Grenzland 2010: Valposchiavo

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Poschiavo, Seitengasse

Das Valposchiavo, ein nördlich gelegenes Seitental des Veltlins,  beginnt auf dem Berninapass (2328 m) und endet an der Grenze zu Italien, vor Tirano, auf rund 550 m. Diese Jahr sind wir wieder einmal mit der Berninabahn bis Tirano und zurück gefahren. Im Bummelzug, damit die Fahrt länger dauert und ich die Aussicht nicht mit einem Wagen voller Japaner teilen muss 😉 In Poschiavo (hier mein Bericht aus 2007)  sind wir für einen Zwischenhalt ausgestiegen, Mittagessen im Ristorante Albrici. Manfriguli, ein mit Käse gefülltes Buchweizenomelett.

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Poschiavo, Plazza da Cumün mit Hotel Albrici
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Plazza da Cumün
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ehemaliger Wehrturm im Rathaus

Die Geschichte des Puschlavs war lange Zeit eng verknüpft mit dem Los des südlichen Nachbarn. Sowohl die Besiedlung wie die Romanisierung und Christianisierung erfolgten von Süden her.

Im 13. Jahrhundert ein Lehen des Churer Bischofs, gelangte das Dorf 1350 unter mailändische Herrschaft, im Gegensatz zum Veltlin gelang aber dem Puschlav im ausgehenden Mittelalter die gewaltsame Befreiung von der Feudalherrschaft und 1494 die Orientierung nach Norden als freies, unabhängiges Hochgericht des Dreibündenstaates.
Die Religionswirren nach der 1547 eingeführten Reformation brachten dem Tal langandauernde Konflikte und Spannungen. Nach der turbulenten Phase der Bündner Wirren im Dreissigjährigen Krieg nahm Poschiavo eine eher ruhige Entwicklung, die sich vor allem auf den Passverkehr und die Landwirtschaft stützte. Die Französische Revolution hinterliess  nochmals deutliche Spuren.
Das Veltlin löste sich aus dem Untertanenverhältnis zu den Drei Bünden und wandte sich endgültig Italien zu. 1803 trat das Puschlav mit dem neuen Kanton Graubünden in die Schweizerische Eidgenossenschaft ein.
Die wirtschaftlichen und kulturellen Beziehungen des Puschlavs blieben allerdings noch bis Anfang des 20. Jahrhunderts hauptsächlich auf das Veltlin ausgerichtet. Mit dem Bau von Berninabahn und Kraftwerken 1904-12 wurde das Tal aus seiner Abgeschiedenheit befreit.

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Oratorio Sant'Anna mit Beinhaus und Totenschädeln im Portikus

Im 17. bis 19. Jahrhundert wanderten viele Puschlaver aus Armutsgründen aus, bevorzugt nach Spanien, Portugal und Frankreich, wo sie häufig als Zuckerbäcker tätig waren. in Madrid, Barcelona und Porto wurden legendäre Confiserien und Restaurants von Puschlaver Familien geführt. Einige brachten es zu beträchtlichem Wohlstand. Die heimatverbundenen unter ihnen kehrten nach einigen Jahren in der Fremde wieder in ihre Heimat zurück. Mit Stolz stellten die Erfolgreichsten zu Hause ihren Reichtum zur Schau, indem sie am südlichen Dorfrand von Poschiavo prächtige Villen erstellen liessen.

Die Palazzi bilden einen Strassenzug herrschaftlicher Villen aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts am ehemals südlichen Ortsrand von Poschiavo, der auch Spaniolenviertel genannt wird.

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Poschiavo, Via di Palaz

Die Palazzi liegen in einer 120 m langen Reihe  drei- bis vierstöckiger Giebelhäusern an der Nordseite der Via di Palaz. Die bunten Fassaden der neoklassistischen Häuser sind alle nach Süden ausgerichtet und verfügen auf der anderen Strassenseite über Gemüsegärten.

Danach Fortsetzung der Fahrt nach Tirano. Die Berninabahn gilt als höchste Adhäsionsbahn der Alpen und – mit bis zu sieben Prozent Gefälle – als eine der steilsten Adhäsionsbahnen der Welt. 1910 konnte sie auf ihrer gesamten Länge zwischen St. Moritz und Tirano eingeweiht werden. Sie wurde von Anfang an elektrisch mit Gleichstrom betrieben. Seit dem Winter 1913/14 wird der Bahnbetrieb auch im Winter aufrecht erhalten. Die Berninabahn wurde gemeinsam mit der Albulabahn 2008 in die Liste des UNESCO-Weltkulturerbes aufgenommen.

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Fahrt durch Kastanienhaine bei Brusio

Unterhalb von Brusio besitzt die Bahn als letzten Höhepunkt einen Kreisviadukt, der alleine der Höhengewinnung, bzw. der Höhenvernichtung dient.

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Kreisviadukt Brusio
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Auf dem Viadukt

Mein Traum, einmal im Winter die tiefverschneite Landschaft der Bernina zu befahren.

Quellen: wiki, valposchiavo

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15 Kommentare zu „Grenzland 2010: Valposchiavo“

  1. E tolle, interessante Bricht mit wunderscheene Helge! Wie ka‘ s au anderscht si, doderzue wiider emol mi glaine Biitrag unter:

    I wynsch eych e scheene Sunntig mit eme Gruess us de Ferie (s‘ het halt eglai MSG im Ässe)

    1. MSG im ässe? mammamia, wo treibt sich e basler dybli bloss rum? doch nicht etwa in dem land angeblich gelber couleur, in dem MSG unter „wei jing“ bekannt ist? *rolleyes* nimm‘ dich in acht: mir hat „wei jing“ derbes ungemach beschert 😦

      1. @ ellis.illus

        Danke für den fürsorglichen Hinweis Alles halb so wild und nur ein wenig gelb. Das Goldene Dreieck lässt grüssen.
        MSG = Monosodium glutamate, engl. für den Geschmacksverstärker Mononatriumglutamat.
        P.S. Wird nicht mit Schlafmohn (Papaver somniferum) hergestellt 🙂

  2. Mein bzw. unser Traum ist das auch. Mr April allerdings, den kannst du zu allen Jahreszeiten in irgendeien Schweizer Bahn stecken. Die sind alle toll. Wir bewundern nicht nur sie, sondern auch eure Verkehrspolitik. Soweit ich informiert bin, gibt es keine Streckenstilllegungen und die Bevölkerung steht auch dahinter.
    LG, Ingrid

  3. Das Licht löst spontane Reisesehnsucht aus – dies alpine, strahlende Licht, das die Fassaden wie von innen beleuchtet.

  4. Welche Freude du mir heute bereitest, denn Poschiavo und die Bernina-Bahn stehen seit Jahrzehnten ganz oben meiner „Sehnsuchtsliste“. Dein erstes Bild ist für mich das schönste, diese italienische Strenge, wie ein Bild von Morandi. Ich glaube, in einem der Palazzi hat lange der Schweizer Schriftsteller Wolfgang Hildesheimer gelebt.

    1. Hildesheimer wurde 1916 in Hamburg geboren. 1933 gelang seinen Eltern und ihm die Emigration via England nach Palestina. Von 1957 bis zu seinem Tod 1991 lebte er in Poschiavo.

  5. wenn schon Schnee, dann gleich richtig, und mit der Dampfschneeschleuder mitfahren! Kann man bei RhB buchen. Da oben liegt heuer seit ziemlich lange Schnee, nicht richtig viel, aber bei dem schönen Herbst war uns das ein paar Besuche und Wanderungen wert.
    Gruss, Heinz

  6. @Basler Dybli: ich kann gehen, wohin ich will, Basler Dybli war schon mit einer Sondermarke da 🙂

    @april: Die Schweizer Bähnli mögen wir alle. Streckenstilllegungen gibt es auch, aber nur gegen zähen Widerstand der Bevölkerung.

    @bee: das Licht spiegelt sich in farbigen, nicht betongrauen Fassaden.

    @Rosa: like a carousel.

    @Buchfink: Das Wetter in den höheren Regionen der Fahrt war weniger gut, so dass ich dazu nur wenige Fotos gemacht habe. Der Flaschen Morandi. Mich erinnert es eher an ein Bühnenbild aus Der Barbier von Sevilla.

    @Heinz Bühler: Bei der Suche nach Führerstandsfahrten bin ich auf eine Serie von virtuellen Fahrten gestossen, etwas für die Reiselust
    http://www.rhb.ch/Brusio.500.0.html?&L=0%23c623Gueter%2FWagentypen%2Ffad.html

    @the rufus: ich kann Frau L. nicht zuhause verhungern lassen.

  7. Im Schnee aber auch mit der Bahn!
    Sehr schöne Bilder. Ich bin immer wieder begeistert, wie gepflegt eure Städtchen sind.

  8. @ellis.sillus: in einem Jahr wieder 😉

    @entegut: klar doch, möglichst mit dem Schneepflugzug. Die kleinen Städtchen sind hier wirklich lebenswert.

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