Nach einigen Wochen Hausarrest wollte Frau L. wieder mal den Fuss vor die Haustüre setzen und ausgefahren werden. An einem der warmen Tage dieses Sommers. Zu warm für lange Fahrten. Dann halt in die Nähe, auf Schloss Bürgeln, wegen des Vespertellers und dem Schorle. Vom schattigen Parkplatz gehts rund 300 m bis zum Eingang der Anlage hoch. An desinteressiert glotzenden Charolais-Rindern vorbei. Frau L. stemmte sich mit Stöcken, halb geschoben, halb gezogen und mit vielen Pausen mühsam den Berg hoch. Und liess sich, völlig erschöpft, in der Schlosschenke nieder. Die geführte Schlossbesichtigung fand ohne uns statt. Wir kennen ja das Schloss von früheren Besichtigungen. Und es ging wirklich nur um Bewegung und Schorle.

Schon vor der ersten Jahrtausendwende existierte auf dem Berg eine Ritterburg samt Kirchlein. Um die 1125 vermachte ein Nachfahre der Ritterfamilie von Kaltenbach den gesamten Besitz dem Kloster Sankt Blasien. Eine Probstei wurde eingerichtet und die alte Kirche überbaut. Die Probstei verwaltete den St. Blasischen Besitz im Markgräflerland, zog fleissig Steuern ein und leistete dafür geistlichen Beistand. Der fiel nach der Reformation in der Markgrafschaft 1556 weg, obwohl das Kloster St. Blasien mit seinen Besitztümern weiterhin zum katholischen Vorderösterreich gehörte. 1689, im Pfälzer Erbfolgekrieg, wurde die Probstei auf dem Bürglerberg schwer beschädigt und blieb zeitweise unbewohnt, bis sie schließlich 1762 durch das Kloster St. Blasien in ihrer heutigen Gestalt neu errichtet wurde. Mit dem Neubau sollte den Reformierten die katholische Macht prunkvoll präsentiert werden.
Der alte Bau wurde dabei bis auf die Grundmauern abgerissen, der Neubau stand unter der Leitung von Franz Anton Bagnato (der am Arlesheimer Dom ebenfalls tätig war). 1764 wurde der Bau im Rokokostil fertig gestellt.
Nach der Niederlage von Austerlitz schloss Österreich 1805 mit Frankreich Frieden. Der gesamte österreichische Breisgau fiel an Baden. Das Großherzogtum verkaufte das Schloss umgehend an einen Landwirt. Nach einer Reihe weiterer Besitzerwechsel kaufte 1912 Elisabeth Baronin von Gleichenstein das Schloss. Als sie es 1920 wieder verkaufen wollte, schlossen sich Gemeinden und Bürger des Markgräflerlandes im Bürgeln-Bund zusammen, um das Schloss der Öffentlichkeit zu erhalten. Der badische Staat nahm sein Vorkaufsrecht wahr. Der Bürgeln-Bund stellte den Kaufpreis und übernahm Rechte und Pflichten des Grundeigentums. Nach dem Kauf war die Kasse des Bürgeln-Bundes erschöpft und man fand im Generaldirektor der Odol Lingner-Werke AG in Dresden einen finanzkräftigen Pächter. Da schon dessen Chef, Karl-August Lingner, ein Schloss, Schloss Tarasp im Unterengadin, bewohnte, wollte der Direktor halt auch eines haben. Er liess das Schloss grundlegend renovieren und lebte ab 1939 darin, 1957 endete das Pachtverhältnis und der Bürgeln-Bund übernahm den Unterhalt des Schlosses in eigener Regie.
Von hier lässt man den Blick aufs Markgräflerland schweifen, weiter ins Elsass bis nach Paris. Kommt ins Träumen von schönen Reisen in ferne Länder. Wobei schon die Vogesen der Träumerei im Wege stehen. Den Abstieg ersparte ich Frau L. und fuhr sie durchs Fahrverbot zurück. Die Charolais-Rinder glotzten immer noch.
Quellen:
wiki: Schloss Bürgeln
Schloss Bürgeln
Lieber Robert, zum Glück hast du geschrieben, dass du Frau L. den Abstieg erspart hast…ich hätte nämlich von dir als Kavalier erwartet, dass du sie noch oben trägst (wer schließlich im Juragärtchen mit selch schweren Maschinen tätig ist….. ;-))
Spaß beiseite: schön, dass ihr diesen wunderschönen Ausflug gemeinsam unternehmen konntet!
Habt einen schönen Sonntag, viele liebe Grüße Eva
Die Welt wird langsam immer kleiner…und hört am Horizont auf. Leider. Euch wünsche ich einen schönen Sonntag. In der oder um die Heide herum.
Läßt man die Mühen des Aufstiegs außen vor, dann wirkt das aber sehr nach einem romantischen Moment à deux (zumal der Ritter bereit war, über Verbote hinwegzufahren 😉 liebe Grüße…
Speckteller mit Kirsch ist doch immer romantisch.
Di Post vo hüt stimmt mi noochdängglig. Es frait mi, dass du sälbscht däm Umstand mit Grössi und dim eimoolige Humor entgege haltisch. Chapeau !
P.S. Charolais-Rinder – mi Wält ! I ha mir grad geschdert dervo e zympftigs Faux-Filet brutzlet.
das sind schöne Tiere. Der Nachbar im Jura hat auch welche.
Nur einen Katzensprung von mir emtfernt. Schloss Bürgeln ist immer einen Besuch wert. Bei uns Markgräflern ist sind das Schloss und die Kapelle auch ein beliebter Ort für Familienfeiern…runde Geburtstage, Hochzeiten… LG Die Markgräflerin
sind die Filzpantoffeln immer noch Vorschrift an den Füssen?
Als ich das letzte Mal zu einer Besichtigung dort war (im Rahmen einer Familienefeier https://markgraeflerin.wordpress.com/2014/03/12/eine-familienfeier-auf-schloss-burgeln/) war das nicht so. Keine Ahnung ob es die Filzpantoffeln bei den Führungen noch gibt. Die kenne ich eigentlich nur aus Grundschulzeiten, und das ist schon eine Weile her 😉
Nichts gegen die Rindviecher. Sie sind im Tal halt trotzdem glücklich, weil sie nicht wissen, was sie verpassen 😉
im Tälchen ist das Gras auch saftiger.
Schön, dass es wieder einmal mit einem Sonntagsausflug geklappt hat. Davon wünsche ich Euch noch viele.
Geniesst den Sonntag – herzlich,
Andy
Ich werde mir noch ein paar auf Halde legen. Danke.
Gute Besserung der lieben Frau L.!
Danke. Sie fühlt sich ganz gut. Hat einfach keine Kraft mehr zum Gehen ausserhalb des Hauses.
War das Schloss nicht Ende der achtziger Jahre Schauplatz einer deutschen Fernsehserie? Jedenfalls waren wir vor vielen Jahren auch schon einmal mit unseren Kindern dort. Schöne Erinnerung.
Gute Besserung und eine gute Zeit!
Ja, das war die ZDF-Serie über den Weinbauer Lorentz und Söhne. Da hatten auch wir noch TV.
Our wedding, conducted by my Protestant great-uncle, in Buergeln’s little chapel, 1964. I suspect the nuns who ran the Schloss at the time, felt slippers and all, afterwards fumigated it, to render it properly Catholic again. 😉
Thank you for the belvedere photos: the terrace is a perfect place to look across and dream of a united Europe. Glad to hear there is still a Speckteller and Schorle. Do the locals still have bumperstickers that say „Mit mir chasch au Alemannisch rede“?
new cars have replaced the old bumperstickers
Ich würde sagen, die Charolais-Rinder kokettieren mit buddhistischer Gelassenheit.
Dem vollen face-en-face-Blick fehlt das spezifisch Kokette.