CH-4302 Augst: Augusta Raurica

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Augusta Raurica: Aussenmauer des antiken Theaters

Die Gemeinde in der Nähe von Basel trägt den Namen des ersten römischen Kaisers Augustus (63 v. Chr-14 n.Chr.). In der Folge der Eroberung der Zentralalpen und Ausweitung der Reichsgrenzen bis zu Rhein und Donau kam es hier um 15 v. Chr. zu einer Koloniegründung. Soldaten wurden nach dem Ende ihrer Dienstzeit als Veteranen mit einer Landparzelle abgefunden und in den neu eroberten Gebieten angesiedelt. Jede Kolonie verfügte über ein beträchtliches Umland mit mehreren Siedlungen und Gutshöfen.

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Augusta Raurica: Säulenreste

Augusta Rauricorum liegt auf einer Hochfläche, nahe des Rheines. Der Ort entwickelte sich zu einer lebhaften, römischen Stadt mit zeitweise über 10’000 Einwohnern. Während der langen Friedenszeit vom 1. bis zum 3. Jahrhundert n.Chr. wurde Augusta Raurica zu einem wichtigen Wirtschafts- und Handelszentrum. Die Stadt lag am Knotenpunkt von drei wichtigen Verkehrsrouten. Hier trafen sich die Süd-Nord-Verbindung über den Grossen St. Bernhard in die nordwestlichen Grenzgebiete des Reiches, die West-Ost-Verbindung von Gallien an die obere Donau und nach Rätien. Ein Grossteil des Personen- und Warenverkehrs gelangte hier an den Rhein, der selbst einen wichtigen Verkehrsweg bildete. In der Antike wurden Güter, wenn immer möglich, auf dem Wasserweg transportiert.

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Augusta Raurica: Halbrund des Theaters
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Augusta Raurica: Blick durch das Theater auf das gegenüberliegende keltische Heiligtum

Augusta Raurica bot seinen Einwohnern alles, was zum römischen Leben gehört. Blühendes Handwerk, Kunstschaffen, Delikatessen aller Art: Schinken, Speck, Brot, Wein. Zur Unterhaltung gab es für die Gebildeten ein Theater, für die Unterschichten ein Amphitheater, verschiedene Foren, gedeckte Einkaufszentren, diverse Tempel, mehrere öffentliche Bäder und eine unterirdisch geführte Kloake.

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Augusta Raurica: Gang durch die Kloake

Die verkehrsgeografische Lage und das fruchtbare Umland brachten der Stadt bis gegen die Mitte des 3. Jahrhunderts n. Chr. einen kaum unterbrochenen Aufschwung. Das überbaute Gebiet umfasste schliesslich mehr als 100 ha. Siehe Stadtplan

Ein Grossteil der Bevölkerung der Kolonie lebte in den zahlreichen Gutshöfen der näheren und weiteren Umgebung. Was diese Gutshöfe über ihren Eigenbedarf hinaus produzierten, wurde in der Stadt gehandelt oder weiterverarbeitet. Archäologisch belegt sind neben Händlern insbesondere Bäcker, Metzger, Gerber, Beindrechsler und -schnitzer, die alle auf landwirtschaftliche Erzeugnisse angewiesen waren. Aber auch das Kleingewerbe lässt sich belegen, u.a. durch Töpfer, Ziegler, Bronzegiesser, Schmiede, Maler, Schreiner und Zimmerleute und Glasbläser.

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Augusta Raurica: rekonstruierte Getreidemühle in der Bäckerei
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Augusta Raurica: Holzbackofen

Im Mittelpunkt römischer Koloniestädte stehen stets öffentliche Bereiche und Bauten. Jedes wichtige Gebäude erhielt seinen Platz angewiesen. Zentrum der Stadt war der Marktplatz (forum) mit Jupitertempel und Rathaus (curia). Während die Gebäude in de Gründungsjahren noch mehrheitlich aus Holz erstellt waren, wurden ab den Jahren 50-80 n. Chr., hauptsächlich in Stein gebaut.

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Augusta Raurica: Grundmauer der curia
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Augusta Raurica: Jupitertempel als 1:1 Maquette
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Augusta Raurica: eines der im Keller der curia gezeigten Mosaike
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Gerümpelschuppen mit antiken Stützen

Die Gründe für den Niedergang der Koloniestadt sind vielfältig. Die Krise des römischen Reiches führte zwangsläufig auch in der Provinz zu einem politischen, wirtschaftlichen und sozialen Niedergang. Mit dem Fall des Obergermanisch-Rätischen Limes im späten 3. Jahrhundert n.Chr., musste die Reichsgrenze aufgrund des militärischen Drucks der nach Süden drängenden Germanen wieder an die Ufer von Donau, Iller und Rhein zurückgenommen werden. Die häufigen Alemanneneinfälle führten zu massiven Zerstörungen in der Oberstadt, zu einer Abnahme und Verarmung der Bevölkerung. Manche der Verbliebenen zogen sich in den Schutz des inzwischen stark befestigten Kastells am Rhein zurück.

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Augusta Raurica: Statue eines Bürgers aus echtem Stein gehauen

Das Ende der Römerzeit an der Rheingrenze begann mit dem Abzug der Truppen im Jahre 401. Doch lassen sich  römische Traditionen und Strukturen bis ins frühe Mittelalter nachweisen. Augusta Raurica diente der Stadt Basel über Jahrhunderte als Bezugsquelle für behauene Steine.

Noch heute lassen sich bei einem verstohlenen Blick in die Gärtchen der Einfamilienhäuser im heutigen Augst wahre antike Kunstschätze entdecken. Kunst ist eben zeitlos  ;-).

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Statue einer Bürgerin, aus Kunststein

Quellen:
Augusta Raurica

17 Kommentare zu „CH-4302 Augst: Augusta Raurica“

  1. Warst Du um 4 Uhr früh in Augst am fötelen? Oder wie hast Du das bloss geschafft, dass Du keine Schulklassen auf den Bildern hast? Normalerweise wimmelt es in Augst doch vor lauter Schülern nur so. 😉

  2. Sehr beeindruckend, wenn sich der Tand von Menschenhand über die Jahrhunderte, ja Jahrtausende derart lang erhält, um Zeugnis abzuliefern.

    Amphietheater sind einfach schlicht perfekt erdacht und erbaut, für Mosaike habe ich einen Faibel, der Holzbackofen würde mich zum Aufprobieren reizen und jede Säule gibt bis heute den entscheidenden kolonialen Touch.

  3. Ich schließ mich in allem Micha an: Amphietheater als RTL2 Vorgänger sind immer wieder beeindruckend und das Mosaik leg ich gleich im Badezimmer nach, so schön find ich das Muster. Den Backofen benutz ich auch mal eben für meine Neuentdeckung Blitzbrot, na und zu den 6 Mios gratulier ich auch noch allerherzlichst!

  4. Welchen Wochentag und ungefähre Uhrzeit muss man erwischen um keinen Menschen auf seinen Bildern zu haben? =D
    Sehr schöne Bilder! Wir waren schon oft dort, aber leider noch nie zum Römerfest =(

  5. Die einen erbauen und hegen und pflegen, bis es blüht; nach dem Niedergang nehmen die anderen, was übrig bleibt, und bauen neu, am anderen Ort, mit anderen Dingen im Sinn und wieder für die Ewigkeit. So ist es mit den Steinen, und nicht nur mit denen.

  6. Lieber Robert,
    6 Millionen Hits! Ich gratuliere herzlich und wünsche „uns“ noch viele spannende Beiträge … und geniesst Eure Ferien.
    Liebe Grüsse aus Zürich,
    Andy
    PS. Vielleicht schaff ich nächste Woche die 10’000er Marke 🙂

  7. @Wilde Henne: das war an einem normalen Werktag-Nachmittag. Wenn ich mit meinem Fotoapparat unterwegs bin, nehmen offensichtlich alle Menschen reissaus 😉

    @Micha: mit den 270 Einzelteilen (u.a. Servierplatten) des in Kaiseraugst ausgegrabenen Silberschatzes könnte man seine Gerichte sehr schön präsentieren.
    Ach ja, die klicks. Als Jungblogger haben mich die Zahlen noch interessiert. Darüber bin ich mittlerweile hinaus. Ich schreibe für den Moment, tue nichts mehr fürs networking, kümmere mich weder um Statistiken, Vergleiche noch rankings, lasse einfach geschehen, wie es kommt. Alles, Besitz und Erarbeitetes ist endlich, wo kann man das besser sehen, als in Augusta Raurica.
    Klicks sind übrigens keine „Besucher“ sondern views. Besucher sind es weniger.

    @Überall & Nirgendwo: es gibt Plattenleger, die alte Mosaiksteine in neue Bäder verlegen. Wer zuviel steingemahlenes Brot isst, schleift seine Zähne rasch ab.

    @Sarah: Am Römerfest war ich auch noch nie. Festivitäten, an denen verkleidete Schausteller mit Schwertern aufeinander losgehen, meide ich 😉

    @bee: soviel Meisterschaft im Formulieren kann ich nur bewundern.

  8. Allerschönste Fotos wieder zum Sonntag! Mir gefällt besonders der Herr mit dem modisch geschlungenen Pfotenschal.

  9. Dass es in der Schweiz solche Orte gibt, wusste ich nicht (was nur meine Unwissenheit zeigt, nichts sonst). Und wieder ein Eintrag in der Liste „Orte, die ich bald einmal besuchen möchte“. Danke fürs Zeigen!

  10. Hallo Robert,

    lamiacucina ist mein absoluter Blog-Favorit: ich freue mich immer wieder, wenn ich etwas Neues entdecken kann! Mein Favorit nicht nur wegen der Rezepte (gestehe, dass diese mir manchmal zu aufwendig sind oder Zutaten verarbeiten, die wir nicht mögen), sondern mindestens in gleichem Masse wegen Deiner weiteren Blog-Berichte: mir gefällt nicht nur Deine Themen-Auswahl, sondern auch Dein Stil zu berichten und beschreiben, ich genieße jede Deiner Veröffentlichungen. Deine Mischung aus Heimatliebe und leichter Ironie finde ich wunderbar: Du machst damit uns Leser neugierig auf Dein schönes Heimatland. Bisher habe ich immer nur mit Freude mitgelesen, meine Komplimente waren eigentlich schon lange überfällig. Werden hiermit sehr gerne nachgeholt!

    Heute hast Du mich mit dem Bericht über die Augusta Raurica etwas melancholisch gemacht: ich habe Kunstgeschichte und Archäologie studiert, die römische Siedlung war mir daher bekannt, ich hatte jedoch noch keine Gelegenheit zu einem Besuch. Jetzt wird es aber höchste Zeit, diesen Besuch nachzuholen! Danke für den Tritt in den …

    Ich freue mich auf weitere Bilder und Berichte von Dir!

  11. @lieberlecker: dranbleiben heisst das Geheimnis 😉

    @Rosa Mayland: not to forget the interesting museum on the place.

    @Buchfink: wenn der Hypokaust nicht angeheizt war, gab der Schal bestimmt warm.

    @Cooketteria: an diesem Tag nicht, es war zu heiss, um ohne Auto dorthin zu laufen.

    @Dirk Staudenmaier: die Schweiz war römisch besetzt, siehe auch meinen Beitrag über Aventicum, https://lamiacucina.wordpress.com/2011/04/10/ch-1580-avenches-im-lande-der-helvetier/

    @Monika: oh, herzlichen Dank für deine lieben Worte. Die freuen selbst einen wie mich. Die Reiseberichte geben mir die Gelegenheit, etwas über den besuchten Ort zu erfahren. Ich bin immer wieder erstaunt, wieviel es in der Nähe noch zu besuchen gibt.

  12. Toll, danke vielmals für die Bilder dieses Ziel unzähliger Schülerausflüge! Es hat sich so einiges verändert dort in den Jahren zwischen heute und damals.

  13. Sehr, sehr beeindruckend, von dir toll fotografiert (gefötelt 😉 ) und betextet. Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich von Augst nichts wusste. Wenn ich mal in die Gegend komme, muss ich da unbedingt mal gucken gehen.

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