
Keine Engadinferien ohne Besuche im Val Müstair (Münstertal). Das im östlichsten Teil der Schweiz gelegene Val Müstair besteht aus sechs Gemeinden mit knapp 1700 Einwohnern. Das sich vom Ofenpass bis zur italienischen Grenze erstreckende Tal ist etwa 26 km lang bei einer Fläche von knapp 20’000 ha.
Die historisch dokumentierte Besiedlung begann Ende des 8. Jhdts. mit der Gründung eines Herbergsklosters, das in der Folge die Entwicklung des Münstertals stark prägte, ihm sogar den Namen gab (monasterium, Kloster). Als Karl der Grosse sich 772-774 des Langobardenreiches bemächtigte, machte er den Churer Bischof Constantius zum weltlichen Verwalter von Churrätien, damit sicherte er sich die Passübergänge.
Anfang 12. Jhdt. lag das von Benediktinern geführte Kloster darnieder, erst die Einrichtung eines Frauenstiftes brachte das Haus wieder zur Blüte. Im 14. Jahrhundert trat der damalige Churer Bischof immer mehr Grundrechte an Österreich ab. Dagegen wehrten sich die Leute in allen Talschaften des Bistums und gründeten 1367 zur Abwendung der östlichen Gefahr den Gotteshausbund. Das Münstertal bildete zusammen mit den Gotteshausleuten im Vinschgau ein Hochgericht mit Sitz in Müstair. Im Schwabenkrieg (vor und nach der Schlacht an der Calven 1499) wurde das Münstertal und das Kloster dafür von österreichischen Truppen geplündert und verwüstet.




Die Klosterkirche St. Johann erlangte ihre heutige Berühmtheit (UNESCO-Welterbe) durch die Entdeckung eines Ende 800 entstandenen, einzigartigen Freskenzyklus aus karolingischer Zeit. Die Tafeln erzählen das Leben und Wirken Christi, den Wänden entlang, wie ein Bilderbuch. Im ausgehenden 12. Jhdt. liess der Frauenstift die Kirche mit expressionistischer romanischer Malerei aus- und übermalen.



Die Reformation erfasste die oberen Gemeinden des Tales früh, das Klosterdorf Müstair blieb hingegen beim Katholizismus. In der Zeit der Bündner Wirren 1620-35 wurde das Tal wechselweise von österreichischen, französischen und spanischen Truppen besetzt. Die strategische Bedeutung der Pässe ins Veltlin (Umbrailpass), nach Livigno und ins Engadin habe ich im Beitrag über Glurns schon erwähnt. 1728 verkaufte der Bischof von Chur das Tal an Österreich um 21’000 Gulden, 1762 erzwangen die Drei Bünde den Rückkauf um denselben Betrag.
Nächste Station talaufwärts ist Santa Maria im Münstertal. Kreuzungsort von Ofenpass und Umbrailstrasse. Ein hübscher, durch die enge Hauptstrasse aber leider verkehrsbelästigter Ort mit netten Läden.
Sehenswert in Sta. Maria auch die älteste Mühle und Stampfe der Schweiz mit unterschlächtigem Strauberrad-Antrieb (1676). Essenswert ein einfacher Teller Pizzoccheri (meine Rezeptversion hier) in der innovativen Bäckerei/Furnaria Meier.
Ein kleiner Umweg bringt uns in die auf 1920 m höchstgelegene politische Gemeinde der Schweiz: Lü, die einen schönen Ausblick ins Tal eröffnet. Die arg zerzausten Ohren des Dorfkönigs legen Zeugnis ab von alten geschlagenen Schlachten in dieser jahrhundertelang umkämpften Talschaft.
Ein letzter Blick auf dem Ofenpass ins Val Müstair zurück. Die abendlichen Sonnenstrahlen werfen bereits lange Schatten. Auf Wiedersehen im nächsten Jahr. Der Abschluss der diesjährigen Grenzland-Berichte. Alle bisherigen sind unter dem tag Grenzland aufrufbar.

Robert, ich bin wieder begeistert, diese Grenzland-Fotoreportagen mit dicht gepacktem Inhalt finde ich jedesmal phantastisch.
Ich muss da unbedingt mal hin – allein schon der „expressionistischen“ romanischen Malerei wegen. 🙂
der Kater ist ja knuffelig!!!!!
Na ja, Deine Qualitäten als Schweiz-Reiseführer erwähne ich schon gar nicht mehr…….
Aaaahhhh, so ein schönes Ort!
Grüsse,
Rosa
Ooooh – welche ein Müsterium und besser am Wellenberg als im Tal …
Es gibt Beschreibungen, die lassen die Schweiz größer und vielfältiger erscheinen als z.B. die USA. Vielen Dank für die unermüdlichen Führungen durch deine sehenswerte Heimat.
Die Serie Grenzland wird mich nächste Woche begleiten – am Samstag geht es für eine Woche nach Maloja (zum ersten Mal) und einen besseren Reiseführer konnte ich ja wohl nicht geboten bekommen – nicht zu vergessen die lang genährte Vorfreude! Vielen herzlichen Dank dafür 🙂
Ein schöner Bericht und der Dorfkönig gefällt mir besonders. Irgendwann … werden wir auch wieder in Ruhe Besichtigungen machen können.
Danke für deine Grenzland-Berichte! Ich habe sie sehr gerne gelesen und fand sie mehr als nur interessant und sollten wir jemals in diese Gegenden kommen (was ich sehr hoffe), werden uns deine Berichte begleiten, denn einen besseren Reiseführer gibt es nicht! 🙂
@Barbara: Danke, ist zwar weniger gefragt als Kochrezepte, wer schaut sich schon gerne Ferienbilder andrer Leute an, aber das Quellenstudium und Umsetzen zu einem knappen Blogbeitrag ist interessant, spannend und macht mir Freude. Nach Müstair musst Du unbedingt mal hin, vielleicht auf dem Weg ins Südtirol ?
@Bolli: alle Kater, die uns über den Weg laufen und einen Moment innehalten wollen, werden geknuffelt. Bitte weitersagen.
@Rosa: sorry its in the other corner of switzerland 🙂
@the rufus: kann Dir nur mit Karl dem V. dienen, bis dahin haben die Herren nur vom Jammertal gesungen.
@Martina: Danke, ich versuche altersbedingte Einschränkungen der Reiselust im nahen Umkreis zu befriedigen. Tatsächlich schwebt mir eine Serie über alle amerikanischen Sehenswürdigkeiten und ihre schweizerischen Entsprechungen vor. 🙂
@rin64: toll, jetzt ist die schönste Jahreszeit. Schöne Reisen.
@Sivie: Jeder Lebensabschnitt hat seine Prioritäten.
@Eva: auf meine Beschreibungen allein würde ich mich nicht verlassen. Ich könnte Rom besuchen, den kleinen Fontana delle tartarughe gesehen, und das Kolosseum verpasst haben 🙂
Hallo,
verbrachte 2006 2 Wochen in Müstair und Umgebung. Tolles Wandergebiet da wir auch Glück mit dem Wetter im September hatten.Schöner Bericht und überhaupt sehr interessanter Blog!!
Heute gibt es Ihren Kartoffelkuchen
Gruß Ulla
@ulla: oh, gleich 2 Wochen, wir müssen uns da noch fast ein Jahr gedulden. Viel Erfolg und Danke fürs Mitlesen.