Archiv der Kategorie: Gourmandisen

The Last Pie Dinner

Seit 14 Jahren veranstaltet Lucas Rosenblatt (beinahe) alljährlich vor Weihnachten ein gemeinsames Pastetenbacken und Zubereiten von Terrinen, Saucen und Chutneys. Der Anlass dauert 2 halbe Tage. Ein Kern von 6-7 Teilnehmern nimmt jedes Jahr teil und bildet längst ein gut eingespieltes Team. Weitere Interessierte hatten darum kaum Gelegenheit, sich einen Platz in dieser Runde zu ergattern.

Leider, leider, leider fand der event heuer zum letzten Male statt. Lucas ist längst im Pensionsalter und geht auf 1. April 24 in den wohl verdienten Ruhestand. Eine emotionale Dernière. Nicht ganz ohne Tränen. Doch sollte man die Hoffnung nicht aufgeben, dass er sich nochmals zum Pastetenbacken überreden lässt. Geschirr und Formen bringen wir notfalls mit.

Am ersten Tag kochte uns Lucas ein einfaches Abendessen: Lachstatar, Kalbskopfbäckchen mit Polenta und Wintergemüse sowie ein Dessert. Nach getaner Arbeit gegen Sonntag Mittag stiessen die Partner hinzu, was zuviel gekocht und gebacken wurde ergab das Entrée. Zusätzlich kochte Lucas Tajarin mit weissem Trüffel und auf Wunsch die französich-russische Kulebjaka-Pastete. Rezept am Schluss dieses Beitrags. Am Ende nahm sich jeder Teilnehmer seinen Anteil an den gemeinsam produzierten Köstlichkeiten mit nach Hause… und hat auf die Festtage hin kulinarisch ausgesorgt.

Damit wünsche ich allen Leserinnen und Lesern schöne Festtage.


Lucas besorgt alle Zutaten. Wir (und Lucas) kochen und backen. Hier die Bilder:

Würzen der Fleischmischung für die Kalbfleischpastete.

Befüllen der quadratischen Frischlings-Allerlei-Pastete.

Bedecken der Kalbfleischpastete.

Kalbskopfbäggli zum Abendessen.

Tags darauf Einfüllen des Portweingelees in die Kalbfleischpastete.

Die Geflügelterrine.

Entenleber mi-cuit. Zwei Geflügelterrinen. Wildterrine. Eingetütet und vakuumiert

7 Teilnehmer. Für jeden von jeder Sorte ein Stück.

Zum Mittagessen mit Partnern: u.a. Taglierini mit weissem Trüffel

Lachspastete Kulebjaka

Das Rezept hatte ich bereits 2009 im Blog publiziert, siehe dort. Hier folgt die von Lucas aktualisierte Rezept-Version.
Die in Briocheteig gebackene Lachspastete Coulibiac ist ein Klassiker der französischen Küche. Die stilprägenden französischen Chefs des 19. und frühen 20. Jahrhundert liessen sich oft durch den Zarenhof in St. Petersburg inspirieren. Oder kochten zeitweise gar für den Zarenhof, wie etwa Marie-Antoine Carême. In Pariser Comestibles-Läden wird die Pastete heute noch angeboten. Hier kennt man sie kaum. Ihre Herstellung ist halt etwas aufwändig, aber der Aufwand lohnt sich.

Vorbereitungen am Vortag

Brioche – Teig

500 g Mehl
100 g Butter
2,5 dl Milch
6 Eigelb
30 g Hefe
50 g Zucker
6-10 g Salz
1 EL Malzextrakt „Morga“

Butter in kleine Würfel schneiden und zusammen mit der Milch auf ca. 37° erwärmen.
Mit dem Stabmixer die Eigelbe und Hefe zum Butter/Milchgemisch mixen.
Das Mehl in einer Schüssel mit den trockenen Zutaten mischen.
Das Milch/Butter/Eigelbgemisch dazu geben und in der Teigmaschine 12 Minuten kneten.
Den Teig zudecken und über Nacht gehen lassen.
Danach 30 Minuten in der Küche stehen lassen. Einmal gut durchkneten und zu einem Rechteck formen.

Lachs

700 g Lachsfilet Royal Schnitt
4-5 Umdrehungen weisser Kampot Pfeffer
2 TL Zucker
1 EL Fleur de sel
3-4 Abriebe Zitrone Bio
1 Bund Dill gehackt

Alle Zutaten mischen und den Lachs mit der Mischung einreiben. Mindestens 4 Stunden marinieren.

Spinat- Crêpe

50 g frischer Spinat
2 Freilandeier ca. 55 g
1 Prise Salz
Muskatnuss
60 g Weissmehl
140 g Vollmilch
1 EL flüssige Butter

Ei, Salz, Muskat, Spinat mit der Milch fein Mixen. Das Mehl löffel-weise dazu mixen, so dass ein glatter Teig entsteht.
Die Masse 20 Minuten zugedeckt stehen lassen.
Die Butter unter die Masse rühren und in einer beschichteten Pfanne dünne Crêpe braten. Auf einem Kuchengitter auskühlen. Eine rechteckigen Pfanne erleichtert das Einschlagen des Lachsfilets.

Die Lachspastete Coulibiac

Marinierter Lachs
150 g weisse Champignons fein gewürfelt
80 g Basmatireis
1 EL eingesottene Butter / Butterfett
2 Eier 8 Min. gekocht, gehackt
1 Eigelb
2 EL Sauerrahm
1 dl Fischfond
1 Strauss Dill gehackt
schwarzer Pfeffer aus der Mühle
wenig Meersalz

Eistreiche:
1 Eigelb
1 EL Rahm

Flüssige Butter:
50 g Butterzerlassen
4 EL Zitronensaft
schwarzer Pfeffer

Zubereitung

Bauchlappen des marinierten Lachs wegschneiden, so dass nur das Rückenfilet bleibt.
Den Bauchlappen in ca. 1/2 cm grosse Würfel schneiden und bis zur Weiterverarbeitung kühl stellen.

Champignons

Die Champignons in ½ dl Fischfond dünsten. Würzen mit Kräutersalz und wenig Pfeffer.
In ein Sieb abschütten den Fond auffangen.

Basmati-Reis

Den Basmatireis in einem Sieb waschen bis das Wasser klar ist.
120 g Champignon-Fond und Fischfond bereitstellen.
Mit dem gewaschen Reis mischen.
Zugedeckt aufkochen und bei kleinster Temperatur ca. 15 Minuten quellen lassen. Dabei sollte der Deckel nicht abgehoben werden.
Den gegarten Reis aufrühren und die Champignons, Lachswürfel, Eigelb und den gehackten Dill sorgfältig unterheben.

Lachs einpacken

Die Spinat Pfannkuchen auf ein Küchentuch in der Länge des Lachsfilets auslegen.
Die Nähte mit wenig aufgerührtem Sauerrahm einstreichen, damit die Nähte besser zusammen halten.
Die Reismasse auf die Pfannkuchen streichen.
Das Rückenfilet darauf legen und mit Hilfe des Küchentuchs einrollen.
Den Briocheteig in der passenden Grösse zur Lachsroulade ausrollen.

(Am Besten geht das, wenn der Briocheteig zuerst in ein Rechteck geformt wird und danach in 3 Arbeitsschritten auf die gewünschte Grösse ausgerollt wird). So wird der Teig weniger gestresst, die Mehlstärke kann sich erholen und lässt sich besser bearbeiten.

Der eingewickelte Lachs in die Mitte des Teiges legen.
Mit den beiden Teigenden den Lachs überschlagen, übrigen Teig wegschneidenmit Eistreiche bestreichen.

Die Lachspastete auf der Naht nach unten auf das Kuchenblech legen. In der Mitte der Lachspatete mit einem runden Ausstecher 1 cm Loch ausstechen. Dieses mit einem Teigrand verzieren
Die Pastete mit dem Eigelb bestreichen und 1 Stunde ruhen lassen.
Backofen auf 200* Unter und Oberhitze aufheizen.
Ofen auf 180 Grad zurückstellen, die Lachspastete 20 Minuten backen danach das Backblech auf ein Gitter stellen.
Gut 20 Minuten stehen lassen.In dieser Zeit immer wieder die flüssige Butter durch das vorbereitete Loch giessen.
Darauf achten das die Butter direkt in den Reis läuft. Dazu muss auch die Pfannkuchenschicht entfernt werden.

Dazu passt:

Sauerrahm mit Keta-Rogen. Den Lachsrogen in einem Sieb mit kaltem Wasser waschen.
Sauerrahm mit Dill
Kürbis oder Randen Püree mit Meerrettich

Sommer: Die chinesische Mauer, Tortellini, Grissini und Puccini

Die Grosse Mauer

Hard work. Perfektionist Grégoire mauert trocken, ohne Zement. Bewegt auch schwere Jurakalkblöcke an ihren Platz.

6260 km lang, wie die während der Ming-Dynastie erbaute chinesische Mauer, ist sie nicht geworden. Unsere Trockensteinstützmauer stützt nur den steilen Abhang. Wie ihr Vorbild, dient sie auch als Schutzanlage zur Grenzsicherung. Wenn auch nicht gegen mongolische Reiterhorden, sondern zur Abwehr von allzeit gefrässigen Schafen. Das Gras auf unserer Weide den Schafen. Blumen und hoch hängende Früchte für uns, bzw. Raupen und Schnecken. Auf der Mauerkrone sorgen unsere zwei alten, gehörlosen und nahezu blinden Norwich-Terrier für die Einhaltung der Regeln.

Siesta.

Derweil frisst sich eine Schwalbenschwanzraupe (erlaubterweise) am Gewürzfenchel satt.

Ein von der Dachtraufe gespiesener Mückentümpel ersetzt uns das verschwundene, jurassische Meer.

Ricotta-Tortellini mit Zitronenthymian und Safran

Sommerbeginn. Terrassenwetter. Hier mit selbstgemachten Tortellini auf Kardamomlinsen. Rezept siehe hier. Füllung: Ricotta, Zitronenthymian, Zitronenabrieb und -saft sowie Safran.

Etwas aufwendiger: wieder einmal meine Gemüseterrine. Rezept siehe hier. Diesmal mit Stangenbohnen, Pfifferlingen, roten und gelben Paprika.

oder bescheidener: eine Ackerbohnen-Frittata. 250 g enthülste, geschälte Fave. Bundzwiebel, Knoblauch, Pfefferminz und viel Gewürzfenchel. Dazu noch 4 Eier und 50 ml Rahm.

Die von Freunden kürzlich offerierten Parmesan-Grissini nach Giorgio Locatelli schmeckten uns derart gut, dass ich sie gleich nachgebacken habe:

Parmesan-Grissini

50 g Butter
200 g Vollmilch
10 g Frischhefe
375 g Halbweissmehl
ca. 20 g fein geriebener Parmesan
10 g feines Meersalz

(1) Butter in der auf max. 33°C erwärmten Milch schmelzen. Anschließend die Hefe mit einem Schneebesen unterrühren.
(2) Mehl, Parmesan und Salz in die Schüssel einer Küchenmaschine geben, mischen und die Milchmischung hinzufügen. 3 Minuten auf Stufe 1, weitere 6 Minuten auf Stufe 2 kneten.
(3) Teig auf die Arbeitsfläche geben, flach ziehen und mit allen Fingerspitzen Löcher in den Teig drücken. Teig, Löcher nach innen, zusammenfalten, mit einem feuchten Geschirrtuch bedecken und 30 Minuten ruhen lassen.
(4) Prozedere (3) nochmals wiederholen.
(5) Teig längs in 2 Stücke teilen, die Arbeitsfläche mit Mehl bestäuben und jede Hälfte zu einem langen, ca. 10cm breiten Rechteck ausrollen.
(6) Quer ca. 1 cm breite Streifen (ca. 25 g) abschneiden und mit flachen Händen von der Mitte aus zu 30cm langen Grissini rollen. Auf mit Backpapier belegte Bleche legen. Die Enden zu einem flachen Ohr drücken. Zugedeckt ca. 30 Minuten gehen lassen.
(7) Backofen auf 230 °C UL vorheizen.
(8) Ofen auf 190°C herunterschalten und die beiden Bleche ca. 15 Minuten kross und hellgold backen.

Puccini

Gross die Überraschung, als ich im Quotidien jurassienne den Hinweis auf Aufführungen von Giacomo Puccinis „La Bohème“ im ehemaligen Schützenhaus in Moutier las. Oper in Moutier? 7200 Einwohner? In einer Bretterbude? Ein 120 Jahre alter Holzständerbau, mit einem stützenfreien Basilikaähnlichen Mittelschiff, ohne Heizung, ohne Isolation. Allwo früher die obligatorische Schiesspflicht erfüllt werden musste, Schützen- und Sängerfeste, Blaskapellenkonzerte, Bauernmärkte und Versammlungen von Ortsvereinen durchgeführt wurden. Während des Zweiten Weltkriegs diente der Bau als Militärunterkunft, das Mittelschiff als Militärkantine, später als Reithalle.

Ab 1993 wurde die Anlage aufgrund der Unterhaltskosten nicht mehr genutzt. Der „stand de tir“ geriet in Vergessenheit. 2004 entdeckte der argentinische Dirigent Facundo Agudin das Gebäude und überzeugte die Stadtverwaltung, das brach liegende Potential des Gebäudes besser zu nutzen. Eine demontierbare Bühnenausstattung wurde eingebaut. Elektrizität eingezogen, Sicherheitsausgänge eingebaut.

2005 fanden die ersten Sommerfestspiele statt. Der Erfolg des Festivals veranlasste die Stadt, weiter zu investieren. Seither findet im Sommer das Festival „Stand été“ alternierend mit dem Festival „Espace“ für ein junges Publikum statt. Sogar der Foxterrier durfte in die Oper.

Die Oper La Bohème wurde in Kooperation mit einem Chor und Orchester aus Neuenburg und freien Solisten aufgeführt. Auch für verwöhnte, städtische Ohren beeindruckend, u.a. Mimi: Laurence Guillod, Rodolfo: Javier Tomé, Marcello: Alejandro Meerapfel, Musetta: Léonie Renaud. Da die Bühne keinen Vorhang hat, wurden Szenenwechsel des Bühnenbildes offen einbezogen.

Wenn einem sogar Würstchen am Strauch (Blasenstrauch, Colutea arborescens) wachsen, verspricht das, ein guter Sommer zu werden. Leider sind sie nicht bekömmlich.

Auf einen schönen Sommer! Ich beschäftige mich derweil im Schutz der Mauer hinter das Geheimnis der handgezogenen, chinesischen Nudeln zu kommen.

Crissier: Restaurant de l’Hôtel de ville

In jungen Jahren war ich mit Frau L. während der Ägide des Jahrhunderkochs Fredy Girardet mehrere Male hier essen. Der Rücktritt von Fredy Girardet 1996 bedeutete auch für uns leider das Ende einer grossartigen Aera. Die gesundheitlichen Probleme von Frau L. liessen keine grossen, gastronomischen Ausflüge mehr zu. Die Nachfolger von Girardet: Philippe Rochat und 2012  Benoît Violier besuchten wir nicht mehr. Seit dem Tod von Violier 2016 führt Frank Giovannini die Küche. Auch er, wie alle seine Vorgänger, mit 3 Michelinsternen ausgezeichnet. Ein Haus mit 3 Sternen seit 1975 ohne Unterbruch (das Übergangsjahr 1997 in Klammern).

Meine heutige Lebenspartnerin, Frau H., die um meine seit 40 Jahren andauernde Wertschätzung des Restaurants weiss, fädelte den Besuch ein und machte mir damit eine Riesenfreude. Als (zahlender) Gast nicht auf bequemen Stühlen in einem der beiden Speisesäle, sondern „au bout du passe“, am Ende des Küchenpasses, auf zwei lehnenlosen Barhockern mit spektakulärer Rundumsicht auf Küche, 25 Köche und die laufend angerichteten Teller. Das angespannte Zuschauen macht die Stuhllehne überflüssig.

Wir haben uns inmitten der Abläufe wunderbar aufgehoben gefühlt, in beinahe familiärer Atmosphäre. Die grosse Küche ist klinisch sauber, klimatisiert und belüftet, hat dieselbe Temperatur wie die Speisesäle, erklärt uns Giovannini bei einem Glas Champagner. Die 25 Köche, alle mit Torchon und Toque, arbeiten ruhig, sauber, konzentriert und mit einer unglaublichen Präzision. Tätowiert ist kaum jemand, jeder Koch kennt seine Aufgaben, geredet wird wenig, geschrien überhaupt nicht. Der im Video hörbare Gesprächslärm stammt hauptsächlich von den Gästen am Chefs Table. Einzig das mehrstimmige „oui“ übertönt das Raunen in der Küche, wenn der Chef am Pass die Bestellungen abruft. Regie und Kommando am Pass führt der sous-chef. Franck Giovannini hat sich beim Skifahren leider die Schulter gebrochen, trotzdem steht er am Pass, hilft beim Teller putzen und Kontrollieren. Begrüsst und verabschiedet Gäste. Kurzum: ein einmaliges Erlebnis. Auf jedes Gedeck kommt mindestens ein Angestellter. Das erklärt den gehobenen Preis. Dennoch: in Paris zahlt man für 3-Sterne mehr.

Die Barhocker am Pass (wie auch die 6 Gedecke am chefs table) werden nur belegt, wenn das Restaurant nicht mit grösseren Gruppen ausgelastet ist. Serviert wurde uns das Wintermenu 2023, No° 53 (die Karten werden seit der Aera Violier hochgezählt). Seit Jahren ist das Haus Mittags wie Abends ausverkauft. Zu Recht. Und für das wirtschaftliche Überleben notwendig.

Unlängst hat Andy von lieberlecker hier gegessen und sein Menu voll bebildert, ich kann mich deshalb auf wenige Bilder beschränken.

Auf dem Pass hinter unserem Brotkörbchen:
Nage glacée de Couteaux mouillée au Dézaley du Lavaux,
primeurs d’hiver au géant d’Italie et caviar Osciètre.

Foie Gras de Canard poudré au balsamique des Alpes bernoises
pickles de chou-fleur et topinambour de Noville

Noix de Saint-Jacques caramélisée aux zestes d’agrumes
courge craquante et jus à la chair de clémentine

Tarte renversée de Cardons de Crissier, aromatisée aux diamants noirs de Provence
Regionale Produkte spielen eine grosse Rolle in den geradlinigen, auf das Produkt fokussierten Menus von Giovannini.

Dos de Barbue rôti sur l’arête aux jeunes poireaux du canton
émulsion gourmande comme une béarnaise.
Der Glattbutt wird vor dem Gast kunstvoll von der Gräte gelöst.

so sieht er dann auf dem Teller aus.

Ohne Bild:
Délicate royale de Langoustine au Cornalin Combe d’Enfer
éclats de panais et pousses de rampon d’Orny
Agneau de lait cuisiné de la tête aux pieds
laitue confite à la moutarde d’herbes fraîches
Fromages frais et affinés
Coque givrée d’Oranges sanguines siciliennes
chocolat intense et amandes acidulées
Friandises


Sorbet rafraîchissant de Pommes Gala
parfumé aux fruits de la passion

Nach 15 Uhr übernimmt die nächste Schicht die Vorbereitungen für den Abend. Alles frisch, von Grund auf à la minute zubereitet. Kein sous-vide, nichts Vorgekochtes.

Doubs 36: Ode an den Doubs

Im laufenden Jahr reichte es uns leider nur für zwei Besuche am Doubs. Dazu bewanderte ich mit Frau H. die Strecke Soubey bis St. Ursanne.

Umso schöner, wenn sich der Doubs in meine Nähe bemüht; einen Halt macht im Musée jurassien d’art et d’histoire in der Kantonshauptstadt Delémont: mit einer sehenswerten Ausstellung von Pastellkreidezeichnungen und Ölgemälden des Neuenburger Künstlers Charles L’Eplattenier (1874-1946). Der hatte sich mir vor einigen Monaten als künstlerischer Gestalter des Krematoriums von La Chaux-de-Fonds eingeprägt.

Die ausgestellten 30 Werke stammen vorwiegend aus einer Serie von über hundert Pastellgemälden aus den Jahren 1914 und 1915, die heute unter dem Namen Poème du Doubs (Ode an den Doubs) bekannt sind. L’Eplattenier war mit der Region des Jura tief verbunden.

Er suchte die Intimität der Natur, campierte im Zelt an den Ufern des Doubs wie auf den umliegenden Höhen der Doubsschlucht, um den Geist dieses Flusses und seiner Umgebung in eine Vielzahl von Farben und Formen zu bannen. In den „sur le motif“ spontan gezeichneten Pastellgemälden lädt er dazu ein, diese Landschaft zu Fuss zu erkunden.

Charles L‘ Éplattenier wurde 1874 in Neuchâtel geboren. Der Tod seines Vaters, an Tuberkulose verstorben, brachte die Familie in finanzielle Schwierigkeiten. Der Junge absolvierte eine Lehre als Maler und Gipser, besuchte nebenbei Abendkurse bei dem Neuenburger Maler und Architekten Paul Bouvier. Um die Mutter zu entlasten, wurde er 1889 zu einer Tante nach Budapest gegeben. 1892-94 studierte an der Kunsthochschule in Budapest. Stipendien der Eidgenossenschaft und des Kantons Neuchâtel erlaubten ihm die Fortsetzung seiner Studien in Paris. Im Alter von 18 Jahren wurde er nach einem Auswahlverfahren an die Ecole nationale et spéciale des Beaux-Arts aufgenommen. 1896 kehrt er in die Schweiz zurück. Von dekorativer Kunst und Jugendstil angesprochen, unternahm er Studienreisen nach London, Belgien, die Niederlande und München. Ab 1897 war er Lehrer für Zeichnen und dekorative Komposition an der École d’Art in La Chaux-de-Fonds, eine Kunstgewerbeschule, die ursprünglich der Ausbildung von Graveuren für die Uhrenindustrie bestimmt war.

Aufgrund seiner Anregungen wurde die Ausbildung an der Kunstgewerbeschule grundlegend reformiert. Nach dem Vorbild der 1903 eröffneten Wiener Werkstätte entwickelte er mit seinen Schülern eine besondere Ausprägung des Jugendstils (style sapin), die ihre Quellen im Studium der Natur und ihren Gegebenheiten suchte. 1912 erweiterte er das Ausbildungsangebot mit Unterstützung dreier seiner besten Schüler, u.a. Charles-Edouard Jeanneret, dem späteren Le Corbusier.

In diesen Jahren beteiligte er sich erfolgreich an Gruppenausstellungen, u.a. neben Ferdinand Hodler.

Interne Zwistigkeiten veranlassten ihn 1914, seine Stelle an der Kunstgewerbeschule abrupt zu kündigen. Der erste Weltkrieg tobte ausserhalb der Schweizergrenze in Europa. L’Eplattenier diente als Soldat in der Festung Savatan bei Saint-Maurice. Während eines Urlaubs zog er sich in die einsamen Schluchten des Doubs zurück. Dabei entstand die wunderbare Folge der Pastellbilder die er 1915 in seiner ersten Einzelausstellung präsentierte.

1924 schuf er in Erinnerung an die Grenzbesetzung seine berühmte, aus einem 20 Tonnen schweren Findling gehauene Skulptur „La Sentinelle“ (der Wächter). Der Volksmund nannte die monumentale Statue wegen ihrer martialischen Haltung „Le Fritz“. Während des Jurakonflikts kam es wiederholt zu Auseinandersetzungen um das Denkmal, weil Separatisten in ihm ein Symbol der «bernischen Besatzung» sahen. 1989 wurde die Statue von aufmüpfigen Jurassiern vom Sockel geholt. Letztlich mit Vorschlaghämmern der Kopf in Stücke gehauen.

Architektur und Stadtplanung waren weitere Bereiche, in denen sich L’Eplattenier engagierte. Zusammen mit dem Architekten Chapellaz entwarf und baute er 1926 das bunte Museum der schönen Künste in La Chaux-de-Fonds.

In den folgenden Jahren war er vielseitig als Maler, Zeichner, Bildhauer, Architekt, Dekorateur und Buch-Illustrator tätig. Immer wieder zog es ihn an den Doubs. In Les Brenets besass er ein Ruderboot, in welchem er schwer zugängliche Stellen des Grande Bassin, oberhalb des Saut du Doubs, anfuhr.

1946 stürzte er, der gewandte Berggänger und Naturverbundene „homme des bois“, an einer glitschigen Stelle in felsigem Gelände nahe den Ufern des Doubs zu Tode.

Obwohl er, im Gegensatz zu Ferdinand Hodler nicht wirklich über die Grenzen der Schweiz hinaus bekannt wurde, hinterliess er ein enormes Werk und zahlreiche Schüler, die von ihm geprägt wurden.

Als Abschluss meines Porträts ein gekürzter Ausschnitt einer historischen Filmaufnahme von 1944 Agfa 8mm. Sie zeigt den Künstler am Ufer des Doubs: wie er malt und Mahlzeit hält.

Dauer der Ausstellung vom 19. November 2022 bis 26. Februar 2023.

Damit wünsche ich allen Leserinnen und Lesern schöne Feiertage.

Quellen: Charles L’Eplattenier: Les Pastels. Herausgeber: Marine Englert und N.M. Güdel, Editions Notari 2022

Rund um La Morra, Verduno und Neive

Der neue Tag verheisst gutes Wetter. Besser als es die Wetterpropheten wissen wollen, aber die sitzen bekanntlich in Bunkern und schauen ausschliesslich auf ihre Bildschirme.

Novello

Das Mittagessen ist bereits organisiert. Wir dudeln durch die Landschaft, hinauf nach La Morra, eines der grossen Weinbaudörfer (70 Produzenten) mit den grossen Namen grosser Barolisti: Elio Altare und Roberto Voerzio und der tollen Lage Cerequio.

La Morra
Torre Campanaria 1709–1711
Cassette postali
Renaissance trifft Rokoko

Nicht weit davon das Dorf Verduno, noch verschlafener als La Morra. Auch hier viel Wein: 180 Hektar Rebfläche, Barolo, Barbera und Dolcetto.

Verduno: San Michele Arcangelo, 1708

Danach queren wir das Tal Richtung Neive für einen Rundgang: ein hübsches, mitteralterliches Weinstädtchen.

Davon 15 Autominuten entfernt liegt unser Tagesziel: das Resort und Ristorante Madernassa (der Name steht für eine lokale Birnensorte). Hier kocht seit Frühjahr ein alter Bekannter aus Zürich; Giuseppe d’Errico. Früher während 5 Jahren Sous-Chef und rechte Hand von Michel Troisgros, wurde er von Rudi Bindella nach Zürich abgeworben, wo er sich in wenigen Monaten 17 Gault Millau-Punkte und viel Anerkennung erarbeitete. Kurz darauf brach Corona aus und das Lokal wurde geschlossen. Während Corona ergab sich leider keine neue Perspektive für Giuseppe in der Schweiz. Heute arbeitet er im Piemont. Ein sympathischer, bescheidener junger Koch. 2 Michelinsterne. Eigentlich fuhren wir wegen ihm ins Piemont.

Die amuse bouches stehen denen im Piazza Duomo nicht nach. in Erinnerung blieben die Randenravioli und die schwarzen fake-Trüffel.

und dann musste es halt doch noch sein. Man lebt bekanntlich nur einisch. Und das nur kurz.

Unter einer viereckig geschnittenen Decke aus geronnener Milch (schmeckt wie feinster Pastateig) verstecken sich ein warmes, in Guancialefett confiertes Eigelb, feinste, knusprig gebratene Guancialewürfelchen, Kürbiswürfelchen und Kürbismousse. Dazu eine Käsefonduta aus Raschera (Kuhkäse mit Ziege und Schaf).

sofort anschneiden, damit das warme Eigelb an die Trüffel kommt

Einfacher nachzukochen sind wohl die piemontesischen Eier-Taglierini, Nussbutter und Nusszabaglione. Vielleicht.

Tagliolini al burro di nocciola e zabaglione alla nocciola

Nach einer blütenartig geformten Komposition aus Saint-Pierre und hauchdünnen Steinpilzscheiben mit Lauch und Pilzjus (ohne Foto) folgt ein absolutes Meisterwerk französisch-italienischer Kochkunst: Taube Rossini

Piccione, foie gras, spinaci e salsa „périgourdine“

Als Dessert Milchmousse, Crema di Leche, getoastete Nüsse und Gelato fior di latte.

Was Giuseppe d’Errico kocht, kann sich mit Enrico Crippa messen. Erfreulicherweise sind hier die Weine deutlich günstiger zu haben als im Piazza Duomo in Alba.

Im Gourmettempel mit James Bond

Erklärtes Ziel vieler Feinschmecker, die das Piemont besuchen, ist das Ristorante Piazza Duomo in Alba mit 3 Michelin Sternen. Hier kocht der immer noch junge Enrico Crippa. Hier essen Feinschmecker, Stars, Sternchen und die üblichen Geldbanausen. Oder umgekehrt. Ohne langfristige Reservation geht hier nichts. Mit rund 36 Gedecken in 3 Räumen ist das Lokal eher klein. Mein spontaner Reservationsversuch wurde freundlich abgewiesen, dann probierte es Frau H. nochmals unter ihrer Adresse: Bingo! Der Zugang schlicht, mit viel understatement, keine Reklametafeln: nur eine rote Tür mit Gegensprechanlage.

Geschafft. Wir hielten uns brav an die Verbote von Adiletten, Crocs und Shorts und wurden, wiewohl wir keine celebrities sind, freundlichst in den bekannten, rosa bemalten Salon geleitet. Zum vorbestellten 9-Gang-Menu wünschte ich uns zusätzlich den zum signature dish gewordenen Insalata 21…31…41…51…

Crippa ist weder Vegetarier noch Veganer, doch einer, der der Pflanzenwelt grün ist. Seine berühmteste Kreation ist sein Salat, der im Laufe der Jahre immer vielfältiger und fantasievoller geworden ist. Waren es anfänglich und je nach Saison 21 Kräuter, Salate und Sprossen, sind es heute weit über 51. Dabei vermeidet er, sich in einem Durcheinander der Aromen und Geschmäcker zu verlieren. Der Salat wird mit einer Pinzette, Blättchen um Blättchen, Blüte um Blüte gegessen und ist nichts weniger als eine Wucht: Bio-Diversität in Geschmack umgesetzt. Für den Verzehr des Salats müssen mindestens 20 Minuten einberechnet werden. Alles Grünzeug stammt aus der betriebseigenen (!) Bio-Gärtnerei mit total 4 Hektaren Land, wovon 1 Hektare für Wildpflanzen reserviert ist. Dazu 400 m2 Gewächshäuser. Das Restaurant wurde vor 17 Jahren in Zusammenarbeit mit der Weinproduzenten-Familie Ceretto eröffnet (und finanziert). Die Salatbasis besteht aus einigen Salatblättern, die mit einer einfachen Sauce (Öl, Essig…) angerichtet ist. Darauf werden all die Kräuter, Blüten und Sprossen (ohne Sauce) gesteckt. Unter der Salat-Bowl versteckt sich ein aromatischer Dashi-Sud aus Kombu-Algen und Bonitoflocken.

Bretonischen Hummer, Kaviar und Wagyu geben wir gerne her für diesen Salat. Der ist heute der wahre Luxus.

Die Appetizer demonstrieren die Leistungsfähigkeit der Küche. In Erinnerung habe ich die falschen Oliven behalten, die aus Langustinen- und Kalbfleischtartar bestehen (Crippa arbeitete u.a. im El Bulli)

Der erste Gang, angekündigt als piemontesisches Antipasto, das ich bislang als üppige Auswahl an Wurstwaren, rohem Fleisch und gegrillten Gemüsen oder fritto misto kannte, war eine auf 12 Schalen (pro Person) verteilte Gemüseorgie. Miniportionen, versteht sich, aber wundervoll. Das Blumenkohlröschen in Sauce Béarnaise, der Mini-Pak-choi mit Sesam sind mir geblieben. Ein besseres Gedächtnis sollte man haben, um sich alle Zubereitungsarten merken zu können.

Kurze Essenspausen in Edelrestaurants sind immer interessant für Menschenbeobachtungen. Am Tisch nebenan Roberta Ceretto aus der Besitzerfamilie.

Gegenüber ein Tisch mit 2 jungen Herren aus Fernost, die sich das Trüffelmenu leisteten, die jedoch vom Essen kaum Notiz nahmen, da sie anderweitig beschäftigt waren.

Mehr Interesse an Kulinarik hatte die nebenan sitzende, 3-köpfige, indonesische Familie in T-Shirts, die für den Geburtstag des Sohnes geschätzte 1500 € in 3 Trüffel investierte (dazu der Preis des Trüffelmenus).

Inzwischen wurde der letzte, freie Tisch besetzt. Ein sehr gut aussehender, smarter Typ, um die siebzig, samt Gattin nahmen ihre Plätze ein.
Frau H.: „sieht aus wie James Bond“
Herr L. zweifelt: „Sean Connery, 007??“
Frau H.: „neeein, der ist doch gestorben, Pierce Brosnan, der mit dem Bond Girl Elektra, Sophie Marceau, da bin ich mir ganz sicher“
Herr L. konsultiert die Bilder in wiki: „möglich, hingegen sieht die Sophie Marceau auf den Bildern hübscher aus“
Frau H.: „neeein, die war doch nur seine Filmpartnerin, verheiratet ist er mit einer andern“ (mehr dazu am Ende des Artikels).

Schluss mit who is who, bei uns gings weiter mit den nächsten Gängen, in denen sich Enrico Crippa auch als Meister von Fisch und Fleisch erwies. Schlichte Teller, ohne chichi:

Seeigel mit Mandel und Peperonicreme.

Rote Bete in verschiedenen Formen (ohne Bild)

Steinbutt, Kürbis und Schwarzkohl

Tintenfisch und weiss-schwarze Polenta

Piemontesischer Risotto mit Leber, Kastanie und Kakao (wunderbar, doch ohne Bild)

Podolica-Rind mit Bohnen (manche der Saucen, die wir bei Lucas Rosenblatt zubereiten, schätze ich als noch gehaltvoller ein).

Als Dessert schliesslich ein buntes Gemälde nach Andy Warhol:
Nusskrokant in einer Caramelcreme (ohne Bild)

Wie sich während des Essens herausstellte, handelte es sich beim gut aussehenden Gast tatsächlich um Pierce Brosnan. Die Begleitung war seine Gattin. Als zweitletzte Gäste verliessen wir den Raum. 007 winkte uns zum Abschied. In Alba deckten wir uns mit piemontesischem Käse ein. Der Trüffel kam dann doch noch über uns, am folgenden Tag.

Nichts tun. Einfach mal nichts tun.

Nur noch schnell das angelieferte Brennholz entgegennehmen.

Danach einfach mal nichts tun…

Und den abgeernteten Kartoffelacker für die Cime di Rapa herrichten…

Nichts tun…

wenn da nicht der Sauerkrauttag unserer Coopérative im Oktober dazwischen gekommen wäre: diese Kohlköpfe mussten geputzt und die Storzen entfernt werden, nur so so kommen wir an die von uns geliebten Kohlstorzen (siehe hier) …

Unzählige Kohlstorzen (etwa 180) haben wir zwei ausgestochen, die schönsten werden zuhause zeitnah verarbeitet. Im 15 Liter Topf zu Püree gegart, teils eingefroren…

teils gleich zu einer ofenfüllenden Lasagne (ca. 7 kg) verarbeitet…

Am Sonntag gehts erst in die Pilze, die ersten Totentrompeten drücken sich ans Licht, wer wollte da zuhause sitzen und nichts tun? …

Wochentags wieder Hand anlegen am Umbau unseres Basler Hauses…

und die teils völlig verblassten Fassaden-Ornamente mit Farbe (freihändig) nachziehen…

Und zwischendurch mal ins Theater. Opern machen Hunger. Doch Frau H. hat vorgesorgt.

Wer mag da noch von Kochen sprechen?

Es hat ja noch Kohl-Lasagne im Eisschrank.

Pause.

Auf der Suche nach einer verlorenen Glockenblume

(Endlich) wieder einmal am Doubs. In Biaufond. Die Sonntagsexkursion wurde von Jurri (Dr. Jurriaan de Voos, u.a. Kurator der Herbarien der Basler Botanischen Gesellschaft und des Botanischen Instituts der Uni Basel) organisiert und geleitet.

Der Doubs bei Biaufond

Bei der Digitalisierung alter Herbarblätter aus dem frühen 18. Jhdt. stiess er auf Archivalien des Neuenburger Naturforschers Abraham Gagnebin  (1707-1800). Von Beruf Arzt, verdingte sich Gagnebin als Militärchirurg bei dem Schweizer Regiment in Strassburg. 1735 quittierte er den Dienst und liess sich als Arzt in La Ferrière nieder, im Neuenburger Jura. Hier befasste er sich auch mit Botanik, Meteorologie und Paläontologie. Als Botaniker sammelte und beschrieb er die Flora der Schweiz, vornehmlich im Auftrag eines anderen Schweizer Naturforschers, Albrecht von Haller (der 500 Franken-Haller auf der alten Schweizer Banknote).

Eines dieser Herbarblätter von Gagnebin beschrieb die heute seltene Breitblättrige Glockenblume, Campanula latifolia L.. Auf dem alten Herbarblatt ist der Fundort beschrieben: am Lac Cul des prés unterhalb von La Ferrière. Diesen vor über 250 Jahren beschriebenen Ort wollte Jurri verifizieren; nachsehen, ob es hier noch persistente Exemplare dieser Art gibt.

Grenzpfahl F/CH im Doubs und das Boot in Glockenblumenblau

Nur zu gerne hätte ich als Proviantträger und Botaniklaie die gesuchte, blaue Glockenblume selber gefunden, aber was immer ich fand, gehörte einer andern Art an: zB. Campanula trachelium, die nesselblättrige Glockenblume. Experten sehen das mit einem Blick.

Campanula trachelium

Wie bei botanischen Expedition üblich, wird bei jeder seltenen Pflanze ein längerer Halt eingelegt, dann gehen alle in die Knie oder beugen sich zu Boden, greifen zu ihren Lupen und begutachten und bestimmen die Pflanze nach den Regeln der Wissenschaft. Dann wird nur noch Latein gesprochen. Als botanischer Voll-Laie erfreute ich mich derweil dem Spiel der Sommervögel zuzusehen und nutzte die Pausen, um bei der Hitze Atemholen zu können.

Pyrameis atalanta: „Er war ein junger Schmetterling, der selig an der Blume hing

An den Engstellen der Schlucht war es gleich einige Grade kühler.

Nein, hier ist sie auch nicht

Die Suche wurde unterbrochen vom Mittagshalt (mit Butterbrot, Käse, Salatblatt, Röstpeperoni) an einem lauschigen, frischen Plätzchen unter riesigen Felstürmen.

Auch an der überhangenden Felswand ist keine blaue Glockenblume zu sehen

Nach 3 Stunden gelangten wir ans hintere Ende der Schlucht Combe de Biaufond mit den berühmten Leitern.

Leichtfüssig stürmt sie die Schlucht bergauf: Madame H.

Oben angelangt, wurde schliesslich Professor Boller am kleinen See fündig, erst waren alle enttäuscht, weil die Blumen bereits verblüht waren, doch weiter hinten waren noch Dutzende in voller Blüte: Campanula latifolia L.

Dieselbe Wanderung hatte ich in meinen Doubsberichten schon einmal beschrieben, jedoch in umgekehrter Richtung: 600 Meter hinab, 200 m hoch. Und hatte damals sogar die seltene Glockenblume fotografiert, siehe hier. Nur dass ich damals noch nichts um den Schluchtenschatz wusste.


Auf den Höfen ringsum
läutet es Mittag.
Läutet’s auch Mittag –
in mir? ..

Ich seh‘ eine Glockenblume
neben mir blauen:
mit neun offnen Glocken
und drei noch verschlossnen.

Die läute für mich mit,
nun, da es rings
auf den Höfen
den Mittag läutet.

(Aus: Vormittag-Skizzenbuch – VI. Christian Morgenstern)

Alte Traditionen. Neue Engel.

Das erste Weihnachtsfest mit Frau H. in Zweisamkeit. Zwei unterschiedlich gewachsene Traditionen galt es unter einen Hut zu bringen. Überlieferte und übernommene Traditionen, Gebräuche, Feste, in die wir alle zeitlebens eingebunden sind, unabhängig von Religion, werden mit neuem Leben erfüllt. Die jeweilige Koch- und Küchenkultur ist das zentrale, verknüpfende Element der regional verankerten Alltagskultur. Ihre Eigenheiten, ihre Sprache verbinden uns in besonderer Weise. Ihre Poesie lebt in uns. Nirgendwo in der weiten Welt setzen wir uns mit dem gleichen Wohlgefühl an den Esstisch wie zuhause. Nie wird die Bedeutung von Traditionen so deutlich wie an Weihnachten.

Tortellini di zucca mantovani. Was ich erstmals 2017 nach einem Rezept von Claudio nachgebastelt habe, hat sich bei uns einen Platz an der weihnächtlichen Wintersonne gesichert. Mangels Mostarda mantovana mit einer Eigenkreation aus meinem Quittengelee und Senfpulver als Aromageber zum Kürbis.

Am Weihnachtstag, wie jedes Jahr, Pastetchen (Vol-au-vent) mit Pilzen und Kalbfleisch. Karotten und TK-Erbsen. Rezept siehe hier oder hier. Doch gingen Kalbfleisch und Champignons versehentlich im Basler Kühlschrank vergessen. So mussten zwei Schwarzwurzelstangen mit Morcheln als Fleischersatz herhalten. Und das gelang ihnen nicht schlecht.

Überschussverwertung als Dessert ein herbes, kernenloses Brombeerparfait, mit Brombeersauce und Meringues.

Für die Tage zwischendurch immer wieder etwas Einfaches: hausgedörrte Dörrbohnen, Petersilienkartoffeln und Saucisson neuchâtelois.

Oder die geliebten Kardy, Cardons épineux genevois, das traditionelle Genfer Weihnachtsessen, hier verfeinert mit Périgordtrüffel und Fonduta anstelle von Béchamel.

Und für die drohende Hungerszeit im Januar wurden genügend Pfannkuchen aus Buchweizen/Weizenmehl vorproduziert. Zu füllen mit Luft, Pilzen, Gemüse oder Sérac (Ziger).

Meine Krippe steht nunmehr auf dem Kachelofen. Argwöhnisch von einer bunten Hundetruppe im Engelsgewand beobachtet.

Le jardin de Mme H. oder die Vorfreude auf Auberginen

Le jardin

Gross ist ihr/unser Garten tatsächlich. Nicht nur gross, sondern auch schön. Doch Schönheit hat ihren Preis. Und der heisst Pflege. Und Pflege bedeutet Arbeit. Schon nur der stete Kampf gegen die Verwilderung. Bändigung der Starken. Verschaffen von Wettbewerbsvorteilen für Schwache. Umgraben. Stopfen von Löchern. Aussäen. Umtopfen. Setzen. Versetzen. Trimmen. Wässern. Dezimieren der Nacktschnecken. Fördern von Nützlingen. Lüften und Beschatten des Gewächshauses. Und letztlich die Freude, wenn trotz alledem etwas wächst.

Hier ein paar Bildimpressionen aus den wenigen, sonnigen Tagen im Frühsommer. Im Gemüsegarten reifen die Cime di Rapa zur Gewinnung neuen Saatgutes.

Die Bach-Nelkenwurz, Geum rivale, die sich über das nasse Jahr freut.

An lauen Frühsommerabenden wirkt der Garten verwunschen und zauberhaft.

Die anspruchslose, frühblühende Prärielilie, Camassia cusickii, erfreut kälteklamme Bienen und Hummeln

Wochen später ist die Gartenbank von Blumen eingehüllt. Links der Bank Astrantia major (Sterndolde), oben blüht eine weisse Rosa multiflora. Blau-violett ein Prachts-Storchenschnabel, Geranium x magnificum.

Tomaten, Auberginen und Chili bleiben im südlichen Klima des Gewächshauses.

Und schon geht der Schlangenknoblauch (Rocambole) der Reife entgegen. Etwas milder als der normale Knoblauch

Nebenbei im Wald Sommersteinpilze suchen (Frau H. findet sie mit sicherem Blick, ich trage den Pilzkorb). Hier ein wunderschönes Exemplar.

Dieweil wuchert der Garten hinter dem Haus dem Himmel entgegen. Im Hintergrund der Walnussbaum, vorne die blassgelben, überhängenden Blütenstände des männlichen Wald-Geissbarts, Aruncus dioicus.

Der gute Hirte

Soviel Garten ist für mich Neuland. Im Moment beschränke ich mich aufs Grobe: Boden lockern. Gras mähen. Kompost ansetzen. Auberginen im Gewächshaus giessen sowie die Leih-Schafe hinter dem Haus bei Fress-Laune erhalten.

Die bemoosten Helden der Arbeit stehen derweil stumm im Garten herum und gucken der werktätigen Bevölkerung beim Arbeiten zu.

Und ab und an koche ich etwas einfaches, wie hier die klassischen, gefüllten Auberginen. Mit gekauften, die eigenen lassen noch auf sich warten.

Melanzane alla scarpunciello

Zutaten und Zubereitung

für 2 Personen
2 kleine Auberginen, je ca. 350 g
ca. 250 g gute Cherry Tomätchen, Haut geschält
4-6 Sardellenfilets (in Olivenöl), gehackt
2 Zehen Schlangenknoblauch, gehackt
2 EL Salzkapern, gut gewässert, zerdrückt
1 kleiner Bund Basilikum, die gezupften Blätter
2 TL Origano, getrocknet
20 schwarze (ungeschwärzte) Oliven (L.: grüne)
weisse Brotbrösel nach Bedarf (L.: Panko)
Olivenöl
Salz, nur falls nötig, die Kapern und Sardellen bringen genug mit
schwarzer Pfeffer

(1) Backofen auf 180°C UL vorheizen. Auberginen längs halbieren und mit Olivenöl einstreichen, das Innere kreuzweise einschneiden, würzen. (mit Salz vorgängig zu Entwässern ist bei den heutigen Züchtungen überflüssig)
(2) Auberginenhälften Hautseite nach unten ca. 20 Minuten backen.
(3) Tomaten in heissem Wasser brühen, schälen und halbieren, Salzkapern und Sardellen entsalzen, Oliven entkernen und hacken. Basilikum zupfen.
(4) Fruchtfleisch der gebackenen Aubereginen mit einem Löffel herauskratzen, ohne die Schalen zu beschädigen und würfeln.
(5) Auberginenfleisch mit den gehackten Sardellen und dem Knoblauch in wenig Olivenöl anbraten, 2/3 der Tomatenhälften, Origano, Oliven und Kapern zugeben, mischen und unter Rühren etwas einköcheln. Zuletzt die restlichen Tomatenhälften und den Basilikum untermischen.
(6) die Füllmischung in die Auberginenschiffchen füllen. Mit Brotbröseln bestreuen und mit Olivenöl beträufeln.
(7) Im Ofen bei 180°C ca. 15 Minuten backen.


„a scarpone“ oder neapolitanisch „alla scarpunciello“ bezieht sich übrigens auf den Hausschuh einer Madonna des Mittelalters. Gemäss einer Legende verlor die Madonnenstatue ihren Schuh bei einem Spaziergang am Strand, weswegen ihr eine Kirche gestiftet wurde, die heutige „Maria di Piedigrotta“. Die Legende diente im 17./18. Jahrhundert als Vorlage für das Märchen „Cendrillon“ (Aschenbrödel) von Charles Perrault. Und immer wenn ich bei Aschenbrödel bin, komme ich auch zu La Cenerentola: man höre und sehe sich doch gleich die hinreissende Cecilia Bartoli mit ihrer virtuosen Arie „Non più mesta“ an: Das hat zwar mit dem Garten der Frau H. nichts mehr zu tun, ich bin einfach wieder einmal vom Hundersten ins Tausendste geraten. Vom Garten zu den Auberginen, von diesen über den verlorenen Schuh einer Madonna zu Aschenbrödel und letzlich zu einer Primadonna.

Quellen:
Napoli.Time.it

Nacht

Die dunklen Monate haben längst begonnen. Düsternis, wo immer man hinblickt. Selbst auf dem wunderschönen graffito des Hispano-Basler Künstlers fafa (Rafael Márquez) an der Nordwand des Sommercasinos (Headerbild) versinkt die Silhouette Basels in der Dunkelheit. Ein verlorenes Jahr. Zeit um auszumisten. Ordnung zu schaffen. Vieles wurde gekocht, manches fotografiert, weniges davon aufgeschrieben. Hier ein paar Müsterchen aus der Küche der Familie Durchhalter. Damit schicke ich das alte Jahr in Pension. In ein paar Tagen ist Neujahr. Womit die Festtage auch gleich übersprungen, überstanden und abgehakt sind.
Schöne Festtage allen, die hier -regelmässig oder gelegentlich- mitlesen oder auch nur Bilder betrachten. Ich ziehe mich in den Winterschlaf zurück. Falls mich die Frühjahrssonne (ohne C geschrieben) in meiner Höhle mit Licht und Wärme wachküsst, geht es hier wieder weiter.

Remake der mit Brin d’amour gefüllten Anolini:

Ovoli (Kaiserlinge) braten.. Die Thymianrahmsauce ist noch nicht im Bild und Rosmarin-Bratkartoffeln

Ovoli, Staudensellerie, Tomätchen und Fregola sarda

Steckrübenmus mit Dinkelknöpfli (Luxusvariante mit einem Wiener Würstchen)

Lieblingslinsensuppe der Frau Tanja Grandits

Kalbsschulterbraten mit Schmorgemüse, Bohnen und Kartoffelstock aus Andengold.

Tomaten-Pfirsich-Basilikum-Salat

Mais-Pfifferlings-Crèmesuppe mit Thymian

Jede Woche ein Brot: hier mit Trump-Tolle

Gemüseplatte

Bohnenallerlei mit Kichererbsen und Thon

Winterfreuden: Tartiflette mit Reblochon (und Époisses)

Feuilletée au Jambon et Célerie

Clafoutis aux Cerises

Vitello Sous-vide mit Thon und Peperoni gegart

Vitello tonnato einfach

Tonnarelli (alla chitarra) carbonara

Rindfleischsalat mit Bohnen und Kürbiskernvinaigrette

Apfelrührkuchen

Souflée aux fruits de passion (eingeknickt unter der Last des Jahres)

Das Glücksrad

Leben ist ein Auf und Ab, Glücksperioden wechseln sich ab mit Unglücksphasen. So stellt ein Glücksrad aufsteigende, thronende und abstürzende Figuren dar. Zuoberst thront heuer der King of Cookies, das Schokolade-Sablé mit Kardamom. Mächtig von Gestalt, doch wie unberechenbar und brüchig ist das Leben eines mürben Sablés. Wie leicht fällt die Gunst der launischen Schicksalsgöttin Fortuna einer andern Figur zu. Fortuna, die das Rad dreht, ist auf dem Glücksrad nicht erkennbar. Das mahnt daran, sich nicht den unberechenbaren Glücksversprechen der Göttin auszusetzen, sondern sich höhern Instanzen anzuvertrauen. Wie immer die sich nennen. Vielleicht könnte das die Liebe sein, die auch für Kochen und Backen unabdingbar sind. Jede Spezies, jede Figur verdient Liebe. Liebe gibt die Kraft, sich am Rad festzuhalten, immer wieder nach oben zu kommen und sich oben zu halten.

Nach längerer Guetzliabstinenz hab ich mich wieder einmal daran gewagt: erstmals allein. Frau L. kann mir nicht mehr helfen. Ihr Wissen um die Guetzli ist weg und vergessen. Hier im Telegrammstil technische Ergänzungen zur diesjährigen Weihnachtsbäckerei, die Rezepte habe ich für 1 Backblech adaptiert:

Anisbrötli (Springerle, Chräbeli)

Chräbeli in Herzform, auf wunderbar gelungenen High-Heels.
reduziertes Rezept nach Badener Chräbeli
110 g Vollei ohne Schale gewogen (2 Eier und etwas Eiweiss von einem dritten Ei)
250 g Puderzucker
2 gestrichene EL erlesener und trocken leicht angerösteter Anis
270 g Weissmehl 00, gesiebt
1 EL Kirsch
1/2 Zitronenschale, gerieben
1 Prise Salz
zwischen Backpapier ausgerollt, auf ein ausgebuttertes Blech gesetzt, mit einem Model leicht angedrückt, 24h in einem ungeheizten Raum bei 18°C unbedeckt antrocknen lassen. 25 Min. 140°C, U-O, unterste Rille

Brunsli

Herzform, unverändertes Rezept nach Brunsli, Don’t call me Brownie

Zimtsterne

Herzform, reduziertes Rezept nach Sterne, aus Zimt welche
250 g Puderzucker
250 g Mandeln ungeschält, frisch und sehr fein gemahlen
2 Eiweiss, von mittelgrossen Eiern
1.5 EL Kirschwasser
15 g Zimt
1 Prise Salz
1/2 Zitronenschale, gerieben
für die Glasur:
100 g Puderzucker
ca. 20 g Resteiweiss
2 EL Zitronensaft

Mailänder Brötchen

Herzform, unverändertes Rezept nach Mailänderli

Vanillekipferl

Kipferl in Herzform. Neue Sorte in meinem Sortiment. Berglerversion nach Andreas Caminada, Rezept halbiert.
Da der Teig nicht zusammengehen wollte, hab ich 20 g Butter mehr sowie nasse Hände zum Zusammenfügen verwendet. Sehr, sehr mürbes Gebäck, leider wird der Vanillegeschmack vom Zimtzucker etwas verdeckt.