Weinrallye 49: Müller-Thurgau vom Schlipf

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Der Tüllinger Hügel, rechts das Beyeler Museum

Nathalie und anderen ist es zu danken, dass das im Sommer eingeschlafene Weinrallye zu neuem Leben erweckt worden ist.  Die Rebsorte Müller-Thurgau, in der Schweiz nach wie vor, und nur zur Hälfte richtig als Riesling-Sylvaner bezeichnet, belegt in der Schweizer Weisswein-Rebsortenstatistik hinter dem Chasselas immerhin den zweiten Platz. Ein typischer Einsteigerwein, der in passenden, guten Lagen aber sehr gut schmecken kann.

Vor den Toren der Stadt Basel, im Bann der Gemeinde Riehen, liegt ein Hügel: der Tüllinger Hügel, dessen unterer Teil zur Schweiz gehört und als „Schlipf“ bezeichnet wird. Ein Name, von Erdrutschen abgeleitet, der seit dem Althochdeutschen beinahe unverändert im heutigen Alemannisch erhalten geblieben ist. Der obere und grössere Teil des Hügels nennt sich in Deutschland, etwas weniger bescheiden, „Tüllinger Berg“ und ist ein Stadtteil von Lörrach (D). Der Hügelberg ist mit Streuobstwiesen, Gehölzen und Rebparzellen abwechslungsreich bepflanzt und bietet seltenen Vogelarten Unterschlupf. Weite Teile des Tüllinger Hügels sind deshalb auch als Landschaftsschutzgebiet ausgeschieden. Im milden Klima des Tüllingers gedeihen neben-, bzw. untereinander Markgräfler und Schweizer Weine. Hier besitzt die Gemeinde Riehen eigene Rebparzellen, die von einem Rebmeister bearbeitet und bei CO.OP als Riehemer Schlipf ausgebaut werden.

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Staatsgrenze. Deutschland liegt oben, das kennt man schon vom Fussball

Von der Tramhaltestelle Museum Beyeler aus führt ein Wanderweg bis auf den Tüllinger Hügel. Stotziger als ich erwartet hatte. An der Staatsgrenze mit echtem Schlagbaum musste ich erst mal verschnaufen, bevor ich den oberen Teil in Angriff nahm. Gut war Frau L. nicht dabei.

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St. Ottilien

Zuoberst auf der Hügelkuppe liegt malerisch die St. Ottilienkirche. Die Kirche existierte schon im 12. Jahrhunder als Besitz des Klosters St. Blasien. Sie wurde im 17. Jahrhundert umgebaut und erweitert. Hier oben befindet sich einer der schönsten Aussichtspunkte der Region Basel mit Blick über die Agglomeration und in den Jura. Schön ist auch der Wanderweg nach Oetlingen durch Rebberge und Wiesen.

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Die Schweiz, von Deutschland aus betrachtet

Die Herren, deren Andenken mit diesem Stein geehrt wird, hätten wohl lieber ein Gläschen Tüllinger getrunken, als ihr Leben im Krieg gegen Frankreich auszuhauchen. Weinsicht, Weitsicht und Einsicht kommen halt manchmal zu spät.

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Pickelhaube mit gekreuzten Gewehren und Eichenlaub, beschwert mit Kanonen und Munition
Der Rebbau in Riehen blickt auf eine Tradition von über 1200 Jahren zurück. Reiche Basler des 16. bis 18. Jahrhunderts hielten sich hier vor den Toren der Stadt Landgüter, die sie im Sommer bewohnten. 1770 betrug die Rebfläche rund 70 Hektaren; sie diente vor allem der Versorgung der Stadt Basel mit Wein, einem Grundnahrungsmittel. In der Neuzeit ging die Rebfläche in Riehen auf 0.4 Hektaren zurück. 1979 beschloss der Gemeinderat von Riehen, im Schlipf einen gemeindeeigenen Rebberg anzulegen. Dessen Rebfläche beträgt heute rund 4 Hektar und ist grösstenteils mit den Hauptsorten Blauburgunder und Riesling-Sylvaner bestockt. Durchschnittlich werden 30 Tonnen Trauben pro Jahr gekeltert werden. Etwa 20’000 Flaschen pro Jahr.
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Winzer am Tüllinger Hügelberg

Der Riesling-Sylvaner der Gemeinde Riehen holte sich mit dem Jahrgang 2008 im Grand Prix du Vin Suisse 2009 unerwartet den ersten Platz in der Kategorie Müller-Thurgau. Der Jahrgang 2010 präsentiert sich als ausserordentlich eleganter, schlanker, frischer, finessenreicher, sehr sauber vinifizierter Wein mit dem sortentypischen Muskataroma. Gegenüber dem 2008-er hat er den Vorzug, dass es ihn noch zu haben gibt. Die bei manchen Riesling-Sylvanern der deutschen Schweiz sonst festgestellte „Rässe“ fehlt. Schön, dass ich dank Weinrallye auf einen zahlbaren, hervorragenden und äusserst süffigen Wein gestossen bin. Und dann erst noch aus Basel !

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Schlipfer Riesling-Sylvaner

NB: meine ironischen Bemerkungen über den „Berg“ nehme ich zurück. Der Tüllinger Hügel ist ein Berg. Das bestätigt einer, der ihn bestiegen hat.

Quellen
Gemeinde Riehen
St. Ottilien wiki

mein Beitrag an das Weinrallye #49, betreut von Nathalie von Cucina Casalinga:
Weinrallye

19 Kommentare zu „Weinrallye 49: Müller-Thurgau vom Schlipf“

  1. Bei der Fondation Beyeler habe ich schon so manch schöne Ausstellung gesehen und bei der Gelegenheit auch die liebliche Umgebung bewundert. Nun weiß ich, dass ich zur nächsten Ausstellung auch die Wanderstiefel mitnehmen muss. Aber der Anlaß derAusflüge war der Besuch beim in Freiburg studierenden Neffen. Der hat nun sein Studium beendet, und leider komme ich jetzt nicht mehr so schnell in die Gegend.

  2. Lieber Robert,
    vielen Dank für den wunderbaren Artikel – wie gewohnt bei Dir eine Mischung aus Reisebericht, Geschichte und Weingenuß!
    (… und leider wird wenig kommentiert)

    Viele Grüße
    Nathalie

  3. Ein wunderbarer Bericht über Deine nähere Umgebung. Toll geschrieben mit der nötigen Prise Augenzwinkern, die Deine Schreibe immer so sympathisch macht. So lese ich auch eine «Abhandlung» über Wein gerne 🙂
    Gruss von der Henne

    PS: Der Blick in die Schweiz ist eine nebulöse Angelegenheit 😉

  4. Die Gegend isch au im Herbscht e Usflug inkl. em Bsuech vo de Bääsewirtschafte wärt.

    P.S. Zu obe und unde. Mr luege ob am 13. Mèèrz d‘ Gschichtsbiecher mien umgschriibe wärde 😉

  5. Dieser wunderbare Blogeintrag ist wie eine kleine kulturelle Zwischenverpflegung in einer Arbeitspause. Nahrung für Auge und Gemüt – bloss der Gaumen bleibt dabei trocken, leider. Weckt aber die Vorfreude auf ein gutes Glas am Wochenende.

  6. @Buchfink: Kunst bleibt, Wissen geht schnell vergessen. Nicht vergessen, in einer der Besenwirtschaften einzukehren. Wein, frische Nüsse, Zwiebelkuchen.

    @Nathalie: Danke, damit muss man als Amateur-Schreiberling leben lernen. Da wir ja eh nur für uns schreiben, kommts auf die Zahl der Kommentare nicht an.

    @Rosa May: really ? Let me have a look in my cellar.

    @Wilde Henne: Ist mir sympathisch, wenn ich in der Gegend bleiben darf und nicht den Tafelberg in Südafrika erklimmen muss um über südafrikanische Weine zu schreiben. Der Blick nach Norden war übrigens Dunst- und Nebelfrei.

    @Basler Dybli: ich kann nicht dran glauben, obwohl ich es mir erhoffe.

    @Sarah: mit dem Rad oder dem Auto ?

    @Reiner: um eine Flasche Wein zu öffnen, brauchts keinen Urlaub.

    @Bachbummele: wer gerne gut isst, hat vorgesorgt und wird am Samstag kurz vor Ladenschluss nicht ins Konsi laufen müssen 😉

  7. Dank meinem Patenkind haben wir viele schöne Zeiten auf dem Tüllinger verbracht, denn die Familie wohnte ziemlich oben. Und wir haben auch den Blick auf Basel genossen, z. B.am Abend 1. August. Dem Wein haben wir damals gut zugesprochen und einige Kartons ins Westfälische mitgenommen. Schöne Erinnerungen – auch an das alte Freibad in Riehen.

  8. Mit dem Auto 😉
    Täglich 20km hin und auch wieder nach Hause wären mit dann doch etwas zu viel.
    Als Schüler (vor langer, langer Zeit) war das aber irgendwie selbstverständlich =)

  9. @Basler Dybli: am Donnerstag Morgen werde ich mich darüber informieren. Nicht vorher. Das schont die Nerven.

    @MLO: kann ich mir vorstellen. Das Freibad ist derzeit Baustelle für die Zollfreistrasse, soll aber als Naturbad wieder auferstehen.

    @Sarah: schönen Blog hast Du, ich hab ihn verlinkt,

  10. wiedereinmal kann man verstehen, wenn man die geschichte dieses weinbaugebietes liest warum es heißt: in vino veritas – die lüge ist im etikett
    massenweine entstehen hier nicht. gott sei dank
    schade nur, schweizer weine zu finden in der angebotspalette BRD ist analog zu der stecknadel im heuhaufen.
    danke für diesen wie die vielen anderen berichte welche ich immer wieder mit vergnügen lese aber nicht immer kommentiere. geschlossene truhen können auch voller schätze sein.
    abschließend noch eine verständnisfrage: aus münchner sicht war der hinweis unter dem bild des weinberges den standort des schweizer fußball betreffend ironie – oder?

    1. @Richard: Einfachere Schweizer Weine zu exportieren ist schwierig, dafür sind sie zu teuer. Ja, ich habe an den FCB aus Bayern gedacht 😉

  11. Über Berg und Hügel diskutieren wir erst mal gar nicht, aber das Tor von St. Ottilien ist irgendwie nicht ganz geglückt…

  12. im nachgang zu meinem oben genannten kommentar den regionalen standort fußball betreffend bitte ich heute, mittwoch 14.03.12 um nachsicht. was zuviel ist – ist zu viel

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