
Blicke ich in deutsche foodblogs, packt mich der Neid. Überall werden edle Schweinerassen verzehrt. Wer auf gute Produkte hält, ernährt sich nur von alten Rassen wie z.B. dem Ückermarker Schwarzrücken, Itzeho[h]er Almschwein, Schwäbisch-Hällischen Schwein, dem Eckernförder Strandschwein, Egerländer Stadtschwein, dem Bentheimer Landschwein, dem Husumer Wollschwein oder gar dem Bayrisch-Mecklenburgischen Heideschwein. (Ab und zu kann ich richtig boshaft sein ;-))
Und wir in der Schweiz ? bleibt uns wirklich nur das holländische Industrieschwein aus dem Aldi ? Ich kanns nicht glauben. Die Schweizer Bauern produzieren doch auch zuviel Schwein auf Halde. Die Lagerhäuser können das viele Schweinefleisch kaum mehr fassen. Doch Ende Sommer gibts auch hier den Lichtblick. Das gemeine Alpschwein ! Nur während zweier Wochen nach Alpabfahrt (Almabtrieb) erhältlich. Ich konnte mir gerade noch 2 Koteletts ergattern.
Das Alpschwein füllt eine Lücke im Kreislauf der Kuh- oder Ziegenalp. Konkurrenz für Steinbock, Gämse und Murmeltier. Die rosa Schweinchen sind jedoch empfindlich auf Sonnenbrand, sie müssen sich deshalb im Dreck suhlen können oder bedürfen eines fürsorglichen Hirten, der sie mit Sonnenkrem einreibt. Näheres hiezu unter zalp. Alpschweine werden während der Viehsömmerung auf den Alpen vor allem mit der Molke aus der Käsegewinnung (und etwa Rauhfutter, Gerste etc.) gefüttert. Das Fleisch der Alpschweine schmeckt saftig, aromatisch, ohne zu „schweineln“. Kalbfleischesserin Frau L. kann das bestätigen.

Die Kombination mit Kerbelwurzeln ist zufällig. Das erste Mal, dass ich Kerbelwurzeln zu Gesicht bekam. Also mussten sie mit. Teuer. Kartoffeln wären billiger gewesen. Cucina piccina und marquee wissen alles über dieses beinahe vergessene Gemüse. Die Wurzeln schmecken tatsächlich fein nach Marroni.
Das Zeigen von nacktem Fleisch ist seit Kurzem in Ungnade gefallen, deshalb hier erst recht:

Zutaten
2 Alpschweinkoteletts, je 30 g [Nachtrag: 300 g ! die Funkmaus verschluckte die Null]
10 Kerbelwurzeln
Olivenöl
Bratbutter
Fleur de sel, Pfeffer
Kräuterbutter von diesem Rezept
für die Marinade:
Olivenöl
1 Zweig Rosmarin
ein paar Wacholderbeeren
etwas Bioorangenabrieb
Piment
Zubereitung
(1) feste Zutaten für die Marinade fein hacken, mörsern, mit dem Olivenöl verreiben. Auf das Fleisch auftragen und mind. 3 h bei Raumtemperatur zugedeckt marinieren.
(2) Marinade abtupfen. Die Koteletts in einer Bratpfanne beidseitig total 5 Minuten anbraten, dann in den vorgeheizten Backofen bei 100°C auf ein Gitter mit unterlegtem Blech legen. Ca. 20 Minuten nachgaren. Dann Salzen und Pfeffern.
(3) Indessen die Kerbelwurzeln schrubben, mit einem Tomatenschäler schälen, vierteln.
(4) In Olivenöl gute 5 Minuten allseitig anbraten, salzen, pfeffern.
Demnach müsste man Albtraum tatsächlich – und nicht nur fälschlich – mit p schreiben. Und dem Wort eine positive Wendung geben. „Ein Alptraum von einem Schweinekotelett – wunderbar saftig“ oder so ähnlich. Kotelett heißt – heisst – sicher ganz anders bei Euch. Vielleicht Saubräteli? Und wenn Kerbelwurzeln tatsächlich wie Marroni munden, wäre mein Schälproblem ja gelöst. Kerbelwurzel statt Kastanien – juhu :-).
Der „Schweinezylkus“ diente schon in meinen Volkswirtschaftskursen (lange her) als prädestiniertes Beispiel für unkluges wirtschaftliches Verhalten – und hat sich seitdem offenbar nicht geändert. Mein persönlicher Schweinezyklus hat mich dankenswerterweise stets zu Fleisch von guter Qualität geführt – dieses Teil ist allerdings beneidenswert!
P.S: Bei aller (gerechtfertigten) Bosheit: nur „bayerisch“ oder „bairisch“ (dann aber nur die Sprache betreffend) .
P.P.S: Oben meinte ich natürlich selbstredend „Zyklus“…
30g pro Kotelett scheint mir fast schon vegetarisch zu sein 😉
Itzehoer, bitte, wenn du schon boshaft bist! Aber weder Steinburg noch Nordfriesland sind berühmt für das Angler Sattelschwein der Ostseehalbinsel Angeln, so viel Geographie muss sein 🙂
Soo isch scho besser 🙂 Je 30 g Gryterangge hät‘ i no verstande.
Du rennsch mit dene Gòtlètte bi mir offeni Diire i.
porc de bigorre sah ich aber schon bei Dir!!
@anglogermantranslations: côtelette als Diminutiv der côte de porc ist auf unseren Speisekarten weit verbreitet. Das deutsche Kotlett eher selten. Mit dem Schälen von Marroni hab ich kein Problem, der Marronibrater ritzt sie für mich vorher an den Sollbruchstellen fachgerecht ein. Kerbelwurzeln als Marroni-ersatz 🙂 wenn man sie lange genug in der Pfanne belässt, werden sie sogar schwarz wie verbrannte Marroni.
@Christoph: Gilt die Theorie des Schweinezyklus überhaupt noch ? Bei Milch und Schweinefleisch u.a. sehe ich nur noch permanente Überschüsse. Von Mangelpeaks nichts mehr zu sehen.
Bayerisch ??? Ich hab mein bayrisch von hier: http://www.bayrisch-lernen.de/grammatik/grammatik.html
@Mestolo: mene neu Funkmaus un die nee Funktatatur scheiben iren eigenen Blogggg. Danke, habs korrigiert.
@Ulrike: das kommt vom vielen Reisen im Binnenstaat. Der Blickwinkel für Geographie in küstennahen Staaten verengt sich immer mehr. Und überhaupt will ich wieder mal ans Meer.
@Basler Dybli: Die je 300 g waren schon abgeschnitten, bevor Frau L. das Stück für sich verkleinern konnte.
@Bolliskitchen: ich esse beinahe alles, was fremdländisch klingt 😉
Na prima, jetzt muss ich mich auch auf die Suche nach Kerbelwurzeln machen 😀
Das hätte ich nicht gedacht, dass ihr in der Schweiz nicht mehr alte Schweinerassen habt. Hätte ich eher bei euch vermutet als z.B. in NRW.
Yin und Yang vom gemeinen Alpschwein – patentverdächtig! 😉
Kerbelwurzeln würden mich auch interessieren, sind mir hier noch nie aufgefallen.
*Ying und Yang vom Schwein in der Marinade* :)! Als ob du doch einst in einem werbenden/ verkaufenden Beruf gearbeitet hättest. Das nehme sogar ich dir ab.
Aber wer glaubt auch an die Einzigartigkeit der schweinischen Herkunft, wenn diese nicht so unverfälscht wie möglich dokumentiert ist. So,und jetzt muß ich unbedingt mal den Fleischer meines Vertrauens fragen, wo eigentlich die Schweine bei uns grasen.
Wundervoll! I love root vegetables and pork. Dieses Fleisch muss sehr lecker schmecken.
Grüsse,
Rosa
Schwein gehabt, dass du das entdeckt hast, lieber Robert! 🙂 Solche oder ähnliche finde ich bei uns nicht, da kann ich lange suchen… bin aber auch nicht besonders versessen auf Schwein… würde mich eher als Sonnen-Eincremerin auf der Alm eignen 🙂
Vielleicht aromatisiert die Sonnencreme das Schweinefleisch?
Du weisst, dass der bekannte Appenzeller Rinderbauer auch Woll- und Bierschweine im Angebot hat?
Und warum ist es verwerflich nacktes Fleisch auf Blogs zu zeigen?
hallo guter koch,
um es noch ein bisschen schöner zu machen….im osten Österreichs gibts das Mangalitza-Schwein….eines, dass aus der ungarischen Tiefebene kommt, ganzjährig im Schlamm wühlen darf und ein schwarzes Haarkleid trägt. …Und auch ein bisserl fetter ist, als normal….
und wie das schmeckt….
hmmmm!
ich lese jedenfalls deinen Blog immer sehr gern.
Claudia aus Wien
Das Itzehoer Almschwein ist eine lustige Idee. Nur einen Steinwurf entfernt von Itzehoe befindet sich die tiefste begehbare Landstelle Deutschlands, in Neuendorf-Sachsenbande, mit 3,5 m unter NN. Da kriegen die Schweine höchstens nasse Füße.
Aber in der Schweiz habe ich schon häufig sehr gutes Schweinefleisch gegessen, auch von Almschweinen.
Boshaft lese ich dich am liebsten! Unsere österreichischen Schweinerassen haben zwar kürzere Namen als die deutschen und sind eher „kakanisch“:
Mangalitza
Turopolje
oder amerikanisch:
Duroc
oder phantasievoll:
Sonnenschwein
Den Begriff „schweineln“ gibt es erst seit Massenschweinezucht und Vakuumverpackung. Natürlich gehaltenes Schwein vom Fleischhauer oder ab Hof schweinelt nicht.
Um die Kerbelwurzel beneide ich dich. Die sind bei uns einfach nicht zu bekommen!
Also das Itzeho[h]er Almschwein ist Superplusplus; und seine Freunde auch! Und waren Yin und Yang jemals sinnlicher?
Die Alpschweinaktion kenne ich auch; aus Vorarlberg, was Ihr Schweizer ja gerne als Euer Voralpenland bezeichnet. Nur dass es das Fleisch dort nur Paketweise zu kaufen gibt.
Ich war früher sehr skeptisch Schweinefleisch gegenüber, aber heute habe ich gerne ab und zu eine Schweinerei. Gutes Fleisch mit billigem Fleisch läßt sich nicht vergleichen.
@sammelhamster: noch eine, die nicht gerne Marroni schält 😉
@Freundin dgG: ausser Wollschweinen sind mir jedenfalls keine bekannt, aber ich kann ja nicht alles wissen…
@Christina: das Wortspiel haben sich kunstvolle Tellerkreateure bereits patentieren lassen.
@Micha: ob rosa oder schwarz-weiss, ist mir egal, Hauptsache, sie dürfen frei herumrennen.
@Rosa May: I’m cooking root vegetables these days very often.
@Elisabeth: Sonnen-Eincremerin auf der Alm 😉 Da würde ich gerne als Übungsobjekt herhalten.
@Nathalie: ich glaube die Sennen benutzen für alles Melkfett.
@Birgit: nein, das wusste ich nicht. Sehe gerade, dass die Wartefristen beim Rind 1 Jahr betragen, das Bierschwein jedoch schneller ausgeliefert wird. Nacktes Fleisch: da war mal unlängst ein Hin und Her in ein paar Blogs.
@Claudia W.: zufällig veranstaltet unse Edelwarenhaus gerade Oesterreichwochen. Im Angebot sind Mangalitzaschinken (sehr fett) und Mangalitzsalami. Vielleicht entscheide ich mich für die Salami.
@nata: über dieses Loch habe ich kürzlich auch gelesen. Schwein essen wir auswärts nur, wenn es als Freilandschwein angeboten wird.
@Eline: auch gewöhnliche Freilandschweine schweineln nicht. Dass Fleisch aus Massentierhaltung nicht schmeckt, wundert einen nicht, wenn man mal in einen Beton-Koben eines Massenschweinezüchters geguckt hat. Für Kerbelwurzeln wohnen wir halt näher bei Frankreich.
@Gottfried: wenn der Metzger initiativ ist, muss man das Fleisch nicht paketweise kaufen. Natürlich sind die Filets lange im Voraus schon ausverkauft, müsste man sich auf nächstes Jahr vorbestellen, aber Koteletts, Schinken und ein grosses Stück Schweinehals hab ich mir dennoch sichern können.
@Magdi: früher hat man gemunkelt, das holländische Sauen in Parmaschinken landen. Ich weiss abe nict ob das zutrifft ode je zutraf.
Ein Albschwein ist es auf jeden Fall nicht, das sehe ich schon 🙂
man könnte den sonnenempflindlichen schweindln auch kappln aufsetzen. wäre dann auch ein guter werbeträger à la niki lauda. 🙂
die beiden koteletts schauen exzellent aus! da ich nicht so der wurzelfan bin, vermisse ich kerbelwurzel nicht so sehr.
Solang das nackte Fleisch nicht frauenfeindlich ist: Why not?
Diese verflixten Wurzeln! Die suche ich schon ewig, ohne Erfolg. Ich hab´ da so tolle Rezepte für…
Die Wurzeln schauen eher wie Pastinaken oder Petersielienwurzel aus? Kerbelwurzeln habe ich bisher noch nirgends entdecken können. Hilfe!
30 g Kotelettes finde ich auch einen prima Ansatz gegen die Massentierhaltung 😉
Und ich finde, bei den Schweinen fehlt noch die eierlegende Wollmilchsau, die bestimmt auch über unsere Pfälzer Gefilde hinaus verbreitet ist?
Herrlich geschrieben 🙂
Ja, leider wird der Großteil des Südtiroler Specks auch aus holländischen Schweinen gemacht. Soviel Schwein hät Südtirol nie, wieviel Speck verkauft wird. So wird es auch beim Parmaschinken sein.
13:53 das Menü für morgen fertig geschrieben und wann isst du Mittagessen? 😀
Mal was ganz anderes: könntest Du nicht einmal einen Miniflammkuchen probieren? 😉
@the rufus: in meinen Albträumen kommt es aber häufig vor.
@entegut: Kappeln schützen vor verbranntem Hirn. Hier gehts darum, den Hinterschinken vor dem verbrennen zu schützen.
@Heike: Du magst ja Fleisch, also kann es nur frauenfreundlich sein.
@Claus: so ist nun maldas Leben, der eine hat die Wurzeln, der andere die Rezepte.
@Ulla: am Krautansatz sehen sie aus wie Petersilienwurzeln, sind aber viel gedrungener als diese oder Pastinakenwurzeln.
@Britta: die eierlegende Wollmilchsau ist EU-weit verbreitet. Die kriegt kein Regional-etikett.
@Magdi: irgendw wird der holländische Schinken schon gegessen.
@entegut: hmm. Kurz vor zwölfe haben wir gegessen. Um 13:53 hab ich den post versehentlich rausgelassen. So aktuell bin ich sonst nie 😉
@the rufus: Mini-Flammkuchen ? Dein Wunsch ist mir Befehl 😉
Auf der Suche nach einem guten Schweinefleischrezept sind wir auf diesen Artikel gestossen – und können uns nicht zurückhalten… Mittlerweile gibt es nämlich auch in der Schweiz etwas Besonderes: Das Bierschwein vom Wandelerhof. Die Schweinderln werden mit Bierhefe gefüttert, auf Rapsstroh gebettet und dürfen im Sommer sogar draussen kühl duschen! Das Fleisch ist zart, aber kernig, und sehr aromatisch. Gibts bei uns, ansonsten direkt vom Wandelerhof: http://www.wandelerhof.ch
Mich erstaunt hier, wie das oben genannte Säuli Aufmerksamkeit erregt. Zum Beispiel, das Ormalinger Schwein (BL) ist ein nahezu unerreichter (wenn auch teurer) Genuss. Ebenso das Witzwiler Schwein. Gleichwohl ist es hierzulande bedeutend schwieriger überhaupt an Kerbelwurzeln zu gelangen. Die Verbindung Schwein/Kerbelwurzel ist nicht sooo weit hergeholt. Früher wurden diese Wurzeln fast auschliesslich für die Fütterung von Schweinen hergenommen. PS: Letzte Woche im Jelmoli Zürich Kerbelwurzeln gesichtet 🙂 Leider total überteuert 😦