F-13000 Marseille (1)

Endlich am Meer. Ein alter Wunsch hat sich erfüllt. Nicht in langsamer Annäherung via Doubs und Saône zur Rhonemündung südlich von Arles, sondern mit dem TGV direkt in die -nach Paris- zweitgrösste Stadt Frankreichs: Marseille. Eine kleine Gruppenreise mit literarischen Spaziergängen, kulturellen Leckerbissen, extravaganten Naturkulissen, tragischen Geschichten, botanischen Merkwürdigkeiten und gutem Essen. Da unser Regional-Bähnli den Umsteigebahnhof 5 Minuten zu spät erreichte, fuhr die Gruppe in Genf ohne uns weg. Und wir beide hinterher. 1 Stunde später trafen auch wir in der Stadt ein.

Marseille, eine für mich unbekannte Stadt. Eine Stadt, die nicht einfach zu verstehen ist. Eine Stadt, auf Hügeln gebaut. Eine Stadt, die man fühlen, riechen, erwandern muss. Einfallstor aus Afrika und dem Orient. Eine Stadt der Gegensätze. Bewohnt von einem Vielvölkergemisch. Offen, tolerant.

Entlang der felsigen Küste waren in der Antike geschützte Landeplätze rar, so steuerten griechische Seefahrer bereits im 7. Jahrhundert v. Chr. den natürlichen Hafen des heutigen Marseille an, wo die Galeeren vor Wind und Wellen geschützt waren. Die Griechen pflegten Handel mit den ansässigen ligurischen und keltischen Stämmen. Nach einer Landschenkung gründeten die Griechen eine dauerhaft bewohnte Siedlung mit dem Namen Massalia, dem heutigen Marseille. Bald eine der reichsten und größten griechischen Kolonien (Apoikien) im westlichen Mittelmeer.

125 v. Chr. rief Massalia die Truppen des Römischen Reiches um Hilfe gegen die Angriffe gallischer Stämme und wurde ein halbes Jahrhundert später in das römische Imperium integriert.

Anfangs des 13. Jahrhunderts wurde Marseille zur selbständigen Republik und 1481 mit Frankreich vereinigt.

Als erstes besuchten wir die Altstadt über dem alten Hafen: das Panierviertel. Unterbrochen von Lesungen aus Büchern ausgewählter Autoren mit Bezug zur Stadt. Enge, verwinkelte Gassen, aufwärts, hinunter, treppauf, treppab. Hier liessen sich in den letzten Jahrhunderten die Einwanderer aus dem Mittelmeerraum und Afrika nieder. „Zu Beginn des 20. Jahrhunderts galt es als Schande, im Panierviertel zu wohnen“. Zitat: Jean-Claude Izzo, Total Cheops. Während des zweiten Weltkrieges sprengte die deutsche Wehrmacht die vordersten, dem Hafen zugewandten Häuserreihen um das Viertel besser kontrollieren zu können. Die folgenden Bilder zeigen (meine) Impressionen aus dem heutigen Panier.

Montée des Accoules/ Notre Dame des Accoules
Montée des Accoules

„Diese Stadt ist eine offene Tür, offen zur Welt, offen zum Nachbarn. Ein Tor, das sich nie schliessen wird. Marseille ist Vielfalt. Viele Kulturen. viele Völker, tausend Geschichten. Woher man auch kommt – in Marseille ist man zu Hause.“ Zitat: Jean-Claude Izzo. Mein Marseille

Rue des Moulins, eine hübsche Sozia
Rue des Mouettes, Fensteridylle
Bad hair day

Die vielle Charité ist ein ehemaliges Krankenhospiz. Die barocke Kapelle stammt aus dem Jahr 1704/1863. Das umschliessend Hospiz wurde zwischen 1671 und 1749 erbaut. Heute wird es für kulturelle Zwecke genutzt.

Auf den vielen Plätzen des Panier-viertels scheint die Hektik der Zeit ignoriert zu werden.

Rue Sainte-Françoise

Wie in vielen andern Städten, erinnert sei an den Prenzlauer Berg in Berlin, ist auch in diesem alten Quartier eine zunehmende Gentrifizierung festzustellen. Schöner, edler, teurer. Die ursprünglich hier wohnende Bevölkerung wird dabei an die Peripherie der Stadt verdrängt.

Rue Robert

Gegen Abend noch ein Spaziergang durch die Rue d’Aubagne, wo der Orient zuhause ist.

Rue d’Aubagne, Suq

Fortsetzung folgt.

39 Kommentare zu „F-13000 Marseille (1)“

  1. Großartig die Stimmung eingefangen, gerade am recherchieren,ob der Möglichkeit eines herbstlichen Fluchtgedankens Richtung Meer.

  2. Eine schöner Bericht und eine stimmungsvolle Bilderzusammenstellung!
    Marseille war für mich als Jugendlicher DER Sehnsuchtsort, so dass ich im Sommer 1967 eine mehrtägige Reise per Anhalter (!) dorthin unternommen habe.

  3. Lehrreich. Illustrative Fotos. Danke. Einer der wenigen mir bis anhin bekannten Fakten über Marseille war die Anlaufstelle der Fremdenlegion, aber da sich immer andere Lösungen ergaben, blieb mir die Legion erspart.

  4. Auf den Spuren von Marcel Pagnol und seinen Romanfiguren Marius, Fanny und César. Wunderbar! Ich wünsche Ihnen eine schöne Zeit.

  5. Ein sehr schöner Bericht mit Eindrücken, die ich nur bestätigen kann. Habe mir erst selbst vor drei Wochen den Traum erfüllt und einen Tagesausflug nach Marseille im Rahmen des Camargue Urlaubes gemacht…
    Freue mich auf die Fortsetzung…

  6. Oh ja- Marseille! Genau in dieser Ecke hatte ich vor zwei Jahren ein Urlaubsquartier. Der älteste Teil der Stadt, zwischen moderner Kunst in alten Hallen, dem neuen Hafen und unweit interessanter Quartiere mit aufregenden Märkten. Viel Freude beim Erforschen und Entdecken..ich bin gespannt…und danke fürs Teilen .
    Marianne

  7. rue robert….da musstest du hin. danke fürs mitnehmen.
    freue mich schon auf die fortsetzung.
    schönes wochenende
    👋🏼❤️🐝👑🐶

  8. Vielen Dank für all diese Eindrücke – schriftlich wie bildlich!
    Ich lese seit vielen Jahren still und begeistert mit und freue mich über jeden neuen Post.

  9. oh mein Gott, das ist ja genau die Vielfalt einer Stadt, die ich so vermisse in dem allzu schönen Deutschland (ausgeschlossen Berlin), da fahre ich hin mit meiner Tochter, genau das ist es so inspirierend, es klingt wie ein Märchen von Elias Canetti, das so spannend ist, weil eben auch wild und gefährlich…

  10. Marseille – do chöme viili alti Erinnerige uf. Die Erscht dervo: I ha mi dört mit zwai Fründe troffe. Jede isch us ere andere Richtig ko. Träffpunkt am Tag X am Zwölfi bim Hauptiigang vo dr „Notre-Dame-de-la-Garde“. Vo dört us hämmer denn z‘ Fuess Tag und Nacht die spezielli Stadt besichtigt. Tagelang. E bliibends Erläbnis! I freu mi mit dir/Euch! .

      1. Stimmt! Aber do keine vo uns vorhär scho in Marseille gsi isch, hän mir uns dänggt, das wärde mir alli sicher sofort finde.
        E witeri Erinnerig: zum Thema.Hafebar: Hän mr au gseh. Eini mit öbbe 12 Tisch(li) und sicher gege 20 „Serviertöchtere“ … 😀

  11. Lieber Robert
    diesen Besuch am Meer gönne ich Dir (Euch) von Herzen. Ich hoffe, er hat die Erwartungen erfüllt und es möge nicht der letzte gewesen sein.
    Liebe Grüsse aus Zürich,
    Andy

  12. Wahnsinnig schöne Fotos, toller Bericht. Frag mich gerade ob für mich zum nachkochen auch das nachreisen kommt.
    Vielen Dank.

  13. Ich bin von den Rezepten, besonders auch von den Reiseberichten
    sehr angetan, immer hochinterssant.
    Viele Grüße auis Kiel
    Walter

  14. Lieber Robert
    Gut geschriebener Teilbericht von unserer Marseille-Reise, sehr schöne Bilder. Wir freuen uns auf die weiteren zwei Teile.
    Wir sind auch beeindruckt von deinem Blog mit den vielen Rezepten und den weiteren Berichten (und das alles werbefrei).
    Herzlichen Dank auch an Helene für die Übermittlung des Zugriffs.
    Herzliche Grüsse – Hugo und Maja (Reiseteilnehmer und Teilnehmerin)

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