Alt und bequem, wie wir geworden sind, beginnen wir unsere Wanderung in Borgonovo, einem hübschen Strassendorf mit Häusern aus dem 17. und 18. Jhdt., laufen entlang der Via Bregaglia über Coltura bis Promontogno und nehmen dort das Postauto bis Soglio. Soglio liegt auf einer Sonnenterrasse mit wundervollem Ausblick auf die Bergeller Alpen. Das Dorf, bestehend aus vielen kleinbäuerlichen Häuslein, Ziegen- und Kuhställen und den fünf im 16. und 17. Jhdt durch die einflussreiche Dynastie der Familie von Salis-Soglio erbauten Palazzi. Im Bild der Palazzo Salis (Casa Battista), heute ein gepflegter Albergo mit schönem Garten.
Soglio, Ansicht vom Friedhof. Soglio, la soglia del paradiso – die Schwelle zum Paradies | Soglio, Aussicht vom Friedhof auf die granitene Sciora- und Bondasca-gruppe mit dem berühmten Badile |
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An den südwärts gerichteten Waldhängen des Bergells und dem darunter liegenden Valchiavenna liegt Europas größter Eßkastanienwald. Die Edelkastanie gelangte durch die Römer in das Tal und gedieh im milden Klima gut. Sie bietet auf gleicher Anbaufläche dreimal so viel Nährstoffe wie Getreide. Nicht umsonst nennt man sie „das Brot der Armen“. In der Neuzeit verdrängten Kartoffeln und Mais die Kastanien vom Speiseplan, degradierten sie zu Viehfutter. Der schönste Kastanienhain liegt zwischen Soglio und Castasegna. Ab Mitte Oktober bis November werden die Früchte in mühsamer Handarbeit aufgesammelt und aus ihren stachligen Hüllen gelöst.
Die Hüllen und das Laub werden direkt in den Selven zusammengerecht und verbrannt. Die guten Kastanien werden aussortiert und in Dörrhäuschen, den Cascinas, getrocknet. Die Kastanien werden, auf einem Rost (grata) liegend, durch Hitze und Rauch eines schwachen Holzfeuers gedörrt, bis die Fruchtschalen bersten. Danach werden die braunen Schalen von der Frucht gelöst, indem man die Früchte in speziellen Säcken drischt. Nach dem trennen und verlesen sind sie lagerfähig und werden nach Bedarf zu Mehl oder andern Produkten verarbeitet.
Nach jahrelanger Vernachlässigung der Selven sind die Kastanien heute wieder populär geworden, aber für die Bauern immer noch kaum rentabel. In Soglio werden Kastanienspezialitäten aller Art angeboten: von Kastanienflocken , Kastanien-Pasta bis zum Acqua castanea, einem Kastanien-Rasierwasser. Auch die Edelküche hat sich der Kastanie bemächtigt. Ich habe kürzlich von „rosa gebratenem Thunfisch aus dem Pazifik in einer Kruste von Kastanienflocken auf einer konzentrierten Wasabi-Merlotsauce“ gelesen.
Im September waren wir leider zu früh für Kastanien. Immerhin haben wir uns in der Molino Scartazzini in Promontogno mit Kastanienmehl eingedeckt. Wenn man die Tüte öffnet, riecht man noch den Geruch der Holzfeuer….vom letzten Jahr.
Die Stationen unserer kleinen Wanderung:
Borgonovo. Die alten Brücken täuschen. Sie sind aus Beton. | Coltura, Schloss Castelmur. 1840 von einem im Ausland reich gewordenen und wieder heimgekehrten Bergeller erweitert. Heute Museum. |
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Stampa, Chiesa San Pietro mit dem Gemälde „Auferstehung“ von Augusto Giacometti | Promontogno, Hotel Bregaglia 1876-77 erbaute, spätklassische Anlage mit Turm und abgewinkelten Seitenflügeln. Im Inneren achteckiges Atrium mit Glasdach und weitem Treppenhaus. Ein wundervoller „alter Kasten“. |
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Promontogno, Entenweiher im bergseitigen Park des Hotels Bregaglia. Daneben die Postautohaltestelle. Ein must, hier anzuhalten. Bitte Enten nicht überfahren ! | Promontogno, Molino Scartazzini |
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Wenn ich das so sehe, sage ich mir, dass ich vielleicht zu schnell war mit der Aussage, die Berge im Sommer seien nichts für mich…
Jedenfalls viel besser als Zermatt! In jeder Hinsicht, vorallendingen kulinarisch.
Lasse mich dann doch nochmal überreden mit der CH im Sommer, aber nur, wenn Du mir die guten Gasthöfe vorher nennst……
Danke, dass ihr uns auf diese Wanderung mitgenommen habt. Schöne Bilder, da krieg ich schon wieder Heimweh. 😉
Danke für diesen schönen Reisebericht!
Mir sind Kastanien ja viel lieber als Kartoffeln oder Mais… In der Schweiz habe ich auch Vermicelles kennen gelernt – göttlich! Aber das weißt Du natürlich… 😉
Im TV gab’s mal einen Beitrag über ein Schweizer Dorf (vielleicht war’s ja Soglio?), in dem sie noch mühevoll Kastanien dörren: das Feuer richtig in Gang zu halten, sei eine sehr verantwortungsvolle Aufgabe, da musste der Zuständige wochenlang auch mitten in der Nacht raus. Sehr interessant.
Und für meine Zukunftsplanung: Der Friedhof mit DER Aussicht… ein Traum!
@Bolli: an guten Gasthöfen solls nicht fehlen.
@zorra: nicht weinen !
@Barbara: das war gewiss Soglio. Unter den gelben Tagetes liegt schon einer ! Plane lieber was Du Morgen kochen willst. Da haben wir auch was davon.
Hole mir dann vorher die Liste bei Dir, Du bist dann der Michelinführer…Weisst ja, was ich gerne mag…..
Die Mädels haben übrigens alles gegessen….