Frau L. hatte sich in den Kopf gesetzt, dem in der Schweiz berühmtesten aller Party-Kochrezepte mit Kalb anstelle von Schwein nochmals eine Chance zu geben. In verbesserter Version. Sie präparierte das Fleisch, ich die Paprikasauce. Hier habe ich es im Original schon einmal zubereitet. Das Rezept wurde von Betty Bossy, der fiktiven Werbedame einer Fettfabrik 1977 erstmals veröffentlicht. Heute gehört die Dame einem Verlagshaus und COOP. Vor wenigen Tagen fand ich das Rezept beim zufälligen Durchblättern in einem älteren Kochbuch aus dem Jahre 1963: Wie Männer kochen, der schweizerische Klub kochender Männer verrät neue und alte Rezepte. Im Impressum steht, dass das Rezept für das Partyfilet von Frau Marianne Berger stamme, der von Werbefachleuten erfundenen Kunstfrau der gelb-roten Tütenfabrik. Gemäss Werbeauftrag „eine Synthese der Frau im aktiven Alter zwischen 20 und 45, nicht zu elegant, aber kein Hausmütterchen“. Wenn ich das richtig sehe, hat also die eine Phantomfrau die andere beklaut. Geschichtliche Nachforschungen sind interessant.
Zutaten
für eine Party von 2 Personen
für das Fleisch:
4 kleine Kalbsfiletmedaillons
4 Tranchen Rohschinken
Dijonsenf
2 Blättchen Salbei, feingehackt
Pfeffer weiss, rot, grün, grob geschrotet
Salz
1/2 Tlf. Paprika edelsüss
Olivenöl
für die Sauce:
3 dunkelrote Peperoni
30 ml Vollrahm
50 ml Sauerrahm (beides Resten)
Salz
2 Tlf. Paprika edelsüss
1 Msp. Piment d’Espelette
wenig Butter
Zubereitung
(1) Die Medaillons beidseitig mit Paprika, Salz und Pfeffer würzen, die Seiten mit wenig Senf bestreichen, im feingeschnittenen Salbei wälzen, mit je einer Tranche Rohschinken umwickeln, jedes Medaillon mit einem Küchenfaden in Form binden und die Medaillons in eine gefettete, ofenfeste Form stellen. Obendrauf ein paar Tropfen Olivenöl geben und den Rest des Pfeffers. Beiseite stellen.
(2) Backofengrill auf 220°C vorheizen.
(3) Zwei Peperoni vierteln und entkernen, mit der Hautseite nach oben auf ein beschichtetes oder mit Backpapier belegtes Kuchenblech legen. Hautseite mit wenig Olivenöl bestreichen und leicht salzen.
(4) ca. 15 Minuten grillieren bis sich auf der Haut Blasen und schwarze Stellen bilden.
(5) Herausnehmen, etwas abkühlen lassen, dann mit einem Messer die Haut abziehen. In einem Mixbecher mit dem Sauer- und Vollrahm zu einer homogenen Sauce mixen. Mit Salz, Piment d’Espelette und Paprika würzen und warmstellen. Backofen von Grill auf U-/O-hitze stellen.
(6) Inzwischen die dritte Peperoni vierteln und entkernen, schälen und das Fleisch in feinste Würfelchen schneiden. Die Würfelchen in wenig Butter andünsten und warmstellen.
Eintreffen der Partygäste. Wir lieben keine Parties. Die Herzlichkeit, die da aufgezogen wird, hält selten lange über das Dessert hinaus. Mangels Partygästen geht Herr L. schnell mal vor die Türe, klingelt, ach was, bongt, Türklingeln klingeln heutzutage schon lange nicht mehr, Frau L. öffnet, empfängt ihren Gast, heisst ihn sitzen, geht wieder in die Küche, derweil der Gast wieder aufsteht, weil er sich mit der Sauce und Fotografieren beschäftigen muss.
(7) Das Fleisch in der ofenfesten Form in den gut vorgeheizten Ofen (230°C, untere Hälfte) stellen und etwa 15 Minuten anbraten lassen. Herausnehmen, Fäden abspulen, Sauce und Würfelchen heiss machen. Auf vorgewärmten Tellern anrichten.
Servieren mit Trockenreis.
Anmerkung
Schweizweit populäres Rezept hin oder her. Mit dieser Methode können wir kein Fleisch anbraten. Schade um meine gute Sauce. Entweder Party oder Fleisch. Die Schweiz mag sich für Party entscheiden, wir nehmen das Fleisch, aber künftig richtig angebraten. In der Pfanne.
Zwei Mann Parties sind doch oft die Besten!!
Vielleicht sind doch aller guten Dinge drei und das Rezept sollte mit richtigem Anbraten eine nochmalige Chance bekommen.
ich glaube, ich hab dann doch die frz. Variante lieber….scharf angebraten!Fleisch sieht ein bischen grau aus….
Mit Kalb würde ich der Party auch noch eine Chance geben 😉
A fabulous recipe!
Grüsse,
Rosa
Das Kalb hätte auf diese Einladung sicher auch verzichten können 🙂
Auch nicht angebraten sieht das Fleisch so aus, dass ich es essen würde.
Ganz herzig sind die zwei Pfannenwender, die im Dreivierteltakt durch die Pfanne tanzen. Und die Geschichte.
Norbert ist ein wenig krank (nicht so krank, dass er nicht arbeiten könnte), deshalb gibt es Frühstück heute ein wenig später – garniert mit dem Vorlesen deines Beitrages, der ihn und mich zum Lachen brachte. Das ist ja bekanntlich die beste Medizin, wir schöpfen also wieder Hoffnung :-). Danke, Dr. Lamiacucina!
Aber du weißt schon, dass ich sofort zur Party gekommen wäre und auch nach dem Dessert noch freundlich gewesen wäre 😀
Mich täts auch um das schöne Fleisch reuen. Hier sind solche Partyrezepte meist mit Schnitzelfleisch (Oberschale o.ä.), ebenfalls nicht angebraten sondern en gros im Ofen mit Sahne, Paprika, Dosenpilzen, Zwiebeln, etc.
Wenn schon Partyfutter dann lieber einen großen Topf mit Chili, einem Gulasch oder irgendeetwas, das sowieso gerne lange auf dem Herd stehen mag. Man sollte versuchen Bigos hier populär zu machen. 😉
Arbeitet für das bekannte Medienunternehmen nicht auch einer unserer ehemaligen Bundeskanzler als Berater? – Die Geschichte mit den beiden erdachten Werbedamen und der Party im engsten Kreise der Familie L. macht Spaß :o))
Piment d’Espelette gibt’s in Basel im Warenhaus am Marktplatz.
Immer wieder das Thema mit den Röstaromen … auch bei uns.
Mit Reis… das klingt sehr nach der Zeit, in der die Fernsehköche schon mal etwas vorbereitet haben, um dann in dreißig Sekunden delikates Mischgemüse aus der Dose zu zaubern.
(Und ich weiß nicht, ob ich das mit dem Überraschungsbesuch heute Abend nachmachen soll – einerseits bin ich gerne mal ganz aus dem Häuschen, andererseits lasse ich niemanden gern im Regen stehen.)
Wie heißt es so schön: One’s company, two’s a crowd and three’s a party!
Mich deprimiert immer wieder, wie die Werbebranche Frauen wie mich anzusprechen versucht. Schämen Sie sich Frau Berger! Vor Frust würde ich nun sogar Paprika essen… ach nein, vielleicht doch nicht…
Warum ist das eigentlich ein Partyrezept?
@My Kicthen: 2 Mann Parties, wobei ein Mann eine Frau sein darf, find ich auch ganz nett.
@Bolliskitchen: da hast Du recht, soviel Zeit muss sein, das wird jeder Gast begreifen.
@Elisabeth: mit Kalb ? ich würde lieber dem Kalb nochmals eine Chance geben, aber wie weckt man Tote auf ? genug Fleisch für diese Woche 🙂
@Rosa: das Bild lasse ich gelten, das Rezept weniger.
@Mestolo: Stall-Parties werden von Kälbern, Rindern und Schweinchen bevorzugt.
@Jutta: hat wohl zuviel Knusperwaffeln gegessen. Da kanns einem schlecht werden, wenn man zuviel Süsses isst. Gute Besserung.
@sammelhamster: Das braucht aber einen besonders freundlichen Charakter, dieses Fleisch ohne Murren zu essen.
@Evi: eben gelernt, was ein ein Bigos ist, man kann nicht alles kennen.
@nata: Ja, für dieses Medienunternehmen stinkt Geld nicht.
@Hunk: daher beziehe ich meines auch 🙂
@Nathalie: Dafür habe ich mich mit einem sensationellen Merlot getröstet.
@bee: ich arbeite dauernd daran, Frau L. von den Gerichten der siebziger Jahren abzubringen. Schon wieder eines, das definitiv im Büchergestell verschwindet.
@SchnickSchnackSchnuck: bei two ist mir oft schon zu laut 🙂
@Susa: kein Grund zur Aufregung, der Werbeauftrag stammt von Ende der 50-er Jahre. Da war solches noch üblich.
Da ist was dran. Für unsere Kochgruppe überlegten wir schonmal, Redelisten anzulegen.
oder eine Vorsitzende zu wählen, die mit dem Glöckchen das Wort freigibt 🙂
oh herr robert! „party für zwei personen“ – made my day!!
graunasse grüsse aus münchen
Was ich erstaunlich an solchen Rezepten wie dem Partyfilet finde, ist, wie sie so lange Zeit in verschiedenen Quellen überleben können, obwohl sie ja eigentlich nicht korrekt funktionieren. Wer ein derartiges Gericht in seiner Zubereitung optimieren möchte, kann da eigentlich gar nicht anders, als daran scheitern, es denn, er verändert das Rezept komplett.
Ich würde für dieses Fleisch auf jeden Fall die Pfanne nehmen. Ich habe schön öfter mal 10 Leute zum Essen, da gibt es dann Fleisch in anderen Dimensionen, so wie hier
Filet im Korsett – das ist nichts für Suffragetten wie mich …
Ich würds rückwärts braten – erst im Ofen, dann kurz in der pfanne kolorieren, wenn die Gäste schon da sind, geht ratzfatz!
Mir geht es da wohl wie Frau L.: Solche Retro-Rezepte faszinieren mich auch immer wieder, auch wenn sie nicht wirklich funktionieren (oder vielleicht gerade deshalb). Aber mit so einem Rezept taucht man ja irgendwie in den jeweiligen Zeitgeist ein. Nachfolgende Generationen werden mit einigen unserer Rezepte garantiert auch eine Menge Spaß haben … Betty Bossi ist vermutlich die Cousine der amerikanischen Betty Crocker, die gibt es ja auch nicht. Und Frau Berger kannte ich noch gar nicht, was für eine Bildungslücke 🙂
@lihabiboun: das haben wir so im Brauch.
@duni: das habe ich Frau L. auch gesagt, aber wenn Frauen etwas unbedingt verfolgen wollen, soll man sie nicht daran hindern (und umgekehrt auch) 🙂
@Magdi: das unterscheidet uns, ich komme schon mit 4 Personen ins schleudern 🙂
@Eline: Das Zuschnüren (und Aufschnüren) der Corsage geht nicht ohne männliche Hilfeleistung. Ich mach das schon !
@Claus: klar, das gabs damals noch nicht.
@Petra: Was alle kochen, kann doch nicht schlecht sein 🙂 Betty Bossy ist eine Kopie von Betty Crocker. Frau Marianne scheint, als nicht mehr zeitgemäss, entsorgt worden zu sein.
Betty Bossi-Kochbücher sind in meiner geerbten Sammlung auch dabei. Ich finde die Wortschöpfung Trockenreis ja zum Schießen. *tschuldigung*
Welche Fettfabrik meinst Du?
Naja, jedenfalls danke für die Warnung.
Das kann sich nur um SA.IS bzw. UNI.LEVER handeln.
@ Robert
I ha mit göttlich iiber di „Partygehabe“ amüsiert. Dä Uffsteller vom Daag!
Die Fabrik hiess Sais/Astra. Heute heisst sie Sabo und gehört dem Unilever-Konzern. „Trockenreis“ trifft doch den Sachverhalt genau.