Muskazinen sind ein Gebäck, das seit 1691 im süddeutschen Raum nachweisbar ist. Meist als Pilgergebäck in Form zweier Jakobsmuscheln in Modeln geformt.
Im Altadeligen Bayerischen Koch- und Konfektbuch von 1837, Seiten 169 und 170 ist ein Rezept abgedruckt:
Doch ich hatte wenig Lust, mich auf die Suche nach Ambra und Bisam zu machen. In Mainfranken ist die Muskazine eines Bäckermeisters aus Dettelbach bei Würzburg seit 1810 zu einer beliebten Gebäckspezialität geworden. Das Rezept wird jedoch streng gehütet. Als Zutaten werden genannt: Honig, Mandeln, Marzipan, Zucker, Nüsse, Mehl sowie Muskat und weitere Gewürzen (Nelken, Zimt und Kardamom) sowie Backpulver.
Gut, dass es Muskazinen auch in der Schweiz gibt: im Bündnerland. Hier fand ich ein Rezept, abgedruckt in einem alten Nelly-Büchlein aus dem Jahre 1964 (da waren wir noch jünger). Es stammt von Frau von Steiger-von Erlach, darf also wie das oben abgedruckte Rezept dem alten Adel zugeordnet werden, zählt in Graubünden jedoch zu den Weihnachtsgebäcken. In anderen Versionen des Gebäckes, z.B. im Neuesten Süddeutschen Kochbuch für alle Stände, Erst-Ausgabe 1843 oder dem Oberrheinischen Kochbuch für junge Hausmütter und Töchter, 1852, Seite 304, finden sich weitere Hinweise auf die Rezeptur, obwohl in diesen beiden Büchern ausgerechnet die namensgebende Muskatnuss vergessen ging oder sonstwie eliminiert wurde.

Bündner Muschgezinli
Zutaten
250 g ungeschälte, frisch geriebene Mandeln
250 g feiner Grieszucker (L.: 220 g Puderzucker)
2 Eier, Eigelb und Eiweiss getrennt
30 g Orangeat und Zitronat (1:1), fein gecuttert
7 g Zimt
1 Msp. Nelkenpulver
1 Msp. Muskatpulver (L.: 2 g Muskatblüte gemahlen und ca. 1/3 Muskatnuss gerieben)
Sandelholzpulver (L.: 2 geh. Tlf.)
Zubereitung
(1) Eigelb und Zucker (über einem heissen Wasserbad) schaumig rühren, die fein gemahlenen Gewürze unterziehen, dann die Mandeln und das Zitronat/Orangeat zumischen und soviel Sandelholzpulver zufügen, bis die Masse ziegelrot wird.
(2) Zuletzt die steif geschlagenen Eiweisse untermischen. Aus dem klebrigen Teig dessertlöffelgrosse Brötchen formen, auf ein Backpapier oder besser auf eine Oblate setzen und mit einer halben (L.: ganzen), geschälten Mandel krönen .
(3) Blech 30 Minuten kühl stellen, dann im Ofen bei 170°C etwa 15 Minuten anbacken wie Makronen, so dass sie innen noch feucht sind.
Ich hätte sie auf Oblaten setzen sollen. Direkt aus dem Ofen sind sie noch sehr weich und lassen sich schlecht vom Backpapier lösen.
Genau diese Muschgezinli habe ich gestern gebacken. Die Mengenangaben stimmen mit meinem zerfledderten Nelly-Kochbuch überein. Gebacken habe ich sie allerdings bei 220 Grad für 4 min.
Liebe Grüsse
Frau A. vom Bodensee
jemand, der Frau Nelly noch kennt 🙂
Sandelholzpulver?
siehe hier:
http://nachgewuerzt.blog.nzz.ch/2014/09/04/gewuerzkorb-1-sandelholz/
deine Recherche ist einzigartig! 🙂
aber auch ich muss fragen: Sandelholzpulver??
guckst Du gleich oben.
Das sieht aber schleckig aus.
Und Sandelholz kannte ich seither nur als *Rauchgut*, quasi als Räucherstäbchen. Den Geruch mag ich aber sehr gerne!
auch die frau von rokitansky (die österreichische küche, 6. auflage 1910)
hat die muskatnuss eliminiert.
dafür bietet sie zwei varianten, eine nur mit eiklar + eine mit nur mit dottern.
Danke. Habs mir zur Erinnerung gespeichert:
http://www.literature.at/viewer.alo?objid=12239&viewmode=fullscreen&scale=3.33&rotate=&page=460
Ganz zufällig bin ich im Besitz dieses Geheimrezepts aus Dettelbach.
Wenn du also noch mal das originale Original nachbacken möchtest…:-D
besitzt das Geheimrezept und hält es vor uns geheim. Backen und verbloggen, bitte 😉
Dann ist es ja nicht mehr geheim!
Sowas wird nur per Flüsterpost weitergegeben 😉
wenn ich mich meinerseits zu absoluter Verschwiegenheit verpflichten würde, kriege ich es dann ?
Schweizer Ehrenwort ;)?
Dann kriegst du es.
Gewiss ! Nie wird das Rezept auf diesem (und andern) Blog(s) erscheinen.
Ich staune immer wieder über Deine Rezeptquellen. Dabei schreckt mich doch schon die alte Schrift 😉
Liebe Grüsse aus Zürich,
Andy
was ist daran schreckhaft ? mit etwas Gewöhnung liest sich das ebenso schnell wie die moderne Schrift und nach dem fünften Stolperer lernt man auch s und f unterscheiden.
hihi, ich lisple bei der schrift in gedanken immer, weil die beiden so ähnlich aussehen. nicht bewußt, sondern nur beim lesen fühlt sich das an, als würde der autor lispeln, irgendwie…
Im „Rottenhöfer“ befindet sich das Rezept leider nicht. 😉
Zum Lösen. Wenn man die Muschgezinli einfach auf dem Backpapier auskühlen lässt, kann man es hinterher leicht abziehen. Das kenne ich von den Dacquoiseböden.
aha, wieder was gelernt, bin halt kein Süssigkeitenbäcker.
Jetzt weiss ich endlich, wie diese herrlich aromatischen Guetsli heissen!!! Ich backe sie seit Jahr und Tag nach dem erbettelten Rezept einer Pfarrersfrau, nannte sie bis dato ganz einfach «Sandeli». Habe extra ein Holzmodel in Muschelform dafür.
Sandelholzpulver habe ich hier immer im Vorrat, aus der Schweiz.
Bei der Beschaffung dieses Pulvers ist v.a. in deutschen Landen Vorsicht geboten: was in CH in fast jeder Drogerie oder Apotheke als Backzutat verfügbar ist, wird in DE meistens als Räucherware angeboten (siehe auch Kommentar von Micha, weiter oben), die sich keineswegs zum Backen eignet! Es handelt sich um das ROTE Sandelholz (Lignum santali rubrum), das nichts mit dem intensiv duftenden, weissen Sandelholz gemein hat (Santalum album). Letzteres stammt von einem ganz anderen Baum.
Auch in der Schweiz wird hauptsächlich das rote Pulver angeboten. Rezepte erwähnen sogar ausdrücklich dessen rote Farbe und wenn ich mich an meine Drogistenzeit (ist zwar lange her, noch bevor die Indienfahrer die Luft mit Räucherkerzen verqualmt haben) zurück erinnere, haben wir für Backzwecke auch immer das rote verkauft.
was im internet alles so verfügbar ist, bin ganz platt!
(sie hat auch ein rezept für basler leckerli, nur so als nachbarschaftlicher tipp)
hier ist eine Sammlung alter Kochbücher:
http://www.literature.at/collection.alo?objid=10997&from=1&to=50&orderby=date&sortorder=a&setLang=de
Die Basler Leckerli hab ich auch gesehen, jedoch als „Baseler Leckerli“ bezeichnet. Das disqualifiziert das Rezept 😉
Hat dies auf lucullust rebloggt und kommentierte:
Gebäck mit Geschichte – Danke für die archäologische Aufbereitung 🙂 sehr verführerisch!
Ich habe schon mehrfach Muskazinen in Dettelbach gekauft und war positiv überrascht, weil sie nicht so süß sind und ganz deutlich nach Muskat schmecken. Nun wollte ich noch hinzufügen, was vor einigen Jahren dazu in Wikipedia stand, und nun ist es gelöscht, nämlich, dass das Gebäck gegen die Nebenwirkungen zu großen Weinkonsums der Pilger helfen soll. Schade. Entweder gibt es kaum mehr Pilger, oder die heutigen verstehen ihren Weinkonsum richtig zu dosieren.
auf der Seite des Bistums Würzburg gefunden:
„Zufällig trug Ritter Kuno eine Medizin von seiner letzten Reise ins Heilige Land bei sich: Das Stück einer Muskatnuss, das ihm Ärzte aus Arabien als Mittel gegen die Unannehmlichkeiten nach übermäßigem Weingenuss mitgegeben hatten. Er überließ sie dem klagenden Bäcker, der die Nuss kaute und damit seine Beschwerden lindern konnte. Da er nun die heilende Wirkung der Muskatnuss am eigenen Leib erfahren hatte, experimentierte er in seiner Backstube mit der Schalenfrucht und erfand so die Muskatzinen“
Du nützt ja wirklich alle Medien virtuos. 😉
ich liebe altes, bedrucktes Papier.
Bist jetzt habe ich die mir selbst auferlegte Weihnachtsbackpause eingehalten – bei diesen Plätzchen fällt es mir allerdings auch schwer. Ich speichere sie mir aber für nächstes Jahr, denn Plätzchen mit vielen intensiven Gewürzen mag ich gerne.
Weihnachtsbackpause: ein schönes Wort, das bald auch hier Einzug halten wird.
Ich würd da jetzt einfach mal gerne reinbeißen und dann das nächste und noch ein drittes……..
lg, Reni
eben haben wir die letzten gegessen. Weihnachten kann kommen.
Manno!