Sommer: Die chinesische Mauer, Tortellini, Grissini und Puccini

Die Grosse Mauer

Hard work. Perfektionist Grégoire mauert trocken, ohne Zement. Bewegt auch schwere Jurakalkblöcke an ihren Platz.

6260 km lang, wie die während der Ming-Dynastie erbaute chinesische Mauer, ist sie nicht geworden. Unsere Trockensteinstützmauer stützt nur den steilen Abhang. Wie ihr Vorbild, dient sie auch als Schutzanlage zur Grenzsicherung. Wenn auch nicht gegen mongolische Reiterhorden, sondern zur Abwehr von allzeit gefrässigen Schafen. Das Gras auf unserer Weide den Schafen. Blumen und hoch hängende Früchte für uns, bzw. Raupen und Schnecken. Auf der Mauerkrone sorgen unsere zwei alten, gehörlosen und nahezu blinden Norwich-Terrier für die Einhaltung der Regeln.

Siesta.

Derweil frisst sich eine Schwalbenschwanzraupe (erlaubterweise) am Gewürzfenchel satt.

Ein von der Dachtraufe gespiesener Mückentümpel ersetzt uns das verschwundene, jurassische Meer.

Ricotta-Tortellini mit Zitronenthymian und Safran

Sommerbeginn. Terrassenwetter. Hier mit selbstgemachten Tortellini auf Kardamomlinsen. Rezept siehe hier. Füllung: Ricotta, Zitronenthymian, Zitronenabrieb und -saft sowie Safran.

Etwas aufwendiger: wieder einmal meine Gemüseterrine. Rezept siehe hier. Diesmal mit Stangenbohnen, Pfifferlingen, roten und gelben Paprika.

oder bescheidener: eine Ackerbohnen-Frittata. 250 g enthülste, geschälte Fave. Bundzwiebel, Knoblauch, Pfefferminz und viel Gewürzfenchel. Dazu noch 4 Eier und 50 ml Rahm.

Die von Freunden kürzlich offerierten Parmesan-Grissini nach Giorgio Locatelli schmeckten uns derart gut, dass ich sie gleich nachgebacken habe:

Parmesan-Grissini

50 g Butter
200 g Vollmilch
10 g Frischhefe
375 g Halbweissmehl
ca. 20 g fein geriebener Parmesan
10 g feines Meersalz

(1) Butter in der auf max. 33°C erwärmten Milch schmelzen. Anschließend die Hefe mit einem Schneebesen unterrühren.
(2) Mehl, Parmesan und Salz in die Schüssel einer Küchenmaschine geben, mischen und die Milchmischung hinzufügen. 3 Minuten auf Stufe 1, weitere 6 Minuten auf Stufe 2 kneten.
(3) Teig auf die Arbeitsfläche geben, flach ziehen und mit allen Fingerspitzen Löcher in den Teig drücken. Teig, Löcher nach innen, zusammenfalten, mit einem feuchten Geschirrtuch bedecken und 30 Minuten ruhen lassen.
(4) Prozedere (3) nochmals wiederholen.
(5) Teig längs in 2 Stücke teilen, die Arbeitsfläche mit Mehl bestäuben und jede Hälfte zu einem langen, ca. 10cm breiten Rechteck ausrollen.
(6) Quer ca. 1 cm breite Streifen (ca. 25 g) abschneiden und mit flachen Händen von der Mitte aus zu 30cm langen Grissini rollen. Auf mit Backpapier belegte Bleche legen. Die Enden zu einem flachen Ohr drücken. Zugedeckt ca. 30 Minuten gehen lassen.
(7) Backofen auf 230 °C UL vorheizen.
(8) Ofen auf 190°C herunterschalten und die beiden Bleche ca. 15 Minuten kross und hellgold backen.

Puccini

Gross die Überraschung, als ich im Quotidien jurassienne den Hinweis auf Aufführungen von Giacomo Puccinis „La Bohème“ im ehemaligen Schützenhaus in Moutier las. Oper in Moutier? 7200 Einwohner? In einer Bretterbude? Ein 120 Jahre alter Holzständerbau, mit einem stützenfreien Basilikaähnlichen Mittelschiff, ohne Heizung, ohne Isolation. Allwo früher die obligatorische Schiesspflicht erfüllt werden musste, Schützen- und Sängerfeste, Blaskapellenkonzerte, Bauernmärkte und Versammlungen von Ortsvereinen durchgeführt wurden. Während des Zweiten Weltkriegs diente der Bau als Militärunterkunft, das Mittelschiff als Militärkantine, später als Reithalle.

Ab 1993 wurde die Anlage aufgrund der Unterhaltskosten nicht mehr genutzt. Der „stand de tir“ geriet in Vergessenheit. 2004 entdeckte der argentinische Dirigent Facundo Agudin das Gebäude und überzeugte die Stadtverwaltung, das brach liegende Potential des Gebäudes besser zu nutzen. Eine demontierbare Bühnenausstattung wurde eingebaut. Elektrizität eingezogen, Sicherheitsausgänge eingebaut.

2005 fanden die ersten Sommerfestspiele statt. Der Erfolg des Festivals veranlasste die Stadt, weiter zu investieren. Seither findet im Sommer das Festival „Stand été“ alternierend mit dem Festival „Espace“ für ein junges Publikum statt. Sogar der Foxterrier durfte in die Oper.

Die Oper La Bohème wurde in Kooperation mit einem Chor und Orchester aus Neuenburg und freien Solisten aufgeführt. Auch für verwöhnte, städtische Ohren beeindruckend, u.a. Mimi: Laurence Guillod, Rodolfo: Javier Tomé, Marcello: Alejandro Meerapfel, Musetta: Léonie Renaud. Da die Bühne keinen Vorhang hat, wurden Szenenwechsel des Bühnenbildes offen einbezogen.

Wenn einem sogar Würstchen am Strauch (Blasenstrauch, Colutea arborescens) wachsen, verspricht das, ein guter Sommer zu werden. Leider sind sie nicht bekömmlich.

Auf einen schönen Sommer! Ich beschäftige mich derweil im Schutz der Mauer hinter das Geheimnis der handgezogenen, chinesischen Nudeln zu kommen.

23 Kommentare zu „Sommer: Die chinesische Mauer, Tortellini, Grissini und Puccini“

  1. ❤️dankeschön! gutes gelingen und auch euch einen wunderbaren sommer 👋🏼❤️🐝👑🐶

    1. Noch ein paar kleine Anpassungsarbeiten, dann steht das nächste Projekt an: Schutz der Obstbäume vor Rindenfrass der Schafe.

  2. …so ein Einklang mit Natur und Mensch, so lohnt harte Arbeit den Tag mit einem köstlichen Abendmahl, vor dieser fantastischen Kulisse…

  3. Hallo Robert,
    wie schön, das alles zu lesen! Danke fürs Mitnehmen, fürs Mitträumen in den Jura, zur Oper und zu Deinen Tortellini. Auch wenn vieles Arbeit ist, die Chinesische Mauer wurde ja auch nicht an einem Tag erbaut.
    So eine Schwalbenschwanzraupe hatten wir auch mal im Garten. Habe ich schon länger nicht mehr gesehen. Wahrscheinlich hat sie sich gut versteckt; Fressspuren sind nämlich da.
    Liebe Grüße
    Barbara

    1. Irgendjemand frisst immer. So die Schafe die in Hagnähe wachsenden Kartoffelstauden. Jetzt warten wir nur noch auf Eidechsen. Schlupflöcher und -ritzen hats genug.

      1. Wo bekomme ich in Deutschland Typ 720 ? Diese Mahlgrade lassen mich noch verzweifeln.

  4. Schönes Headerbild. Es hat für mich in seiner Ästhetik etwas von buddhistischen Gärten, selbst die Wildheit wirkt irgendwie beruhigt schreitend.

    1. es ist zwar kein japanischer Steingarten (Kare-san-sui). Falls mir mal die Arbeit ausgeht, könnte ich als Meditation mit dem Holzrechen Wellenllinien in den Schotterkies ziehen.

  5. Schön, dass ich wieder einmal hierher gefunden habe. Deinen Bericht zu lesen machte mir sehr Freude, so leicht ist Deine Mischung von Garten, Kochen, Essen, Leben, Kultur.
    Weiter alles Beste und liebe Grüsse, Erich

  6. Hallo Robert,
    ich stelle mir die gleiche Frage wie Ralf N.
    Seit 2008 bewundere ich Ihren Koch-Blog mit allen Höhen und Tiefen, habe unzählige aufwändige Rezepte nachgekocht und freue mich immer Neues von Ihnen zu lesen.
    Und jetzt – ich hoffe Sie machen eine schöpferische Pause und es geht Ihnen und Frau H. gut.?
    Viele Grüße aus Mühldorf a. Inn
    Ines

  7. Ich danke ihnen für ihre wundervollen Zeilen. Besonders gereut habe ich mich über Das Grisini Rezept gefreut. Ich habe auch gerade welche zum Geburtstag gebacken und sie waren so lecker das ich Ihre noch mal backen werde

      1. …, so schön, wieder von Ihnen zu hören! Ja, Sie haben richtig gefehlt. Um so mehr freut es mich, dass es bei Ihnen jede Woche die köstlichen Grissini gibt.

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