
28.08.2020: Dijon regennass.
Die Église Notre-Dame aus dem 13. Jahrhundert mit ihrer seltsamen Westfassade kann nicht übersehen werden. Drei Arkadengeschosse und drei Reihen merkwürdiger Wasserspeier, Grotesken, Menschen, Tiere und Monster darstellend (siehe Headerbild). Schon 1240 wurden die Speier wieder entfernt und erst im 19. Jahrhundert -ihrer Funktion beraubt- als Dekoration neu geschaffen und wieder eingesetzt. Die Fassade ist flankiert von zwei säulenartigen, runden Türmen.
Hinter der Kirche Notre-Dame hat ein Steinmetz im 15. Jahrhundert eine Chouette (Eule) auf einem Strebepfeiler verewigt. Streichelt man mit der linken Hand die Eule und legt die rechte Hand aufs Herz, erfüllt sich einem ein Wunsch. Gewiss ein Herzenswunsch. Das muss sein. Kein einfaches Unterfangen, wenn die dritte Hand den Schirm, die vierte das Fotohandy halten, die fünfte Hand das Desinfektionsmittelfläschchen danach öffnen und die sechste Hand der fordernden Bettlerin einen € spendieren sollte. Deshalb kein Bild von der Eule.

Gleich dahinter der Laden der Moutarderie Edmond Fallot, die aus kanadischer Senfsaat in ihrer Mühle in Beaune Moutarde de Dijon erzeugt und im 2014 eröffneten Laden in einem historischen Dijoner Fachwerkhaus aus dem Jahre 1483 verkauft. In gefühlten 100 Geschmacksrichtungen. Ich kaufe das, was der Bauer kennt: 2 Steinguttöpfe mit Dijonsenf als Mitbringsel.

Nieselregen fegt die Strassen leer. Nicht ganz. Di-Do-FR-Sa ist Markttag.

In einzelnen meiner Bilder dominieren Einkaufswägelchen die dahinterliegenden Hôtel particuliers (Herrschaftshäuser). Kein Wunder, denn Lebensmittelgeschäfte gibt es in der Altstadt kaum. Alles ist in der Markthalle und drumherum konzentriert. Leben in Lebensmitteln.




11 Uhr. Markthallen erzeugen Hungergefühle: Hallenhunger. Nach soviel totem Getier ist mir eher nach etwas Leichtem: das Telefonat mit dem Origine von Tomofumi Uchimura leider erfolglos: heute ausgebucht. Denselben Bescheid erhalte ich im Loiseau des Ducs, einer Filiale aus dem Imperium des Bernard Loiseau, der 2003 nach der Herabstufung durch Gault-Millau und Michelin aus dem Leben schied. Ein weiteres Restaurant meiner Wahl (L’un des Sens) ist geschlossen, öffnet erst im September. Na dann, lassen wir uns treiben. Ich finde immer etwas Essbares.

12 Uhr: Place de la Libération. Wasserspiele, im Hintergrund der herzogliche Palast. Mit dem Bau wurde 1364 unter der Herrschaft Herzog Philipps II (le Hardi) begonnen, der in seiner Dynastie der Valois die jüngere Herrschaft Burgund begründete. Die heutige Anlage wird durch einen 52 Meter hohen Turm überragt, der in der Regierungszeit Philipps III des Guten (1419-1467) errichtet wurde. Die meisten der heute sichtbaren Gebäude wie auch der Platz wurden im 17. und vor allem im 18. Jahrhundert im klassischen Stil erbaut.
1799 wurde im Ostflügel anstelle der Privatkapelle der Fürsten von Burgund, der Sainte-Chapelle, das Musée des Beaux-Arts eingerichtet, das neben Gemälden insbesondere die Grabmäler der burgundischen Herzöge ausstellt. Heute befinden sich auch die Mairie, die Touristeninformation, eine Kunsthochschule und das Regionalarchiv im Gebäude.
Im weiten Halbrund vor dem Palast Bistrots und Brasserien. Das Le Pré aux clercs gehört zum Imperium des Georges Blanc, dem 3-Sternekoch aus Vonnas am Ain. Die Sonne bricht zaghaft aus den Wolken. Unter Gartenschirmen lässt es sich draussen tafeln. U.a. ein unglaublich zarter, gut schmeckender Jambon persillée an Senfsauce. Freundlicher Service. Keine schlechte Wahl.


Gut gestärkt lässt sich der Nachmittag mit einem Rundgang abschliessen. Wird fortgesetzt.
Quellen: wiki (diverse)
Danke fürs Mitnehmen in den Nieselregen. Besonders schön: Senfgläser-Wand, sechste Hand und deine Fotografien, die ich sehr gerne anschaue.
Herzliche Grüße auch an Frau L.
Danke. Gestern durfte ich doch noch Hand an die Eule legen (und für Senfnachschub sorgen)
Es ist immer ein Vergnügen, Deine Reisen mitzumachen und den herrlichen Text zu geniessen. Ich bewundere vor allem die vielfältigen Kenntnisse über die Gebäude und sauge sie richtiggehend auf.
Vielen Dank!
Kenntnisse eher nein. Das ist das Ergebnis meiner Nacharbeiten und Recherchen zuhause 🙂
Die altehrwürdige Stadt steht ab sofort auf meinem unbedingt besuchen Zettel aus. Lohnt sich in jedem Fall für ein langes Wochenende.
… mit einem Abstecher an die nahe côte d’or.
oh, das problem mit den fehlenden händen kenne ich auch!
tolle fotos – besonders die mit den einkaufswägelchen. schönes wochenende👋🏼❤️🐝👑🐶
Ausruhen ist angesagt. Meine Stadtmarathons gehen in die Beine. LG.
Du findest immer fotogene models in rot mit Einkaufswägelchen, super für die Regenbilder. So eine schöne Stadt, da musst du nochmal bei besserem Wetter hin. Was war das für eine köstliche Pastete zum Mittagessen? Ganz liebe Grüße
Ich tipp emol uf „Jambon persillé“ 😉
Und wynsch alle e scheens Wuchenänd.
du liest die Texte ? 🙂
Jambon persillé. Würfel von Schweineschinken mit einem Jus eingelegt , der aus Fett, Schwarte, Petersilie und heisser Schweinesülze gewonnen wird. Das Ganze in einer Form 1 Stunde kochen. Eigentlich recht einfach. LG