60 Stunden für Baguettes, dann fehlte die Rasierklinge

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Nie, nie, nie mehr, wollte ich Brot backen. Man sollte jedoch nie „nie“ sagen, die Ewigkeit holt einen rascher ein, als einem lieb ist. Kurz, Frau L. beauftragte mich, auf Sonntag ein Brot zu beschaffen. Hmmmh…. die Anis BouabsaPlötzblogeinfach koestlichChili&Ciabattaketex-Baguette hätte mich schon gereizt. Ein Brot für Präsidenten. Nichts für Anfänger. Lutz warnt solche ausdrücklich davor. Erfahrung mit Brotteigen hab ich keine. Weder mit feuchten noch trockenen. Egal. Als Präsident der lamiacucina GoH (Gesellschaft ohne Haftung) will ich das Brot auch haben.
Zu meiner eigenen Verwunderung ging alles glatt nach Rezept. Einzig die vergebliche, fieberhafte Suche nach Rasierklingen machte etwas Stress. Dafür habe ich 5 Scherkopfreinigungsbürsten zu verflossenen Elektrorasierern im Toilettenkasten gefunden. Zudem verband sich der Teig mit den Lochblechen aufs Innigste, so dass ich die gebackenen Baguettes nur mit einem Messer herausschneiden konnte. Hätte ich die vorher einölen müssen ? Vom Ergebnis kann ich aber nur schwärmen. Knackig-krachig-knusprige Kruste (Disclaimer für die USA: Achtung Verletzungsgefahr beim Reinbeissen), weiche lockere Krume, herzhafter Halbweissbrotgeschmack, wie ihn nur gute Bäcker der Schweiz hinbringen. Bin stolz auf das Brot. Frau L. erschrak erst, weil ich gleich 4 Stück davon gebacken hatte, 3 davon assen wir noch halbwarm gleich weg. Beim vierten fehlte am nächsten Tag die Knusprigkeit, nach kurzem Nachbacken konnte man das Brot aber noch gut essen.

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Zutaten
Vorteig
160 g Weizenmehl 550 (L.: Halbweissmehl)
160 g Wasser
0,3 g Frischhefe

Hauptteig
gesamter Vorteig
350 g Weizenmehl 550 (L.: Halbweissmehl)
215 g Wasser
3 g Frischhefe
10 g Salz

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Zubereitung
60 Stunden vorher anfangen !

(1) Die Vorteigzutaten (abends 18 h) mischen und 16-20 Stunden bei ca. 20°C reifen lassen.
(2) Vorteig, Mehl und 165 g Wasser verrühren und 30 Minuten abgedeckt ruhen lassen. (Autolyse).
(3) Anschließend die Hefe zubröseln und 10 Minuten auf langsamer Stufe kneten. In der Zwischenzeit das Salz im restlichen Wasser (50 g) lösen. Den Teig weitere 10 Minuten kneten und dabei portionsweise kleine Mengen Wasser zugießen. Das Wasser sollte erst in den Teig eingearbeitet sein, bevor die nächste Portion zugegossen wird. Zum Schluss weitere 5 Minuten auf mittlerer Stufe kneten. Der Teig muss sich am Ende vollständig von der Schüssel lösen und einen feuchten, aber straffen Eindruck machen.
(4) 1 Stunde Teigruhe bei 24°C. Alle 20 Minuten, insgesamt dreimal, dehnen und falten.
(5) Nun den Teig abgedeckt 31 Stunden bei 4-6°C (L.: 36 h bei 4°C) im Kühlschrank lagern. Das Volumen sollte sich  in dieser Zeit mindestens verdoppeln. Der Teig sollte Blasen schlagen. Hat er.

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Ein Messer im Haus ersetzt niemals eine Rasierklinge

(6) Am Backtag 1 Stunde bei Raumtemperatur (L.: im Wasserbad) akklimatisieren lassen. Dann in 4 Teiglinge teilen und zu kleinen Rollen vorformen. In Bäckerleinen 15 Minuten ruhen lassen. Anschließend zu Baguettes formen. 45 Minuten (L.: 60-70 Minuten) Gare bei 22-24°C.
(7) Einschneiden und bei 250°C 20-25 Minuten mit Dampf backen. Dazu eine im Ofen vorgeheizte, gusseiserne Schale mit 30 ml siedendem Wasser befüllen. Nach 10 Minuten entfernen.
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Ich danke Lutz vom Plötzblog für die genauen Video-Instruktionen, die es sogar mir möglich machten, ein ordentliches Brot zu backen.

43 Kommentare zu „60 Stunden für Baguettes, dann fehlte die Rasierklinge“

  1. Nicht nur ordentlich, auch noch ansehnlich. Bei mir scheiterts schon am Blech, deswegen gibt’s bei uns nur Brot aus’m Topf.

    Ein schönes Pfingstwochenende für Euch!!

  2. Danke fuer die tollen Rezepte. Hier ein Buchtipp: „Advanced Bread and Pastry“, ISBN:978-1418011697. Bin schon seit Wochen damit beschaeftigt…

  3. „… Elektrorasierern im Toilettenkasten …“
    Du lagerst deinen Rasierer im Toilettenkasten? Der wird doch da komplett nass! Und der Spülmechanismus könnte auch klemmen.
    Myschteriös

  4. Du machst mir Mut. Ob ich mich denn auch mal an’s Backen wagen sollte? Bei diesem leckeren Baguette…

  5. Sieht aus wie gemalt, könnte grad von unserem Meisterbäcker sein. Mir fehlt immer die Geduld und das Planungsvermögen für ein gutes Brot, obwohl ich mit dem Spitz von Ketex auch schon akzeptable Ergebnisse liefern konnte. Jetzt hab ich bald Urlaub und damit auch keine Ausrede mehr 60h Aufmerksamkeit für ein Brot aufzubringen.

  6. Ergänzend zu dem US-Disclaimer:
    Zu große Brot-Stücke können zum Ersticken führen. Ist also genau so untersagt wie frisch gewaschene Pudel in der Mikrowelle zu trocknen!!!
    😉

  7. Sieht toll aus, ich habe beim kochen auch sehr viel Geduld.
    Aber 60h Arbeit für ein Brot, da hört es bei mir auf mit der Geduld 🙂

  8. @mestolo: Blech ist zuweilen besser als Gusseisen.

    @Nemorino: „Advanced…“ nichts für mich.

    @Ulrike: das werde ich dann mal. Danke !

    @der Muger: der Rasierer liegt gleich neben, nicht im eau de toilette.

    @Rosa: ich habs mit dem Tomatenwellenschliffmesser probiert. Bei weichem Teig etwas mühsam.

    @Sabine: solange Du in der Schweiz bist, kriegst Du beim Bäcker gutes Brot 🙂

    @Alex: Die Hefe gärt auch ohne, dass man auf sie aufpasst.

    @Peter: in den USA haben sich schon mehrere Personen an Baguettes verletzt. Ich habe eine kleine Hand-Balkenwaage, die auf 50 mg genau wiegt. Und sonst kommt ein kleines Bröckchen Hefe auch hin.

    @Daniel B.: ich habe 2 volle Nächte gut durchgeschlafen. Der effektive Aufwand liegt bei etwa einer Stunde. Alles was man braucht ist ein Plan, wann man was machen muss.

    @Heike: Danke !

  9. Dir gelingt einfach alles, oder? Sind die toll geworden!

    Ich musste auch über den Toilettenkasten schmunzeln, so bezeichnen wir in D das Reservoir für das Wasser der Toilettenspülung 😉

    1. ah – *andiestirnpatsch* – ich hatte mich schon gewundert… 😉

  10. Genial!! Absolut genial! Ich kann auch nicht Brot backen, aber die muss ich auch haben! Plane schon seit Jahren Baguettes zu backen, aber eben, nie getraut. Aber jetzt hast Du mir Mut gmacht!

  11. brotbacken- da bin ich negativ vorbelastet. in meiner kindheit war das mode, die resultate ueberzeugten mich nie. und jetzt sehe ich dieses weissbrot ! aber, auch bei mir wuerds an den klingen scheitern! die hatte ich zuletzt als studentin, wir mussten damit schnittpraeparate anfertigen.

  12. Toll, obwohl Frau L. ja ganz schön lange auf Ihr Brot warten musste. Ich benutze immer das Tomatenmesser, damit komme ich besser zurecht als mit der Rasierklinge.

  13. Sieht perfekt aus! Ich glaub´ ich trau mich da auch mal dran.

    Hast du irgendwas bei dem Kommentarfeld geändert?

  14. Das sieht mehr als ganz ordentlich aus! Kein Wunder das es so schnell verschwunden ist.
    Wg. kleben: Hast du den Teig im Blech gehen lassen?
    Ich lasse mein Brot immer auf einem mit Maismehl bestreutem Brett gehen und lasse es von dort in den Ofen rutschen.

    Adiós, Rainer

  15. So ein Zufall, ich habe vor, genau dieses Baguetterezept nach Plötzblog (nach ca. 20 Jahren fast ununterbrochener Brotback-Abstinenz) am Wochenende in der Ferienküche zu backen (mangels guter Bäckerei in der Nähe). Ohne Lochblech und mit noch unbekanntem Backrohr wird das etwas abenteuerlich. Ich habe aber immerhin ein Marley-Messer zum Einschneiden. ich hoffe, es wird nur annähernd so gut wie deines.

  16. Das sieht wirklich perfekt aus! Ich als wenig-bis-nie Brotbäckerin habe noch nicht mal solche gewellten Lochbleche gesehen, geschweige denn ein richtiges Baguette gebacken.

  17. @Ketex>. Danke, wenn die Anleitung gut ist…

    @sammelhamster: sie wünscht sich schon jede Woche Pizza und Tomatenspaghetti. Das engt mich zusehends ein.

    @Jutta: die heissen bei uns Spülkasten, während im Toilettenschrank/-kasten die Behelfsmittel zur Verschönerung von Mann und Frau liegen.

    @chriesi: mit Halbweissmehl und der langen Gare wirds nicht so fluffig-flockig-wattig, wie man sie bei der Migros bekommt 😉 eher Stil Halbweiss-Bürli.

    @duni: ich glaube nicht, dass ein Leica Schlittenmikrotom zum Schneiden besser geht 😉 Beim nächsten Male werd ich Rasierklingen beschaffen. Mit dem Messer wars eine ziemliche Säblerei.

    @Sivie: bei festen Teigen geht das vermutlich schon.

    @Claus: wordpress hat geändert. Man hat nun die Möglichkeit, mit unterschiedlichen Identitäten einen Kommentar reinzuschreiben, je nach dem, worin man gerade angemeldet ist.

    @Rainer R.: ja die ersten beiden Brote gingen im Blech, die zweiten dann auf Weizengriess.

    @Eline: selbstgemacht wird es bestimmt weit besser, als was in deinem Ferien-Dorf-Supermarkt angeboten wird.

    @Linda: wenn alle Welt so selbstverständlich bäckt und deren Brot immer so schön aufgeht beginnt man schon an sich zu verzweifeln, wenn nie eines gelingen will.

    @Christina: einmal ist es das erste Mal !

    @the rufus: Bitte Leberwurst 🙂

  18. Sieht toll aus, wäre mir aber auch zu aufwändig und eine zu lange Vorlaufzeit. Ich bin Planungsdepp. Mal wieder was für die Abteilung „Exploratory projects“.
    Die Klingen vom Ceranfeldkratzer sind sicher auch ned schlecht und hat man eigentlich auch als Frau immer im Haus , vor allem stapelweise welche, die versehentlich falsch gekauft wurden, weil ich mir nie merken kann, wie die für meinen aussehen müssen. Ich nehme die dann immer für den Schweiners zum Kruste einritzen und so…Vorteil ist, die haben nur eine scharfe Seite, Arbeitssicherheit, you know 😉 Aber Du hast sicher nen Gasherd…

    Aber jetzt so ein Bröterle mit Leberwust drauf, ***träum

    Schöne Feiertage,
    elettra

  19. Korrektur: es wird natürlich die Schwarte eingeritzt, aus der dann hoffentlich ne schöne Kruste entsteht. Sorry.

  20. @elettra: die Ceranfeldkratzer !!! Daran habe ich nicht gedacht. Die hier erhältlichen sind zwar reichlich dick, damit sich niemand daran verletzt. Damit kann man nur kratzen, kaum schneiden. Krustenbraten hab ich mangels Essern noch nie gemacht. An diesen Feiertagen bleiben wir immer zuhause.

  21. Lieber Robert,

    das frustiert mich. Die armen Schweizer Bäcker müssen Konkurs anmelden, weil du so tolles Brot bäckst. Gott sei Dank bin ich doch ein gutes Stück von dir entfernt, sonst müsste ich wohl auch bald schließen.

    Es grüßt mit traurigem Gruße

    Martin

  22. Also wenn der Teig auf Lochblech gegangen ist, ist er vermutlich auch durch die Löcher gegangen … Da hätte ölen nur begrenzt geholfen. Das man Maismehl/Maisgrieß nehmen soll habe ich irgendwo gelesen, nach gemacht habe ich es weil Mais keinen Kleber(eiweiß) enthält. Bis jetzt habe ich damit gute Erfahrung gemacht.
    Zum Schneiden könntest du einen Cutter verwenden. Mit dem Griff ist er vermutlich besser zu handhaben als eine Rasierklinge. Ich habe ein paar sehr scharfe Normalstahlmesser, mit denen schneide ich mein Brot ein.

    Adiós, Rainer

  23. @Martin: wegen mir muss niemand Konkurs anmelden. Meinen Brotbedarf decke ich weiterhin bei guten Bäckern, die es hier gottseidank immer noch gibt.

    @Rainer: so wars mit dem Lochblech 😉 wenn schon, dann Rasierklingen.

    1. Das sagen alle Franzosen. Aber ich glaube es nicht, bevor ich es nicht geprüft habe. Die Zeiten, in denen Frankreich der Mittelpunkt der kulinarischen Welt war, sind längst vorbei.

  24. Lieber Robert,

    das Frankreich schon lange nicht mehr der Mittelpunkt der kulinarischen Welt ist, da muss ich dir Robert zustimmen. Ich würde ja einfach einmal hier behaupten, die beste Küche der Welt gibt’s in Deutschland. Und zwar, weil wir alles aufsaugen, was die besten Küchen der Welt zu bieten haben. Pasta aus Italien – Nobelküche aus Frankreich – Reisgerichte aus China – Indische Curries – Böhmische Knödel – Österreichische Mehlspeisen – Schweizer Confiserie – Spanische Tapas usw.. Das ist ein wesentlicher Unterschied z. B. zur französischen oder italienischen Küche, die doch deutlich mehr von sich überzeugt sind und deshalb mehr im eigenen Saft schmoren. Ich würde ja hier behaupten, dass die Schweizer Küche bestimmt auch schon immer ähnlich war und noch ist. Wie ein Schwamm, der die besten Gerichte seiner Nachbarn in sich aufsaugt.

    Es grüßt der nicht restlos vom französischen Baguette überzeugte

    Martin

  25. @Lutz: Danke !

    @Martin: was die Baguette betrifft: Wenn ich an die Vielfalt der Brote denke, die es in D und der Schweiz gibt, möchte ich nicht mit F tauschen. Die Baguette ist hier ein (gutes) Brot unter Vielen. Wenn ich an die Küche für Normalsterbliche denke, geht es uns hier in der Schweiz, aus den von Dir genannten Gründen, ausgezeichnet. Man kann, fast überall, ordentlich essen. In F kann man das nicht.
    Dass D die beste Küche habe, damit bin ich nicht einverstanden. Hier wie in D wird zwar vieles aufgesaugt, aber wenn ich mir das Durcheinander und Tohuwabohu auf manchen Schweizer und deutschen Tellern ansehe, gehe ich doch lieber zu einem sehr guten Italiener. Die Nobelküche, gezählt an der Dichte der Sternerestaurants, gibt es mittlerweile überall auf der Welt. Von Länderrankings halte ich deshalb wenig.
    liebe Grüsse

    1. Wann warst Du das letzte Mal in Frankreich Robert?

      Und, was das Baguette angeht, da bleib ich dabei, es schmeckt nie so gut wie hier bei ausgewählten boulangeries, am besten fährst Du mal nach F. und überprüfst es! Und, mitterweile hat sich auch auf der „Brot-Front“ hier etwas getan und keiner zwingt Dich, Baguette jeden Tag zu essen….Baguette ist übrigens fur Franzosen, was für Euch die Kartoffel ist oder die Pasta in Italien.

      Komm mal nach F., ich gebe Dir dann die richtigen Adressen, und dann sprechen wir uns wieder!

      1. in Paris… ist schon ne Weile her, das wird sich nicht so rasch ändern. Was das Ausreisen betrifft, werden wir immer wunderlicher. Wir haben aber im Jura einen Holzofenbäcker „Au pain d’Antan“, der macht ausgezeichnete Holzofen-Baguettes. Der lindert mein Fernweh etwas.

  26. Lobeshymnen auf dieses Baguette gibt’s zwar schon genug, aber ich möchte mich dennoch anschließen… ich könnt‘ direkt ins Bild reinbeißen!

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