Humor auf Bestellung. Heute ist Weinrallye. Carsten Henn vom Vinum Blog widmet „sein“ Weinrallye dem Humor. Bild-Manipulationen, Zeichnungen, Berichte von komischen Erlebnisse mit Weinen, mit Winzern, in Weinrunden, alles ist erlaubt. Wein soll Spaß machen – in diesem Fall wortwörtlich.
Frau L. verlangt jeden Abend von mir eine Gutenachtgeschichte. Seit Jahren. Meist lese ich aus einem Buch vor, die gesammelten Werke Gotthelfs sind jedoch längst erschöpft, die Geschichten Konrad Ferdinand Meyers sind oft und oft erzählt, Gottfried Keller und Rudolf von Tavel sind ausgebeutet und selbst Giovanno Bocacccio wäre verlegen, was er mir nach dem Decamerone an passenden Abenteuern zum Vorlesen noch erzählen könnte.
Da muss ich denn einen tieferen Griff in die deutsche Dichtung tun, um den Bedarf einigermassen decken zu können. In schlichtes Deutsch zurückversetzt, eignen sich Gedichte und Balladen sehr gut, von mir nacherzählt zu werden.
Als ich ihr Uhlands Ballade von des Sängers Fluch vorsetzte, stiess ich auf unerwartete Widerstände.
Mein König liess alles weit hinter sich, was je blutig und finsterbleich auf einem Thron gesessen hatte. Denn, sagte ich mir, wenn ihre Majestät das Schicksal später ereilt, muss es ein klarer Sieg des Guten über die Niedertracht werden. Aber Frau L., die sich früher am Fernseher so gerne Fürstenhochzeiten angesehen hatte, zeigte eine schwer zu bekämpfende Liebe zum monarchischen Prinzip oder mindestens zu gut aussehenden, regierenden Monarchen.
Aufs schönste stellte ich ihr das Sängerpaar vor, den würdigen, greisen Spielmann im schneeweissen Bart und den herrlichen Jüngling im blonden Lockenhaar, wie sie ihr Lied von Lenz und Liebe vor dem finsteren König ertönen liessen. Und gleich darauf liess ich das Blut des von des Königs Schwert durchbohrten Jünglings spritzen.
Vielleicht, wandte Frau L. ein, mochte der König keine Lieder ?
Aber Frau L. widersprach ich, da braucht er doch nicht gleich mit dem Schwert nach dem armen Knaben zu werfen.
Vielleicht, meinte Frau L. zweifelnd, hat er ihn gar nicht treffen wollen, oder der Jüngling wollte vor den Augen des Königs mit der Königin anbandeln ? Armer König.
Aber Frau L. ! der König war und ist ein böser Fiesling, der muss seine Strafe haben ! warnte ich eindringlich.
Lass doch bitte den König sagen, dass er es nie wieder tun will ! war ihre schlaftrunkene Antwort.
Ich wurde weich. Mit Donnerstimme liess ich den alten Harfner fragen, ob der König von nun an brav sein wolle. Und er versprachs hoch und heilig. Und so oft seither wieder Musikanten ins Schloss kamen, endete ich meine Geschichte, ging der König selbst an die Haustüre, machte ihnen auf, und die Königin fragte gleich, ob sie Durst hätten und was sie trinken wollten. Und da sagten sie…
Bordeaux murmelte Frau L. schon halb in den Armen Morpheus‘ und wir waren beide glücklich, dass einmal mehr in der Welt etwas besser ausgegangen war, als es die düsteren Gesänge deutscher Dichter wahrhaben wollen.
Für diese nicht ganz ernst zu nehmende Kurzgeschichte habe ich die Anekdote „Des Sängers Fluch“ von Eugen Roth rücksichtslos geplündert.
für den Wein plünderte ich, ebenso rücksichtslos, meinen Keller. Bei trübem Regenwetter.
Bordeaux, St. Emilion, Chateau Canon La Gaffelière 1999
Besitzer: Stephan, Graf von Neippberg (Noch einer vom gut aussehenden Adel)
einer meiner besseren Bordeauxweine, die ich derzeit in meinem Keller hüte. Das muss reichen als Beschreibung. Weinbeschreibungen liest ja doch niemand.
Du hast recht, normalerweise lese ich diese Posts eher weniger bis gar nicht mangels ausreichendem Weinverständnis 😉
Aber dank Frau L. (die ich übrigens sehr um ihre abendliche Vorlesestunde beneide) habe ich tatsächlich was über den Bordeaux St. Emilion erfahren 🙂
Jüngling mit dem Schwert durchbohrt, nein sowas, das ist ja fast schon Splatter! 😉 Wie gut, dass es dann den Bordeaux als Happy End gab.
Als mir das letzte Mal allabendlich vorgelesen wurde, lag ich in jungen Jahren längere Zeit in einem italienischen Krankenhaus. Papa las mir Hui Buh, das Schloßgespenst vor … aber mit Wein hatte das damals nichts zu tun. 😉 (Das Essen war aber übrigens ausgezeichnet im Krankenhaus.)
Die Damen, der Wein… wen das Schöne freut, das er mit Verstand verehrt, schaut zuerst auf den Jahrgang. Es gibt da manche Vorzüge 😉
In Ö sagen wir, du bist ein Gschichtldrucker. 🙂
Und Frau L darf bald wieder vor’m Fernseher sitzen. Derweil könnt ihr abends diskutieren, ob ein Verlobungsring der verstorbenen Mutter am Finger der Zukünftigen angebracht ist. Meine Meinung dazu: kommt darauf an, wie viel Karat der Stein hat. 🙂
PS: Der Wein sieht sehr schön dicht aus. Cuvee, vermutlich nichts reinrebsortiges.
Wunderschön! Punkt! So.
Vor einem Jahr testen drei Weinkenner und ein Master of Wine blind vier Weine aus dem Bordeaux, darunter den Chateau Pétrus für 2350 Franken sowie zwei Weine aus Oesterreich und einen aus dem Languedoc-Roussillion für 40 Franken.
Sieger wurde der Südfranzose, der Chateau Pétrus landete einstimmig auf dem Schlussrang. http://www.selection-schwander.ch/Bilanz.pdf
Würden doch alle Geschichten so (sprich: mit einem guten Wein) enden, die Welt wäre eine bessere…
Wunderbare Geschichte – vielen Dank für’s Mitmachen bei der 39. Weinrallye!
Beste Grüße
Carsten
http://www.vinum.de/blog
Jetzt organisiert schon der Herr Erstervorsitzender (http://weinentdeckungsgesellschaft.blog.de/) den Rallye-Event und ich habs wieder verpasst. Und dabei schaffe ich ja einiges an Wein weg…
Aber ich lese zumindes interessiert mit, hier jedenfalls!
Für ein gutes Wein kann man lesen.
@Sammelhamster: Weinverständnis ? Wozu brauchts denn so etwas ? Wer gut isst, trinkt nur Gutes, Verständnis braucht dazu keines, nur Urteilsvermögen, schmeckt mir, schmeckt mir nicht !
@Christina: Geschichten ohne Happy-end gehen nicht.
@Nathalie: Was will ein Kinderherz mehr, das Essen gut und der Papa vorlesend am Bettchen. Da nimmt man schon mal eine kleine Krankheit auf sich.
@bee: ältere Jahrgänge kann man sich in meinem Alter eher leisten als jüngere 😉
@entegut: Royale Hochzeiten sind nichts für mich. Als junger Mann ohne eigenes Einkommen wird er kein Geld für einen neuen Ring gehabt haben.
55 % Merlot, 40 % Cabernet Franc und 5 % Cabernet Sauvignon.
@creezy: Danke 🙂
@Hunk: Die Qualität eines Weines bemisst sich nicht 1:1 in Franken. Die stark gestiegene Nachfrage bei mehr oder weniger gleichbleibender Produktionsmenge muss zu exorbitanten Preissteigerungen führen. Und wenn reiche Russen und Chinesen das bezahlen, ist mir das gleich.
@Carsten Henn: Danke für das schöne Thema !
@Claus: den event gibts jeden Monat.
@nesrin: für einen schlechten lese ich keine Zeile !
Oft zitiert wird der Schluss: „Versunken und vergessen! | das ist des Sängers Fluch.“
das passiert mir mit meinen passwörtern des öfteren.
Das passt gut zusammen, Wein und Humor – mir gefällt das, auch deine opernreife Geschichte 🙂 Ich geh auch mal schnell plündern… 😉
doch nicht schon wieder ein Glas mit der Granatapfelkonfitüre 😉
Perlweine und brave Könige – immer wieder gerne gesehen 😉