
Potz Blitz, hat die Dame was Plötzliches am Leibe. Eben verkochte ich meine letzten Schweizer Bergkartoffeln (Parli, Röseler), da raunt mir Chef Albino etwas von der berühmten Moor-Sieglinde ins Ohr, die er in Lörrach (D) gesehen habe. Ross gesattelt, Schwert umgebunden, auf nach Deutschland, die möhrig-moorige Sieglinde will ich mir als Braut heimführen. Hojotoho. Beim Überschreiten der Grenze kommen mir zwar historische Bedenken, ob sich Siegfrieds Rheinfahrt wohl nicht eher mit Brunhilde zugetragen haben könnte. Zu spät. Ob Hilde oder Linde ist ennet der Grenze einerlei, der Epos über die Nibelungen interessiert hier eh keinen mehr.
So einfach wars dann aber doch nicht mit Sieglindes Heimführung. Verlassen lagen Schild, Brünne und Wehr in der Steige. Keine Sieglinde weit und breit zu sehen. Keiner will sie gesehen haben. Ungeschützt vom deutschen Schwerte [siehe Schildaufschrift] floss der Rhein ins Meer.
Aber so schnell lassen wir uns nicht mit leichten Damen der Sorten Alexandra, Amandine, Anuschka, Finka, Clivia und Laura abspeisen. Wer Sieglinde sucht, wird Sieglinde finden. Über eine Kon.taktan.zeige im Internetz. Zwei Wochen später wurde SIE mir von DHL ennet der Grenze gegen ein Lösegeld übergeben und ich durfte SIE endlich in die Arme schliessen. € 1.99 das Kilo. Die Kosten der Strassenbahnfahrt vom und an den Rhein nicht inbegriffen.
Was je ich ersehnt,
ersah ich in dir;
in dir fand ich,
was je mir gefehlt!
Auf lach‘ ich
in heiliger Lust, –
halt‘ ich dich Hehre umfangen,
fühl‘ ich dein schlagendes Herz!
etc. etc. etc. etc. etc.
Auszug aus Walküre, R. Wagner, die Musik zum Nachsingen gibts hier.
Umfangen hielt ich letztlich nicht Hilde, sondern die hehre, ersehnte Moor-Sieglinde. Frau L. muffelte zwar etwas über den Besuch ….als ob es in der Schweiz keine schönen Kartoffeln gäbe…. und riss mich damit aus meinen schönsten Tagträumen. Was aber fange ich nun mit der Eroberung an ? Schweizer Roesti ? Sieglinden-Roesti ? Damit sich die blass-blonde, germanische Dame bei mir nicht fremd fühlt, biete ich dazu, sozusagen als Brautgabe, Rindsrouladen mit Röstzwiebeln.
Sieglinden-Roesti mit Rindsrouladen und Roestzwiebeln
Zutaten
für die (weder das noch der) Rösti:
Zutaten für 2 Hauptmahlzeiten.
500 g Moor-Sieglinden vom Donaumoos
selbst eingesottene Butter
1 Elf. Rahm
Salz
für die Rindsrouladen „Gerda“:
Zutaten für 4 Hauptmahlzeiten:
6 große Rindsschnitzel, auf der Maschine dünn geschnitten
6 dünne Tranchen (80 g) Rohschinken San Daniele
6 Tlf. Dijonsenf
6 Gewürzgurken, selber eingelegt
Salz, schwarze Pfeffermischung
eingesottene Butter
1 grosse Schalotte halbiert
1 kleine Karotte, geschält, in groben Stücken
1 Peterliwurzel, geschält, in groben Stücken
1 Stangensellerierippe, Fasern abgezogen, in groben Stücken
3 getrocknete Tomaten
2 kleine Thymianzweige
2 frische Lorbeerblätter
3 Pimentbeeren
200 ml Rotwein
50 ml Madeira Sercial
200 ml von meinem dunkeln Kalbsfond
2 Streifen Biozitronenrinde
1 Tlf. Aceto Balsamico zum Abschmecken
für die Röstzwiebeln:
2 Zwiebeln (Manchon), rot oder weiss
Salz
frische Butter
1 Elf. Hartweizendunst

Vorbereitung
(1) Ein, zwei Tage vorher 2-3 Liter Wasser in einem grossen Topf auf 80°C bringen, die Kartoffeln zugeben, die Temperatur auf ca. 72°C einregulieren und 30 Minuten, die grösseren 45 Minuten, vorgaren (siehe Kartoffelpüreeologie)
(2) Herausnehmen, kalt abschrecken bis sie ganz erkaltet sind und ein, zwei Tage in der Küche stehen lassen.
Zubereitung
(3) Die Kartoffeln schälen und an der Röstiraffel zu möglichst langen, dicken Streifen reiben, keinesfalls zu Brei. Diese Streifen etwa 1-2 Stunden, auf einem Teller ausgebreitet, antrocknen lassen.
(4) Eine gut eingebrannte oder beschichtete Pfanne auf mittlerer Hitze (6/9) heiss werden lassen, 2 Elf. eingesottene Butter hinzugeben, Rösti salzen und in die Pfanne geben und unter gelegentlichem Wenden anbraten (durch das Wenden hat es die angebräunten, knusprigen Streifen auch in der Mitte des Röstikuchens). Nach etwa 15 Minuten mit Hilfe der Bratschaufel einen Röstikuchen formen und etwas kompaktieren, 1 Elf. Rahm (oder Milch) übergiessen und ca. 5 Minuten zugedeckt weiterbraten bis sich eine zusammenhängende, knusprige, goldbraune Kruste gebildet hat.
(5) Einen Teller oder besser eine Silikonplatte auf den Röstikuchen legen, beherzt wenden und wieder in die Pfanne zurückgleiten lassen. Nochmals 1 Elf. Butter zugeben und bei mittlerer Hitze die zweite Seite fertigbacken (Total 20-25 Minuten).

für die Rindsrouladen:
(6) Schnitzel waschen, mit Küchenpapier gut trocknen, mit Dijonsenf einreiben, pfeffern. Mit dem Rohschinken belegen. Am schmalern Ende eine Gewürzgurke auflegen und satt aufrollen. Wenn möglich auf halbem Wege die Enden einschlagen. Mit Küchengarn zubinden.
(7) Die Rouladen von aussen leicht salzen, rundum in eingesottener Butter scharf anbraten, herausnehmen und warmstellen.
(8) Fett abtupfen, wenig frisches Butterfett zugeben und darin das Gemüse leicht anrösten, gegen Ende das Tomatenmark kurz mitrösten, dann mit dem Rotwein ablöschen und auf etwa 1/3 einkochen. Die Hälfte der Gewürze Lorbeer, Piment und Thymian, Madeira und Kalbsfond angiessen. Aufkochen, die Rouladen wieder dazugeben und alles bei Schmortemperatur (die Flüssigkeit soll nur sanft blubbern, nicht kochen) für insgesamt 120 Minuten mit geschlossenem Deckel im Ofen oder auf dem Herd garen.
Ca. 30 Minuten vor Ende die Rouladen wenden, den Rest der Gewürze zugeben und die restlichen 30 Minuten fertig schmoren.
(9) Die Rouladen und Gemüse herausheben, Schnüre entfernen, warm stellen.
(10) Die Sauce einkochen, ggf. abschmecken und Fleisch und Gemüse wieder dazugeben.

für die Röstzwiebeln:
(11) Zwiebeln gleichmässig in Streifen schneiden.
(12) Die Zwiebelstreifen langsam in Butter glasieren. Leicht salzen. Wenn sie weich und saftig sind, mit wenig Mehl bestäuben und sanft Farbe nehmen lassen. Auf ein mit Backpapier ausgelegtes Backblech kippen, locker verteilen und bei 90 Grad (Umluft) trocknen, bis sie sich nicht mehr latschig anfühlen bzw. beim wenden rascheln.
Das Vorgaren der Kartoffeln bei 75°C statt in siedendem Wasser macht schon was aus. Die Kartoffeln sind gleichmässig halbgar, sie „pappen“ weniger, sind fester. Und Frau Sieglinde wird als festes Familienmitglied adoptiert.
Nun bin ich gespannt auf Andengold und die Bamberger Hörnchen.
Epik, Lyrik und Dramatik in eim Post. Es schuuderet mi immer no. 😉
Di Iilaitig zu dère Reeschti mit Flaischveegel isch chum z‘ iiberbiete Do isch me jo diräggt verpflichtet jede einzelne Bisse uf em Lälli z ‚ vergoh lo. Das wird bestimmt nochebaschtlet – Beides ! Härzlig Danggscheen dir fir dä grandiosi Sunntigmorgegruess und s‘ Rezäpt !
Auch eine gewöhnliche Rösti wird mit Dramaturgie noch knuspriger. E scheene Bummelsunnig !
Wollte mir direkt das Schwert ins Herz stossen, als ich gerade las, dass ich die putzigen Kartöffels im Hiebers übersehen hatte. Gottseidank scheint es aber nicht an meinen Augen gelegen zu haben. Trollte mich dann halt mit einem Sack Vitelotte noire und einer Knolle fermentiertem Knoblauch.
Also auch mit Schwert unterwegs ? Werde nächstes Mal beim Hieber die Augen offen halten ob ich eine entsprechende Helvetia sehe 😉
Das scheint mir das perfekte Rösti-Rezept für uns zu sein, denn demnächst soll es endlich mal wieder Zürcher-Geschnetzeltes geben.
Danke fürs Rezept und den herrlichen Post in deiner unnachahmlichen Art 😉
Rösti gibts Dutzende von Rezepten, Gut gemacht, sind alle perfekt.
Mitten in die frisch entflammte Liebe ein rückwärts gerichteter Blick: Schade, dass so vieles in Vergessenheit gerät: alte Kartoffelsorten wie Literatur – und das Heldenepos der Nibelungen zählt zu den ersten, aufgeschriebenen Stücke, die so weitergegeben wurden. Erhalten bleiben sie dennoch nur in wenigen Menschengeistern. Wir wollen lieber nicht über Bildung reden. Roulade – das könnte mich verführen..
Die alten Sorten sind momentan wieder en vogue, wie ich zu meinem Erstaunen feststellen durfte. Notfalls gehen auch vegetarische Kohlrouladen.
wieder einmal ein klassisches sonntagsgericht auf neue art, so dermassen appetitanregend, vielen dank!
meine pflanzkartoffeln sind zwischenzeitlich auch angekommen-
arran pilot, red duke of york + epicure,
möglicherweise allesamt nicht röstitauglich aber dafür first early (da gibt es halt dann andere möglichkeiten)
einen schönen sonntag
Deine Sorten kommen alle aus England ? im Jura lag eben noch Schnee. Vor Anfang Mai muss man da nichts pflanzen. Schon gar keine Kartoffeln. In 20 cm Tiefe kommt Kalkstein.
ich habe da connections…
+ probiere gern was neues aus
(dass sich diese art von import eigentlich nicht rentiert muss ich wahrscheinlich nicht extra dazusagen)
+ bei uns heroben in der höhe -1400m exakt- kann man dem schnee beim schmelzen zuschauen
richtige Bergkartoffeln, wenn nicht gar Alpkartoffeln.
Dein Post hebt den ersten Hamburger Frühlingsmorgen in ungeahnte Höhen. 😉
Die Moorsiglinde ist hier zum Glück leicht aufzutreiben. Ich eile.
Bald ist ihre Zeit um. Dann gibts wieder andere Sorten. Geniesst den sonnigen Morgen, bei einem Stück Torte 😉
Danke für diese einmal mehr überaus amüsante Sonntagslektüre!
Ich weiss sehr wohl um die armselige Verfügbarkeit von Kartoffelsorten in Schweizer Landen…
Der Erfolg von La Sorts wird vielleicht einige Bauern zum Umdenken veranlassen.
Aha…..SIEGLINDE also. Und ich bin immer ganz traurig, wenn meine LINDA nicht in der Kartoffelkiste liegt. Nun werde ich mal nach Deiner neuen Verwandten Ausschau halten 🙂
PS: Ich will es nur mal festgehalten haben…..Deine sonntäglichen Ausflugsberichte fehlen mir schon sehr….Wäre für alles dankbar 😉
Linda stehen schon auf meiner nächsten Bestellliste. Erst müssen aber die vorhandenen gegessen werden.
Ja, die sonntäglichen Ausflugsberichte. Seit vielen Wochen reduzieren sich unsere Ausreisen auf Besuche beim Therapeuten. Vielleicht bessert es wieder einmal.
Versucht nachsingen – nicht mein Fach, weder der eine noch die andere. Aber so richtig ranschmeißen an die hübsche Sieglinde wird als Wotan wohl auch Nichts… 😀
Das nächstemal gibts den Alberich. Dann kannst Dus bei den Rheintöchtern nochmals probieren 🙂
Gleich drei? sehr fei…
Zur Haelfte sind es aber Fische.
Vom Epos- ins Schmonzettenfach: Schon mal „Twilight“ probiert? Mit geflecktem Fell, kocht windesschnell und schmeckt sensa-, nein, das wäre jetzt nur nem schlechten Reim zur Liebe, also solide vollmundig. Nur zaudern darf man nicht, denn gar und zerfallen trennt bei „Twilight“ nicht mehr als ein vampirischer Lidschlag. Sonnige Grüße aus Berlin
Die Mayan Twilight war leider schon ausverkauft. Als Frühaufsteher habe ich dafür Andengold (Andean Sunrise) gekriegt, mit denselben Eigenschaften: goldgelb, sensationell, demnächst in diesem Hause. Sonniger Gruss zurück !
Rösti mit Rahm!? Wenn das Frau L. erfährt, dass mit dem germanischen Weib wilde Sitten in die Küche einziehen…
Stimmt, Frau L. bereitete Rösti mit Milch zu. Aber seit ich alles selber machen muss, nehme ich mir gewisse Freiheiten. Aber gegessen hat sie sie mit Genuss.
Arme Sieglinde! Hätte sie doch diese tolle Knolle nur schon gekannt – mit ihrem Schwert hätte sie diese aufspießen und über offenem Feuer rösten können, Leider musste ihr dieser Genuß versagt bleiben. Wigalaweia 😦
Wo Siegfried/Sigurds Schwert hingekommen ist, weiss niemand so recht. Seit der letzten Schlacht der Burgunden ist es verschwunden. Aber in Alufolie auf dem Feuer gegart und mit sour cream serviert gehen die Kartoffeln ja auch.
Aber der Burgunder ist uns zum Glück geblieben …
Gibt es die Sieglinde tatsächlich noch oder wieder? Ich erinnere mich, vor einigen Jahren einen Nachruf gelesen zu haben, wegen abgelaufenem Patent! Nicht, daß wir hier auf der Insel so etwas tolles bekommen können …
Der Sortenschutz beträgt in D 30 Jahre. In diesem Zeitraum besitzt der anmeldende Züchter das alleinige Verfügungsrecht über seine Sorte und kann sie gegen Lizenzgebühren vermarkten. Danach darf sie frei vermehrt werden. Der Nachruf war falsch.
Da bin ich ja erleichtert! Als Exilant leidet man oft unter einer Art ‚Stille Post Syndrom‘! Die Sieglinde war ja die schwäbische Salatkartoffel schlechthin. Früher gab es die an jeder Ecke – Dein Beitrag hört sich so an als ob man sie heutzutage eher suchen muß. Vielleicht versuche ich es ja tatsächlich mal über eine Internet Kontaktanzeige 😉
in D wird sie schon noch leichter zu finden sein. In der Schweiz ist sie sozusagen unbekannt.
Da bist du ja bei meiner Bezugsquelle gelandet 🙂 Die Sieglinde gehört hier neben Linda und anderen zu den Dauergästen. Die nächsten Rösti probiere ich mit deiner Vorgarmethode!
Die Bezugsquelle hab ich von Deinem Blog 🙂
Sieglinde aus dem Donaumoos – das tönt nach Heimat! Die Rösti werd‘ ich ausprobieren, mit Diner Niedriggarmetode 🙂
Und die Hörnle, die ich auf dem ersten Foto gesehen habe, sind perfekt für (schlonzig-schwäbischen) Kartoffelsalat!
sind aber ausgelesene, ganz kleine, die wollt ich lieber für racclette, dann muss ich nicht soviel schälen.
Das ist eine klasse Kartoffel!!!
Irgendwann kriege ich auch noch die Mayan !