Weinrallye 50: Naturweine und Konsorten, grüner Wein vom blauen Rhein

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Der Rhein zwischen Teufen (ZH) und Rüedlingen

Schon Bioweine haben es in der Schweiz nicht einfach. Auf nur etwa zwei Prozent der Schweizer Rebfläche werden Trauben unter kontrolliert biologischen Bedingungen angebaut. Der Absatz stagniert. Für Weingeniesser steht angeblich der Genuss im Vordergrund, Bio ist Nebensache. Die grossen Anbieter von Bioweinen (COOP, Delinat, Weinhandlung am Küferweg) haben dennoch Mühe, von den zumeist kleinen Produzenten überhaupt genug Ware für die Vermarktung geliefert zu bekommen. Die kleinen Produzenten verkaufen ihre Weine meist im Direktverkauf.

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Rebparzelle der Familie Stucki, unten läuft die Töss in den Rhein

Für die Weinrallye habe ich einen Wein eines mir bis anhin unbekannten, kleinen, jungen Schweizer Produzenten ausgesucht: Peter Stucki. Er gehört zu den wenigen Deutschschweizer Winzern, die ihre Rebberge nach biodynamischen Prinzipien (Demeter) bewirtschaften.

Demeter ? Die Dame kennen wir doch. Dornach, das Zentrum eines weltweit tätigen Netzwerks spirituell engagierter Menschen, liegt unweit von Basel. Dort wird der Anthroposophie gehuldigt, eine esoterische Weltanschauung, deren Quellen wohl nur „geistig Eingeweihten“ erschliessbar sind. Als rational denkender Mensch habe ich mit dieser Heilslehre meine liebe Mühe. Längst hat sich der Tempel der Anthroposophie zu einem geschäftstüchtigen Imperium gewandelt. Der Name Rudolf Steiner öffnet Raum für immer neue Geschäftsfelder, in denen jeder sein Auskommen finden kann, der seine Ideen und Waren der Menschheit als transzendental-ganzheitliches Mysterium verkaufen kann. Dazu gehört letztlich auch die Biologisch-dynamische Landwirtschaft. Ich muss zugeben, dass ich dem esoterischen Brimborium wenig abgewinnen kann. Aber wenn man sich  transzendentale Übertreibungen wie: „Sensibilisierung kosmischer Lebenskräfte“, „Speicherung kosmischer Kräfte in mit Kuhdung gefüllten, in Erde vergrabenen Kuhhörnern“ und die „Dynamisierung mit Wasser homöopathisch verdünnter, mit einem Reisigbesen während einer Stunde gerührter Lösungen“ mal einfach wegdenkt, bleiben durchaus vernünftige Anbauideen übrig. Die in der Summe betrachtet, sich auf das Leben der Pflanze und ihre Qualität positiv auswirken. Vieles ist in der Biodynamie letztlich Glaubenssache, die wissenschaftlich kaum bewiesen werden kann.

Ein Winzer, der die Mühe der biologisch-dynamischen Landwirtschaft auf sich nimmt, wird versuchen, die daraus entstandene Qualität im Keller zu erhalten und auf den Einsatz von Hilfs- und Zusatzstoffen so weitgehend wie möglich zu verzichten. Wieweit das in unserem Klima für einen Kleinbetrieb zu schaffen ist, weiss ich nicht.

Solange die Kellertechniken nicht in die Biozertifizierung einbezogen sind, ist auch bei Weinen mit dem Label „Biologisch-dynamisch“ vermutlich nur eine Annäherung an echte Naturweine möglich.

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Teufen liegt nicht teuf unten in der Tiefe sondern oben

Aber lassen wir das. Leben und Leben lassen. Wer sich an die Regeln der Biologisch-dynamischen Landwirtschaft hält, der macht in meinen Augen zwar Umwege. Wer seinen Boden und die Natur als Arbeitgeber, Kapital und Lebensgrundlage betrachtet, macht aber auch nichts Falsches.  Halten wir uns an den Wein.

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Wo die Töss in den Rhein fliesst. Im Vordergrund Töss, hinten und rechts der Rhein

Unweit der Stelle, wo die Töss in den Rhein fliesst, hat P. Stucki 2003 einen gut etablierten Weinbaubetrieb von 3.5 Hektaren Grösse übernehmen können und ihn ab 2008 von bio-organisch auf bio-dynamisch umgestellt. Das verdient Respekt. Eine schöne Gegend, wie die Bilder oben belegen.

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zwei Höger wiis

mein Wein: Zwei Höger wiis Teufen, 2010

Federweiss nennt man in der Schweiz den aus Blauburgunder Trauben gekelterten Weisswein. Die Pressung ganzer Trauben löst die nur in der Beerenhaut eingelagerten Anthozyane kaum heraus. Somit entsteht ein feiner Weisswein, oft mit einem Hauch Lachsfarbe. Mein Wein besteht aus weiss gekeltertem Blauburgunder und Gewürztraminer. Helles Gelb, Lachsreflexe, klar. Nase Gewürztraminer, fruchtig, am Gaumen frische, gute Säurestruktur, Pinot noir-Basis, Honig, Quitte und das typische Gewürztraminerbouquet. Mit 10.6% Alkohol ein erstaunlich leichter Wein, der meinem Geschmack für Aperitiv- und Sommerweine ideal entgegen kommt. Ganz im Gegensatz zu dem reinen Federweissen Zwei Flüss wiis, 2009, der mir mit 13.6% Alkohol als Sommerwein zu schwer ist.

Produzent:
Peter & Karin Stucki
Irchelstrasse 29
CH-8428 Teufen

mein Beitrag an das Weinrallye #50, betreut von Iris vom Winzertagebuch Weingut Lisson:
Weinrallye

20 Kommentare zu „Weinrallye 50: Naturweine und Konsorten, grüner Wein vom blauen Rhein“

  1. Lieber Robert, die Bilder sind einfach traumhaft! Schmacht… eine wundervolle Gegend!
    Von Wein verstehe ich leider so gut wie gar nichts und dies obwohl ich einer Winzerfamilie (Grossvater väterlicherseits) mit eigenem Wein entsprungen bin. Doch ich habe es geliebt, als Kind in den Herbstferien am Bielersee bei der Wümmet dabei zu sein. Mittags in mitten der Reben feinen Käse und knuspriges Brot zu essn, im Weinkeller zu stehen und den Geruch der Eichenfässer ein zu atmen, den Sauser zu probieren… Da habe ich wunderschöne Erinnerungen.
    Den Wein, der heute vom Cousin meines Vater produziert wird, mag ich jedoch nicht… (schäm)… ich mag allgemein nur Rotweine und sie sollten eher ein bisschen süsslich (Frauenweine halt) sein… einen Schweizer Wein, der dieses Kriterium erfüllt, habe ich bis anhin nicht gefunden. Wobei ich jetzt auch nicht so wirklich auf der Suche danach bin, das geht bei mir eher nach dem Zufallsprinzip. Ich probiere gerne, doch wenn ich den Wein nicht mag, halte ich mich lieber an Blöterliwasser… ich sehe nicht ein, wieso ich mich quälen soll…

  2. Guten Morgen Robert,
    beim Brimborium Part musste ich laut schmunzeln :-), schöne Bilder und gut geschrieben.
    Liebe Grüsse aus Zürich,
    Andy

  3. Hallo Robert

    als Schwester eines, wie ich es gerne despektierlich nenne, Hardcore-Anthros kann ich Deine Skepsis gegenüber dem esotherischen Brimborium nur zu gut verstehen, aber wie Du richtig schreibst, wenn man die Biodynamik auf die verwertbaren Fakten abstrippt, kommt eine sinnvolle nachhaltige Landwirtschaft dabei heraus. Ich glaube auch nicht, dass alle demeter-zertifizierten Winzer auch gleich mit Mann und Maus zur Anthroprosophie überlaufen.

    Einen Stucki-Wein durfte ich übrigens auch einmal probieren und zwar den Malbec, der ist absolut spannend. Solltest Du noch einmal da vorbeikommen, nimm Dir eine Flasche mit.

    mit eurythmischen Grüßen *zwinker
    susa

  4. Ich teile deine Skepsis und auch deine Toleranz gegenueber dem bio-dynamischen Weinbau. Hilfts nix, so schodts nix – sagte meine Oma immer. Sowohl bei Wein als auch bei Lebensmitteln garantiert eine Demeter- Zertifizierung fast immer ausgezeichnete Qualitaet.
    Danke fuer die Vorstellung eines mir unbekannten Weingutes.

  5. @Basler Dybli: Danke, als Zugabe zum Wein gabs Bärlauch aus den Töss-Auen.

    @Rosa May: The vinyeards of Geneva are also very interesting.

    @Pepe Nero: Bielersee ist halt eher Weissweingebiet. Aber auch für deine Präferenzen gibt es recht gute Schweizer Weine, es muss nicht immer Blauburgunder, Dole oder Gamay sein. Und Blöterliwasser bin ich mir seit Neuem gewöhnt, da Frau L. auch kaum mehr Wein trinkt.

    @lieberlecker: das Brimborium gehört halt dazu. Ich bade schliesslich auch täglich im Lavendel-Schaum aus Demeter-produktion.

    @Susa: Danke für den tipp über den Malbec, aus Bordeaux oder Argentinien einer meiner Lieblinge. Hier in der Schweiz war er mir bislang nur aus dem Kanton Neuenburg bekannt.

    @eline: solange biodynamisch gezogenes Gemüse frisch verkauft wird, ziehe ich es anderem vor. Wenns nicht mehr frisch ist, mag ichs auch nicht mehr kaufen.

  6. Angenehm ist Deine Toleranz ggenüber den Biodynamikern. Schön wäre, wenn sie erwiedert würde.

  7. Gratulation für den tollen Bericht, vor allem für die gute Einordnung des Weins und der Bio-Bewegung in der Schweiz. Auf Peter und Karin Stucky bin ich schon 2008 gestossen. Damals hat er noch nicht biologisch gearbeitet, jedenfalls nicht zertifiziert. Ich habe in meiner Kolumne bei Wein-Plus über einen Besuch in Text und Bild berichtet. Die Weine schienen mir damals zum Teil zu stark konzentriert und etwas überholzt. Inzwischen bin ich wieder – letzten Herbst – auf das Weingut gestossen und habe im Forum von Wein-Plus und auf meiner Homepage in der Rubrik „getrunken“ eine Spontannotiz hinterlassen. Jetzt arbeitet das sympatische Weingut biologisch und hat sich um die Dementer-Zertifizierung. beworben. Beide Berichte habe ich nun auch auf meine Homepage gestellt. http://sammlerfreak.jimdo.com/thema-wein/. Zuerst wollte ich in der Weinrallye auch darüber berichten. Wir hätten also fast eine Doublette geschafft. Doch Du hast dies viel besser gemacht – gekonnt informativ, offen und mit Respekt, aber durchaus kritisch. Danke.
    Herzlich
    Peter

  8. Bin wieder zurück aus den Ferien und kann endlich wieder „lamiacucinälen“.
    Bin eine Ex-biologischdynamisch-schülerin… und hatte damals sehr gelitten. So sehr, dass ich heute Hühnerhaut bekomme, wenn was biodyn sein soll.
    Wie immer: Kompliment auch von Göttergattenseite für deine Arbeit und dein Können.
    Hoffe, der Sommer wird lang, damit ich wieder Zucchino gigante kaufen und nach deinem Rezept zubereiten kann.
    Liebi Grüess!

  9. „Solange die Kellertechniken nicht in die Biozertifizierung einbezogen sind, ist auch bei Weinen mit dem Label “Biologisch-dynamisch” vermutlich nur eine Annäherung an echte Naturweine möglich.“
    Schöner Bericht über biologisch-dynamischen Weinbau. Allein ich stolpere über die Bezeichnung „echte Naturweine“. Wein ist und bleibt ein Kulturprodukt des Menschen, d.h. das Einwirken des Winzers auf Rebstock und Traube. Einen Naturwein gibt es nach meinem Verständnis nicht. Würden wir Traubensaft einfach vergären lassen, dieses Produkt würde uns nicht gefallen. Die Frage ist allerdings, wie weit geht diese Einwirkung. Und wie weit entfernt dieses Einwirken sich von dem Produkt das auf natürlichem Weg entstehen würde.

  10. @manfredschellin: Intoleranz und Sturheit sind weitverbreitete, menschliche Eigenschaften mit denen man leben muss. Tröstlich: Nicht einmal die Jugend ist davor geschützt.

    @Peter Züllig: neue Weine entdecke ich meist durch die Weinrallye. Ansonsten bin ich ein richtig sturer Bordeaux- und Rieslingfreund, der gerne Wein trinkt, aber nicht allzuviel davon versteht. Danke für den link in eine mir bis anhin unbekannte Welt im Netz.

    @Cooky: während ihr in Ferien wart, sind wir hier wieder ein paar Wochen älter geworden. Biodynamie lässt doch manche Pflänzchen aufblühen, aber vielleicht ist daran auch der dynamische Sommerbeginn schuld. Ich wünsche euch einen schönen solchen !

    @Gargantua: der Begriff Naturwein ist ein schwer fassbares Phänomen. Oder Phantom ? Wenn es eine Biozertifizierung gäbe, die die erlaubten Mittel, Methoden und Mengen in der Weinbereitung limitiert, könnte ich als Konsument gut damit leben. Instabile Weine sind keine Freude. Ich hatte einmal mehrere Flaschen eines Weins im Keller, der 2 Jahre nach Kelterung dickflüssig aus der Flasche lief (zuviel Säureabau)

  11. Du armer…. lach…. Blöterliwasser erspart uns Damen halt oft auch 1 oder 2 nächtlich Wanderungen zur Pipi-Box… doch ich trinke schon Wein, gern sogar. Halt nur Roten (beim Weissen wären es dann auch mindestens 4 Nachtwanderungen…) und ich interessiere mich halt nicht so wahnsinnig dafür. Ich verlasse mich da sehr gern auf das gspüri von anderen, am liebsten von Herrn PN, das passt dann fast immer.

  12. Lach… da scheint demzufolge jeder seinen ganz persönlichen Nacht-Wander-Auslöser zu haben…. Kaffee kann ich auch morgens um 2 noch trinken…

  13. Ich lass mal Wein und Esoterik-Kritik beiseite und sage nur: Wie schön er ist, der junge Rhein! Ich sehe so gerne seine Jugendbilder 😉
    LG, April

      1. Hin und wieder denke ich, dass ich mal den ganzen Rhein bereisen möchte, von den Quellen bis zur Mündung.

  14. Weinrally hört sich irgendwie gefährlich an. Ich hoffe da sind keine Auto involviert 🙂

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