Vincisgrassi

Vincisgrassi, die Lasagne der Provinz Marken
Vincisgrassi, die Lasagne der Provinz Marken
Alfred I von Windisch-Graetz
Alfred I von Windisch-Graetz

Vincisgrassi, ein der Lasagne ähnlicher, üppiger Nudelauflauf mit würziger Fleischfüllung. Die genaue Herkunft dieses typischen Gerichtes der traditionellen Küche der Region Marken (Marche) ist nicht bekannt. Die Italiener bringen den Namen gerne in Zusammenhang mit dem österreichischen General Alfred I. zu Windisch-Graetz (1787-1862), der einigen Quellen zufolge 1799 (offenbar im zarten Alter von 12 Jahren, das www ist geduldig) während der Napoleonischen Kriege mit seinen Truppen vor Ancona gelegen habe, Andere Quellen zitieren die Einnahme von Ancona 1849, an der auch das böhmische Dragoner-Regiment „Fürst zu Windisch-Graetz“ teilgenommen hat. Der Feldherr sei von den gefüllten Nudelplatten derart begeistert gewesen, dass man das Gericht in Windischgraetz, verballhornt Vincisgrassi umbenannt habe. Wieder andere glauben, das Gericht sei einst Adeligen vorbehalten gewesen, die wegen ihrer angefressenen Leibesfülle als p(r)incisgrassi bezeichnet wurden. Oder könnte etwa der Koch ganz einfach Vinzenzo Grassi geheissen haben ? Jedenfalls: eine entsprechende Rezeptur wurde 1784 im gastronomischen Handbuch „Il Cuoco Maceratese“ von Antonio Nebbia erstmals veröffentlicht.
Die Rezepte um die Vincisgrassi varieren stark. Jede Familie scheint ihr eigenes zu haben. Original wird der Pastateig unter Zugabe von wenig Vin Santo aus der Gegend oder Marsala hergestellt. Die Fleischfüllung variiert von Rind- und Schweinefleisch, Speck, manchmal auch Kalb, Kalbshirn und Hühnerklein, mit und ohne Béchamel, mit und ohne Pilze, mit und ohne Röstgemüse, mit und ohne Trüffel.

Jedenfalls sollten die Teigplatten dünn sein, mit nicht sehr viel Füllung dazwischen: Die Füllung darf weder die Nudeln, noch die Nudeln die Füllung geschmacklich dominieren. Bis sich die maceratesi auf ein Rezept geeinigt haben, benutze ich fröhlich mein eigenes Rezept und liege damit garantiert nicht viel daneben. Die Besonderheit an meinem Rezept: Zwischen jede Schicht Fleischsugo schichte ich jeweils eine Doppellage Teigplatten mit wenig Béchamel dazwischen. Ein Trick der Signora Fuso in Bellinzona. Geht aber nur mit selbstgemachten, dünnen Platten. Platten und Sugo habe ich immer im Tiefkühler auf Vorrat.

die Teigplatten
die Teigplatten
Fleischsugo einschichten
Fleischsugo einschichten

Zutaten
2 Personen
für die Pasta:
200 g Hartweizengriess
2 ganze Eier
2 Elf. Olivenöl
1 Tlf. Salz

für die Füllung:
400 g Ragù alla Bolognese, aus dem Kühler
3 dl Béchamelsauce,  in die fertige Sauce 30 g Parmesan gerieben einrühren.

Vorbereitung
für die Pasta:
(1) Eier, Salz und Oel mit einem Handmixer zu einer Emulsion aufquirlen.
(2) Mehl und ca. 90% der Emulsion zu einem festen, zähen Teig verkneten, bei Bedarf Rest der Emulsion zugeben. Kein Wasser.
(3) Diesen zähen Teig ein paarmal durch die gröbste Stufe durchwalzen, wieder zusammenklappen, bis er genügend geschmeidig ist, in einem Suppenteller flachdrücken und mit Klarsichtfolie zudecken. Anschliessend mindestens 3 Stunden im Kühlschrank (oder über Nacht) reifen lassen.

Die Béchamelschicht
Die Béchamelschicht
tektonischer Querschnitt
tektonischer Querschnitt

Zubereitung
(4) Pasta-Teig stückweise zuerst mehrfach maschinell von grob zu mittel auswalzen. (Endstufe 7/9 oder 8/9).
(5) Das Teigwarenband bei Bedarf mehlen mit Hartweizengriess und anschliessend mit dem Pizzarad in der Lasagneform angepasste Stücke schneiden. Was nicht sofort verbraucht wird, friere ich, die einzelnen Teigplatten durch Backpapierstücke getrennt, ein.
(6) Lasagneform gut einbuttern, 10-12 Teigplatten in siedendem Salzwasser etwa 2 Minuten vorgaren, auf Küchentuch auslegen.
(7) Einfüllsequenz: Teigplatte/ Ragù/ Teigplatte/ Béchamel/ Teigplatte/ Ragù etc.  Zuoberst Béchamel und ein paar Butterflocken.
(8) 25 Minuten im vorgeheizten Ofen (200°C, Unter-/Oberhitze, mittlere Schiene) backen.

Anmerkung
Wer noch nicht genug hat von Lasagne, am Samstag war ja 1st. Lasagne-Day, kann sich an den Rezepten der Linkliste von un dimanche à la campagne erfreuen, worin uns auch Namen wie Bollis Kitchen und Cucina Casalinga begegnen und erfreuen.

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28 Kommentare zu „Vincisgrassi“

  1. Herr D. kam gerade dazu und war äußerst angetan von deinem „tektonischen Querschnitt“ 🙂 – Einen Teil dieses Rezepts habe ich, seit der Tourte de viande, ja im Kühler (das Ragù), nun noch Pastateig und Béchamel nachmachen und wir kommen auch in den Genuß dieses ein wenig anderen Lasagnegerichts 🙂

  2. Hauptsache, es schmeckt (und so sieht es aus). Dann ist der historische Hintergrund völlig egal. Aber trotzdem danke für die Recherche.

  3. Wenn man die Zutaten vorausschauend vorbereitet hat, ist das ein schnelles und absolut leckeres Essen 🙂 .
    Für andere, nicht so tüchtige Einfrierer, leider nur mit Fertignudeln und -saucen zu machen und somit kann es gleich gelassen werden ;-( .

  4. Ich habe ein Kochbuch aus den Marken, da ist so ein Rezept drin, in den Sugo hauen die aber noch ein paar Sachen mehr.

    Schöne Sache!

  5. Bei Dir lerne ich immer noch was über die Hintergründe der italienischen Küche. Tolle Info, danke! Dass Deine Fotos wie immer auch schon zu Frühstückszeiten Appetit machen, brauche ich wohl kaum zu erwähnen 😉

  6. Wieder etwas dazugelernt; danke für die Hintergrundinformation. Unter diesem Namen kannte ich Lasagne noch nicht, denn in die Marken hat es mich leider nie verschlagen. So bleibt also nur das Nachkochen (die Fotos sind einfach zu verlockend), um wenigstens in Gedanken in diese Gegend zu reisen.

  7. Könnte mal wieder eine gute Gelegenheit sein, mal wieder einen seriösen Lambrusco aufzumachen!

  8. @Eva: man darf auch etwas mehr Sugo nehmen, 400 g waren etwas knapp, auch darum das Strecken mit Béchamel 🙂

    @mipi: historische Hintergründe interessieren mich brennend, man kann aus der Geschichte soviel lernen.

    @Rosa: the perfect fast food for foodies.

    @Nathalie: und die Nudelplatten sind schneller gewalzt als andere, kompliziertere pasta.

    @sammelhamster: ach nein, einfach die Zwischenschichten von Béchamel weglassen und mehr sugo reinhauen, dann gehts auch mit Fertigplatten und dem Herrn von Windisch-Graetz ist das egal.

    @Bolli: Jeder nimmt andere Zutaten und Kalbshirn wollte ich nicht, mein Gedächtnis wird auch damit nicht besser.

    @Rike: gerade die heutigen Fotos gefielen mir nicht, gute Fotos gelingen nur einmal die Woche.

    @Claudio: in der Schule sind wir nie soweit gekommen, immer nur Schlachten und Schlachten und Siege und Siege mit einer Ausnahme.

    @Charlotte: wenn der geneigte Lasagne-esser bedenkt, dass Fürst Windisch-Graetz dazu „che buono“ gesagt haben soll, schmecken sie gleich nochmals so gut 🙂

    @Vanille: eine Teilnahme macht wenig Sinn, da müsste ich alles noch auf Französisch übersetzen. Bolli und Nathalie können das besser.

    @duni: etwa gar ein seriöser, leicht unseriös prickelnder ?

  9. ich glaub ich muss jetzt auch bald mal in den ruhestand gehen damit ich all die sachen nachkochen und bloggen kann. zur vorspeise eine der olivencrema und danach vincisgrassi egal ob mit hirn oder hirnlos…danach dieses tolle orangengericht…welch ein traum

  10. 1. ich will auch solche schneeeflocken oder -bälle haben…. *schmoll* hab nur doofe sterne und die legen sich nicht am bildschirmrand ab.
    2. ein gewisser unterschied ist ja zu sehen bzw. lesen gegenüber üblicher lasagne.
    3. historisches find ich auch immer toll. deswegen ist dein blog ja auch so interessant ;-)))

  11. Unglaublich, wunderbar, deine Lasagne duftet bis nach Wien… mhm… Meine Geschmacksknospen blühen 😉 Einfach zu herrlich… *seufz* Großes Kompliment!

  12. Wieder herrlich angerichtet. Aber ganz ehrlich, mir erschließt sich der Unterschied zu Lasagne nicht. Außer dass Vincisgrassi vornehmer klingt und keiner weiß, was es ist…
    Viele Grüße

  13. @karine: lass Dir Zeit mit Ruhestand, Du hast genug zu tun mit Deinem Unternehmen. In einem andern Kontinent muss man anders kochen.

    @Elisabeth: bis Wien, wie hab ich denn das zustandegebracht ? Musst Du mir verraten, auf die Erfindung der Duftfernübetragung warten wir schon lange 🙂

    @Petra: mir hat sich der Unterschied zu Lasagne auch nicht erschlossen. Das macht die Sache doch reizvoll 🙂

  14. Thank you so much or your participation, they are really splendid. Sorry I don’t speak any German, but I think I understand enough to see this is the kind of recipe I really like.

  15. Duftfernübertragung? Habe ich erst vor kurzem bei der Ente, dass es Duftblogs geben soll. Die sind echt schnell bei WordPress – muss man ihnen lassen.

  16. Norbert hat vor langer Zeit Geografie studiert. Ich bin überzeugt, dass ihm so ein Querschnitt noch niemals untergekommen ist – muss ich ihm unbedingt zeigen.

    1. @gracianne: merci, j’ai renoncé à l’inscription parce que j’ai écrit mon billet seulement en allemand.

      @the rufus: beruhigend, bei der besten Bloggersoftware abonniert zu sein.

      @ Jutta: Lasagne sind eine einfache Möglichkeit, die Erscheinungen der Tektonik im Kleinen zu studieren. Falten-, Verwerfungs- und Bruchtektonik können im kleinen Massstab simuliert werden.

  17. mein auge hat sich erst bei „vin santo“ im pastateig festgekrallt. und ehrlich: ich würde jede variante davon essen, lasagne ist, wenn sorgfältig (und mit dünnem teig, eben) zubereitet, eines meiner lieblingsgerichte… mmmhhh!

  18. Ich bin aus Ancona , bin 58 Jahre alt und kenne die vincisgrassi (meine Oma, machte die Besten).
    Nicht richtig sind in diesem Rezept die Pilze und das Hirn; alles andere passt!

  19. Lieber Robert
    Ich schmökerte untrer Deinem Stichwort Lasagne in Deiner Sammlung. Es ist einfach grossartig! Absolut fantastisch, besser als in jedem Kochbuch, wenn ein Thema aktuell ist wie bei mir, die Fülle an Ideen, die ich hier finde, die amächeligen Fotos. Danke.
    Gruss aus Chiang Mai, Erich
    PS: Möchte am Dienstag Freunden eine interessante Lasagne zubereiten.

      1. Es sind Schweizer, d.h. sie kommt von hier, nach 39 Jahren in der Schweiz hier im Ruhestand, aber sie kennen den General sicher so wenig, wie ich ihn nicht kannte.

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