Wer schon einmal die berühmten Nationalpärke in den Vereinigten Staaten bereist hat, kennt bestimmt den im Südwesten Utahs liegenden Brice-Canyon National Park. Im Eringertal, genauer im Ortsteil Euseigne CH-1982 der Gemeinde Hérémence, haben die Jahrtausende eine einzigartige Naturschönheit geschaffen. Bescheidener, kleiner, weniger farbig, dafür erreichbar gelegen: Die Erdpyramiden von Euseigne.
In der Endphase der letzten Eiszeit (Würmeiszeit), ca. 90’000-10’000 a.c. wich der damalige Eringergletscher zurück und trennte sich in die zwei Täler Val d’Hérens und Val d’Hérémence. Dabei hinterliess der Gletscher riesige, von den Seitenmoränen mitgeschleppte Geröllhügel. Im Gebiet von Euseigne wurde der Schutt der beiden Täler zu einer mächtigen Mittelmoräne zusammengeschoben. Das schmelzende Eis bildete Hohlräume, die sich allmählich mit Kies, Sand und Lehm füllten. Unter dem Druck der Eismassen verdichtete sich das Material zu einer Beton-ähnlichen Masse.
Seit dem Rückzug des Eises ist das Material der Witterung ausgesetzt. Niederschläge und Schmelzwasser im Frühling erodierten die Moräne und legten nach und nach die im Moränengeröll enthaltenen, grossen Felsbrocken frei. Ab einer bestimmten Grösse und Gewicht bilden die Felsbrocken eine Art „Schutzkappe“ über dem darunter liegenden Moränenbeton. Die Felsbrocken drücken das darunter liegende Gestein noch mehr zusammen und schützen es vor weiterem Abtrag durch die Witterung.

Was keine Kappe trägt, wird durch das Wechselspiel von Frost und Tauwetter, von Wind, Regen und Eis abgetragen und weggeschwemmt. Dieser natürliche Erosionsprozess ist weiterhin im Gange. Früher oder später werden die Türme zusammenfallen, ihre Kappen verlieren. Ein Vorgang, der vielleicht noch ein paar Jahrzehnte, vielleicht auch ein oder zwei Jahrhunderte dauern wird. Dann werden die Pyramiden verschwunden sein.

Ebenso einzigartig wie die Pyramiden sind auch die hier oben lebenden, eigensinnigen Bergbewohner, die einen für unsere Ohren kaum verständlichen, franko-provenzalischen Dialekt (arpitanisch) sprechen. Besiedelt wurden die beiden einsamen Seitentäler vor etwa 1000 Jahren. Die weit oben gelegenen Weiler sind im Winter von der bewohnten Welt abgeschnitten und heute nur noch zum Teil besiedelt. Wenn hier oben alte Menschen verstarben, dann eigenartigeweise meist im Frühjahr. Boshafte Gerüchte wollen wissen, dass die Familien ihre verstorbenen Angehörigen in Gletschereis legten und darin solange konservierten, bis sie im Frühjahr als verstorben gemeldet und ordentlich beerdigt werden konnten. Ein paar Monate zu viel ausbezahlter Altersrente kann ja jeder gebrauchen.
Ebenso urtümlich wie die Bewohner des Eringertales sind ihre schwarz-braunen Kühe. Stämmig, störrisch und kämpferisch kommen sie nach den langen Wintern aus ihren Ställen, um die Hierarchie in der Herde für den Alpsommer auszumarchen. Ihr Kampfverhalten ist angeboren. Am 11. Mai 2014 fand übrigens das Nationale Finale der Eringer Ringkampfkühe statt.

Quellen:
wiki Erdpyramiden von Euseigne
NZZ: Im Tal der Kampfkühe
Die Natur ist für mich der größte Künstler!
die Natur kanns halt, wir Menschen künsteln etwas herum und danach sehen unsere Kunstwerke auch aus.
Du führst uns in die abgelegensten Täler, von denen ich noch nicht mal wusste, dass sie existieren. Danke für diese eindrucksvollen Fotos und deinen Bericht.
Das Tal ist touristisch auch nur wenig erschlossen
Spannend, was Du da wieder aufgespürt hast. Und dann diese böse Gerüchte 😉
Liebe Sonntagsgrüsse aus Zürich,
Andy
vor etwa 50 Jahren war ich hier unten in der Rekrutenschule. Da sieht man was von der Schweiz.
Schön berichtet. Interessant, dass die Kühe (angeboren, instinktiv) um die Rangordnung kämpfen und nicht die Stiere, bovine Amazonen? Was geschähe, wenn auf der Alp nebst den vielen Kühen noch einige Stiere wären?
In einer Kuhherde haben die Kühe und nicht die Stiere das Sagen. Wie sich die Stiere verhalten würden, weiss ich nicht. Die würden vermutlich auch kämpfen, aber aus anderen Gründen.
Der erste Fakt kommt auch in Häusern vor, wobei ich selbstverständlich weiblich/männlich meine.
Dein Bericht katapultiert mich zurück an den Anfang der 80er Jahre, als ich durch Bulgarien trampte. Im Süden des Pirin-Gebirges, bei der kleinen Stadt Melnik, die auf römischen Ruinen und anderer untergegangener Reiche steht, nahe der griechischen Grenze, gibt es Pyramiden, die sehr, sehr ähnlich aussehen, farbiger, aus Sandstein, von der Erosion geformt, flirrende Hitze, ein Gebirsgbach, die nahe, unüberwindliche Grenze.Ich kann es kaum glauben, dass du mich jetzt daran erinnerst. Danke.
Hab mir die Bilder der Melnishki piramidi eben in google earth angesehen. Entstanden durch Erosion in Karst. Eindrücklich.
Ich sehe schon, wir werden um einen baldigen Schweiz-Besuch nicht herumkommen. 😉
bin noch lange nicht fertig mit der Serie „Unser“ 😉
Diese Steinhütchen auf den Säulen sehen bizarr und schön aus.
Zu den Gerüchten: in der Stadt hat man die Tiefkühlzelle erfunden.
Der TK ist bei mir schon voll.
Na sowas – Ihr seid also auch für Stierkampf… 😉
Hier kennt man keine Toréadors.
Brice Canyon kann ich sehr empfehlen. Es ist sehr schoen dort. Unbedingt einen Tag oder zwei zum Wandern einplanen!
wenn er nur nicht so weit weg wäre.
Beim ersten Foto dachte ich, oha, es hat den Robert nach Kapadokien verschlagen. Aber das hätte mich dann doch sehr gewundert! Lustig, dass die Natur in so verschiedenen Gegenden so ähnliche Formen hervorbringt.
Die Naturgesetze gelten überall. Auch in Kappadokien. Da kann ich ja gleich in der Schweiz bleiben 😉
Spät kommt er, mein Kommentar, aber er kommt: du versetzt mich ob eurer Schweiz und der Kleinode, die es da gibt, immer mehr ins Staunen! Danke, dass du uns diese Naturschönheiten zeigst….so kommen wir zumindest virtuell in den Genuss.
Um die schönsten Dinge zu sehen, bräuchte man Wanderschuhe.
ich weiß. – Aber mit zunehmendem Alter bleibt einem so manches verschlossen, das stelle ich immer öfter fest….aber virtuell und Fotos sind auch schön. 🙂