Auf der Suche nach Steinpilzen stiessen wir auf einzelne, so richtig giftig aussehende Pilze. Die oft in Hexenringen auftretenden, grossen, überalterten Exemplare mit schleimigem Hut wiesen darauf hin, dass dieser Pilz von gelegentlichen Pilzsammlern wohl eher verschmäht wird.

Man muss genau hinsehen, denn im letztjährigen Laub fällt der samtige, dunkelbraune Hut junger Pilze kaum auf. Die Röhren im Hut sind gelblich-grün und enden auf ihrer Unterseite in leuchtend orange-roten Poren. Der bis zu 5 cm dicke Stiel zeigt rötliche Flocken auf gelbem Grund. Kein Netz. Im Anschnitt zeigt er zunächst schwefel-gelbes Fleisch, das sich im Kontakt mit der Luft in Sekundenschnelle intensiv cyanblau verfärbt. Schnitt- und Druckstellen verfärben sich später Braun-Schwarz. Nach geraumer Zeit oder beim Kochen verblasst die blau-grüne oder dunkle Färbung wieder und macht einem blassen Gelb Platz. Hexenwerk?

Wir haben uns noch nie an ihn getraut, aber Frau H., ihre Pilz-App und ihre Pilz-Bücher befanden unisono, dass es sich um den Flockenstieligen Hexen-Röhrling handeln müsste. Ein beliebter Speisepilz. Und wenn Frau H. das sagt, glaube ich ihr das. Von Pilzkennern lässt sich der Pilz übrigens liebevoll „Flocki“ nennen. Und wenn ein Pilz „Flocki“ heisst, kann er nicht ungeniessbar sein. Nur gekocht muss er werden, in rohem Zustand sei er ungeniessbar.

Die Fachliteratur belegt, dass der Farbwechsel kein Hexenwerk ist, sondern auf enzymatische Oxidation von gelben und roten Hydroxy-Pulvinsäurederivaten zurückzuführen ist. Dabei entstehen blaue Hydroxychinonmethide. Alles Natur.
Aufgrund der zugrunde liegenden Chemie wurden mir die Pilze zur Zubereitung anvertraut:
Pilzragout aus Flockenstieligen Hexenröhrlingen

Zutaten und Zubereitung
für 2 Personen
Pilzragout
4 jüngere, Flockenstielige Hexenröhrlinge
30 g Butter
1 Schalotte, fein gewürfelt
1 Knoblauchzehe, fein gewürfelt
1/2 Chilischote, entkernt, fein gewürfelt
4-5 mittelgrosse Tomaten
1 EL Pilz-Miso
Fleur de Sel, schwarzer Kampotpfeffer
Petersilie, gehackt zum Überstreuen
(1) Pilze putzen und klein schneiden. Eine grosse, beschichtete Bratpfanne trocken erhitzen, Pilze zugeben und 2-3 Minuten dünsten. (2) Butter, Zwiebel und Knoblauch zugeben und zugedeckt, unter gelegentlichem Rühren, weitere 5 Minuten dünsten.

(3) Indessen Tomaten durch Überbrühen mit kochendem Wasser enthäuten und würfeln.
(4) Tomaten zu den Pilzen geben und zu Beginn zugedeckt, dann offen weitere 15 Minuten garen, bis die Tomatenflüssigkeit stark eingedickt ist. Abschmecken mit Pilz-Miso, Salz und Pfeffer. Am Schluss die Petersilie unterziehen und aufstreuen. Die lange Garzeit ist erforderlich, um die Pilze bekömmlich zu machen. Trotzdem wird der Pilz nicht schlabbrig.
Dazu servierte ich ein Weissweinrisotto mit Zucchini. Da dessen Zubereitung ebenfalls rund 25 Minuten benötigt, geht alles parallel.
Anmerkung:
(1) Hurra, wir leben noch!
(2) Eines der besten Pilzgerichte, das wir je gegessen haben. Eines, das man sich in Restaurants kaum bestellen kann.
Warnung:
Der Flockenstielige Hexenröhrling wird vor allem mit zwei anderen Pilzarten verwechselt:
Netzstieliger Hexenröhrling (Suillellus luridus)
Wie der Flocki ist er roh nicht essbar, aber ein guter Speisepilz, wenn er ausreichend erhitzt wird. Beide Arten laufen im Schnitt rasch und blau an. Unterscheidungsmerkmal ist der Stiel, der beim Netzstieligen Hexenröhrling von einem orangeroten bis purpurfarbenen Netz überzogen ist.
Satansröhrling (Boletus satanas)
Der eher seltene Giftpilz verursacht schwere Magen-Darm-Erkrankungen mit heftigem Erbrechen. Letzte Woche einer Familie im Jura passiert. Spitalaufenthalt für alle 6 Familienmitglieder. Der Satansröhrling besitzt ebenso wie der Flockenstielige Hexenröhrling rote Poren auf der Unterseite des Hutes. Der Hut des Satansröhrlings ist jedoch kalkweiß bis weißgrau, älter tendiert dessen Farbe mehr ins Hellbraune und manchmal leicht ins Grünliche. Der Doppelgänger läuft bei Druck auch leicht blau an, aber meist heller und nicht so schnell. Sein Stiel zeigt ein hellgelbliches bis rotes , engmaschiges Netz.

der „Ausflug“ in die Biochemie, nannte man früher wohl Organische Chemie hat mir sehr gefallen !
Alles Hexerei !
Deshalb schaue ich hier immer mal rein; vor Jahren dieser Beitrag zum Magnesium im Chlorophyll und dem ph-Wert.
Seitdem bleibt mein Gemüse beim Kochen grün !
so erhält man sich LeserInnen grün 🙂
Ich sammle auch seit wenigen Jahren den *Flocki*, ein leckerer Pilz. Den Satansröhrlinge hatte ich noch nicht gesehen, gut zu wissen und gut auseinanderzuhalten, dank des Fotos.
heute haben wir die gestern gefundenen Flockis getrocknet. Bin gespannt, wie sie schmecken.
Schön, hast du Bekanntschaft mit dem Flocki gemacht. Er steht für mich schon Jahrzehnte regelmässig auf dem Speiseplan. Für mich, nebst dem Steinpilz mit seinen besonderen Aromen, einer der besten Röhrlinge. Ich mag auch die gelbe Farbe nach dem kochen von diesem Pilz.
Seit Jarzehnten! Alle Achtung. Für uns ist er eine Neuentdeckung. Mit dem nunmehr geschärften Blick sehen wir sie überall im Wald.
gestolpert bin ich über das Dünsten der Pilze in der trockenen Pfanne.
Freddy Girardet machte das auch so, zuerst trockene Pfanne, damit die Pilze trockener werden, und danach erst Butter und Zwiebeln, damit alles brät statt im eigenen Saft zu kochen.
Nur, ist das dünsten , ausdünsten oder trocken braten?
Den Begriff dünsten benutze ich persönlich nur wenn etwas in der eigenen Flüssigkeit, oder einer Zugabe, mit geschlossenem Deckel gart.
Meist geht es in unseren Küchen und auch Rezepten um Zutaten. Techniken finde ich ebenso relevant !
Schöne Grüße und danke für die Pilze !🍄🍄🍄
Dünsten bedeutet, entweder ohne -also trocken- oder mit sehr wenig Flüssigkeit – egal ob Butter, Öl, Wein oder Wasser- quasi im eigenen Saft zu garen. Nahe verwandt ist das Sautieren.
die semantische Breite von „dünsten“ ist ziemlich groß, wie ich der Antwort entnehmen könnte.
Semantische Breiten sind manchmal nützlich, um dem Verstehen Luft zu lassen.
In der physiko-chemischen Technik , dem Kochen z.B., sofern man Kochen dazu zählt, so meine ich, eher hinderlich.
Man könnte dann von unpassender Ungenauigkeit sprechen, während im easy talk Ungenauigkeit passend ist.
Wobei wir jetzt beim Dunst angekommen wären, in seinen vielfachen Formen.
Kochen ist Kunst. Wissenschaftliche Genauigkeit ist dabei eher hinderlich und ist allenfalls für die Reprozierbarkeit eines Rezeptes nützlich,
Oder das poelieren, hellbraun dünsten.
Guten Tag Robert,
der Flockenstielige Hexenröhrling hat noch zwei andere Vorteile. Im Vergleich zum gleichfalls wohlschmeckenden Steinpilz (meist mundet uns der Hexenröhrling aufgrund der Konsistenz mehr) hat er deutlich weniger Maden und er verträgt Trockenzeiten besser (er hält länger und trocknet ohne zu zergehen).
Den Satansröhrling haben wir auf Granit und Gneis bisher noch nie gefunden. Er braucht wohl Kalk.
Gruß
Ah, deshalb die Hexenröhrlingsschwemme im Jura. Wir hatten einen extrem trockenen Sommer. Heute haben wir 2 Ofengitter voller Hexenröhrlinge aufgeschnitten und getrocknet. Kein einziger Wurm.
Die Bilder sind ein Gedicht! Der Hexenpilz ist mir von Kindheit an bekannt – aber in den letzten Jahren habe ich keinen mehr gesehen. Guten Hunger
Jedes Jahr bringt wohl seine bevorzugten Pilze hervor.
😄 – unser menu sieht im grossen ganzen heute gleich aus. hatte glück noch eierschwämme zu finden. den netzstieligen ziehe ich dem flockigen vor. und beide lass ich stehen, wenn es steinpilze hat🫣 .gut pilz 🍄 und 👋🏼❤️🐝👑🐶
wir lassen nichts Essbares stehen 😉
https://lamiacucina.files.wordpress.com/2022/09/pilzausbeute-20220916.jpg?resize=160%2C160
Gott sei Dank – solange Du Beiträge veröffentlichst, habt Ihr die richtigen Pilze genommen…
Gedörrt ist noch nicht gegessen 😉
Gut, dass es gut gegangen ist.
Aber das ist Zufall, wenn man Pilzapps vertraut und Pilzbüchern!.
Es ist bekannt, dass es kaum Pilz-Apps gibt, die fehlerfrei und eindeutig sind, im Gegenteil: fehlerhaft.
Gerade darüber gab es eine Sendung im deutschen Fernsehen, SWR. Es wurden Apps getestet und fast alle Apps lagen falsch!
Soviel dazu!
Man kann wirklich nur Pilzkennern vertrauen, oder was es in Bayern gibt, Pilzsachverständige, die meist in Rathäusern Pilzsammler beraten.
Wenn man absolut unerfahren ist und Pilz-Apps und Pilz-Büchern vertrauen muss: Finger weg von Pilzen!!!!
Das muss hier wirklich deutlich gesagt werden!
ich frage mich allerdings, woher die Pilzsachverständigen und -kenner ihren Sachverstand hernehmen, wenn nicht aus Büchern. Ich selber bin Pilzlaie, hingegen vertraue ich Frau H.. In Zweifelsfällen (auch sie kennt nicht alle Pilze) prüft sie mit ihrem grossen Stereomikroskop Pilze auf alle ihre Merkmale und bestehen dann immer noch Zweifel, werfen wir sie weg oder fahren in die 15 km entfernte Pilzkontrollstelle. Die Apps haben den Vorteil, dass man mit ihnen nur das mitnimmt, was essbar oder möglicherweise essbar ist. Oft erlebt man beim Pilzkontrolleur dass unerfahrene Sammler einfach alles ausreissen, was nach Pilz aussieht und dann dem Kontrolleur das Wegwerfen überlassen. Wer absolut unerfahren ist, soll die Hände von Pilzen lassen, das unterschreibe ich.