
Das dringliche Bedürfnis mancher Menschen, dem Ziel ihrer Reise ihren persönlichen Stempel aufzudrücken, ist mir unerklärlich. Ruinen, Denkmäler, selbst Grabstellen werden mit Gravuren, Kritzeleien und Schmierereien geschändet. Dazu gehören auch ERinnerungstafeln.
Egal was man uns Nachfolgenden kündet, ob „I was here 2001“, „Helmut ♥ Gaby foreva“ oder „Goethe rastete hier am 22. Nov. 1801“; der Inhalt ist derselbe: sich auf die Geschichte oben drauf setzen. Wer später hinzukommt, muss die Botschaft über sich ergehen lassen.
Da macht Raron keine Ausnahme. Dem gewichtigen Besucher entsprechend in Bronze gegossen, vom löblichen Gemeinderat in Auftrag gegeben und bezahlt: Der tiefe Dank an Herrn Bundeskanzler H. Kohl, dass er im April 1989 die Grabstätte R.M. Rilkes auf dem Burghügel besucht habe.
Machen wirs kurz: ich war auch da. Hab mir mit Frau L. vor ein paar Wochen den Ort angesehen. Den steilen Burghügel musste ich alleine erklimmen. Dann tranken wir Kaffee und sind wieder gegangen. Ohne Spuren zu hinterlassen.
Raron, ein sehenswerter Ort, hübsch herausgeputzt. Der alte Dorfkern mit ein paar alten, herrschaftlichen Häusern, bescheidene bäuerliche Holzhäuser und Gaden, daneben viele neue Wohnbauten, die von Wohlstand künden. Chemie und Aluminium sei Dank.
Das auffälligste Haus liess sich Mitte des 16. Jahrhunderts ein Landvogt mit Namen Stefan Maxen im Unterdorf bauen. Die Arkade im Untergeschoss wurde durch frühere Überschwemmungen des Bietschbaches teilweise zugeschottert.



Einfamilienhaus in Beton. Kirche in Mauerwerk
Raron gehörte seit der Zeit des Königreichs Hochburgund den Bischöfen von Sitten. Auf deren Veranlassung wurde vermutlich im 11. oder 12. Jahrhundert eine Wehranlage hoch auf dem Felsen über dem Dorf errichtet.
Aus dem 12. Jahrhundert stammt das Viztumsschloss, ein quadratischer Wohnturm und späteres Zendenrathaus. Der Begriff Viztum geht auf das lateinische Vicedominus zurück, den Stellvertreter des Bischofs. Seit dem frühen 13. Jahrhundert waren die Herren von Raron Inhaber des Amtes und beherrschten bis 1419 die Geschicke der Gegend.
Zu Beginn des 14. Jahrhunderts erfolgte der Bau eines annähernd quadratischen Palas als Amtssitz des bischöflichen Meiers. Der Meier, ursprünglich ein dem Viztum unterstellter Steuereintreiber, erlangte zunehmend Machtbefugnisse und wurde zum wichtigsten Vertreter der weltlichen Gewalt des Bischofs.
Nachdem die Dorfkirche im 15. Jahrhundert durch Murgänge und Überschwemmungen des Dorfbaches nahezu vollständig zerstört wurde, baute man die neue Kirche 1512 – 1518 auf den Burghügel um den Palas herum und nutzte ihn als Kirchenschiff.

Im Innern der Kirche erfreut das Auge des Besuchers ein schauerlich-schönes Fresko aus dem Jahre 1612 mit der Darstellung des Jüngsten Gerichtes, das bei Renovationen 1923 wieder entdeckt wurde. Links die Guten, wohl behütet von Engeln, oben der Himmel mit vielen, eher gelangweilten Statisten. Bedeutend kurzweiliger geht es in der Hölle (rechts im Bild) zu. Ungeheuer mit Drachenköpfen zwicken Menschenleiber mit glühenden Zangen. Geschwänzte Teufel helfen mit Brandfackeln nach. Selbst Bischöfe sind von der Fahrt zur Hölle nicht ausgenommen. Immerhin brauchen sie keinen Fussmarsch auf sich zu nehmen. Naive Schau- und Schadenfreude.


Ja und dann draussen, neben der Erinnerungsplatte an den Bundeskanzler, bescheiden an die Kirchenwand gesetzt, das Grab des Dichters J.M. Rilke. Der alte Rosenstock hatte bei unserm Besuch noch nicht ausgetrieben.
Mit den Jahren wurde den Einwohnern der beschwerliche Aufstieg zur Burgkirche zuviel. 1971-1974 wurde in den Burgfelsen ein 6000 m3 grosses Loch gesprengt und darin eine Felsenkirche für rund 500 Besucher eingebaut.

Diesmal hat es für die Rarner Eglifilets nicht mehr gereicht. Ein Grund mehr, wieder zu kommen.
Quellen:
Historisches Lexikon der Schweiz: Raron
Raron Sehenswürdgkeiten
Rilke gehört zu meinen Angeschwärmten. Daher mein Dank an dich, mich an sein Grab und ins schöne Raron mitzunehmen – wenn auch nicht in Bronze gegossen. Einen schönen Sommersonntag euch beiden…
Das Grab war früher noch bescheidener, ohne Umfassungsmäuerchen.
Eins immerhin wird der postmodernen Gebetsabschussrampe zuteilwerden, dass nämlich keiner, der sie besucht, eine bronzene Duftmarke hinterlassen wird.
dafür wäre es schön kühl in diesem Felsenkeller.
Wenn es hier ‚Sonntagsausflüge‘ gibt, nehme ich das als Zeichen, dass es im Hause L. besser geht und freue mich. Danke fürs Zeigen von Raron, das ja noch immer auf meiner Wunsch-Ausflugsliste steht. Dann werde ich Herrn Rilke und die Eglis besuchen 😉
jetzt ist es zu heiss zum Ausreisen. Wir halten uns an die Empfehlung des Bundesamtes für Gesundheit: möglichste nichts tun und viel trinken. Und irgendwann ist es dann Herbst.
seltsam, dass rilke auch irgendwo begraben sein muss ist mir noch nie in den sinn gekommen
(dafür war ich in ronda)
schön ist es da, danke für den bericht
übrigens:
gaden heisst hier der raum hinter der beheizbaren wohnstube + er ist auch nur durch diese zu betreten
liebe grüsse + einen schönen sonntag
Euer Gaden ist unser Hinterstübli. Hier bedeutet Gaden ein Haus aus einem einzigen Raum bestehend. Ronda ?
ronda- im andalusischen hinterland
rilke war von der lage dort so begeistert dass er einen winter lang blieb
jetzt heisst sogar die örtliche fahrschule nach ihm
Schöner Bericht, wie immer. Ja, die hinterlassenen Spuren, teils schlimm. Die Tafel ist erträglicher als die Kritze- und Ritzeleien. Zum Schmunzeln brachte mich vor langer Zeit „Ich war auch hier, Marco Polo“ in Deutsch irgendwo in Asien.
Markierungen dieser Art sind so alt wie die Menschheit. Sie folgen einer eigenartigen Gesetzmässigkeit.
Ach wie schön, Eure Ausflüge gehören zu meinem Sonntagsglück. Jetzt muss ich gleich mal nachsehen, wo genau sich Raron befindet und ob es vielleicht an einer Urlaubsroute liegt. Wunderschöner Bericht, vielen Dank.
Ein schönes Ort und ein wunderschöner Ausflug.
Grüsse,
Rosa
not far away from your lake.
Also ich bin begeistert, wenn ich irgendwo sehe, wo z.B. Beethoven auf’s Klo gegangen ist oder Ähnliches 😀
Du bist eben musikalisch 😉
Stichwort „Spuren hinterlassen“: Das mit dem Gekritzel ist eine schlimme Sache, es geht aber noch schlimmer. Neulich in den USA hatten wir Gelegenheit den beeindruckenden Antelope Canyon zu besichtigen. Bis vor einigen Jahren erlaubten es die Navajo noch Besuchergruppen sich dort allein umzusehen. Leider reichte es einigen amerikanischen Touristen nicht ihre Namen zu hinterlassen- nein, man findet dort an etlichen Stellen Schussspuren! Sehr witzig, dass Du diese Problematik am Beispiel des Helmut Kohls illustrierst. Das ist dasselbe in offiziell 🙂
wie bei uns im Jura die Tempobegrenzungsschilder. Die dienen auch als Zielscheiben.
I was there, anläßich eines Urlaubes in Stalden, allerdings schon vor Jahren!
Ist das Absicht, daß man jetzt nur noch die ersten beiden Bilder anschauen darf? Wer zu spät kommt, den bestraft das Internet oder so?
Von den anderen sehe ich nur einen Rahmen und vermutlich den Dateinamen am oberen Rand.
Safari 7.1.6, Zugang über T-online.
und warum sollte das meine Absicht sein ??? Dann könnte ich gleich aufhören mit Bloggen. Es kommt immer wieder vor, dass Bilder nicht übermittelt werden. Die ersten 2 Bilder hab ich innerhalb wordpress abgelegt, die folgenden auf flickr. Meine Bilder liegen seit 8 Jahren auf flickr. Bis jetzt wurde nur selten beanstandet, dass jemand die Bilder nicht sieht. Da ich keinen Apfelcomputer mit Safari besitze, kann ich das nicht prüfen und verstehe davon auch zu wenig.