Frostiges Erwachen an unserem Übernachtungsort auf 850 m.ü.M.: Eisregen, Schneematsch und Null Grad Celsius.

So nutzten halt auch wir die Gelegenheit, die durch Besuche vieler Päpste, Heiliger und Fürsten berühmte Wallfahrtskirche zu besichtigen. San Michele ist eine Grottenkirche. Neben einem achteckigen Glocken- und Wachtturm (1273/74) steht die zweiteilige Eingangshalle (1395). Die Kirche selber liegt im Innern des Berges. Da war es zwar auch kalt, aber der Schneeregen fand draussen statt. Nach dem Durchschreiten der bronzenen Eingangspforte gelangt man direkt hinab zur Grotte des Erzengels.

Die riesige Kalksteinhöhle muss angesichts der Lage, der Struktur und der Größe bereits in griechischer und römischer Zeit ein Ort der Anbetung gewesen sein. Der Ursprung des Heiligtums wird auf das Ende des 5. und den Beginn des 6. Jahrhunderts datiert. Der damalige Bischof von Siponto wollte den heidnischen Kult unter den Bewohnern des Gargano ausrotten und ist wohl der Urheber der wundersamen Mär über seine Begegnungen mit dem Erzengel Michael.
Zwischen dem 6. und 7. Jahrhundert wurde der Ort zum Nationalheiligtum des Langobardenreichs. Was hätte sich zur Förderung des neuen Volksglaubens und der Festigung der Religionspolitik besser geeignet als der kriegerische Erzengel Michael?
Nach mehreren Angriffen der Sarazenen im 9. Jahrhundert wurden umfangreiche Renovationen und Erneuerung durchgeführt. Zwischen dem 10. und 11. Jahrhundert geriet die Wallfahrtskirche unter byzantinische Herrschaft. Diese wurde im 11. Jahrhundert von den Normannen abgelöst. Der Schwabe Friedrich II. hielt sich zu Beginn des 13. Jahrhunderts mit seinem prächtigen Hofstaat öfters in Monte Sant’Angelo auf.
Auf Veranlassung von Karl I. von Anjou, seit 1266 König von Sizilien, erfuhr das Sanktuarium des Erzengels Michael eine massive Umgestaltung. Das Heiligtum wurde zu einer obligatorischen Etappe auf der so genannten Via Francigena, die Gläubige und Kreuzritter ins Heilige Land führte. Im 17. Jahrhundert wurde die Stadt Monte Sant’Angelo zum wichtigsten Zentrum des Gargano.
Blick in die Michaels-Grotte: Hinter dem Altar droht der Erzengel mit seinem güldenen Schwert. Dem Wetter sei Dank, sonst hätte es hier über die Ostertage von Menschen gewimmelt.

Da der Schneeregen nicht aufhörte, lud uns die Reiseleiterin zu einem geführten Museumsbesuch ein. Das Museum befindet sich teilweise in alten Krypten aus byzantynisch-langobardischer Zeit, die um die Jahre 1270 – 1275 endgültig geschlossen wurden, als die Anjou dem Heiligtum mit neuen Bauten seinen heutigen Grundriss gaben. Während der folgenden Pestepidemien füllte man die Krypten mit Pestleichen.
Blick in die alten, wieder ausgegrabenen Zugänge der Grotte:

Hier sind alle Skulpturen ausgestellt, die bei den Ausgrabungen des Heiligtums, der Vorgängerkirche und in den der Ruinen der Abtei Santa Maria di Pulsano gefunden wurden, u.a eine Erlöserstatue aus dem 15. Jahrhundert und ein betender Christus aus dem 11. bis 12. Jahrhundert.


Neben dem Lapidarium sind auch die anderen Teile des Museums sehenswert, so die vielen Darstellungen des Erzengels und die Sammlung alter und jüngerer Votivtafeln.

Erzengel Michael in action als Lebensretter.

Der Schneeregen wollte immer noch nicht hören. An italienischen Wallfahrtorten ist man speditives Arbeiten gewohnt: caffè im Dutzend.

Anstelle der Wanderung auf den höchstgelegenen Berg des Gargano, den Monte Calvo (der seinen Namen dem völlig kahlen Gipfel auf 1065 m verdankt), wurde kurzfristig umdisponiert: mit einer Wanderung zur Baia Vignanotica [folgender Beitrag]. Am nächsten Tag war der Schneespuk vorbei, die Sonne schien wieder.
Die zweiteilige Eingangshalle des Sanktuariums San Michele:

Die ältesten Häuser der um das Jahr 1000 gegründeten Stadt sind mit Vorbauten geschützte Höhlen:

Dachlandschaften:

Typisch für den Ort sind die einfachen, zweistöckigen Häuser im Einheitsstil mit einem Wohnraum im Parterre und einem Schlafraum im ersten Stock:

Enge Gassen in der Altstadt:

Häuserverbindende Wäscheleine:
