Weinrallye 26: Tipps vom Weinhändler

Peissy blanc 0_2009 08 13_2081

weinrallye_200

Heute ist Weinrallye, der Tag, an dem von an Wein interessierten Weblogs über ein zuvor bestimmtes Thema geschrieben wird. Heutiges Thema: Tipps vom Weinhändler. Der event ausgerichtet von gotorio

 

Tipps vom Weinhändler ? Der Titel reizt mich zum Lachen. Er weckt in mir die Erinnerung an einen Besuch bei einem bekannten Schweizer Weinhändler vor etwa 30 Jahren. Der Weinhändler, ein distinguierter Herr, empfing mich auf Voranmeldung in seinem Weinkontor, an seinem Direktionspult sitzend. Ich störte ihn sichtlich an der Vorbereitung der Neuausgabe seines jährlich erscheinenden, kunstledergebundenen Weinkataloges. Unwillig gab er mir Auskunft. Gewährte mir aber dennoch die Gnade, meine lächerlichen vier Dutzend Flaschen als Bestellung zu notieren.

Nun gibt es allein in der Schweiz gegen 2500 registrierte Weinhändler, aber ich kenne inzwischen keinen einzigen mehr. Gehe ich in ein Weinfachgeschäft, werde ich zumeist von unerfahrenen Angestellten bedient, die mir bestenfalls die Ohren voll schwafeln mit Weinbeschreibungen, die sie kurz zuvor auf der rückseitigen Etikette abgelesen haben. Weinhändler ? Habe ich in den Weinfachgeschäften meines Umfeldes kaum mehr gesehen. Die glänzen durch Abwesenheit. Zählen ihr Geld, leben auf ihrem Weingut in Südfrankreich oder kämpfen anderwso ums überleben. Längst ist der Boom im Weinmarkt vorbei, der Absatz stockt, schwer lasten die überteuerten Weine der letzten Jahrgänge in den Kellern. Ich weiss, ich übertreibe etwas, irgendwo wird es ihn noch geben, den engagierten, sachkundigen Weinhändler, der aus Lust und Freude am Wein sein Geschäft im Alleingang betreibt. Doch wo ?

Im Ernst, postmailings und das Internet sind erfunden, ich kriege mein Informationen seit Jahren von ein paar wenigen, ausgesuchten Unternehmen, die meine bevorzugten Weine im Sortiment führen. Durch die langjährigen Beziehungen mit meinen Lieferanten weiss ich, zu welchem Stellenwert ich die Anpreisungen meiner Weinhändler einschätzen muss. Spricht mich eines der Angebote an, bestelle ich eine Kleinmenge, meist 3-6 Flaschen. Diesen Wein degustiere ich zuhause in aller Ruhe, zu verschiedenen Gelegenheiten. Niemand sitzt mir im Genick, niemand schwätzt mir den Kopf voll mit überflüssigen Fachtermini. Nach spätestens der zweiten, dritten Flasche innerhalb ebensovieler Wochen, weiss ich woran ich mit dem Wein bin. Klar, dass ich mit diesem Selektionsverfahren auch Einkäufe tätige, die mir letztlich weniger zusagen oder schlimmer, dass ein Wein bis dahin ausverkauft ist. Mein Risiko.

Als Beispiel meiner Selektion nehme ich ein Angebot eines der heute grösseren Schweizer Händler, Gerstl Weinselektionen. Als ich meine ersten Bestellungen aufgab, war das ein kleiner 2-4 Personenbetrieb, heute gehört er unter die Fittiche der Badaracco S.A. Diese hat sich mit dem weltweiten Handel gelagerter Spitzenweine einen Namen gemacht, gehört ihrerseits seit 2001 der in Hong Kong basierten A.S. Watson’s, einem von Fruchttsaft über Beauty bis Elektronik tätigen, chinesischen (!) Mischkonzern. Gewiss nicht zu meiner Freude, aber so stehen die Dinge.

Der im Angebot aufgeführte 2007 Peissy blanc, Peissy AOC (gelegen im Genfer Hinterland) hat mich interessiert. Über den Winzer Jean-Pierre Pellegrin und seine Domaine Grand‘ Cour habe ich andernorts schon mehrfach lobende Rezensionen gelesen.

Der Wein ist eine Assemblage aus:
Pinot Auxerrois 45%, Pinot blanc 45% und Pinot gris 10%
Im Prospekt wird er beschrieben mit:
Zartduftende Aromatik, weisse Blüten, ein Hauch von exotischer Frucht, verführerisch. Sehr milder Auftakt, ganz klar, wenig Säure, dafür sehr rund und harmonisch, ein absoluter Schmeichler im Gaumen, anregende Aromatik, feinster Wein. 16/20

Dem habe ich nichts beizufügen, abgesehen davon, dass ich nicht weiss, wie sich der Geruch von weissen und farbigen Blüten unterscheidet, war das eine sachliche Information. Mehr will ich nicht von meinem Weinhändler.

Zum Wein habe ich heute ein leichtes, kaltes Gericht zubereitet: Panzanella 2009, Toskanischer Brotsalat.

AddThis Social Bookmark Button

7 Kommentare zu „Weinrallye 26: Tipps vom Weinhändler“

  1. Auch wir bestellen gerne unsere selbst zusammengestellten Probe-Pakete – und die Probierwochen mit neuen Weinen daheim, in Ruhe und mit gutem Essen machen viel Spaß … auch wenn der eine oder andere Fehlgriff dabei ist. (Aber die Fehlgriffe nach schnellen Verkostungen im Laden sind auch nicht geringer.)

  2. Ich werde im Weinladen gern als Fräulein Unbedarft behandelt, weil Frauen selbstverständlich keine Ahnung von Wein haben. Dementsprechend muß ich dann des öfteren Belehrungen über mich ergehen lassen oder ein gönnerhaftes “ Na, da ham Sie sich aber heute was gaanz schönes ausgesucht!“. Aber zum Glück gibts ja gute Online-Händler! Trotzdem-ich habe hier einen Händler, zu dem ich gern gehe, der Weine führt, die mich interessieren und der vernünftige Gespräche führen kann. Da ich vom Burgund nur wenig Ahnung habe, lasse ich mir gern Burgunder empfehlen, das letzte Mal wars ein toller Mersault von Jobard.

  3. Zum Schmunzeln ….
    Ich habe das Glück, mit einem Weinhändler, Restaurantbesitzer und Sommelier befreundet zu sein. Wenn der mir einen Wein aufschwatzen möchte (hat er noch nie getan), würde er nicht mehr zum Essen bei uns eingeladen. Das riskiert er nicht. Er kennt unsere Vorlieben, das ist schon sehr praktisch. Und ich kaufe gerne bei Online-Händlern oder bestelle direkt beim Winzer. Das hat bisher immer gut geklappt. Weinversand ist inzwischen ziemlich zuverlässig und bruchsicher. Probepakete habe ich noch nie bestellt. Ich habe die besten Weinempfehlungen in internationalen Restaurants bekommen.

  4. Also Exoten und andere Unbekannte bekomme ich maximal geschenkt. Habe noch nie ein Probierkisterl bestellt, daher werde ich wohl auch keine so erlesenen Schmuckstücke in meinem Keller finden, wie bei Dir.

    Unser Vorgehen ist eher auf die lokale Umgebung (<100km) beschränkt. Wir fahren zu "unseren Weinbauen" oder wenn wir was lesen/hören, das uns interessiert, geht's dorthin. Dann wird dort durch's Sortiment probiert, was wir für uns interessant halten und dann kommen die Kisterln in den Kofferraum … keine Katze im Sack also und nur beim Produzenten. 😉

  5. Da geht’s mir wie Eline, auch ich hatte lange Jahre einen Sommelier im Bekanntenkreis. So bekam ich den einen oder anderen guten Hinweis auf Weingüter und Genossenschaften, die die gehobene Gastronomie beliefern. Zumindest bei deutschen Weinen habe ich da manch schöne Jahrgänge entdeckt.

    Das alles erscheint mir wie die Entwicklung im Buchhandel; wenige Discounter teilen sich den Markt mit einem stromlinienförmigen Sortiment, der Leser aber wird allein gelassen mit dem Fachpersonal, das bloß noch mit dem Finger auf die Regalwand zeigen kann. Glücklich, wer noch einen kleinen Sortimenter kennt.

  6. Natürlich sehe ich die meisten Weinhändler in meiner Rolle als Winzerin – da geht’s dann oft leider eher um die Händlerpreise (die um 40 – 50% unter den ab Gut üblichen Endverbraucherpreisen zu liegen haben) – die habe ich nicht, was die Zahl der Händler, die meine Weine ins Sortiment nehmen, natürlich einschränkt. Immerhin nimmt der eine oder andere dann ein paar Kisten für seinen eigenen Konsum mit – das freut mich dann wieder:-).

    Wenn ich als Kundin zum Weinhändler komme, habe ich meist das Problem, dass ich auf Reisen mit beschränkten Gepäckkapazitäten bin, dann wird’s echt spannend, wenn ich frage: welche Flasche (oder welche 3 Flaschen maxi) würden Sie mir aus ihrem Sortiment empfehlen – aber darüber sollte ich jetzt eigentlich lieber in meinem eigenen Weinrallyebeitrag weiterschreiben – mal sehen, was die Archive hergeben…

  7. @Nathalie: stimmt, wenn ich was an Verkostungen bestelle, ist die Gefahr, dass einem ein Wein zuhause nicht mehr gefällt, ebenso gross.

    @duni: negative Erfahrungen kann man als Frau in dieser Hinsicht leider immer noch viele machen. Immerhin hast Du einen dir zusagenden Händler gefunden, auf die kommts an.

    @Eline: in Restaurants bin ich auch experimentierfreudig. Wenn mir dabei ein Wein besonders gefällt, suche ich mir den Händler, oder noch lieber gleich den Produzenten.

    @the rufus: was Schweizer Weine betrifft, halte ich es ähnlich.

    @bee: der Vergleich mit dem Buchhandel trifft nicht immer zu. Auch die Grossen im Weingeschäft schauen sich immer wieder mit Neuentdeckungen zu profilieren.

    @Iris: den direkten Kundenmarkt selbst zu bearbeiten, ist bestimmt ein grosser Aufwand. Jetzt verstehe ich, warum hier soviele Weinhändler ihre Sommer-Laggerräumungsverkäufe mit bis zu 30% Rabatt immer noch mit Gewinn durchführen können.

Die Kommentarfunktion ist geschlossen.