Wir Toten, wir Toten sind größere Heere
Als ihr auf der Erde, als ihr auf dem Meere ! …
(aus Chor der Toten von Conrad Ferdinand Meyer)
Ein Gang ins Schattenreich, doch an ihm kommt keiner vorbei. Früher oder später. Oder am 1.11., dem Tag der offenen Friedhofstür. Als potentieller Sterbeanwärter wollte ich mir die künftigen Nachbarengel erst mal ansehen. Neben wen man allenfalls zu liegen kommen könnte.
1866 liess der Basler Stadtrat zwei neue Friedhöfe ausserhalb der zu eng gewordenen Stadt anlegen. 1872 wurde der Wolfgottesacker, erbaut nach einem stimmig gestalteten Plan von Amadeus Merian, als abgelegener Feldfriedhof eingeweiht. Heute gilt er als einer der schönsten Friedhöfe des 19. Jahrhunderts in der Schweiz. Kaum eröffnet, erwies sich der Friedhof als Hindernis für die Schweizerische Centralbahngesellschaft. Diese benötigte für den geplanten Rangier- und Güterbahnhof Platz. Der Nordteil des Friedhofs wurde an die Bahngesellschaft abgetreten, das Friedhofsareal im Westen und Osten erweitert. 1915 wurde neben dem Südportal ein Strassenbahndepot erstellt. Das Umfeld verwandelte sich mehr und mehr zur Gewerbezone. 1957 wurde der Westteil des Friedhofs zum Bau eines Kühllagerhauses der Bahn abgezwackt. Mit der Aufhebung der Friedhöfe Horburg und Kannenfeld im Jahre 1951 wurden einige Familiengräber mit erhaltenswerten Grabdenkmälern in den Wolfgottesacker verlegt.

Seit 1980 dient der Wolfgottesacker ausschliesslich als Standort von Familiengräbern. 1995 wurde der Friedhof unter Denkmalschutz gestellt. Gegenüber dem Südeingang wurde mit dem M-Parc ein grosses Einkaufszentrum gebaut. Die Tramhaltestelle „Wolfgottesacker“ wurde in „M-Parc“ umbenannt, obwohl die Besucher des Konsumtempels meist mit dem Auto vorfahren.
Den Friedhof erreicht man, aus der Stadt kommend, mit der Strassenbahn (einfache Fahrt). Wer nicht für immer bleiben will, muss eine separate Rückfahrkarte erwerben. Hier ein paar weitere Impressionen:









„Zu früh für uns !“ ? Zu früh für mich ! Alle guten Plätze belegt. Ich habe mir dann doch eine Rückfahrkarte gekauft und bin mit dem Tram wieder in die Stadt gefahren. Mehr Engel unter dem Stichwort Engel. Ernsthaft: ein sehr schöner, sehenswerter Friedhof inmitten einer grünen Insel. Wenn bloss die Umgebung nicht wäre.
Schöne Bilder, danke für das Mitnehmen. So sehr mich Friedhöfe faszinieren, speziell im Ausland, ziehe ich vor, eingeäschert zu werden statt zu vermodern, und eine Gedenktafel, Grabstein oder so lehne ich für mich strikte ab.
Da kann ich nur zustimmen. 🙂
Grabsteine sind nicht für Verstorbene, sondern für die Hinterbliebenen.
Danggscheen fir dä passendi Iitrag zem hytige Daag !
I bewundere di goldige Humor, wo du sälbscht bi däm spezielle Thema fiin verteilt losch lo duure bligge.
P.S. S‘ Wort „Schwarzfahrer“ bekunnt uf dere Trämli-Streggi ganz e eigeni Bedytig.
Heiterkeit irritiert den Tod.
Wenn es auch oft umgekehrt aussieht, wir sind mitten im Tode vom Leben umfangen.
Ach, deshalb werde ich mitten in der grössten Friedhofsstille immer so zappelig.
Die Umgebung wird noch ungemütlicher sein, wenn die Familiengärten auf der rechten Seite in wenigen Jahren verschwinden müssen und durch halbe Hochhäuser ersetzt werden. *seufz*
Ihr habt euer Gärtlein dort ?
Sehr schöne und bewegende Fotos!
Grüsse,
Rosa
Engel bewegen uns immer.
Nun bin ich doch in der ersten Oktoberwoche täglich mit der Tram dran vorbei gefahren …
Die Haltestellenbezeichnung und der Blick nach rechts animierten nicht zum Aussteigen.
es erweitert den Blickwinkel, wenn man sich ab und zu auf einen Sitzplatz auf der linken Seite des Trams setzt.
Zum ersten Mal seit Jahrzehnten versäume ich heute das Requiem – da schicke ich wenigstens auch einen (Erz-)Engel, obwohl er ja sonst nicht gerade auf Engel macht…
Teile des Textes kann ich auch noch, jedoch für das Berlioz-Requiem.
Ein wunderschöner Beitrag.
Das kann man so oder so sehen 😉
„Potentieller Sterbeanwärter“? Meine Güte, Robert!
Sind wir doch alle. Und je älter wir werden, desto grösser wird die Wahrscheinlichkeit.
Wie schön – deine Bilderserie erinnert mich an den geschätzten Bildband *Denn alle Lust will Ewigkeit*, der sich den Grabskulpturen, den schönen, gewidmet hat… Und ja, sie sind für die Hinterbliebenden – was sollte der Verstorbende auch damit machen…
Nicht nur für die Hinterbliebenen 😉 Schöne Engel entzücken jedes Auge.
Hier muss ganz eindeutig eine Männerquote her!
Dazu müsste man mehr Grabbildhauerinnen ausbilden.
in einem wunderbar anrührenden film über die liebe zweier krebskranker jugendlicher stellt am schluss die junge frau fest, beerdigungen sind nicht für die toten sondern für die lebenden.
genauso verhält sich der verständliche wunsch noch nach seinem tod bestimmen zu wollen was mit einem geschieht.
dabei wird oft unbeachtet gelassen ob man mit diesem wunsch nach anonymität den „hinterbliebenen“ nicht eine chance verbaut durch einen originären ort der erinnerung seiner trauer einen raum zu geben.
als langjähriger hospizbegleiter machte ich die erfahrung, dieser Ansatz wird von den hinterbliebenen meist unterschätzt.
Beerdigungsriten und die damit zusammenhängenden Entscheidungen haben zweifellos eine enorme, soziale Relevanz.
Ich sehe schon, auch woanders gibt es schöne Engel. Trotzdem: immer eine Rückfahrkarte 😉