werft über den Ozean fuhren. Bis anhin habe ich von Grillet nur den ausgezeichneten Viognier gekannt, nun habe ich mir auch den Schaumwein angeschafft. Cressier habe ich zum ersten Mal besucht, die Richtung Neuchâtel liegende Ölraffinerie wirkt auf den vorbeifahrenden Besucher abweisend. Das Dorf ist aber durchaus eine Rast wert. Sehenswert das Schloss, das Maison Vallier und der alte Dorfkern. Und die Rebberge.
Der Ort
Schloss Cressier NE | Blick in einen Clos |
![]() |
![]() |
Der Wein
Brut absolu der Domaine Le Grillette aus Cressier NE. Ein Schaumwein nach traditioneller Methode in Flaschengärung hergestellt. Eine Assemblage aus 70% Pinot noir und 30% Chardonnay. Helles zitronengelb, zu Beginn verhaltene Nase, aufgrund des Verzichts auf die dosage wunderbar trocken, wie man das bei (billigem) Champagner kaum findet, sehr reintönig und elegant, feine Perlage, Zitrusfrüchte, mineralischer Abgang. Gewiss kein Bollinger Grand Cuvée aber (von mir) blind kaum von einem guten Champagner zu unterscheiden. Ich lasse einen Rest im Glase stehen: nach 2 Stunden immer noch ein trinkbarer, sauberer Grundwein. Diesen Test besteht nicht jeder Champagner. Drum hab ich für das Titelfoto meine Staatsempfangsgläser (mit den hohenlohischen Leoparden) aus dem Speicher hervorgeholt.
Der Keller
Der Tabernakel ?
Der Preis
Im Bereich eines billigen Markenchampagners im Ramschangebot. Also fast alltagstauglich. Sagen wir mal jeden dritten Tag. Die Differenz kompensieren wir zwei Tage lang mit Mineralwasser.
Ich glaube, dass es mittlerweile viele Schaumweinbauern gibt, deren Produkte hochwertiger als der Champagne sind, sie aber halt das Pech haben, nicht in der Champagne Wein anzubauen…..
Bislang hatte ich keinen aus der CH getestet, nur aus der Loire, Alsace und Bourgogne, die waren alle sehr gut.
Ein Glas Champagne soll man allerdings jeden Tag trinken, das sagte die Grossmutter einer ehemaligen WG-Bewohnerin von mir immer, die muss es wissen, ist eine Bollinger……..
Und wenn’s dann kein Champagner sein soll, greife man tatsächlich zu Deiner Entdeckung oder ähnlichen wunderbaren Alternativen, für deren Suche man nicht mehr als ein bisschen Geduld braucht. Und eine interessante und lohnende Beschäftigung ist das allemal.
Für den Sommer empfehle ich zur Nachahmung die wunderbar belebende venezianische Tradition des „Spritz“ am Nachmittag nach der Arbeit.
Müssten die vierbeinigen Leopardenfreunde nicht nach links schauen 😉
@ Bolli: Bolli oder Bollinger ?
@Franz: mit etwas Suchen findet man in vielen Ländern sehr gute Ausweichmöglichkeiten. Den Spritz werde ich mal mit Apfelchampagner probieren.
@kulinaria: im Spiegel fotografiert schauen sie stur nach rechts.
Super Rallye-Beitrag, toll geschrieben und fotografiert! Da bekomme ich richtig Lust auf einen kleinen Ausflug nach Cressier.
Ich kann mich dem Lob meines Vorschreibers(wein) nur uneingeschränkt anpassen.
Selbst innerhalb Frankreichs gelten ja diese strengen protektionistischen Bestimmungen, weshalb durchaus champagner-äquivalente Schaumweine aus anderen Gegenden hier als Blanquette, Crémant oder Clairette deklariert werden müssen…
Interessant ist dann, dass die französischen Behörden gerade beschlossen haben, wegen der exorbitanten Nachfrage weiteren 40 Gemeinden in Nordfrankreich das Recht zu erteilen, ihre Trauben für „echten“ Champagner anzubauen und zu verarbeiten – da wird ja zumindest das Terroirargument arg verwässert….
Wunderschönes Titelfoto, der Trick mit dem Spiegel braucht ein Weilchen 🙂
Respekt!
Sehr gut zitiert:
Die Majestät wird anerkannt,
anerkannt rings im Land;
jubelnd wird Champagner
der Erste sie genannt!
Es lebe Champagner der Erste!
Und er passt sogar zu jeder Tageszeit …
@schreiberswein: Danke, es gibt ja noch soviel zu entdecken.
@Iris: hab eben auch davon gelesen. Falls die Grenzen der a.c. Champagne künftig bis an die Schweiz ausgeweitet werden sollten, könnte man das Dörfchen Champagne auch gleich mit einschliessen.
@vinissimus: und man kriegt dazu noch doppelt so viel zum Trinken.
@the rufus: All-tagswein, sag ich ja, danke für den Text.