Die Geschichte der Pizza, genauer des Pizzabodens, ist eng mit der Geschichte des Brotes verflochten. Die geniale Erfindung eines unbekannten Bäckers aus Neapel, einen Teig dünn auszuziehen, mit Zutaten zu belegen, ihn knusprig, aber nicht hart zu backen, hat sich, ähnlich den Hamburgern, in der ganzen Welt erfolgreich durchgesetzt. Überspitzt gesagt, gehört eine gute Pizza zu den kulinarischen Grundrechten.
Zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurde die Pizza mit Tomatenbelag in den Regionen Neapels und Kampaniens zu einer weit verbreiteten Volksspeise. Bei der Verbreitung der Pizza scheint die Kunst, eine Pizza gleichzeitig dünn und knusprig zuzubereiten, unterschiedlich tradiert worden zu sein. Einzelne Regionen Italiens bevorzugen jedenfalls dickere Teigfladen. Mit den Auswanderern aus süditalienischen Regionen hat die Pizza schon früh Einzug in Amerika gehalten, erst viel später auch in den Ländern Europas. Darum hat Amerika schon früh eine eigene Pizza-Tradition „American Style“ entwickelt, mangels neapolitanischem know-how: dicke Teige, schwerer Belag.
Ich selbst habe die Pizza erst in den 60-er Jahren wahrgenommen. Mit den Bemühungen findiger Hobbyköche, Bäcker-Innungen, Hausfrauen, Doktor O. und andern wurde der Teig nördlich des Gotthards zunächst Richtung Biskuit „verbessert“. Das der einfachen italienischen Küche entstammende Gericht wurde sodann zum Bersten voll mit „Belag“ beladen. Mit Dosen-Ananas, Tuttifrutti und Steinpilzen beschwert, Motto „da muss was drauf..“.
Hierzulande weist der Trend seit ein paar Jahren wieder in die ur-sprünglichere Richtung. Seit die Nahrungsmittelmultis Light-Produkte und die Pizza Fina propagieren, kann der Teigboden, meist bei gleicher Belagsdicke, nicht dünn genug sein. Die Folgen: ein Teigboden, der in kürzester Zeit vom Belag durchweicht und schlapp wird.
Besonders interessant ist es auch, die Bemühungen unserer TV-Köche an der Pizza zu verfolgen: z.B. Herrn J. Lafer (der freundliche, schnauz-bärtige Herr, der sich gelegentlich in der Sendung Lichter!Lecker! in den Kulissen zu schaffen macht). Herrn Lafers Flammkuchenpizzateig war recht mächtig geraten. Daran war allerdings seine Assistentin, ZDF-Moderatorin Nina Ruge, nicht ganz unschuldig. Aber am Ende schlapp wie ein Putzlappen. Der Flammkuchen, nicht Frau Ruge. Video Lafer!Lichter!Lecker vom 21.04.2007. Die entscheidende Szene passiert zwischen 29:00 und 29:00 Minuten. Oder der von mir sonst so geschätzte Alfons Schuhbeck: Hausmanskost Italien, Folge 12 am bayerischen TV: Thema Wurst und Pizza. Pizza mit Steinpilzen und kandierten Tomaten. Rezept ganz nett, aber schlapp wie (siehe oben). Kommentar Alfons Schuhbeck: „schön weich“.
Meine ideale Pizza ist nicht zu dünn, aber auch nicht zu dick und erhält an Belag nur das Nötigste. Was ich gar nicht mag, sind durch-weichte Böden, ebenso mag ich keine steinhart gebackene Fladen. Vielleicht bin ich es ja, der falsch liegt, wie damals in einer Pizzeria in Meersburg, wo eine grosse Gruppe älterer Besucher fein säuberlich den innern Teil der Pizza heraus-geschnitten und gegessen, den offenbar zu knusprigen Rand in stummem Protest wie einen Reifenkranz auf den Tellern zurückgehen liess. Ich dagegen hätte lieber den innern Teil liegen lassen. Ich hüte mich deshalb davor, irgendwelche Dogmen aufzustellen, wie eine gute Pizza beschaffen sein soll. Ich mag den Köchen, Pizzaliebhabern, Kindern und Doktoren ihre Spielwiese nicht wegnehmen.
Auf dem Foto oben bin ich gerade dabei, die Pizza auf Festigkeit zu prüfen: ein 5cm breites und 10cm langes Mittelstück am Rand hochhalten: meine Pizza hält sich einigermassen horizontal…(meistens), ohne dass der Teig hart ist….(auch meistens).
Über die korrekte Mehrzahlbildung von Pizza (Pizzas, Pizze, Pizzen, Mafiatorte ?) hat sich bereits Zwiebelfisch (Sebastian Sick) in der Spiegel-Kolumne abschliessend geäussert.
Übrigens: bei den Kochbloggern finden sich immer wieder sehr schöne, der Beschaffenheit nach perfekte Exemplare: zB. Chili und Ciabatta oder eine schöne Focaccia bei genussmousse. (Liste nicht vollständig). Damit Dr. O. bzw. dessen Rechtsanwälte ihre Stirne nicht runzeln müssen: die Fertigpizzen haben in den letzten Jahren an Qualität zugelegt. In meinem Tiefkühler befinden sich jedenfalls welche.
Nächste Folgen:
Hier eine Buchempfehlung für Pizza, Brot etc. „BROT für Geniesser“ von R.Bertinet
http://www.amazon.de/Brot-für-Genießer-53-Variationen/dp/3884727117/ref=pd_bbs_sr_1/028-1435304-3185329?ie=UTF8&s=books&qid=1178773988&sr=8-1
[lamiacucina]: link geht nicht hier die Korrektur: http://www.amazon.de/s/ref=nb_ss_w/028-0450203-8924546?__mk_de_DE=%C5M%C5Z%D5%D1&url=search-alias%3Daps&field-keywords=brot+f%FCr+Geniesser+53&Go.x=13&Go.y=9
Freue mich schon auf die Fortsetzung…..Bin gespannt, wie das Teig-Rezept aussieht, bitte eine Variante mit Trockenhefe, hier im „Gourmetland“ gibt es keine frische Hefe zu kaufen, selbst beim Bäcker nicht!!!
Die ultimative Analyse, vielen Dank!
Um die Ecke hier bei mir gibt es eine Pizzeria, deren Boden (fast) Deine Ansprüche erfüllt. Leider ist nach dem Transport in der klassischen Bring-Schachtel ein Aufweichen festzustellen, was einerseits an dem in der Schachtel entstehenden und nicht entweichenden Dampf und andererseits an dem gerade zur Mitte hin etwas üppiger ausfallenden Belag liegen mag. Wenn man die frisch abholt und offen lässt, ist sie fast perfekt.
Übrigens hatten wir neulich eine Grundsatzdiskussion über den persönlich favorisierten „ersten Bissen“: Meiner ist unzweifelhaft der Biss in die Spitze des Pizzastücks, da darf es dann auch ein wenig weich sein….
Danke für die freundliche Erwähnung. Aus Pizza kann man wirklich eine Wissenschaft machen 😉
Das Durchweichen mit nasser Mitte ist allerdings das Ideal vieler italienischer Pizzaioli. Da der Fladen idealerweise in einem Steinofen bei 300-400°C gebacken wird, bildet sich rasch eine stabile Kruste, und das Durchweichen resultiert nicht in einem Waschlappen, sondern in einem gerösteten weichen Fladen. In Italien – meinem bevorzugten Pizzaland – wurde die Pizze oft aufgerollt und dann mit den Fingern gegessen, so wie man das hier etwa vom Pfannkuchen kennt.
Im Heimbackofen habe ich gute Erfahrungen mit einem Teig von Wolfgang Puck gemacht (vgl. http://www.wolfgangpuck.com/recipedetail.php?Alias=RE_WP0096 ).
Ich bin sehr gespannt auf deine Version des perfekten Pizzateigs und deiner Methode, ihn auch in der Mitte dünn und knusprig hinzukriegen – so esse ich die Pizza nämlich auch am liebsten.
Grüße Franz
http://www.einfachkoestlich-online.de
bin eben zurück von einem schönen Ausflug bei schönstem Wetter nach Airolo (die gute burro deglo alpi ist wieder mal ausgegangen), verbunden mit einer schönen Fahrt über den Gotthard und den heute eröffneten Novena und Grimsel zurück nach Basel. Am Wochenende gehts wieder in die Küche zur Fortsetzung meiner Backversuche mit dem nach langem Suchen endlich gefundenen Weichweizen-Dunst.
@seibel: so ist es, Zusammenfalten und als fingerfood essen, so wurde es auch im Kurs von Richemont für die Bäcker empfohlen, welche einen Pizza-Take-out eröffnen wollen. Der Heimbackofen wurde von den Richemont-Bäckern als für Pizza untauglich erklärt. Für meine Ansprüche bin ich mit den bisherigen Backversuchen aber sehr zufrieden, Jetzt muss ich noch etwas die Grenzen ausloten.
Apropos Foccacia, die beste die ich je gebacken habe ist die: http://kochtopf.twoday.net/stories/2275727/
Sie hat wirklich nach „Italien“ geschmeckt.
Interessanter Artikel. Ich persönlich würde aber als Mehl Caputo 00 Pizza empfehlen. Es wird in Neapel hauptsächlich benutzt.
Caputo Rosso, mit einem Proteingehalt von fast 13%, kann auch sehr gut verwendet werden.
@jutout: diese Mehle gibts hier leider nicht zu kaufen. Ich backe meine Pizza übrigens seit einigen Wochen mit diesem
neapolitanischen Rezept.
Auf der suche nach Pizzamehl, habe ich diese Seite wieder gefunden und würde mich sehr freuen über „verlinkung“. Wäre es möglich, dass die neugierige Leser direkt zu Teil 2 landen konnten? Liebe Grüsse und beste Wünsche aus der Slovakei ❤
hab ich gemacht, am Ende des Beitrags. Oder suchen mit Pizza (
Danke! 🙂