Raub der Sabinerinnen. J-L David

Pizzicotti di Contigliano und der Raub der Sabinerinnen

Pizzicotti (2016 01 03_9966)

Aus der immerwährenden Reihe Cucina Povera. Ein Wohlfühlteller der allereinfachsten Sorte. Pizzateig in kleinste Fetzchen zerzupft (pizzicottare > kneifen), in Salzwasser gekocht und mit viel Tomatensauce angerichtet. Ein altes Rezept aus der Region der Sabiner Berge nahe Rieti (Latium). So haben wohl schon die Frauen der Etrusker Pasta aus Brotteig zubereitet. Lange bevor Marco Polo aus China die Nudelkunst nach Italien brachte. Kein Wunder, dass die Römer ausgerechnet die Sabinerinnen rauben wollten. Bis die pasta mit Tomatensauce serviert werden konnte, dauerte es indes noch 2000 Jahre.

Als Tomatensauce hätte die Amatriciana gut gepasst. Das Dorf Amatrice liegt ebenfalls in der Provinz Rieti. Mangels Guanciale für eine regelkonforme Amatriciana musste ich mit einer vegetarisch-fencheligen Tomatensauce vorlieb nehmen. Schmecken tun die pizzicotti anders als normale Pasta, sie erinnern an Dampfnudeln in Knöpfle-form.
Die Zubereitung der Pizzicotti kann man sich von Signora Antonia Fusacchia erzählen und zeigen lassen. Die Männer im Video zupfen die pizzicotti direkt ins kochende Wasser. Wer das so machen will, engagiert am besten die Damen des örtlichen Theatervereins, die kennen sich mit dem Raub der Sabinerinnen aus. Da ich keine derartigen Verbindungen habe, musste ich die pizzicotti alleine zupfen und zupfte sie vorab (Dauer: 30 Minuten) auf eine bemehlte Platte.

Pizzicotti di Contigliani


Pizzicotti (2016 01 03_9969)

Zutaten
Vollmahlzeit für 3-4 Personen
für die pizzicotti:
250 g Weissmehl (tipo 0)
125 g lauwarmes Wasser
6 g Frischhefe
1/2 TL Salz
1 EL Olivenöl
Hartweizendunst zum Lagern der gezupften Pizzicotti

für die Tomatensauce:
4 EL Olivenöl
1 Zwiebel, geschält, gehackt
1 Knoblauchzehe, geschält, ehackt
1 Peperoncino, geschält, entkernt, in feine Würfelchen geschnitten
1/2 TL Fenchelsamen, angedrückt
400 g Tomatenpassata (Konserve)
220 g Datterinitomätchen (Konserve)
Salz nach Bedarf, schwarzer Pfeffer
Pecorino oder Parmesankäse, frisch gerieben

Ein paar frische Zweige Gewürzfenchel aus dem eigenen Garten (warum treibt der schon im Januar?)

Zubereitung
(1) Hefe in Wasser anrühren und mit dem Mehl in der Küchenmaschine 10 Minuten zu einem weichen, nicht zu festen Teig verkneten. Salz und am Schluss das Olivenöl unterkneten. Zugedeckt an einem warmen Ort in der Küche 2 Stunden gehen lassen.
(2) Indessen die Tomatensauce zubereiten. Zwiebel, Knoblauch, Fenchelsamen und Peperoncino in einem Topf in Olivenöl auf niedriger Stufe langsam dünsten. Mit Passata ablöschen und ca. 1 Stunde leise simmern lassen. Kurz vor Verwendung die Datterinitomätchen darin aufwärmen und das Ganze würzen.
(3) Wenn sich das Teigvolumen mindestens verdoppelt hat, dürfen die Damen des Theatervereins in Aktion treten: Fingerspitzen mit Olivenöl einreiben. Vom Teig Stücke abnehmen und davon kleine Fetzchen abreissen und vorzugsweise auf eine mit Hartweizendunst bestreute Platte legen. Mit klein meine ich wönzig kleine Fetzchen, keine kleinen Germknödel. Die Dinger gehen im Wasser noch etwas auf.
(4) Topf mit viel Wasser zum Kochen bringen, salzen. Pizzicotti ins kochende Salzwasser schütten. Umrühren. Sie steigen rasch hoch. Spätestens nach 2 Minuten mit der Drahtkelle herausheben und mit der Tomatensauce mischen. Pecorino untermischen und drüber streuen. Kocht man die Dinger zu lange, werden sie für meinen Geschmack zu latschig.

Pizzicotti
Die Idee zu dieser -mir zuvor unbekannten- pastaform raubte ich bei il mondo di luvi. Die Sabinerberge führten mich zum geschichtlichen Mythos der Sabinerinnen und diese schnurstracks zur Erinnerung an den unvergessenen Gustav Knuth im Sabinerinnen-Schwank als sächselnder Theaterdirektor Striese.

Humor, über den wohl nur noch wir Alten lachen können (das Stück erschien 1883, der Film ist leider erst 60 Jahre alt und deshalb nicht gemeinfrei).

Headerbild von Jacques-Louis David, 1748-1825, „Le combat des Romains et des Sabines interrompu par les femmes sabines“, 1799, Louvre, über wikimedia commons.

28 Kommentare zu „Pizzicotti di Contigliano und der Raub der Sabinerinnen“

  1. Du hesch mit däm Post wiider emol alli Register zooge. E Läse-und Gaumeschmauss vom Feinschte. Mi Komplimänt !
    I frog mi bereits èb‘ i statt em Guanciale nit eifach eglai Pancetta sèll neh – das miesst‘ i doch au passe …?!

    1. Je einfacher das Rezept, desto mehr story brauchts rundherum 😉 Pancetta geht auch für die Amatriciana und ist erst noch weniger fett.

  2. Da wir eine große Anzahl Sabinen in der Klasse hatten war der Raub derselben eine zeitlang ein recht wichtiges Thema… allerdings ohne pizzicotti, die lerne ich erst heute kennen.

  3. Mag ja sein, dass das einfach ist – aber ich kannte es nicht. Und das Ganze lacht mich sehr an – das wird morgen mittag hier auf dem Tisch stehen (heute klappt es noch nicht, da müssen erst noch die altbackenen Semmeln dran glauben und zu Knödlen werden 🙂 )

  4. Obwohl dein Gericht extrem appetitlich aussieht, bleibe ich doch lieber bei meiner knusprigen Pizza. 😉

    1. Damals zogen die Römer die Sabinerinnen den Einwohnerinnen von Parthenope (dem heutigen Neapolis) vor. Das mag sich mit der Erfindung der knusprigen Pizza im 19. Jahrhundert geändert haben. Historie geht in meinem Blog halt vor Knusprigkeit 😉

  5. Das sieht selbst bei den beiden aiutanti professionali derart nach Arbeit aus, dass ich es am Wochenende zur Nervenberuhigung ausprobieren werde 🙂

  6. So lasse er doch die ollen Sabinerinnen und die Damen des ortsansäßigen Theatervereins stehen und raube einfach die Pizzicotti.
    Gäbe es bei uns viel öfter, wenn nicht Mann und Sohn immer „Bollen“ zupfen würden. Habe die Pizzicotti als junge Austausschülerin das erste Mal in der Nähe von Rom genießen dürfen. Ach, wo sind die Zeiten und die Pizzicotti hin? Danke für schöne Erinnerungen, werde am Wochenende mal wieder zupfeln. Ein gutes Neues Jahr wünscht
    Hannelore

  7. Habe für 6 Leute die doppelte Menge zubereitet. Zum Voraus gabs eine riesige Schüssel gemischten Salat und jetzt das: Alles weg, sogar das was ich einfrieren wollte, das habe ich notgedrungen aufgewärmt und d auch die Sauce weggefuttert war, mit eimer „Fertigsauce“ ergänzt. Alle waren total glücklich, aber auch ein wenig ermattet. So macht Gäste haben richtig Freude. DANKESCHÖN Millie20t

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