
Irgendwann ist der Faden gerissen. Andere Gegenden haben sich uns erschlossen. 30 Jahre sind es her, dass wir zum letzten Male im Elsass waren. Dabei liegt das Land greifbar vor unserer Haustüre. In einer guten Stunde Fahrzeit könnten wir in Colmar sein.
Nachdem wir seit Wochen ans Haus gebunden waren, wollten wir mit einem Kurzausflug wieder einmal Luft schnappen. Anknüpfen, wo wir vor 30 Jahren aufhörten.
Beginn im Restaurant Aux Armes de France in Ammerschwihr. Damals noch unter Leitung des Seniors, Pierre Gärtner, mit 2 Michelin-Sternen. Längst steht sein Sohn, Philippe am Herd. 2005 beschloss er, sich vom Sternestress zu befreien. Heute ist das Lokal dem Guide Michelin noch 3 schwarzen Gabeln wert.
Im Aufgang zum Lokal blicken wie ehedem die Porträts von Fernand Point dem Grossen, Pierre Gärtner und dem (ganz jungen) Philippe Gärtner Ehrfurcht heischend auf die Gäste hinunter. Auch das Lokal sieht noch aus wie vor 30 Jahren: dunkles Holz, düster. Von 3 Räumen war nur einer gedeckt. Nur der damals in allen Teppichen und Vorhängen fest hängende Geruch nach Fondküche ist verschwunden. Im WC beginnen sich die Marmortapeten von der Wand zu lösen. Einige Fliesen sind zerbrochen oder fehlen ganz. Was solls, wir haben uns in den letzten 30 Jahren auch einige Schnatten und Macken zugezogen.

Kein Unterschied in der Speisekarte, immer noch dasselbe Bild auf der Vorderseite. Nur die Preise in Euro statt Francs. Dieselben Klassiker des Hauses, mit denen der Senior Pierre den Ruf des Restaurants begründete. Wir bestellen Pâté de viande „Pierre Gaertner“ au Foie Gras de Canard, Gemüsesuppe (in Suppentellern, nicht in Mokkatässchen), Tarte fine cuite minute aux Tomates und „meine“ Filets de Soles aux Nouilles façon „Pierre Gaertner“. Alles war tadellos gekocht und von guter Qualität. Sieht man von den einfallslosen Garnituren ab (Gartenkresse, Gartenkresse und Gartenkresse). Selbst die an Traditionen hängende Frau L. wundert sich über den die Vergangenheit siegelnden Stil der Küche. Vielleicht hat das aber auch mit unserer Auswahl zu tun. Seit dem Verzicht auf die Sterne wird das Lokal als preisgünstig gerühmt. Das mag auf das als „promotion“ preislich herabgesetzte choucroute garnie zutreffen. Wir bezahlten mit einer Flasche Riesling Kaefferkopf vieille vignes von Adam rund 200€. Pappsatt und müde machten wir danach ein paar Schritte durch Ammerschwihr.
Das Dorf gehörte seit 1281 mit weitern 8 Dörfern der Umgegend zur vorderösterreichischen Herrschaft Landsberg (Landsbourg). Von den Habsburgern wurde es 1376 zur Stadt erhoben und befestigt. Nach Verpfändungen ging die Herrschaft im 16. Jahrhundert an den Diplomaten und kaiserlichen Feldhauptmann Lazarus von Schwendi, Ratgeber der Kaiser Karl V. und Maximilian II.

1634, während des Dreißigjährigen Kriegs stellte sich die Stadt unter den Schutz des Königs von Frankreich. Während des Zweiten Weltkriegs wurde im Dezember 1944 in der Schlacht um die Colmar Pocket (der linksrheinische Brückenkopf, den die deutsche Armee gegen die US 7th Army zu halten versuchte) rund 85% der hauptsächlich aus dem 16. Jahrhundert stammenden Bebauung durch Bomben und Panzergranaten zerstört. Traurige Vergangenheit.
Von der mittelalterlichen Befestigung sind noch wenige Bauten erhalten: das Obertor, der Bürgerturm und der Schelmenturm (Tour des Fripons) aus dem 16. Jahrhundert; dieser diente einst als Gefängnis.

Animiert durch den Riesling Kaefferkopf, fuhren wir noch nach Riquewihr. Wie vor 30 Jahren, nahmen wir Platz im unverändert gebliebenen Eckstübchen der Firma Hugel mitten im Ort. Nun bin ich gespannt, ob und wie mir die Hugel-Weine nach so vielen Jahren Elsass-Abstinenz und gleichzeitig Zuwendung zu Mosel- und Rheinweinen zuhause schmecken werden.


1324 wurde die Herrschaft Reichenweier mit ein paar andern Dörfen an das Haus Württemberg verkauft. 1796 von Napoleon annektiert.

Seltener Anblick der Hauptgasse (Rue du Général de Gaulle): Im Sommer und Herbst siehts hier sonst aus wie an der Drosselgasse in Assmannshausen.

Danach waren wir todmüde, warfen en passant noch einen Blick in den marché couvert von Colmar, die kleine, schöne Markthalle an der Lauch, gleich hinter dem Petit Venise. Hier gibts u.a. Brocciu Käse. Gut zu wissen. Für einen nächsten Besuch.


Ich lese deine Berichte immer so gerne und freue mich, dass es euch wieder so gut geht, dass ihr euch tatendurstig auf den Weg macht! Die elsässischen Dörfchen bieten sich wirklich an, einen schönen Tag zu verbringen…
Das Restaurant, in dem die Zeit still steht – wirklich kurios!
Liebe Grüße
Cheriechen
Mit dem Tatendurst wars dann nachher nicht mehr soweit, aber das kommt wieder. Besonders jetzt, wo das Elsass saisonbedingt noch nicht überlaufen ist, darf man schon sagen „vaut un séjour“. Deine grünen Bärlauch-Garganelli haben mich heute angemacht, auch nochmal was mit Bär zu kochen.
Das ist doch schön!
Lasst es euch gut schmecken – mit „Bär“ oder ohne 😉
Das weckt Erinnerungen. Danke!
schön, die Koordinaten kennst Du ja 😉
Ich mag ja das kulissenhafte am Elsass. Da bleibt man wohl schnell in der Vergangenheit hängen. Im rustikalen Niedermorschwyr hat mir die rustikale Küche aber ziemlich gut gefallen. Von dem Cordon Bleu träume ich heute noch manchmal.
etwa im Caveau Morakopf ?
Das Hotel hieß Hotel de l`Ange. Ich weiß gar nicht mehr, ob das zugehörige Restaurant anders hieß. Heißer Tipp ist da auch der Turm gebratener Gänseleber.
Den Bericht nehme ich mir mit, für die nächste Kurz- oder vielleicht auch Länger-Reise!
richte Dich eher auf Länger-Reise ein 😉
Mir gefallen deine Berichte immer sehr. Ich lese sie immer sehr gerne und ganz besonders diesen hier, er weckt Erinnerungen. Danke dir.
Schön zu lesen, dass es Euch wieder so gut geht, dass Ihr solche Erinnerungstouren wieder machen könnt. LG
was immer wir unternehmen, Frau L. will abends wieder im eigenen Bett sein. Aber es hat ja noch Vies zu sehen in der Nähe.
Elsass – wie schön!
Wie schön, dass du so viele (gute!!) Erinnerungen in mir weckst: von Baden-Baden aus war das Elsass für uns ja auch immer nur einen Katzensprung entfernt.
Die alten Bauten, der Baustil an sich….immer noch so schön in meinen Augen.
Danke vielmals fürs Mitnehmen!
Einen schönen Sonntag für euch und liebe Grüße
Eva
Das ist ja das Schöne im Dreiländereck: man kann etwas am Duft der weiten Welt schnuppern… und doch zuhause übernachten.
Wie schön, dass es euch ins Elsass verschlagen hat, da freuen wir uns auf weitere Berichte. Dieser war ein wunderschöner Auftakt, wie immer allerliebst bebildert. Schönen Sonntag!
wobei meine Sonntagsausflüge viel mehr Arbeit geben als ein Sonntagsbraten 😉 Das muss auch einmal gesagt werden.
Good that you are back to the future. Sehr schoene Orte hast Du beschrieben und mir fotografisch eroeffnet, Neuland alles.
Von der Mostschweiz aus ist das Elsass ebensoweit entfernt, wie für uns der Bregenzerwald.
😯 Das Elsass scheint entvölkert zu sein – bis auf zwei einsame Autos. Soll ich das nun gut finden? Wir haben sowohl das nördliche als auch das südliche Elsass meist anders erlebt. Die Drosselgasse in Rüdesheim ist uns allerdings nur vom Hörensagen bekannt.
Immerhin stellt die anscheinend mit einem Tablet fotografierende Person einen Bezug zur Gegenwart her.
🙂
die Menschen scheinen mich zu fliehen. Das hat aber auch sein Gutes 😉
Ihr lebt in einem wunderhübschen Dreiländereck – in alle Richtungen hübsch…
.. sonnige Sonntagsgrüße
Das weniger hübsche wird geschnitten. Danke, die sonnigen Sonntagsgrüsse sind auch hier angekommen.
Wieder ein schöner Reisebericht! Letzte Jahr im Vorfrühling war ich mit meiner Schwester auch in den beschriebenen Ort, zum Glück waren wir noch fast „entre nous“. Die vielen Souvenirgeschäfte ließen aber schlimmeres für die Saison erwarten, es ist gar nicht so einfach, diese Geschäfte nicht auf dem Bild zu haben…
Aber wirklich eine schöne Gegend, Burgen, Weinberge, Ausblicke…
ich schaue mir gerne die Postkarten in den Souvenirgeschäften an, dann weiss ich, was ich fotografieren muss 🙂
Sehr sehr schön! Danke für die wundervolle Bilder.
Grüsse,
Rosa
der viele rote Sandstein hat halt in den Fotos etwas Rotstich hinterlassen.
Danke für’s Mitnehmen – mir haben sich aber viele Fragen eröffnet.
2 Michelin-Sternchen gegen 3 schwarzen Gaberln – ich kenn mich da ja nicht so aus – ob es wohl mal eine kleine Aufklärung zu den Hauberln und all dem anderen Schnickschnack geben könnte…
200€ sind aber nicht gerade günstig für 2, oder? Und warum magst Du Gartenkresse nicht? 😉
Viele Sterne, viele Hauben, viele Punkte = teuer und eventuell gut. Auf der Toilette Frotteetüchlein.
Wenig Sterne, wenig Hauben, wenig Punkte = eventuell gut und teuer. Auf der Toilette Frottee- oder Papiertüchlein.
schwarze Gabeln = teuer und eventuell gut, auf der Toilette Papiertüchlein.
rote Gabeln = teuer mit Interiordesign. Frotteetüchlein
Nichts von alledem = eventuell gut, Preise variabel, Papier oder Frottee
Dazu muss man wissen, dass einige kommerzielle Restauranttester (nicht alle!) nicht unempfänglich für kleine Aufmerksamkeiten seitens des Wirtes sind. Speziell in kleinen Ländern, wo „man“ die Tester mit der Zeit kennt.
200€ waren eher teuer. Gartenkresse mag ich an sich. Nur nicht auf jedem Teller.
Auch das Elsass scheint eins der Paradiese zu werden, aus dem man von der Erinnerung vertrieben wird.
ein vieldeutiger Satz 😉
Nur die Beantwortung der Frage ob des Weingeschmacks muß mir entgangen sein 😉