2013 wurde der alte Hafen von den Architekten Norman Foster und Michel Desvigne umgebaut. Die umgebenden Strassen der Quais auf 2 Spuren reduziert und der freiwerdende Platz zu einer Fussgängerzone umgestaltet. Attraktiver Blickpunkt der offene Pavillon, dessen polierte Dachunterseite das Treiben auf dem Platz spiegelt und Licht und Farben intensiviert.

Ein paar Kutter entladen ihren täglichen Fang (auch Sonntags) im Hafen.



Auf einem stillen Platz eine eindrückliche Lesung aus Büchern von Anna Seghers (Transit) und Günther Lier (Marseille), die beide über die Hölle tausender Menschen berichten, die im zweiten Weltkrieg auf ihre Papiere warten, um endlich ausreisen zu können. Geflüchtet vor den Schrecken des Zweiten Weltkriegs, vor den Nazis, gestrandet in Marseille. Bittstellen und endloses Warten in Konsulaten, die nervenzehrenden Berichte und Gerüchte in den Cafés und Restaurants am Hafen und wie sie die Betroffenen zermürben. Das ständige Auf und Ab zwischen Hoffnung und Todesangst. Ein Leiden, das man sich beim heutigen Anblick des Hafens kaum mehr vorstellen kann.

Wanderung zum Fort Saint Jean, das 1660 unter Louis XIV am Eingang zum Alten Hafen erbaut wurde. Es sicherte die rechte Hafenseite gegen das Meer, die Kanonen konnten aber auch gegen die Stadt und ihre aufmüpfige Bevölkerung gerichtet werden. Während der Französischen Revolution wurde das Fort als Gefängnis genutzt, danach diente es als Stützpunkt für die Fremdenlegion. Heute ist das Fort Teil des Musée des Civilisations de l’Europe et de la Méditerranée, kurz: MuCEM und beherbergt u.a. einen wunderschönen botanischen Garten mit den im westlichen Mittelmeerraum gedeihenden Pflanzen.



Mit der U-Bahn ins 9. Arrondissement zu der vertikalen Stadt, der betongewordenen Idee einer Wohneinheit (Unité d’Habitation), die vom Schweizer Architekten Le Corbusier 1925 erdacht wurde.
Mit standardisierter, modularer Serienproduktion (ein Vorgänger der Plattenbauten) wollte er den Bewohnern einen erhöhten Wohnkomfort zu erschwinglichen Preisen anbieten. Seine Idee wurde in Marseille mit der Cité radieuse 1947-1952 erstmals realisiert. In Frankreich entstanden weitere 3 Einheiten, eine in Berlin. Das Haus hat 337 doppelstöckige Appartements, Lift, Hotel, Wäscherei und ein Restaurant. Der Beton bröckelt, Armierungseisen liegen bloss. Die Aussicht ist schön, der Pool auf dem Dach war jedoch für die Bewohner reserviert.


Nach dem Lunch (eingekauft bei Aldi) im Parc Borely, wo nebeneinander ein französischer Barockgarten und ein englischer Landschaftsgartern angelegt sind, ging der Stadtspaziergang an einem im Rahmen des urbanistischen Erneuerungsprogramms angelegten Weg entlang des Flüsschens Huveaune wieder zur Metrostation. Abends gutes Essen mit Frau H. im L’Épuisette, einem besternten Fischrestaurant. Erinnerungswürdig der Aspic de Boullabaisse und meine nette Begleitung.
Am Sonntag war schon wieder Kofferpacken angesagt. Der Kopfbahnhof wurde bereits 1848 eröffnet, später ausgebaut. Marseille-Saint-Charles war einst eine wichtige Etappe auf der Seereise nach Afrika, in den Nahen und Fernen Osten, bevor das Fliegen populär wurde. Er ist über eine monumentale Treppe mit dem Stadtzentrum verbunden, die 1925 eröffnet wurde und von zahllosen Statuen gesäumt wird, die von all den entfernten Orten inspiriert sind, zu denen die Menschen vom Hafen von Marseille aus segelten.


Nicht die Schönste aller Städte der Welt, doch gewiss viel schöner und ergiebiger als Hollywood.
Ende