Der unbeschwerte Hedonismus sei ausgekostet, konnte man dieser Tage lesen. Wir lebten im Überfluss, hätten von allem genug. Der Schweizer brauche noch acht Prozent des Einkommens für Lebensmittel [L.: etwa gleich viel geht für Kommunikation, Unterhaltung, Erholung und Kultur drauf]. Die Sinnkrise der Überflussgesellschaft sei ein zentraler Grund für die Wiederentdeckung der Bescheidenheit. Wohlan denn, an mir soll es nicht liegen. Bescheidenheit bedeute Selbstbeschränkung. Seien wir wieder bescheiden. Natürlich ohne Kompromisse, was die Qualität betrifft und ohne uns selber allzusehr einschränken zu müssen.
Überlassen wir also die sous-vide confierte Wild-Entenbrust an rosa Rhabarberconfit mit Schokoladentorf und Affilakresse auf Mango-Gel doch lieber jenen Köchen, die sich dazu berufen fühlen und bescheiden uns mit einer gerösteten Grießsuppe. Rezeptvorschläge für die potage semoule grillé sucht man vergeblich in Daniel Humm’s Kochbuch Eleven Madison Park. Ein klarer Fall für das gute, alte Grund-Kochbuch der Elisabeth Fülscher. Unter der Nr. 89. Auf die von der Fülscher empfohlene Maggiwürze lässt sich ja verzichten.
Zutaten
800 ml Gemüsebrühe
25 g frische Butter
60 g Hartweizengriess mittlere Mahlung, nicht fein !
1 kleine Schalotte
1 Stange Stauden-Sellerie
1 Sträusschen Kerbel
1 Sträusschen Petersilie glatt
1 Zweig Liebstöckelkraut
1 Lorbeerblatt klein
Muskatnuss, Meersalz
Zubereitung
(1) Griess in der Butter hellbraun anrösten, die gehackte Schalotte und die fein gewürfelte Stange Staudensellerie kurz mitdünsten. Ablöschen mit der Gemüsebrühe. Lorbeerblatt und Salz zugeben. Ca. 25 Minuten auf kleinem Feuer köcheln. Bei grobem Griess kanns etwas länger gehen, aber keinesfalls zu Schleim verkochen !
(2) fein gehackte Kräuter unterziehen und servieren.
Und weil meine Gemüsebrühe heute besonders gut war, schreibe ich die gleich mit auf:
Gemüsebrühe
100 g Zwiebeln in der Schale, halbiert oder geviertelt
80 g Karotten
80 g Sellerie
80 g Lauch
80 g Pastinaken
80 g Peterliwurzeln
2 Tomaten
2-3 gequetschte, junge Knoblauchzehen
3 dünne Scheibchen Ingwer, gehackt
1 Zitronengrasstängel, nur das Herz, in feine Ringe geschnitten
1 Tlf. Koriandersamen, zerdrückt
5 weisse Pfefferkörner, zerdrückt
Ein paar gehackte Peterlistengel
Das Gemüse waschen, blättrig schneiden (zu Matignon), in einen Dampfkochtopf geben und mit kaltem Wasser bedecken. Langsam bis zur ersten Marke des Ventils erhitzen. 20 Minuten auf dieser Stellung (Temperatur&Druck) halten. Abkühlen. Durch ein Seihtuch abfiltrieren. Rest tiefgefrieren oder sterilisieren.
Bescheidenheit hin oder her – so eine Suppe ist etwas herrliches! Die steht bei uns auch des Öfteren auf dem Tisch.
einfach nur KLASSE – Chàpeau!!!!!!!!
Du kannst auch das mit dem Torf und dem Gel – und so zeigt sich erst Bescheidenheit, wenn man anders KÖNNTE!
Irgendwann werden die schlechter werdenden Zeiten viele von ihrem Anspruchsdenken runter holen. Und dann darf man in aller Schlichtheit eine feine Suppe löffen – wenn man weiß, wie es geht!
ich schiebe das *l* für *löffeln* hinterher – Pardon
bei uns gibt’s nur die total ungesunde und noch viel bescheidenere variante der bescheidenen grießsuppe. sie besteht aus genau 4 zutaten, nämlich: nach dem kochen von geselchtem bleibt rauchig-würzig-salzige geselchte suppe über. groben grieß hell anrösten, mit der suppe aufgießen, ein ei reinblasen, energisch verrühren, anrichten, schnittlauchröllchen drauf. der web- und sängermeister liebt diese suppe, die er seit seiner kindheit kennt (ich kannte sie nicht). ich mag sie mittlerweile auch. deine, ich muss es also leider sagen, ist fast schon eine hedonistische grießsuppe dagegen, denn so viele zutaten! ist das denn erlaubt?
Ich gebs zu, am meisten interessiert mich hier die Brühe, was nicht am Gries oder der nicht vorhandenen Bescheidenheit liegt (gegen deine sind meine Kochkünste IMMER bescheiden!) sondern an der Vorstellung einer leicht schleimigen (jaja, hab ich gelesen, soll nicht so sein) Suppe. Ich komm da nicht über mich. Ansonsten bin ich ein großer Grießfreund.LG Anne
„Brennte Grießsupp“- das Leibgericht meiner Tochter…. mit den vielen Kräutern könnte sogar ich mich eventuell damit anfreunden, ein bißchen.
Very tasty and delicious!
Grüsse,
Rosa
I kumm grad vom Mittagässe direkt an Compi. Gschtärgt mit‘ ere „Weissnitwasallesfür-Gmiessuppe. O.K., es sin no 4, 5 Shrimps mitgschwumme. Natyrlig ohni Griess. Es isch richtig fein gsi, trotz dr Bescheideheit – was me vo dim Süppli bestimmt au behaupte ka.
Dass man für die Ernährung ebenso viel ausgibt wie für Kultur, ist Bescheidenheit? Dann bin ich dabei.
Ach, lassen wir uns doch lieber von unseren Leidenschaften leiten: Mal eine bescheiden-köstliche Grießsuppe und mal (eher selten) ein opulentes Dinner mit Freunden. Mal die Heimatküche, mal Ausflüge in andere Welten. Aber auch für Deutschland sieht es wohl so aus, dass eher weniger für das ‚Manger‘ ausgegeben wird und mehr für alles andere: Freizeit, Urlaube, Hobbies. Bei den Franzosen hingegen enden alle Gespräche nur bei dem einen wunderbaren Thema: Was kochen wir denn heute Köstliches?
… und wie übersetz ich das (Langsam bis zur ersten Marke des Ventils erhitzen. 20 Minuten auf dieser Stellung (Temperatur&Druck) halten) jetzt auf meinen Kombi Steamer?
Ein sehr schönes Süppchen 🙂
Liebe Grüsse aus Zürich,
Andy
Bescheidenheit hin oder her: Es macht mir (uns?) Spass, einmal einen Ausflug in die Welt der Mangogele und Schokoladentorfe zu unternehmen, aber so richtig schmecken tut uns (mir!) die gute alte Grießsupp‘. Und manche der Sterneköche haben ja mittlerweile gemerkt, dass nicht die Anzahl und Exotik, sondern vielmehr die Qualität der verwendeten Zutaten über ein gutes Gericht entscheiden. Für deine Grießsuppe würde ich leichten Herzens auf die SV-konfierte Entenbrust verzichten. Meistens jedenfalls 😉
Lieben Gruß, Dirk
Genau eine solche gebrannte Griessuppe mit Kerbel konnte meine Mutter in den 50-ziger Jahren nicht oft genug kochen.
Ich freue mich riesig über diese Neuauflage, denn in den heutigen Kochbüchern kann ich solches auch nicht finden.
Danke!!!
Ich bin sowieso eher für Bodenständiges als für Chichi. Drum für mich immer lieber Griesssuppe.
Nur acht Prozent des Einkommens für Lebensmittel? Also wir brauchen auf jeden Fall mehr.
@magentratzerl: wer alle Tage nur vom Feinsten isst, weiss solche bescheidenen Genüsse gar nicht mehr zu schätzen.
@Elisabeth Bitschnau: Klasse ? ich weiss nicht. Einfach konsequent.
@Micha: habs noch nie probiert und werds auch nicht probieren. Dazu sind mir die hergebrachten Gerichte zu lieb und nicht vergessen: ich koche auch nur mit Wasser.
@katha: 4 Kräuter hedonistisch ? man nimmt einfach das was gerade vorhanden ist. Im Frühling ist das naturgemäss mehr als im Winter. Eure Wintersuppe tät mir aber auch schmecken.
@Frau Ü: richtig zubereitet wird da nichts schleimig. Das sandet wie in der Wüste bei Regen.
@ninivepisces: Töchter haben immer anderen Geschmack als ihre Mütter. Söhne auch als deren Väter. So ist das.
@Rosa Mayland: so richtig deliziös.
@Basler Dybli: shrimps ? Stirnerunzeln.
@bee: halthalt, Unter Kulturausgaben laufen auch die Ausgaben für die Kommunikationsunkultur. Das hebt sich gegenseitig auf.
@Sugarprincess: so genau kenne ich die Franzosen nicht. Dieses Gesprächsende hätte ich eher den Italienern zugetraut.
@Andy lieberlecker: Der VZ Kombi Steamer lässt m.W. nur Dampf ab, erzeugt keinen Überdruck, wie etwa ein Dampfkochtopf oder ein Steamer.
@Dirk: dass Dich dein Ausflug freut, kann ich verstehen und ich mag euch die Herausforderung des events gönnen. Was ich bis anhin mitbekommen habe, hat mich aber, offen gesagt, nicht überzeugt. Kaum einer der Teilnehmer kocht authentisch, kocht einfach sich und seine gewohnte Küche. Jeder Teilnehmer versucht, irgendwelche Vorlagen oder Vorgaben zu imitieren. Das wirkt zwar teilweise beeindruckend, aber auch künstlich, angestrengt und unecht.
@maureen: Kerbel ist eben weit mehr, als nur gerade ein müdes Dekopflänzchen auf einem Teller. Aus meiner Apothekenzeit kann ich mich an das köstliche Kerbelwasser (aqua cerefolii) erinnern. Mein Gott schmeckte das gut !
@Wilde Henne: ihr esst zu gut !
Das git‘ s/gsesch im „Klääbriisland“ no ab und zue in‘ ere Suppe.
Logisch!!!
Ich liebe Griessuppe, aber ab und zu darf es auch ein wenig Chi Chi sein 😉
So hab ich’s gerne:) Gerade für Brühe eignet sich der Dampfkochtopf, wie du ihn nennst, ausgezeichnet. So hat die Menschheit wieder ein bisschen Energie gespart und wir wären wieder bei der Bescheidenheit. Wie alt ist das genannte Kochbuch? Als ich Kind war, durfte Maggi auf dem Tisch nicht fehlen (sogar in die Pasta haben wir es reingetan). Das war eine neue Errungenschaft, welche die Mütter und Hausfrauen liebten.
genau- abgebrannte Grießsuppe hieß sie bei meiner Oma, hörte sich gefährlich an, und stiess auf Unverständnis und Verwirrung bei nicht Eingeweihten …die Suppe ist immer noch gut – Maggi hab ich mir schon lange abgewöhnt…Muskat muss…mit Hühnerbrühe…oder Spargelfond….schwärm…
@Claus: logisch, aber nicht selbstverständlich.
@Ines kocht: wem sagst Du das !
@Magdi: mir gehts weniger ums Stromsparen, als um eine rasche, schonende Zubereitung, bei der alle Aromen im Topf bleiben, auch die sonst wasserdampfflüchtigen. Das Fülscher-Buch stammt in der Erstausgabe von 1923.
@Tina: ich verwende gerne Liebstöckel statt Maggi.
Bei den vielen Zutaten kann man ja eigentlich nicht ganz von Bescheidenheit reden. 🙂 Für mich ist das bereits eine Luxusausführung. Bei mir geht es da wesentlich einfacher zu. Liebstöckel ist schon eines der kleinen Suppengeheimnisse, mit die ich so manchen zu einem Suppenliebhaber gemacht habe. Ich selbst – verwöhnt von der ungarischen Küche meiner Mutter – brauche immer etwas süßen Paprika in die Suppe, daher gibt es bei mir selten Grießsuppe. Aber von Deiner würde ich natürlich gerne einen Teller nehmen.
Liebe Grüße
Anna
Geröstete Griesssuppe gehörte zum Standardrepertoire meiner Großmutter. Sie steht auch im Kiehnlekochbuch unter Nr.121. Ich liebe diese einfache Suppe heute noch…schön, daß Du sie auch einmal kochst.
@Anna Purna: im Fülscher-Kochbuch stehts auch einfacher 😉 Wenn Paprika im Garten wächst, hat man dazu eine andere Beziehung, als wenn man ihn im Supermarkt aus holländischen hors-sol Treibhäusern kaufen muss.
@Kochbuch für Max und Moritz: die alten Kochbücher waren halt praktisch eingerichtet. Da war allen klar, was die Nummer 121 bedeutete.
In der Hitze des Küchengefechts verwechselt!
Die Gemüsegarnitur ist die Matignon.
Die Gemüseschnitte sind ua
BRUNOISE 2 MM3
MACÉDOINE 4 MM3
MIREPOIX 10 MM3
PAYSANNE 10 MM2 MAL 2 MM DICKE (Escoffier, Simon …)
Nein. In meiner Suppe finde ich kein Haar.
Matignon ist primär eine Schnitttechnik in 1-2cm grosse, blättrige Quadrate (siehe z.B. hier https://card2brain.ch/box/gemuese_schnittarten oder in Pauli, Lehrbuch der Küche.
Hoi Robert
Ich habe schon an anderen Stellen meine Komplimente über deine Arbeit geaeussert. Und ich habe bei dir auch keine Fehler gesucht.
Es war ein Hinweis wie das zB Escoffier ua sehen.
Ja Pauli beschreibt unter anderem auch ein Matignon blanc und coloré.
Escoffier ein Matignon maigre und gras.
Entschuldige wenn ich dich veraergert habe, es war bestimmt keine Absicht.
Freundlichen Gruss Heinz
Lieber Heinz,
ich benutze den Begriff Matignon eben so, wie ich ihn von Lucas gelernt habe. Die französische Hochküche mag da noch weiter differenzieren. Auf keinen Fall eine Ursache, verstimmt zu sein. Liebe Grüsse