Unser Hamburg: Der Hochseehafen Zürich

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Nicht allen Lesern wird bekannt sein, dass die Schweiz eine Hochseeflotte besitzt. Während des ersten Weltkrieges war die Schweiz abgeschnitten von Importen aus Uebersee. Deshalb charterte die Schweiz Schiffe zunächst unter der Flagge neutraler Staaten.

Nach Ausbruch des Zweiten Weltkriegs geriet die Schweiz erneut in einen Versorgungsengpass und beschloss, Schiffe unter eigener Flagge auf dem Meer einzusetzen. 1941-1945 wurden insgesamt 14 Handelsschiffe in das CH-Schifffahrtsregister eingetragen. Die kriegsführenden Mächte sicherten der Schweiz zu, ihre Schiffe mit Ladung für die Heimat unbehindert passieren zu lassen. Vier Schweizer Schiffe gingen dennoch verloren. Die Maloja wurde 1943 durch britische Kampfflugzeuge Nähe Korsika versenkt. 1944 wurde die Chasseral Nähe Sète durch britische Bomber schwer beschädigt. Die Albula geriet mitten im Hafen von Marseille in Kampfhandlungen zwischen der deutschen Armee und der Résistance und wurde dabei zerstört. Die Generoso lief Nähe Marseille auf eine deutsche Mine auf und sank.

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Maloja +1941. Quelle: SR-Archiv über http://www.swiss-ships.ch/

Danach war Schluss mit mutwilligem Versenkerlis. Die Schweiz beschloss, ihre Handelsflotte beizubehalten. Im Jahr 2013 fuhren auf den Weltmeeren insgesamt 44 Schiffe mit einer BRZ von rund 800’000 unter Schweizer Flagge.

Deshalb ist es der Stadt Zürich hoch anzurechnen, dass sie den Hochseeschiffen künftig einen Hafen anbietet, in welchem die rund 1.3 Mio Jahrestonnage entladen werden kann. Und das mitten in Zürich am Limmatquai.

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Ein rostiger Hafenkran aus Rostock wurde zerlegt und am Limmatquai wieder aufgebaut. Die Sache wurde von Kunst- und Kulturfreunden organisiert und kostete die Stadtkasse lumpige 600’000 Franken. Nun harren die Zürcher (und Kranblogger) gespannt des ersten Hochseeschiffes, das hier seine Ladung löschen möchte. Wir hier in Basel werden die Durchfahrt der Ozeanriesen von unserm Fensterplatz am Rhein aus verfolgen können. Sobald sich der erste Hochseefrachter unter den tiefen Brückenjochen unserer Mittleren Brücke limmatwärts durchzwängen will, werde ich darüber berichten 😉

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Gleich hinter dem Dreibein aus realsozialistischen Zeiten liegt das St. Pauli der Zürcher. Wer Hafenromantik sucht, braucht deswegen nicht mehr nach Hamburg zu reisen.

3. Folge meiner Serie „Unser“. Link zu den Bisherigen Folgen.

Quelle: Tagi und wiki

44 Kommentare zu „Unser Hamburg: Der Hochseehafen Zürich“

  1. Das ist ja spannend! Hoch lebe die Selbständigkeit eines neutralen Landes wie der Schweiz! Jetzt müssen die Zeiten nur noch friedlich bleiben…
    sonnige Grüße

    1. man muss sich immer wieder vergegenwärtigen, dass wir hier in Europa in eine Periode friedlicher Zeitläufte geboren worden sind. Ein Glück, das leider nicht auf Dauer sein wird.

  2. Bravo! Hier werde ich immer wieder überrascht. Wie das mit den Brücken geht, bebachtete ich einst im nächtlichen St. Petersburg, das damals noch auf den Namen Leningrad hörte. Es war kurios und beeindruckend zugleich. Schönen Sonntag!

      1. Sicher nicht… Trotzdem faszinieren Hafenstädte mich, gerade Hamburg. Wie der Strom die Stadt prägt – auch die Moderne hat ihre Ästhetik.

    1. bei uns hats heute auch geregnet. Abgesehen davon, dass unser Wasser in die Nordsee fliesst, ist es ebenso nass wie eures, das im Mittelmeer endet.

  3. Sooo guet – das liist sich wie ne vorzoogene Schnitzelbangg. 🙂
    P.S. S‘ isch èbe dr gliichi Mumpitz wie sinerzyt dr „kèschtligi“ und „kynstlerisch wärtvolli“ Schneehuffe uf em Kreisel Egge Holleestross/Oberwiilerstroos im Neybad …
    E scheene Sunntig !

    1. „Die Autorität des Kunstwerks ist abgelöst worden durch einen Prozess der Ausdifferenzierung als Produkt heterogener Interessen: Künstlerischer Wirkungsutopien, institutionelle Steuerungs- und Marktstrategien, gesellschaftliche Erwartungen und Verhaltensnormen.“ (Satz entliehen aus dem Institut für Kunstgeschichte der Uni Bern)

  4. Bin gerade in Zürich und gehe nach meinem Besuch der wunderbaren Ausstellung ‚Von Matisse zum Blauen Reiter‘ im Kunsthaus, noch ganz unter dem Eindruck dieser wundervollen Werke des Expressionismus‘, Gedanken verloren hinunter zur Limat… und was entdecke ich? Ein Kunstwerk aus realsozialistischen Zeiten…das rostenderweise das Ufer der Limat ‚ziert‘. Wie konnten die Rostocker sich nur von diesem Löschfahrzeug trennen? Oder waren sie etwa froh darüber sich dieses Zeugnis‘ vergangener Zeiten entledigen zu können? Jetzt warten wir gespannt auf die Frachter…
    Eine Idee hätte ich noch, falls kein Hochseefrachter die Limat erreicht: man könnte an den Kranausleger eine Plattform hängen, auf der man hoch über der Limat Tisch und Stühle installiert und romantische Dinner-Abende inszeniert.

    1. Rost erinnert uns an unsere eigene Zukunft und hat seinen Charme. Ein Container mit grossen Fensternam Kranausleger: Gute Idee !

  5. Na, na, Robert: wann warst du das letzte Mal in Hamburg? 😉

    Aber ‚Kranblogger‘ – das hat was! 🙂

  6. Die Schnitzelbängge für die nächste Basler Fasnacht werden bestimmt schon fleissig geschrieben 🙂
    Liebe Grüsse aus Zürich,
    Andy

  7. So kommt es, wenn man von Basel aus versucht, Kulturbegriffe zu kommentieren. Lumpige 600 Mille stehen Millionen gegenüber, die in den Basler Fussball gesteckt werden, zugegeben nicht nur aus der Staatskasse sondern aus privatem Kapitalgewinn, der via ganze Schweiz von den KK-Prämien subventioniert wird. Von Basel aus führt der Blick nach Zürich halt in jeder Hinsicht immer nach oben…

    1. Kultur erreicht einige, Fussball hingegen viele. Der FC Basel wird übrigens seit geraumer Zeit unabhängig von der Schatulle der Frau Oeri geführt. Ich bin zwar kein Fussballfan, finde aber doch, dass der Club für die Identität der Region viel tut. Und wenn das Genick vom andauernden nach oben starren weh tut, empfehle ich Voltaren Emulgel der Konkurrenzfirma, zu dessen Entwicklung ich vor Jahren mein kleines Scherflein beigetragen habe.

  8. „Versenkerli“? Ich schmeiß mich weg! Dann gibts (gabs) wohl auch „Zerstörerli“. Alles ganz niedlich und harmlos.

      1. Warum gibt es noch keine Kriegsverhüterli in Apotheken zu verkaufen?

          1. In Kriegszeiten braucht man die Kriegsverhüterli doch gar nicht, sondern VORHER.

          1. Da hilft dann wohl nur, die Kautschukernten zu vernichten. Vielleicht mit Hilfe eines Schädlings, einer Art Kartoffelkäfer, äh, Kautschukkäfers. Oder Genmanipulation … Für andere Zwecke gibt es sicher Ersatzmaterialien. („Jute statt Plastik“)

  9. Daran habe ich noch gar nicht gedacht: Dass ich die ankommenden Hochseedampfer dann von zu Hause aus (Limmattal, Kt. Aargau) betrachten könnte, ohne nach Zürich fahren zu müssen. Ich bin überzeugt, dass sich nach einem halben Jahr eine ‚Erhaltet-den-Kran‘-Initiativgruppe formieren wird, die Sponsoren sucht, die die Entrostung finanzieren würden.

  10. Die Gruppe gibt es bereits, Unterschriften werden gesammelt. Den Rost würde ich belassen, das wäre ja, wie wenn man bei einer Stradivari den Staub unter dem Steg wegpolieren würde 😉

    1. Und wer einmal in der grossen, weiten Welt lebt, sehnt sich in der Regel bald wieder in die enge Heimat zurück. Es muss ja nicht gerade die Bahnhofstrasse sein.

  11. wenn das so weiter geht mit den spaßigen hochseespielereien gewinnen die schweizer irgendwann noch den america’s cup…

      1. nun, so unbekannt ist dieser umstand auch außerhalb der schweiz nicht. (ich fands damals schade, dass das wettsegeln nicht am luzerner rotsee ausgetragen wurde. der hätte eine große regattatradition und das event hätte sich höchst pittoresk verkleinert.)

  12. Sehr geehrter Herr Sprenger,

    entgegen meinen Gewohnheiten muss ich Sie schon wieder mit meinem Kommentar belästigen, diesmal ohne kochartigen Hintergrund. Ich durfte vor einigen Jahren 2 Semester an der ETH in der wunderschönen Stadt an der Limmat verbringen. Die Nächte waren nur leicht getrübt durch singende Japaner der Karaoke-Bar gegenüber (bis 4 Uhr morgens; um fünf kam dann das Kehrfahrzeug der Stadtreinigung. Eine Stunde Schlaf pro Tag ist in der Schweiz sicher ausreichend).
    Schönheit liegt im Auge des Betrachters- das gilt sicher auch für den Kran, aus dem Kunst wurde.
    Viele Grüße aus der glücklicherweise einmal nicht sonnigen Kurpfalz – nach etlichen Wochen Trockenheit endlich wieder einmal Regen für alle die Dinge, die dereinst in den Töpfen landen – womit wir glücklicherweise wieder beim Thema wären.

    1. das hängt mit der zunehmenden „Mediterranisierung“ unserer urbanen Zentren zusammen. Viele, die nicht nicht arbeiten wollen oder müssen, verbringen ihre Nächte krakeelend in den Stadtzentren. Mit ein Grund, warum wir den Winter oder das Regenwetter so lieben 😉

  13. Ich habe schon allerhand vom „Kran“ gehört, natürlich von unseren Zürichern und dass er die Stadt zweiteilt. Unseren „alten“ Müllverbrennungsofen hat unsere Landesregierung nach Asien verkauft, das finde ich noch verrückter.

    1. Also, die Zürcher – übrigens die korrekte Bezeichnung der Bewohner von Zürich – sind deswegen nicht wirklich uneinig, aber natürlich wird Derartiges getreu den demokratischen Spielregeln mehr oder weniger pointiert diskutiert. Finde sich nur noch anderswo einen Stadtrat, und dann erst noch ein Linker, der die massive Kostenüberschreitung aus der eigenen Tasche bezahlt. Auch das ist Zürich.

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