CH-2713 Bellelay: Von Mönchsköpfen und anderen Dickschädeln

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Neugierig

Die eben vergangene Woche verbrachten wir im Jurahäuschen. Fasnachtsflüchtig. Weil die Sonne so schön schien, fuhren wir auf den Jean Brenin, ein Passübergang zwischen Tavannes und Corgémont auf etwas über 1000 Meter Höhe.

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Juralandschaft im Austagen auf dem Jean Brenin

Dort besuchten wir wieder einmal das Pferdealtersheim,  sassen dort ein Weilchen an der warmen Sonne auf einem Bänkchen im Schnee und schauten, wie alte Leutchen so zu tun pflegen, den alten Pferden zu. Eigentlich kein grosser Unterschied zu Altersheimen, wie man sie aus der Humanbetreuung kennt. Alles nett eingerichtet, sauber, genug Platz, die Pferde stehen meist etwas steif und gelangweilt im Schnee, wissen nicht recht, was sie mit dem Wort „Auslauf“ oder „Sonne“ anfangen sollen, wären wohl viel lieber an der Futterkrippe im warmen Stall geblieben. Ab und zu kommt der Stallknecht vorbei und treibt sie in eine andere Ecke, damit sie sich etwas bewegen. Das nennt man wohl Bewegungstherapie. Doch von der Ruhe, die die alten Pferde ausstrahlen, kann man viel lernen. Unser Liebling, das wegen Kreislaufbeschwerden vorzeitig ausgemusterte Brauereipferd „Olymp“, über den ich hier schon berichtet habe, scheint sich gut eingewöhnt zu haben.

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Olymp mit Astrid im Schnee

Hin und wieder packt auch eine alte Grossmutter die Lust, sich im Schnee zu wälzen.

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Das Bad im Schnee

„Wir haben grossen Respekt vor der Würde aller Lebewesen. Alte Pferde strahlen diese Würde besonders eindrücklich aus [….] Das Pferd hat den Menschen während seiner ganzen Geschicht als Helfer, Weggefährte und Freund begleitet. Es verdient unsere Dankbarkeit“ (Aus der Charta der Stiftung, die das Pferdealtersheim betreibt).

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Moderne Stallungen mit Einzelzimmern
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Auslauf

Auf dem Heimweg ins Jurahäuschen machten wir Halt in Bellelay. Käsebeschaffung. Den geliebten Tête de moine (Mönchskopf) haben wir uns diesmal direkt an der Quelle geholt: dort wo er herkommt, aus Bellelay, einer kleinen Ortschaft im Berner Jura.

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Klosterkirche, ihrer Zwiebeltürme beraubt

Hier steht die mächtige, ehemalige Prämonstratenserabtei. Um 1140 gestiftet, war das Kloster Mittelpunkt einer kleinen Herrschaft mit grundherrlichen Rechten und Einkünften aus verschiedenen Besitzungen im Fürstbistum Basel. Trotz weitgehender Autonomie unterstand es aber immer dem Landesherren, dem Fürstbischof von Basel. Durch die von Bellelay geschlossenen Burgrechtsverträge mit Bern, Solothurn und Biel galt das Kloster bis zur französischen Revolution als zum eidgenössischen Teil des Fürstbistums Basel gehörig und genoss deren Schutz.

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Kloster Bellelay

1797 annektierte Frankreich weite Teile des Fürstbistums Basel und integrierte sie in das Département du Mont-Terrible. Die Chorherren des Klosters Bellelay wurden verjagt, das Kloster säkularisiert.  1801 wurden die Zwiebeltürme abgedeckt und das Metall pour la gloire de la France verhökert. 1815 fiel Bellelay durch Beschluss des Wiener Kongresses an den Kanton Bern. Von der hier enteigneten Glorie ist in Frankreich wenig übriggeblieben. Auch die Gebäude des Klosters verfielen, wurden zuerst gewerblich genutzt, bis sie der Kanton Bern aufkaufte und darin 1899 eine Kantonale Psychiatrische Anstalt eröffnete, die auch heute noch in Betrieb ist.
Die heutige Gestalt der meisten Klosterbauten geht auf das 18. Jahrhundert zurück, dabei wurde die Kirche im Vorarlberger Barockstil, was immer das auch ist, erneuert.

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Kloster Bellelay, Vorarlberger Fassade

Die Käseherstellung kann in der Gegend auf eine lange Tradition zurückblicken. 1192 wurde im Kloster hergestellter Käse zum ersten Mal als Zahlungsmittel der Abtei für Zinszahlungen erwähnt. Die heute verwendete Bezeichnung „Tête de moine“ ist jedoch erst seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert in Gebrauch.

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Die grosse Gutsscheune und ehemalige Käserei, heute Museum

Seit 2006 ist im historischen Gutshof ein Museum eingerichtet, das über Geschichte und Herstellung des Tête de moîne informiert. Der hier verkaufte Käse stammt jedoch von der Käserei Amstutz aus dem benachbarten Dorf Fornet-Dessus. Die Qualität „Réserve“, mind. 4 Monate gelagert, hat uns sehr zugesagt. Der Käse brauchte nicht geschält zu werden. Die Rinde bröselt beim Drehen ab. Anders als bei dem zu jungen Fabrikkäse der Emmi aus Le Bémont. Über den Tête de moine und sein AOC-Pflichtenheft hab ich vor Jahren schon einmal geschrieben.

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Quellen

Stiftung für das Pferd
Domaine de Bellelay
Kloster Bellelay Wiki

18 Kommentare zu „CH-2713 Bellelay: Von Mönchsköpfen und anderen Dickschädeln“

  1. Dein letztes Foto gefällt mir sehr. So wie die von den alten Gaülen. Sie scheinen besser behandelt als manchmal in solchen Veranstalten für Menschen.

  2. Dein Bericht über das „Pferde-Seniorenheim“ hat mich sehr berührt. Deine Fotos dazu sind super gelungen. Und das Foto mit dem Tête de Moine lässt meinen Zahn tropfen 😉

  3. Eimol meh, usgwählt scheeni Helge und e interessante Bricht vom Kloschter !
    Es isch wirgglig e scheene Egge im Jura. I freu mi scho jetzt wen‘ i ab‘ em Friehlig mit em Motorrad die Gegend (mit obligatem Stop bim „Etang de la Gruère“) gniesse derf.

  4. Wieder mal ein sehr schöner Beitrag. Fotos und Käse nach meinem Geschmack. Die Form des abgedrehten Tête de Moine erinnert mich an sonnendurchflutete kleine Nelken. Wunderschön 🙂

  5. Wie gut, dass es solche Höfe gibt, auf denen alte oder „ausrangierte“ Pferde ihr Gnadenbrot bekommen. Mein erstes Pflegepferd „Elvis“ war ein uralter, nicht mehr reitbarer Kaltblüter, der fast so aussah wie Olymp. Diese absolute Ruhe und Genügsamkeit, die er ausstrahlte, war genau das Richtige für mich hyperaktive, pubertierende 12-Jährige! 😉

  6. Herrliche Bilder.
    Das Glück der Erde liegt eben nicht alleine auf dem Rücken der Pferde, sondern vielleicht auch ganz einfach auf einer Parkbank in der Sonne mit der Aussicht auf ein leckeres Schrapple Käse.

  7. horse content kommt bei leuten wie mir, die’s nicht so mit den katzen und anderen kleinen viechern haben, gleich noch besser an als cat content, übertroffen nur mehr von cow oder cattle content 😉 die sich wutzelnde großmutter ist mindestens so berührend wie das ganze „altersheim“. toll, danke fürs mitnehmen.

  8. Hallo,

    ein Alterheim für Pferde, was für eine schöne Idee.
    Wenn man ein lebenlang ein Tier hat sollte es ihm auch im Alter gut gehen .
    Bei dem Anblick auf den leckeren Käse … läuft mir das Wasser im Mund zusammen 😉

    Lg Kerstin

  9. @Vanille3soeurs: Wer sich in Altersheimen unangepasst verhält, wird leider oft gemieden.

    @Sabine: bei über-Null wars nett, sich draussen an die Sonne zu setzen. Besser als Vitamin D zu schlucken.

    @Basler Dybli: auf den Rundweg um den Etang nimmst Du aber hoffentlich nicht das Motorrad 😉

    @Hanne: die abgedrehten Käserosetten haben tatsächlich etwas von gelben Nelken. Spaghetti als Stiele ?

    @Christina: nicht schlecht, Kindern ein Pferd zur regelmässigen Pflege anzuvertrauen !

    @Rosa May: in der Romandie spricht man sonst eher von leckerem Pferdefleisch 😉

    @RGD: Innehalten führt häufig zu Glücksgefühlen.

    @bee: die Einzelkojen erinnern mich an das Hospice de Beaune.

    @katha: werd an Dich denken, wenn ich nächstesmal an einer Herde Vierbeiner vorbeikomme 😉 Ist aber gar nicht so einfach, eine Rinderherde mit richtigen Hörnern anzutreffen.

    @Verboten gut: schlimm wird es, wenn Tiere als Gebrauchsgegenstand „benutzt“ und wenn sie lästig fallen, wieder „entsorgt“ werden.

  10. Das mit dem Tete ist in Deutschland ein großes Problem. Wir haben leider nicht die Wahl, den Käse aus einer bestimmten Käserei zu bekommen. Mal schmeckt er hervorragend, der Teig ist gut zum abhobeln, das nächste Mal dann wieder ein Geschmack nach Kuhhintern und brüchig. Zwar habe ich mir auch angewöhnt, den nachreifen zu lassen, aber die Qualitäten schwanken von Kauf zu Kauf extrem. Schade.

  11. Werden die Pferde nicht rasiert, wie man auf dem ersten Foto sieht? Bei euch hat es nicht viel mehr Schnee als bei uns, grad bodenbeckt.

  12. @DersilberneLöffel: die Etikette sieht bei allen Produzenten im Erscheinungsbild gleich aus. Trotz AOC gibt es aber grosse Qualitätsunterschiede.

    @the rufus: auf ungekochte Spaghetti gesteckt ein Blumenstrauss.

    @Magdi: keine Ahnung, werden Pferde denn rasiert ? Hier geht keiner mehr an eine Schönheitskonkurrenz und Pferdehaarmatratzen sind auch nicht mehr gesucht. So warm wie es hier die letzten Tage war, ging der Schnee rasch weg.

  13. Hallo, es wäre genial wenn wir die Letzte Foto von Tête de Moine auf unsere Facebook fan page legen zu können. Sie können auch wenn möglich diese Bild auf meine e-mail adress senden: ma.lechot@tetedemoine.ch. Ich danke Ihnen in Voraus 🙂

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