Nicht irgendein Tafelspitz. „Der“ Tafelspitz. Lieblingstafelspitz, den ich derzeit alle 2-3 Wochen koche. Vor 9 Jahren hatte ich ihn schon im Blog, aber das war zu einer Zeit, in der ich die täglichen Leser noch an zwei Händen abzählen und am Morgen sozusagen per Handschlag begrüssen durfte. Das Besondere an diesem Tafelspitz ist das „zartgegarte“ Fleisch, der kandierte Meerrettich, den man wie Sauerkraut essen kann, sowie das in wenig Estragonessig gekochte Bouillongemüse.
Lässt man Kalbstafelspitz unterhalb des Siedepunktes simmern, wird er oft trocken. Seit einiger Zeit „siede“ ich ihn nicht mehr, sondern lasse ihn bei 75°C im Ofen 4 Stunden ziehen. Das Ergebnis ist überzeugend, wie schon beim Niedergarschmoren hier: zart&saftig. Doch wo Licht ist, ist auch Schatten: Bei der verwendeten, tiefen Temperatur wird die Brühe nicht mehr völlig klar. Das wird wohl durch den fehlenden Temperaturgradienten im Ofen verursacht. Um die Brühe als Consommée servieren zu können, muss sie geklärt werden.
Zutaten
für 4 Personen
Fleischsud:
1 Kalbstafelspitz ca. 700 g mit etwas Fettdeckel
1 Stück Kalbsfuss
1 EL Ghee
1 kleine Schalotte, mit Schalen, nur die äusserste entfernen, angeschnitten
1/2 kleine Stange Lauch
1 Stange Staudensellerie
1 Karotte
manchmal eine gewürfelte Tomate
1 Lorbeerblatt
2 junge Knoblauchzehen, geschält, angedrückt
1 kleiner Zweig Thymian
4 zerdrückte Wacholderbeeren
5 zerdrückte schwarze Pfefferkörner
ein paar zerdrückte Senfkörner
1 Gewürznelke
5 zerdrückte Pimentkörner
2 Petersilienstiele
Muskatnuss
Meersalz
kandierter Meerrettich:
80 g frischer Meerrettich am Stück
100 g Zucker
100 ml Wasser
Bouillongemüse:
für 2 Personen:
wenig frische Butter
1 Schalotte
1 Knoblauchzehe
2 Karotten gelb und orange
2 Handvoll junge, kleine Kartoffeln
Fleur de Sel
weisser Kampotpfeffer
fakultativ:
1 Petersilienwurzel
2 Stangen Staudensellerie
1/2 kleine Lauchstange
Schnittlauch
Dazu passen auch eine Handvoll blanchierter Spinat oder Brunnenkresse und Radieschen. Was gerade zur Hand ist.
Estragonessig:
1 dl Weissweinessig mit 1 TL getrocknetem oder einem Zweig frischem Estragon 1-2 Tage anstellen, dann absieben.
Zubereitung
Tafelspitz:
(1) Tafelspitz und Knochen in einem passenden Topf in wenig Ghee bei mittlerer Hitze rundum anbraten bis sie Farbe angenommen haben. Herausnehmen. Fett abtupfen.
(2) Tafelspitz und Knochen wieder in den Topf legen, mit ca. 1 L kaltem Wasser bedecken. Schalotte, Lauch, Karotten und Staudensellerie beifügen, schwach salzen und die Brühe zum simmern bringen, dann im vorgeheizten Ofen während 4 Stunden unbedeckt auf einer Temperatur von ca. 75°C halten. (Ofentemperatur zu Beginn 120°C, dann 100°C korr. 75°C).
Zwischendurch Fett und Schaum abschöpfen.
(3) Nach 2 Stunden 2/3 der Gewürze zugeben. In der letzten halben Stunde den Rest sowie die Petersilienstiele zugeben.
Kandierter Meerrettich:
(4) Während das Fleisch gart, den Meerrettich schälen und mit einem Gemüsehobel in 1 mm dicke, feine Julienne schneiden. Julienne ca. 1 Minute in kochendem Wasser blanchieren, dann kalt abschrecken.
(5) Julienne mit der Hälfte des Zuckers und der Hälfte des Wassers in eine Pfanne geben und langsam einkochen lassen. (nicht karamellisieren !)
(6) Dann den restlichen Zucker und das Wasser zugeben; erneut einkochen lassen, bis die Meerrettichstreifen opak und gar sind.
Bouillongemüse:
(7) Kartöffelchen mit Schale in Salzwasser knapp garen, schälen.
(8) Schalotte fein schneiden. Übrige Gemüse in etwa 1-2 cm grosse Würfelchen oder Rädli schneiden.
(9) Topf mit der Knoblauchzehe ausreiben. Wenig Butter schmelzen, Schalotte darin andünsten. Karottenwürfel zugeben, etwas von der Fleischbrühe angiessen und dünsten, mit 1-2 EL Estragonessig ablöschen. Staudensellerie und Petersilienwurzelwürfel zugeben und mit weiterer Brühe dünsten. Kurz bevor die harten Gemüse gar sind, die Lauchrädli und Kartoffeln zugeben. Abschmecken mit Salz und Pfeffer.
Anrichten:
Die benötigte Menge Meerrettich mit warmem Wasser gut abspülen um den anhaftenden Zuckersirup zu entfernen, dann einmal mit 1-2 EL Estragonessig aufkochen.
Tafelspitz herausnehmen, quer zur Faser in Scheiben schneiden. Mit dem Gemüse, den kandierten Merrettichstreifen und ggf. etwas Brühe anrichten.
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Klären der Brühe:
Dafür habe ich immer 150 g gehacktes Wadenfleisch in Portionen tiefgefroren. Aufgetaut, mit etwas fein gehacktem Gemüse und einem Eiweiss gemischt und mit der kalten, entfetteten Brühe unter gelegentlichem Rühren erwärmt, bis die Masse obenaufschwimmt und zu kochen beginnt. Nicht mehr rühren, auf kleinste Temperaturstufe stellen, 20 Minuten stehen lassen und vorsichtig durch ein Tuch abgiessen.
Als Getränk: Craft Beer Triple Ambrée von Pilgrim, gekauft beim letzten Ausflug im Kloster Fischingen. Craft Beer, flaschenvergärt mit Sektverschluss. Das Triple Blanche hätte besser gepasst. Alles neu für uns Weintrinker.
Ein ganz herrliches Rezept. Ich schätze auch diese langsame Garmethode im Rohr. Dank Deinem Beitrag haben wir inzwischen auch das Triple Ambrée von Pilgrim verkostet und sind begeistert. Danke!
Habs gelesen, und das bei schönstem Ausflugswetter! Hier herrscht Ebbe in Sachen Pilgrim, aber nicht mehr lange!
Interessante Variante, mein Tafelspitz braucht zwar genauso lange, aber eben bei niedrigster Stufe am Herd. Wird demnächst verglichen!
Folgende Empfehlung: Knochen zum Reinigen kurz in kochendes Salzwasser tauchen , Karotten und Lauch kleinst geschnitten erst nach 2,5 Stunde in den Topf, wird dann nicht bitter. Auch nach 2,5 Stunden ein Stück (350 g) Rindsleber und eine aufgeschnittene Paradeiser, beides bindet die Trübstoffe, Leber macht die Suppe zusätzlich herzhafter. Liebe Grüße aus Wien!
Knochen sollte man für klare Brühen immer blanchieren und abreiben. Wissen und tun ist zweierlei 😉 Ich kann mal ein paar Würfelchen rohes Fleisch in den Ansatz geben, das sollte auch klären helfen.
Da hast du mir nun etwas voraus, denn Kalbstafelspitz habe ich nie gegessen und noch nie gekocht, Aber es scheint, du hast mich sowieso einiges voraus, so kochtechnisch. 😉
Für 2 Personen ist er mit ca. 700 g etwas handlicher als der vom Rind. Kann ich mir nicht vorstellen, das ich einer erfahrenen Hausfrau voraus sein soll.
Das aufgeschnittene Fleisch sieht schon optisch zart aus – wunderbar 🙂
Liebe Grüsse aus Zürich,
Andy
besonders wenns gegen den Faserverlauf geschnitten wird. Ich habe hinzugelernt.
Lieber Robert
Herzlichen Dank für Deine Rezepte, die ich seit vielen Jahren immer lese und auch aus dem Archiv abrufe. Echt TOLL !
Liebe Grüsse
Chris
Danke, Du hilfst mir aus einer momentanen Krise 😉
Salüe Robert
Ich kann es kaum glauben, dass ich Dir aus einer (momentanen) Krise helfen konnte, aber wenn Du denkst, ich könnte es: Bitte rufe mich an! Meinen Namen kennst Du und ich bin ‚einmalig‘ im Telefonbuch. Wenn Du denkst, dass ich irgend etwas beitragen könnte, würde es mich sehr freuen. Rufe an!
Häbet sorg zunenand!
Chris
Danke Chris, uns geht es gut. Mit „Krise“ war eine der bei mir in letzter Zeit sich häufenden Blogkrisen gemeint: eine Müdigkeit, Unlust weiter zu schreiben, die Erkenntnis der persönlichen Stagnation, die mit dem Alter abnehmende Arbeitseffizienz, die zunehmenden Einschränkungen. Wenn man dann am liebsten aufgeben möchte, genügt oft eine ermunternde Zuschrift oder noch viel besser: ein tolles Rezept, das man noch ausprobieren möchte…. und schon sind alle Probleme weggescheucht…. bis zur nächsten Krise 😉
Sehr edel und fein, die Ofen-Methode werde ich mir merken für den auf unbestimmte Zeit bestellten Tafelspitz- auch wenn der vom Rind ist.
Ob gesotten oder gezogen ist dem Rind gehupft wie gesprungen.
Der Fleischanschnitt sieht sensationell aus! Tafelspitz rangiert recht weit oben auf meiner Liste. Wenn nur das Klärfleisch nicht wäre. Das wird doch hinterher entsorgt, oder?
Bei 100 Grad Ofentemperatur ist die Kerntemperatur von 75 Grad doch sicher nach 90-120 min erreicht. Warum lassen Sie es dann noch 2 Stunden länger im Ofen?
an 2 andern Stellen habe ich richtig 75°C geschrieben. an einer Stelle steht falsch 100°C. Danke, habs korrigiert