Food-o-grafie #3 : Kunstlicht

mein Fotostudio
mein Fotostudio

food-o-grafie #3

Der dritte event in der kochtopf-serie food-o-grafie-3 befasst sich mit den Kameraeinstellungen bei Kunstlicht.

Kunstlicht war bei meiner alten Kamera eine unüberwindbare Hürde. Als Ausweg habe ich nur noch mittags und möglichst bei Sonnenschein gekocht. Erst mit der neuen Kamera habe ich mich an Innenaufnahmen getraut.

Fotoset
Mein Fotoset sieht während des Kochens meist chaotisch aus; bevor ich fotografieren und essen kann, muss erst aufgeräumt werden. Nebeneffekt: Erziehung zu Disziplin.

aufgeräumtes Set mit Fotokarton und Zusatzlampe
aufgeräumtes Set mit Fotokarton und Zusatzlampe

Unter den Küchenpaperrollenhalter klemme ich einen grossen farbigen Fotohalbkarton, so dass dieser eine leichte Biegung aufweist. Durch die Beleuchtung von oben ergibt das einen schönen Schattenverlauf beim Hintergrund. Dessen Farbe wähle ich nach dem Farbkreis, also zB. für gelbe Speisen einen blauen Karton, für grün rosa etc.. Alles weitere kann man bei Goethe und Konsorten nachlesen, die sich mit der Farbenlehre intensiv befasst haben.

Unter den Hochschränken der Küche sind Fluoreszenzröhren (Osram FH 28W, warm white) fest eingebaut, verdeckt durch Milchglas, die geben Licht von oben. Oft  benutze ich eine kleine Stehlampe mit einer 100 W Halogenleuchte (Osram Halogen ES) als zusätzliches oder alleiniges Seitenlicht, um einen kleinen Schattenwurf zu produzieren, das macht die Bilder etwas lebendiger.

Farbstichige Bilder, wie man sie auf den Bildern von foodblogs häufig findet, haben ihre Ursache in einem nicht oder falsch durchgeführten Weissabgleich. Auffallend die Häufigkeit blaustichiger Fotos von Blogs aus dem Norden, im Gegensatz zur Gelb- und Rotstichigkeit südlich domizilierter Blogs. Kleiner Scherz.

Lichtquellen wirken auf das menschliche Auge unterschiedlich warm. Je nach Lichtquelle: z.B. Kunstlicht, Sonnenlicht, Schatten oder Nebelverhangenes Tageslicht, verändert sich der Farbeindruck, d.h. das Verhältnis der Farbanteile Rot, Grün, Blau in der Beleuchtung. Dieses Verhältnis wird mit einer Zahl, der sog. Farbtemperatur (in K, Kelvin) angegeben.

Eine niedrige Farbtemperatur entspricht einem rötlichen Farbeindruck, eine Farbtemperatur zwischen 5000 K und 6000 K entspricht weißem Tageslicht und noch höhere Farbtemperaturen entsprechen bläulichen Lichtverhältnissen wie Bewölkung oder Nebel. Die gebräuchlichen Lampen für die Innenbeleuchtung liegen zwischen 2800 Kelvin (Glühlampe) 3300 Kelvin (warmweiß), 3300 bis 5300 Kelvin (neutralweiß) bis über 5300 Kelvin (tageslichtweiß).

Bei meiner Sony kann ich die Farbtemperatur (standardmässig auf 5500K eingestellt) in 100-er Schritten zwischen 2500 und 9900 Kelvin anpassen. Das braucht für ein gegebenes Fotoset mit gleichbleibender Beleuchtung ein paar Versuche und kann dann gespeichert werden.

Im folgenden Versuch habe ich ab Stativ dasselbe Objekt mit 5 verschiedenen Farbtemperaturen abgelichtet, alle 1/80 F=4.5 auf schwarzem Karton Lichtquelle: nur Seitenlicht der 100W Halogen Tischlampe.

2500K 2009 02 18_8645
2500 K
3000K 2009 02 18_8646
3000 K
3500 K 2009 02 18_8647
3500 K
4000K 2009 02 18_8648
4000 K

Resultat
Das Porzellan kommt mit 3000 Kelvin ganz ordentlich weiss daher. 2800 K wären ideal gewesen.

3000K 2009 02 18_8646

Weissabgleich
Nicht jede Kamera verfügt über die Möglichkeit, die Farbtemperatur der Aufnahme über eine Kelvinskala zu steuern. Was aber alle Kameras aufweisen, ist der sog. Weißabgleich, engl. white balance, WB. Dieser dient genauso dazu, die Kamera auf die Farbtemperatur des Lichtes am Aufnahmeort anzupassen.
Idealerweise wird er schon beim Fotografieren, in der Kamera vorgenommen. Viele Kameras bieten einen vollautomatischen Weissabgleich, einen manuellen, sowie einen halbautomatischen Weissabgleich an.

In den beiden folgenden Versuchen habe ich ab Stativ dasselbe Objekt einmal mit vollautomatischem Weissabgleich, einmal mit manuellem Weissabgleich abgelichtet, beide 1/80 F=4.5 auf schwarzem Karton. Lichtquelle: Seitenlicht der 100W Halogen Tischlampe.

Beim vollautomatischen Abgleich (engl. automatic white balance, AWB) sucht die Kamera (im Messfeld) nach der hellsten Stelle des Bildes (die bei meiner Spotmessung auf der Blutorange liegt). Resultat: Gelbstich. Der vollautomatische Weissabgleich funktioniert nur, wenn das Bild im Messfeld mehrheitlich weiss ist.

Beim manuellen Weissabgleich habe ich vor das Objekt (meine Blutorange) erst ein weisses Schneidebrett (mit Blaustich) gestellt, den Messwert (2500 K) gespeichert, Brett entfernt und das Bild mit diesem Wert aufgenommen. Resultat: weiss mit einem Tick Blaustich. Idealerweise müsste man einen hellen Spezialkarton ohne optische Aufheller verwenden. Manueller Weissabgleich ist dann zu empfehlen, wenn unter Mischlicht aufgenommen werden muss, z.B. wenn zusätzliches Tageslicht auf das Fotoobjekt fällt. Alternative: Vorhänge ziehen oder Rolläden herunterlassen.

vollautomatischer Weissabgleich
vollautomatischer Weissabgleich
manueller Weissabgleich
manueller Weissabgleich

Halbautomatischer Abgleich
Die Kamera ist auf bestimmte Beleuchtungssituationen voreingestellt, z.B. Sonne, Schatten, Bewölkung, Glühlampe, Blitz. Bei meiner Kamera kann ich jede dieser Voreinstellung stufenweise wärmer oder kälter beeinflussen, das sieht in meinem Set (Fluoreszenzlicht von oben und Seitenlicht plus ganz wenig Dämmerunglicht von aussen) so aus: Vorwahl Fluoreszenzlicht mit 4 verschiedenen Stufen geknipst.

Fluo-2
Fluo-2
fluo-1
Fluo-1
Fluo-0
Fluo-0
fluo+2 2009 02 18_8628
Fluo+2

U

nd das ist denn auch meine meistgewählte Einstellung für dieses Set: Fluo-1 oder Fluo-2. Rasch eingestellt, rasch geknipst, und darauf kommt es an, wenn man sein Essen noch warm geniessen will.

Um die letzte Frage von zorra auch noch zu beantworten. Die Empfindlichkeit (ISO) überlasse ich der Kamera und komme in meinen Sets gut damit zurecht.

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36 Kommentare zu „Food-o-grafie #3 : Kunstlicht“

  1. Als Friehufsteher (kai senili Bettflucht) mach i dir gärn e diggs Komplimänt fir die präzisi und interessanti Abhandlig.

    Bref: Beste Kurz-Dokumentation „And the Oscar goes to Robert“ !

  2. Erst mal vorweg: sehr interessant, sehr informativ – danke!

    Wann darf ich zu einem privaten Fotokurs zu dir kommen? (oder besser Herr D., der überwiegend unsere Fotos macht)

    Farbenlehre, Farbtemperatur etc ….wann soll ich mir das noch alles beibringen?

    Übrigens hast du recht mit den blaustichigen Fotos aus dem Norden (zumindest was unsere anbetrifft, aber da fehlt eben ein Kurs vom Fachmann aus dem Hause L. 🙂

  3. Das habe ich jetzt nicht ganz gelesen, das überlasse ich Herrn K! Aber das Chaos und das Fotostudio kommt mir sehr bekannt vor!

  4. Danke, jetzt weiß ich was ich heute mache. Hardware ist vorhanden … ran ans Üben!

    *Daumenganznachoben“!!!

  5. Ganz große Kalsse, was Du hier machst – ich lese schon seit langem Deine Rezepte/Zubereitungen und bin ganz begeistert!

    Was Du hier allerdings auch noch fototechnisch auf die Reihe stellst ist unfassbar!

    Großes Lob und großer Respekt für Deine Mühen!

  6. Das war ein sehr interessanter Exkurs! Hoffentlich kann ich ein paar Tipps umsetzen – tüfteln werde ich auf jeden Fall.

    Beschäftigen werde ich mich unter anderem auch mit dem Aufräumen. Da bin ich aber froh, dass die Küche ab und an nicht nur bei mir ein wenig derangiert aussieht.

  7. Vielen Dank für die ausführliche Informationen . Ich muβ gestehen soviel Zeit nehme ich mir nicht für die Aufnahme. Meine Küche sieht eher nach einem Tornado, wenn ich koche.

  8. Chapeau, chapeau! Ich erweitere: du kannst nicht nur kochen und fotografieren, du kannst auch noch erklären! Darf ich mit Eva zusammen kommen?

  9. Dei Idee in der Küche zu fotografieren und daher auch gleich aufräumen zu müssen begeistert mich! Das ist wirklich aun guter Ansporn das gleich zu erledigen. Derzeit fotografiere ich noch auf dem Esstisch, was meiner Freundin sehr mißfällt.

  10. Am Beginn deiner guten Ausführungen dachte ich: Oh je, der Arme isst sein Essen auch kalt. Gegen Ende war ich dann beruhigt, du bekommst doch was Warmes. Ich mache da viel zu wenig und der Herr des Hauses, der Ahnung vom Knipsen hat, schimpft jedes Mal, wenn ich abends bei der normalen Tischlampe meine Bilder knipse. Ok, dementsprechend sehen meine Bilder auch aus, aber ich möchte mein Essen warm und der Schritt für den Blog nicht meine kleine Digiknipse zu nehmen, sondern die Digitalspiegelreflex ist noch weiter entfernt.
    Dafür bewundere ich eben deine tollen Bilder!
    Viele Grüße und heute ein Hellau in die Schweiz

  11. Oh mein Gott, viiiel Information am frühen Sonntagnachmittag für mich, aber sehr gut gemacht! Sehr lehrreich! Muss mir auch dringend noch so ein paar farbige Kartons und/oder schicke Stoffe zulegen 🙂

  12. @Basler Dybli: um 6:00 bin ich auch auf, soo früh dann aber doch noch nicht.

    @Bill Bohlen: Apfelkuchen ist schwer zu fotografieren 🙂

    @Eva: Dein Birnenkuchen heute hatte gar nichts blaustichiges. Herr D. macht seine Sache gut.

    @Ursula: die Männer sollen auch was beitragen 🙂

    @the rufus: und was isst Du danach ?

    @zorra: das habe ich für mich geschrieben, was ich geschrieben habe, habe ich verstanden, Gelesenes verstehe nur zum Teil.

    @kochundbackoase: der Himmel ist Dir günstig !

    @utaKurt: ach nein, ich gebe weiter, was ich vom Angelesenen meine verstanden zu haben.

    @Jutta: links von der Spüle ist noch eine kleine Stellfläche. Meine Ordnung besteht oft darin, dass ich von rechts auf links umplaziere.

    @Vanille: Bei einem nassen Tornado ist das Geschirr gleich gewaschen 🙂

    @Rosa: we don’t have any balcony 😦

    @Heidi: wie sag ich das Frau L. ?

    @Tobias: mit laufend Aufräumen kommt man weit. Aber bald kann man wieder auf dem Fensterbrett mit Sonne fotografieren.

    @Petra: mit Hellau ist noch nichts in Basel 🙂

    @sammelhamster: wie wärs mit Kassel, etwa in der Mitte ?

    @Anikó: Stoffe kann man waschen, Kartons wegwerfen 🙂

    @Cascabel: ich bin auch gwunderig 🙂

    @multikulinaria: von wirklich guten Fotos ist mein Geknipse noch seeehr weit entfernt. Das habe ich am letzten good looking blog event gesehen.

  13. Ganz toller, informativer Beitrag!
    Das werd ich mir morgen bei Tageslicht nochmal ganz genau durchlesen (ist schon spät, nu bin ich nicht mehr aufnahmefähig 😉 ) und mich dann auch ans Üben machen – vielen Dank.

  14. Der Beitrag liest sich extrem spannend und ich bin so ein greenhorn, das nur auf den Auslöser drückt. Danke für die lehrreichen Informationen.

  15. Kann mich den Vorrednern nur anschließen. Nicht nur ein toller Koch, auch ein toller Fotograf.

  16. Fotografie für Fortgeschrittene! 🙂
    Jetzt verstehe ich auch die Serie.

    Der manuelle Weißabgleich ist der Winner.

    Klasse gemacht und erklärt.

    Mich interessiert hier aber ganz was anderes: was hast du da für eine tolle Küchemaschine (die stahlgebürstete)???

  17. Hallo Sabine,
    ich bin zwar nicht Robert, der putzt gerade, damit der Frühling gebührend empfangen werden kann. Ich kann Dir aber sagen, was das für ein Ding ist, das so glänzt.
    Es ist eine Kenwood, möglicherweise die gleiche wie meine, also eine Major.

  18. @Steph: als ob Du üben müsstest 🙂

    @lavaterra: Deine Kochkünste sehen aber gar nicht nach greenhorn aus 🙂

    @Ulla: ich drücke doch nur auf den Auslöser.

    @Poulette: hab ich vorher auch nicht gewusst.

    @Sabine: eine handgebürstete kenwood Chef swiss edition. Sieht aussen sehr edel aus, lärmt wie alle Maschinen dieser Firma und war im Angebot billiger zu haben.

    @schnuppschnüss, Jutta mein alter ego. Wie ich mich freue. Soll ich Dir einen account einrichten ?

    @LarissaToday: finde ich auch, da lerne ich am liebsten.

  19. Ich kann mich nur anschliessen, sehr lehrreich! Leider mache ich meine Bilder meist unter Zeitdruck, weil jemand schon nach dem Essen schreit *örks*

  20. Ist schon nervig wenn man noch ein schönes Foto machen will und einem schon jemand hungrig im genick sitzt…

    Ich hoffe es ist ok daß ich dich verlinkt habe? Hier gibt es so leckere Sachen, ich schau gerne hier rein.

  21. Ahh super Tipp, wieder was mehr gelernt. Das die Fotos gut werden ist echt entscheidend, das Auge isst schließlich beim Leser mit. 🙂

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