Navets (CH: Mairübchen) werden hier, falls überhaupt erhältlich, gerne im Format von Zuckerrüben, Typ „Gärtnerstolz“, gezüchtet. Ich hab meinen Augen nicht getraut, als ich auf dem Basler Markt die ganz kleinen Navets gefunden habe. Die Navets, kurz angedünstet in Butter und Noilly Prat, mit einem Hauch von Zimt parfumiert. Dazu ein saftiges Steak vom Kalb, das Fleisch wurde zunächst niedergegart und erst am Schluss (!) angebraten. Warum ? siehe Anmerkungen. Mit Wacholderbutter und Rösti serviert. zum Rezept
Zutaten
für das Fleisch:
2 Kalbshohrückensteaks mit vielen Fettsträngen (je 150 g). Metzger hält das Messer auf das Fleisch: etwa so ? Herr L.: mehr !, Einspruch Frau L.: weniger ! Leider habe ich mich nicht durchgesetzt.
Aceto Balsamico vom Billigeren als Marinade
Bratbutter
Tafelbutter weich, zum Einpinseln
Salz, Pfeffer
Wacholderbutter siehe: Burro di ginepro
für die Navets:
2 Handvoll Navets
20 ml Noilly Prat
1 Prise Zimt
1 Elf. Tafelbutter
für die Rösti:
siehe Rösti, aber perfekt
Zubereitung
für das Fleisch:
(1) Fleisch rechtzeitig aus dem Kühlschrank nehmen, abwaschen, gut trockentupfen, dann mit dem Aceto Balsamico einpinseln und bedeckt mindestens 4 Stunden bei Raumtemperatur (!) stehen lassen.
(2) Ofen 30 Minuten vorher auf 80°C stellen. In der Mitte ein rundes Backblech, darauf ein Kuchengitter.
(3) Fleisch mit weicher Butter einpinseln, pfeffern, dann auf das Kuchengitter legen und 30-40 Minuten bei 80°C niedergaren.
(4) Ofen auf 65°C stellen (Türe kurz öffnen), Fleisch herausnehmen und in einer beschichteten Bratpfanne in wenig Bratbutter bei milder Hitze schonend anbraten (Jede Seite etwa 1 bis höchstens 2 Minuten).
(5) Fleisch auf das Kuchengitter in den Ofen zurücklegen und mindestens 5 Minuten ruhen lassen. Dann erst salzen.
für das Gemüse:
(6) während das Fleisch niedergart, die Navets putzen und vierteln. In einem Topf wenig Butter schmelzen, die Navets darin anziehen, mit dem Noilly Prat ablöschen, Prise Zimt dazu (wenig, es sollen keine Zimt-Bratäpfel werden) und zugedeckt dünsten bis sie gar, aber noch knackig sind.
für die Rösti:
(7) während das Fleisch niedergart, die Rösti nach Frau L.s Rezept zubereiten.
Anmerkung
Um ein zartes Fleisch zu erhalten, ist es wichtig, dass man das Fleisch rechtzeitig aus dem Kühlschrank nimmt und ihm Zeit gibt nachzureifen. Das Bepinseln mit dem Aceto hat den Zweck, den Säuregrad (pH-wert) der Fleischoberfläche abzusenken und damit das Wachstum von Keimen zu bremsen. Gleichzeitig wirkt die Essigsäure als Marinade, die das Fleisch zarter macht. Üblicherweise wird zuerst angebraten, dann niedergegart. Das Fleisch ist dann zwar ganz entspannt, zart, aber etwas schwammig-lumpelig (drücke ich mich verständlich aus ?). Mir fehlen die frischen Röstaromen der Kruste. Drum brat ich sie erst nachher an, das muss aber sanft geschehen, es geht nicht darum, eine ledrige braune Kruste zu produzieren ! Entspannt wie sich das Fleisch nach dem niedergaren präsentiert, würde man in einer überhitzten Pfanne zuviel Saft verlieren. Das Anbraten am Schluss erfordert dann eine Ruhephase für das Fleisch, in der sich die Säfte wieder verteilen können. Diese Methode wurde vom Schweizer Fleischspezialisten Werner Wirth erfunden und propagiert. Ich werde das Thema gelegentlich aufgreifen.
Noch ein Wort zum Porenmonster: ich hab das Fleisch vor und direkt nach dem niedergaren gewogen: Gewichtsverlust nur 3%. Und das ohne die „Poren zu schliessen“. Das wird fressack, den entschiedenen Vorstreiter wider das Porenmonster, freuen. Erst beim Anbraten sind, wegen der kleinen Stücke, weitere 8% Feuchtigkeit verdampft.
Sehr spannende Thematik. Bei den diversen Spitzenköchen wird das ähnlich gehandhabt, also das Anbraten zur Krustenbildung ganz zum Schluß.
Ich werde das Fleisch demnächst auch so garen, ist am schonensten! Nur, man muss halt Zeit haben…..
Navets esse ich auch gerne, schade, dass es die bei Dir so selten gibt! Amliebsten sind sie mir so, wie Du sie gemacht hast.
@BerlinKitchen
@Bolli:
grössere Stücke brauchen schon Zeit, dabei kann man aber noch anderes tun, zB Staubsaugen. Die Tendenz geht dahin, dass man die Temperatur noch mehr absenkt: ca. 65°C und das Fleisch dann 12-18 Stunden darin belässt. Man muss einfach den Punkt erwischen, bei dem das Fleisch perfekt, aber noch nicht verwest ist.
Ja, die Spitzenköche garen das Fleisch auf Niedrigtemperatur ca. 24-48 Stunden oder vakumieren das Fleisch in Plastik und pochieren es.
Und dann zum Schluß wird es sanft angebraten.
Aber sicherlich wird noch Louie „Fresssack“ sein Senf dazugeben……… :))
Sieht sehr gut aus! Muß gestehen, noch nie Navets gegessen zu haben, Werde ich nachholen, wenn mir welche über den Weg laufen. Interessante Fleischzubereitung. Ich bin noch beim „normalen“ Niedertemperaturgaren.
Viele Grüße
Staubsaugen?????????? Was ist denn das?
„schwammig-lumpelig“ – ist das süß! 😉
Schön lautmalerisch. Ach ja: Auch sonst wieder alles perfekt und lecker!
@Petra: Teltow liegt ja irgendwo im Norden, also gibts die in D.
@Bolli: ein Staubsauger ist ein von einem Mann ausschliesslich zum Gebrauch für Männer erfundenes Haushaltgerät. Das konntest Du nicht wissen.
@Claudia: Fleischleiche um es klar auszudrücken.
Alta cucina für zuhause. Perfekt. Leider sind diese Garmethoden ab einer gewissen betriebsgrösse nicht mehr in der Gastronomie praktikabel.
Solche Experimente können aber auch schiefgehen.
Ich habe bei einer grossen Messebetriebsgesellschaft schon ca. 40 ganze Roastbeefs nach dem „Niedergaren“ aus den Öfen kommen sehen, die ein Schnittbild wie Brot hatten (porig). Ich war es aber nicht, der das versaut hat.
@fressack: Roastbeefs ? nicht Fleischkäse ?
bei den grossen Stücken sollte ja die Kerntemperatur elektronisch überwacht werden. 40 Roastbeefs mit Kabeln im gleichen Ofen: das geht wohl nicht.
Es kann ja sein, dass ich es in falscher Erinnerung habe, aber bei uns (Berlin Charlottenburg) auf dem Markt sind Mairübchen definitiv nicht das gleiche wie Teltower Rübchen…
@robert: Nein, 40 Roastbeefs in vier grossen Rational-Self-Cooking-Centers (die heissen wirklich so). In jedem Ofen im dünnsten Stück das Thermometer. Das Experiment ging halt mit ca. 90° Gartemperatur auf 54° Kerntemperatur, oder so ähnlich. Es war grauslich.
@kochschlampe: Du hast es nicht in falscher Erinnerung. Es sind zwar beides Speiserüben, die Teltower sind aber eher länglich, fast wie Petersilienwurzeln. Danke für den Hinweis. Ich habs korrigiert.