(Endlich) wieder einmal am Doubs. In Biaufond. Die Sonntagsexkursion wurde von Jurri (Dr. Jurriaan de Voos, u.a. Kurator der Herbarien der Basler Botanischen Gesellschaft und des Botanischen Instituts der Uni Basel) organisiert und geleitet.

Bei der Digitalisierung alter Herbarblätter aus dem frühen 18. Jhdt. stiess er auf Archivalien des Neuenburger Naturforschers Abraham Gagnebin (1707-1800). Von Beruf Arzt, verdingte sich Gagnebin als Militärchirurg bei dem Schweizer Regiment in Strassburg. 1735 quittierte er den Dienst und liess sich als Arzt in La Ferrière nieder, im Neuenburger Jura. Hier befasste er sich auch mit Botanik, Meteorologie und Paläontologie. Als Botaniker sammelte und beschrieb er die Flora der Schweiz, vornehmlich im Auftrag eines anderen Schweizer Naturforschers, Albrecht von Haller (der 500 Franken-Haller auf der alten Schweizer Banknote).
Eines dieser Herbarblätter von Gagnebin beschrieb die heute seltene Breitblättrige Glockenblume, Campanula latifolia L.. Auf dem alten Herbarblatt ist der Fundort beschrieben: am Lac Cul des prés unterhalb von La Ferrière. Diesen vor über 250 Jahren beschriebenen Ort wollte Jurri verifizieren; nachsehen, ob es hier noch persistente Exemplare dieser Art gibt.

Nur zu gerne hätte ich als Proviantträger und Botaniklaie die gesuchte, blaue Glockenblume selber gefunden, aber was immer ich fand, gehörte einer andern Art an: zB. Campanula trachelium, die nesselblättrige Glockenblume. Experten sehen das mit einem Blick.

Wie bei botanischen Expedition üblich, wird bei jeder seltenen Pflanze ein längerer Halt eingelegt, dann gehen alle in die Knie oder beugen sich zu Boden, greifen zu ihren Lupen und begutachten und bestimmen die Pflanze nach den Regeln der Wissenschaft. Dann wird nur noch Latein gesprochen. Als botanischer Voll-Laie erfreute ich mich derweil dem Spiel der Sommervögel zuzusehen und nutzte die Pausen, um bei der Hitze Atemholen zu können.

An den Engstellen der Schlucht war es gleich einige Grade kühler.

Die Suche wurde unterbrochen vom Mittagshalt (mit Butterbrot, Käse, Salatblatt, Röstpeperoni) an einem lauschigen, frischen Plätzchen unter riesigen Felstürmen.

Nach 3 Stunden gelangten wir ans hintere Ende der Schlucht Combe de Biaufond mit den berühmten Leitern.

Oben angelangt, wurde schliesslich Professor Boller am kleinen See fündig, erst waren alle enttäuscht, weil die Blumen bereits verblüht waren, doch weiter hinten waren noch Dutzende in voller Blüte: Campanula latifolia L.

Dieselbe Wanderung hatte ich in meinen Doubsberichten schon einmal beschrieben, jedoch in umgekehrter Richtung: 600 Meter hinab, 200 m hoch. Und hatte damals sogar die seltene Glockenblume fotografiert, siehe hier. Nur dass ich damals noch nichts um den Schluchtenschatz wusste.
Auf den Höfen ringsum
läutet es Mittag.
Läutet’s auch Mittag –
in mir? ..
Ich seh‘ eine Glockenblume
neben mir blauen:
mit neun offnen Glocken
und drei noch verschlossnen.
Die läute für mich mit,
nun, da es rings
auf den Höfen
den Mittag läutet.
(Aus: Vormittag-Skizzenbuch – VI. Christian Morgenstern)
Ich liebe Ihre Berichte! Sie haben so einen wunderschönen Schreibstil. Lustig, klug und lehrreich, aber in keinem Fall belehrend.
Auf der Suche nach einem Kochrezept (Rindfleischbrühe klären- ist nach Ihrem Rezept gelungen) bin ich ursprünglich auf Ihre Seite gestoßen und habe Ihren Blog umgehend abonniert. Den heutigen Artikel habe ich als Diplombiologin mit Schwerpunkt Botanik besonders gerne gelesen.
Danke, Schreiben hilft mir, den altersbedingten Degenerationsprozess zu verlangsamen und wenn ein paar Leser daran Freude haben, umso besser.
was willst du auch finden, was du schon gefunden hast. diesmal war es der name……👋🏼❤️🐝👑🐶
Alle Kontinente, Meere, Gipfel und Pole der Welt sind bereits entdeckt. Da heisst es kleinere Brötchen zu backen. 😉
Für die blaue Blume haben sich schon die Romantiker interessiert, vor allem Novalis. Du hast sie sogar gefundenen.
Schönen Sonntag wünsche ich euch
Die romantische Sehnsucht deutet die blaue Blume auch als das Streben nach der Verbindung von Mensch und Natur. So hoch will ich mich nicht versteigen. Ein paar Samen für den Juragarten genügen uns.