CH-9220 Bischofszell: Mehr als Konserven

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Bischofszell, Marktgasse

Bischofszell. Jedem Schweizer bekannt durch Konserven, Konvenience und andere Köstlichkeiten der Migros. Auf Landjägerjagd haben wir erstmals hier Halt gemacht. Die Gemeinde liegt im Kanton Thurgau am Zusammenfluss von Sitter und Thur. Auf halbem Wege zwischen den einstigen regionalen Machtzentren,  dem Bistum von Konstanz und dem Kloster St.Gallen gelegen. Beide waren sich spinnefeind, vergrösserten im frühen Mittelalter, u.a. durch Schenkungen fränkischer Könige, ihr Einflussgebiet. Um das damalige Stift St.Pelagi hat sich allmählich das Städtchen Bischofszell entwickelt. Um 1250 gewann Bischofszell als bischöflich-konstanzerischer Vorposten an der Grenze gegenüber dem fürstäbtlich-sankt-gallischen Gebiet und als Marktort an Bedeutung. Mitte des 13. Jahrhunderts wurde der Ort mit einer Ringmauer versehen. Heute zählt er ca. 5500 Einwohner.

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Kirche St. Pelagius

Die Stadt war vom Stift St. Pelagi unabhängig und unterstand dem Fürstbischof von Konstanz, der die Stadt durch einen in der Burg residierenden Obervogt verwalten liess. Die Burg wurde nach einem Stadtbrand 1419 und im 17. und 18. Jahrhundert  zu einem Schloss ausgebaut.

Bischofszell-Schloss
Schloss. Bild von wiki

Geldnot zwang den Bischof im 14. Jahrhunert zu verschiedenen Stadtverpfändungen. Das begünstigte die Autonomiebestrebungen der Bürgerschaft, die sich verschiedene Rechte erkaufte. Nach der Eroberung des Thurgaus durch die Eidgenossen 1460 regierte ein eidgenössischer Landvogt, auch wenn der Konstanzer Fürstbischof bis 1798 Stadtherr blieb.

Der dritte Stadtbrand von 1743 vernichtete die mittelalterliche Kleinstadt. Aus den Ruinen entstand das heutige barocke Bischofszell mit seinem Rathaus im Zentrum, erbaut vom Stararchitekten des Deutschen Ordens Johann Caspar Bagnato, dessen Wirken wir schon in Hitzkirch kennengelernt hatten. Hinzu kamen verschiedene herrschaftliche Häuser, die heute noch für die Wohnkultur in der Mitte des 18. Jahrhunderts Zeugnis ablegen.

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Rathaus im Nachmittagsschatten
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Nackedei an der Rathaustüre
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Anspielung auf das gegenüberliegende Freudenhaus ?
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Doppelhaus zum Rosenstock und zum Weinstock an der Marktgasse
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Haus an der Kirchgasse
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Haus an der Kirchgasse

Der Bogen- oder Zeitglockenturm war bis zur Ummauerung der Vorstadt im Jahre 1437 das Osttor der Stadtanlage. Der Turm ist ein Morgenturm, d.h. nur frühmorgens bei hohem Sonnenstand fotografierbar.

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Das obere Ende des Bogenturms
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Blick durch das Stadttor im Bogenturm

Die Holzbrücken über die Thur und die Sitter wurden um 1500 durch steinerne ersetzt. Die Brücken in Bischofszell waren bis 1796 zollfrei (heute auch wieder !) und trugen dazu bei, dass das Städtchen zu einem erfolgreichen Umschlagplatz für Textilien aufstieg. Das lokale Gewerbe schützte hingegen seine Interessen durch restriktive Erlasse und genügte sich selbst. Der Bau der Bahnlinie Sulgen-Bischofszell-Gossau 1876 und die Nutzung der Wasserkraft der Thur brachte dann doch noch den industriellen Aufschwung mit einer Jacquardweberei, Papierfabrik, Schifflistickerei, Mostereigenossenschaft und der schon erwähnten Konservenfabrik.

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Alte Thurbrücke
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Die alte Thurbrücke, von besoffenen Baumeistern gebaut ?

Mit 116 Metern Länge ist die achtjochige Brücke die längste noch erhaltene Natursteinbrücke der Schweiz. Die Joche wurden auf Nagelfluhfelsen im Flussbett erbaut, deshalb ist die Linienführung so krumm.

Quellen:
Historisches Lexikon der Schweiz
Stadt Bischofszell

12 Kommentare zu „CH-9220 Bischofszell: Mehr als Konserven“

  1. Danke für die Wolken! 😉
    Am Sonntag freu ich mich schon immer, von dir auf eine Reise in ein lauschiges Fleckerl der Schweiz mitgenommen zu werden.

  2. Schöne, sehr unterschiedliche Eindrücke eines schmucken Städtchens. – Was gab’s denn im Freudenhaus Leckeres? Ich denke da natürlich an Gaumenfreuden. Sehr schön, die Details, und vor allem die Steinbrücke.
    Herzliche Grüße, Franka

  3. @Sabine: im Moment ist leider kein Auflugswetter mehr.

    @Sugarprincess: in letzter Zeit eher Gegenden, in denen sich niemand verirrt 😉 Danke, auch ich wünsche einen schönen Sonntag. Kochen und Weihnachtsbriefe schreiben.

    @bee: die Methoden haben sich verfeinert. Die Haltbarkeit auch.

    @Rosa Mayland: there are still more beautiful things to see.

    @the rufus: das konnte ich nicht sehen. Gerade als ich mit dem Fotoapparat dem Eingang zusteuerte, kam eine hübsche Sekretärin vor die Tür und anerbot sich, die offene Türe zu schliessen, damit ich sie (die Türe) besser ablichten könne. Und weg war sie und die Türe zu.

    @Turbohausfrau: es hat aber nicht geregnet 😉

    @Franka: hmm. Kunst gabs. Oder was sich ein Kunsthändler unter Kunst vorstellt.

  4. Reblogged this on N'achACHTcafé und kommentierte:
    Wunderschöne Architektur – hinreißende Details.
    Faszinierende Türklinke!!!
    Man lernt nie aus – Nicht nur hier beim Kochen.
    Danke für diese schöne Sonntagstour 🙂

  5. Ein sehr interessanter Ausflug in die Schweiz. Danke für die Stadtführung und die geschichtlichen HIntergründe. Vielleicht kann man die virtuelle Tour bei Gelegenheit auch in der Realität nachholen.

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