Appenzeller Bereschlorzifladen

Appenzeller Birreschlorzifladen
Appenzeller Birreschlorzifladen

Birnenschlurzitarte. Auf die Idee hat mich ein Wanderbericht in der NZZ gebracht. Der Autor lobte den im Gasthaus Sternen in Schwänberg bei Herisau probierten Schlurzifladen in voller Begeisterung. Die rudimentären Angaben der Zutaten im Wanderbericht liessen mich hellwach werden:

Boden: Hefeteig
Fülle: gedörrte Birnen, in Wasser eingeweicht, Zimt, püriert mit Trester oder Birnbrand
Guss: Käsereirahm, Ei und gemahlene Samen von Anis und Kardamom.

Birreschlurzifladen
Birreschlurzifladen

Hat man noch Worte ? Ich war hin und weg. Eine Internet- und Buchrecherche brachte nur ordinäre, mit Vanillepudding überzogene und mit Birnbrotgewürz abgeschmeckte 08/15-Kuchen. Also auf nach Schwänberg. An sich kein Schliesstag. Böse Überraschung. Alles geschlossen. Der Bäcker, nicht mehr der Jüngste, den Bäckerberuf hat er längst an den Nagel gehängt, kann heute ausnahmsweise nicht öffnen. Kein Schlurzifladen da. Kollektivtrauer. Ich habe den, nein, nicht den, irgendeinen Schlurzifladen dann anderwso probiert: Süsser Vanillinpudding auf Birnpaste. So nicht. Also musste ich wieder mal selbst in die Bäckerhosen. Mein Beitrag zum Quiche/Tarte-event, ausgerichtet durch Rike von Genial Lecker.

Blog-Event XXXIX - Quiche, Tarte & Co.

Ein schneller Hefeteig, entliehen von Bolli, bestrichen mit einer Paste aus in Rotwein mit Zimtstange weichgekochten Dörrbirnen. Überzogen mit Eigelb-Rahm, aromatisiert mit Kardamom und Anis. Eine unglaublich gute Süsspeise. Die exotischen Gewürze im Guss ergeben einen tollen Kontrast mit dem Zimt in der Birnenfüllung. Zucker ? Hat jemand etwas von Zucker gesagt ? Kein Zucker ! Unsere Altvorderen konnten sich keinen Zucker leisten. Der war im 17. und 18. Jhdt. noch dem wohlhabenden Bürgertum vorbehalten.

Erklärung schweizerischer Mundartbegriffe:
Birrä, Bire, Bere: Birnen
Schlurzi, Schlorzi: Ostschweizerbegriff für eine Paste aus gedörrten Birnen.
Flade, Wähe: Flache Tarte, mit etwas drauf.

Dörrbirnen in Weinse(e)ligkeit
Dörrbirnen in Weinse(e)ligkeit
Schlurzi aus dem Fleischwolf
Schlurzi aus dem Fleischwolf

Zutaten
für den Boden:
125 g Mehl
5 g frische Hefe
1 Elf. lauwarme Milch
65 ml lauwarmes Wasser
Salz
1 Elf. Butter (anstelle von Olivenöl)

30 g frisch gemahlene Haselnüsse als Bodenbelag

für den Schlurzi:
300 g weichgedörrte Birnen (meine von hier)
1 dl Rotwein
1 Stange Zimt (5 cm)
3 cl Birnenbrand, allenfalls Calvados oder Kirsch

für den Guss:
1 dl Halbrahm (nächstesmal 1.5 dl nehmen und das ganze Ei)
1 Eigelb
1 Msp. Anissamen
1 Msp. Kardamom, beides frisch gemahlen

Schlurzimasse
Schlurzimasse
Schlurzi ausstreichen
Schlurzi ausstreichen

Zubereitung
für den Boden:
(1) Hefe im Wasser „auflösen“, die übrigen Zutaten zugeben und in der Küchenmaschine 5 Minuten kneten lassen. Dann den Teig in eine bemehlte Schüssel geben und zugedeckt mindestens 2-3 Stunden gehen lassen.

für den Schlurzi:
(2) Die Birnen (die Schrumpelheimer erinnern mich an das unaufhaltsame Altern) mit dem Wein und dem Zimt in einem gut verschlossenen Topf auf kleinstem Feuer während ca. 1 Stunde erhitzen. Danach ist der Wein von den Dörrbirnen aufgesogen und die Dörrbirnen schauen mich jugendlich regeniert an. So wirkt das mit dem Wein. Werd ich mir merken.
(3) Die Dörrbirnen durch den Fleischwolf (feine Scheibe) drehen. Voilà: der Schlurzi.
(4) Teig zubereiten, schön gehen lassen und in ein beschichtetes 20-er Kuchenblech ausziehen. Stupfen.
(5) Boden mit dem Haselnusspulver bestreuen, darauf den Schlurzi ausstreichen und mit einem Roller oder Teighörnchen flach und glatt ausbreiten.
(6) Guss zubereiten und über den mit Schlurzi gefüllten Boden giessen. Noch drei Umdrehungen aus der Gewürzmühle mit der Kardamom-/Anis-mischung drauf.
(7) ca. 30-40 Minuten bei 210°C ausbacken. Je nach Bräunung eine Alufolie locker drüberlegen damit der Eiguss nicht schwarz wird.

Wer unbedingt Zucker dabei haben muss, darf sich gegen Ende der Backzeit etwas Zucker zum caramelisieren obendrauf streuen. Dass sich der Fladen nur mit Murks aus der Form lösen liess, weil ich den Teig über den Rand gezogen hatte, belegt meine bäckerische Unbedarftheit. Wie das Original schmeckt, weiss ich immer noch nicht, ein zweiter Anlauf ist aber geplant.

Der Herisauer Schwänberg ist die älteste Siedlung im Appenzellerland. Gegenüber dem Fladehus Sternen liegt das „Alte Rathaus“, ein ungewöhnlicher Riegelbau aus dem Jahr 1630. Der herrschaftliche Wohnsitz wurde im Dreissigjährigen Krieg für einen wohlhabenden Ausserrhodener Söldnerhauptmann erbaut.

Altes Rathaus
Schwänberg: Altes Rathaus

Fladehuus Sternen:
Bäckerei Zimmermann Hansruedi u. Lilly (-Bänziger)
Schwänberg 2688
9100 Herisau
Telefon 071 351 19 16

29 Kommentare zu „Appenzeller Bereschlorzifladen“

  1. Sehr interessant! I have never heard of this tart before! It really looks delicious! Somehow, it reminds me a little of our „Vin Cuit Tart“…

    Grüsse and have a great week,

    Rosa

  2. Und wo bekommt -norddeutsch beheimatete – Frau die Dörrbirnen her?? – Kommt gut, wenn du die Bäckerhosen anziehst – das Ergebnis kann sich sehen lassen! 🙂

  3. Dörrbirnen durch den Fleischwolf zu schicken- eine super Idee. Das werde ich mal mit Aprikosen oder Zwetschgen versuchen!

  4. Ich wusste gar nicht, dass Dörrbirnen schwarz sind, oder ist das eine schweizer Eigenart?

    Erst sah ich nur die Bilder und dachte schon, hum, was macht Robert nur mit Teer….
    Es ist gewöhnungsbedürftig, schmeckt es denn nach Birne oder nicht?

  5. Für Montagmorgen bitte in Zukunft einfachere Worte wählen – BIRNENSCHLURZITARTE – da braucht es schon ein bis zwei Kaffee, um eine sinnvolle Artikulation zu finden 😀 .

  6. Das sieht so verrlockend aus! Bräuchte ich nur einen Fleischwolf zum Nachbacken. Danke für Deine Teilnahme am Event!

  7. auch wenn ich den namen dieser koestlichkeit nicht aussprechen kann, essen taet ich schon gern davon! in meiner bayrischen urheimat heissen die berre kletzen aber sowas schoenes wie diesen fladen haben wir nicht.

  8. Haaaaaaaa Herisau, die Gegend kenn ich. Dort stinkt es extrem nach Kuh!
    (Ich habe von dort den mit Marzipan gefüllten Lebkuchen, weiß jetzt nicht wie er heißt. Schmeckt aber sehr gut.)

    Das ist vermutlich auch eine verdauungsfördernde Mehlspeis, mit all dem Schlurz gefüllt.

    1. Hallo in Herisau stinkts nicht!!!!
      und den “ lebkuchen“ nennen wir hir Appenzellerbiber und füllen ihn bestimmt nicht mit marzipan

  9. So jetzt weiß ich endlich was das ist. Sieht gut aus, wird aber mangels Dörrbirnen nicht nachbackbar sein. Die Gußschicht gefällt mir aber sehr gut.
    Viele Grüße

  10. @Rosa: indeed, its a similar principle.

    @Eva: carepaket gewünscht ?

    @Ursula: gute Idee, das geht doch mit allen Dörrfrüchten.

    @Bolli: mit Teer kann man gut kochen, Schinken im Asphalt ist im Val de Travers eine Spezialität. Die Dörrbirnen sind Sepiafarbig.

    @Sammelhamster: das weckt die Geister !

    @Rike: geht auch im Cutter.

    @zorra: dann halt Luzerner Lebkuchen. Den Birnenhonig gibts im Glas im Migros 🙂

    @Karine: ach da gibts noch so viele Rezepte, nicht nur Birnenbrot.

    @entegut: Appenzeller Biber, mit Mandel- und Birnenhonig gefüllt. Der fördert aber kaum die Verdauung.

    @Heidi: meine Kletzenmasse ist schön weich, nicht so zäh wie beim Birn-(Kletzen)brot.

    @Petra: Du wohnst doch auf dem Lande. Was macht man in D denn mit den Birnen. Schnaps ?

  11. Geht doch, musst Dich halt nur trauen, gell? Wie verfressen muss frau eigentlich sein, um nach Deinem Kuchen zu verlangen, obwohl in ihrem Rücken ein anderer abkühlt? Egal, ich hätte zu gerne ein Stück vom Unaussprechlichen.

  12. uauuuuuu…. ich seh schon, du hast auch für süße sachen ein händchen. war ja auch nicht anders zu erwarten. theoretisch, kann man ja auch was anderes reinmachen. zuerst dachte ich, ich habe es da mit mohn zu tun. würd mich ja schon interessieren, wie dieses birnenschlurzi schmeckt.

  13. Aha, derjenige ohne zusätzlichen Zucker. Sieht klasse aus und schmeckt bestimmt auch so. Wird getestet.
    Aber ungeeignet für eine Tortenschlacht. Die Füllung würde wahrscheinlich als Ganzes an der Nasenspitze hängenbleiben.

  14. @Jutta: foodblogger sind eben nimmersatt.

    @Nysa: nach Dörrbirnen 🙂

    @Poulette: untauglich für Tortenschlacht, ich gebe es zerknirscht zu.

    @Sivie: copy/paste -carepaket gewünscht ?

  15. Very good timing; the dehydrator is full of pears! I shall certainly be giving this recipe a try. Thank you.

  16. Die Schlurzimasse allein sieht ja nicht gerade appetitanregend aus, das Gesammtkochwerk allerdings überzeugt. Manchmal ist es doch recht wichtig die Bilder richtig anzuordnen :-).

  17. @Una: I guess you own a pear tree 🙂

    @Kochsinn: mit Dörrbirnen kann man gute Sachen machen und optisch kriegt man das auch hin. Ich habe noch einige im Kühlschrank.

  18. Habe den Schlorzifladen ausprobiert. War sensationell. Habe die Schlorzi mit 2 EL Birnendicksaft gewürzt – schmeckt wirklich lecker. Und übrigens: die Birnen habe ich im Coop gefunden – vielleicht nicht die absolut richtigen, aber was solls!

  19. Dörrbirnen *Schlurzi* gibt es von Hero aus der Büchse…..war erstaunt, die Masse ist wirklich fein und schmecken nach Birnen. Kann auch für Bireweggen gebraucht werden

    1. bin ich kürzlich im Fabrikladen von Hero in Lenzburg auch drübergestolpert. Markenprodukte findet man ja bei den Grossverteilern in der Stadt bald keine mehr oder nur noch die allergängigsten. Nischenprodukte muss man sich beim Produzenten selbst holen.

  20. Habe den Schlurzifladen schon auf verschiedene Arten hergestellt. Schmekt mit einem geriebenen Mürbeteig sehr gut, besonders auch noch nach einem oder zwei Tagen, was man vom Hefe- oder Blätterteig nicht unbedingt sagen kann. Anstatt geriebene Nüsse auf dem Teigboden zu verteilen, gehackte Baumnüsse unter die Schlurzi mischen. Die Schlurzi bekommt man nicht nur bei COOP, auch in der Migros und bei Volg (Nectaflor Birnenweggenfüllung)
    Der Schlurzifladen schmeckt nicht nur gut zu Kaffee oder Tee, sondern auch zu einem Glas Rotwein!

  21. Jetzt musst ich doch noch spionieren kommen… schmunzel! Also Dein Schlorzifladen ist mit Abstand viel schöner, als meiner! Und alles selber gemacht! Herrlich!
    Ich habe mal nachgesehen, wegen der braunfärbung, da gibt es tatsächlich unterschiedliche Varianten, die einen sind eher dunkler, die anderen eher heller. Ich kenne ihn in der dunklen Version. Vielleicht liegt es ja auch einfach daran, dass Deiner ein Appenzeller und meiner ein Toggenburger ist? …. und an der Alufolie… ich werde es das nächste Mal nach Deiner Variante versuchen, kann ja nie schaden etwas aus zu probieren.
    Herzliche Grüsse
    Susann

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